30.
Beim Tode der Wohlgebornen Frauen Johanna Maria Ayrerin, geborner Dornfeldin

1754.

 

Wann der geprüfte Geist, durch manches Leid gepresst,

Den Schmerzens-müden Leib ietzt Hoffnungs-voll verlässt,

Entladen, schwingt er nun das schimmernde Gefieder

Zum Vaterland des Lichts und senkt in Gott sich wieder

In Ketten von Demant liegt, bittrer als der Tod,

Die Sünde unter ihm und die besiegte Noth.

Ihn überstrahlt der Glanz der unerschaffnen Sonne

Mit wechselfreier Lust und schattenloser Wonne.

Entzückt, wirft er noch einst den neuverklärten Blick

Erbarmend auf die Welt und seinen Freund zurück[208]

Und schilt die Thränen nicht; sie sind der Zoll des Lebens

Für die Verstorbnen nur und nicht für uns vergebens.

Uns drückt des Leibes Joch, uns quält die Sündlichkeit,

Undankbar hassen wir den Tod, der uns befreit.[209]