Kapitel 19 - Im Geist beten

In einem gesunden geistlichen Leben unter der vollen Kraft des Geistes ist es ganz natürlich, ohne Unterlass zu beten.[51]

Andrew Murray

Vor fünfunddreißig Jahren fiel mir ein Bibelvers besonders auf, in dem es um das Beten im Geist bzw. Beten mit der Gabe der Zungenrede geht. Darin behauptete der Apostel Paulus, er spreche mehr in Zungen als alle anderen Gläubigen, die in Korinth wohnten.

Ich danke meinem Gott, dass ich mehr in Zungen rede als ihr alle.

1. Korinther 14,18

Zu dem Zeitpunkt hatte ich seit etwa fünf Jahren gegen das Zungenreden gelehrt. Damit war es mir ernst gewesen, ich hatte das Zungenreden für eine große Täuschung gehalten. Aber dieser eine Vers irritierte mich. Ich konnte ihn nicht wegerklären. Wie war es möglich, dass Paulus mehr als die anderen in Zungen sprach? Warum schätzte er diese Gabe so sehr, dass er sich mehr als jeder andere darauf einließ? Bestimmt übertrieb Paulus hier, dachte ich.

Der Vers machte mir zu schaffen. Als apostolischer Leiter der vielen neuen Gemeinden in Kleinasien war Paulus unglaublich beschäftigt, dennoch investierte er auch noch viel Zeit in das Zungenreden – so viel, dass er selbstbewusst behaupten konnte, er wende diese Gabe mehr als jeder andere in der ganzen Stadt Korinth an. Warum war ihm Zungenreden so wichtig?

Über ein Jahr lang rang ich mit diesem Vers. Wenn Paulus das Beten in Zungen so sehr schätzte, wie es aussah, dann musste ich meine Position überdenken. Ich begann zu erkennen, dass uns dieser Vers einen wichtigen Einblick in Paulus’ persönliches Gebetsleben und in seine Sicht von der Gabe der Zungenrede gewährt.

Zwei verschiedene Arten der Gabe der Zungenrede

Jedem wird aber die Offenbarung des Geistes zum Nutzen für alle gegeben. Dem einen wird durch den Geist das Wort der Weisheit gegeben; … einem andern Arten von Zungenreden … Reden alle in Zungen?

1. Korinther 12,7–8.10.30

Denn wer in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott … Wer in Zungen redet, der erbaut sich selbst … Ich wünschte aber, dass ihr alle in Zungen redet.

1. Korinther 14,2.4–5

In seinem ersten Brief an die Korinther beschrieb Paulus zwei verschiedene Arten der Gabe der Zungenrede – zwei unterschiedliche Ausdrucksformen mit zwei unterschiedlichen Zielen. Diesen Punkt hatte ich übersehen, als ich lehrte, dass die Gabe der Zungenrede nicht jedem Gläubigen verfügbar wäre. Als ich erst einmal erkannte, dass es zwei verschiedene Arten von Zungenrede in der Bibel gibt, verstand ich, dass zwei scheinbar widersprüchliche Anschauungen beide biblisch sind: erstens, dass nur einige Christen, nicht alle, die Gabe der Zungenrede haben (1. Kor. 12,30), und zweitens, dass „alle“ die Gabe der Zungenrede empfangen können (1. Kor. 14,5, Mk. 16,17). Ich verstand, dass es einen bedeutsamen Unterschied gibt zwischen der Gabe der Zungenrede, die zum Nutzen des Leibes dient (1. Kor. 12,7), wenn der Sprecher sich an Menschen richtet, und der Zungenrede, die dem Einzelnen zum Nutzen gegeben ist als Gebetssprache für seine persönliche, private Andacht (1. Kor. 14,2.4).

Paulus unterschied zwischen der öffentlichen und privaten Verwendung der Gabe der Zungenrede:

Ich danke meinem Gott, dass ich mehr in Zungen rede als ihr alle. Aber ich will in der Gemeinde lieber fünf Worte mit meinem Verstand reden, damit ich auch andere unterweise, als zehntausend Worte in Zungen.

1. Korinther 14,18–19

Er dankte Gott, dass er mehr als andere in Zungen redete, sagte aber, dass er in der Gemeinde lieber fünf Worte mit seinem Verstand als zehntausend Worte in Zungen sprechen wollte. Anders gesagt, dass er „mehr als alle in Zungen sprach“, bezog sich auf seine persönliche Gebetssprache, nicht auf Anwendung der Gabe in einem öffentlichen Gottesdienst. Hier trifft er eine klare Unterscheidung zwischen den beiden Arten des Sprachengebets.

Es ist wichtig, den unterschiedlichen Nutzen der beiden Arten von Sprachengebet zu verstehen. In 1. Korinther 12, wo Paulus die Gaben des Geistes erklärt, sagte er, die Zungenrede sei „zum Nutzen für alle“ und tue dem ganzen Leib gut, während er in 1. Korinther 14 davon redete, dass sie dem Betenden selbst zur persönlichen Erbauung diene.

In 1. Korinther 12 stellt Paulus eine rhetorische Frage, aus der hervorgeht, dass nicht jeder Christ mit derjenigen Zungenrede begabt ist, die dem Leib dient: „Reden alle in Zungen?“ (V. 30). Später jedoch deutet er an, dass alle die Gabe der Zungenrede für ihr persönliches Leben haben können. Er schrieb: „Ich wünschte aber, dass ihr alle in Zungen redet“ (1. Kor. 14,5). In Vers 39 fügte er hinzu: „Verbietet nicht, in Zungen zu reden.“ Jesus nannte das Phänomen als eines der Zeichen, die den Gläubigen nachfolgen würden:

Diese Zeichen aber werden die begleiten, die gläubig geworden sind: … Sie werden in neuen Sprachen reden …

Markus 16,17 S

Deshalb kann also jeder Gläubige die Gabe der Zungenrede empfangen, um sie persönlich als Gebetssprache in seiner Andacht zu verwenden, aber nicht alle werden die Gabe der Zungenrede für öffentlichen Gebrauch in einem Gottesdienst empfangen. Ich hatte gegen Zungenrede gelehrt auf der Grundlage eines Aspektes der paulinischen Lehre – dass nicht alle die Gabe der Zungenrede haben (1. Kor. 12,30). Ich hatte die Gabe des Sprachengebets, die in der Öffentlichkeit eingesetzt wird, mit der Gabe des Sprachengebets, die als Hilfsmittel zur Andacht im privaten Gebet eingesetzt wird, durcheinandergebracht.

Nutzen der Zungenrede

In 1. Korinther 14 nennt Paulus drei Nutzen des Sprechens in Zungen: Geheimnisse reden (V. 2), sich selbst erbauen (V. 4) sowie Gott loben und ihm danken (V. 17). Sehen wir uns diese drei näher an.

Geheimnisse reden

Denn wer in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht ihn; im Geist aber redet er Geheimnisse.

1. Korinther 14,2

In diesem Vers definiert Paulus den ersten Nutzen der Zungenrede als etwas, was im persönlichen Gebet, in der Andacht von Belang ist: „Im Geist redet er Geheimnisse.“ Wenn wir in Sprachen beten, kommunizieren wir mit dem Heiligen Geist, der uns oft Informationen gibt, mit denen wir Gottes Willen und sein Herz für uns besser verstehen. Geheimnisse reden hat nichts mit der Offenbarung „besonderer Wahrheiten“, die nur wenige wissen können, zu tun. Mit anderen Worten: Bei Paulus hat das Sprachengebet keinen Aspekt von Geheimwissen, Paulus sagt auch nicht, dass wir damit Insider-Informationen über geistliche Dinge bekämen, so wie es die Gnostiker für sich in Anspruch nahmen.

Wenn wir in Zungen – in unserer Gebetssprache – Geheimnisse sprechen, ist unser Verstehen ausgeschaltet und wir wissen nicht, was wir sagen, aber unser Geist kommuniziert mit dem Heiligen Geist, möglicherweise empfangen wir schwache, subtile Eindrücke vom Herrn auf dieselbe Weise, wie uns Worte der Erkenntnis kommen. Diese Eindrücke könnten uns Einblick in die Art geben, wie Gott uns oder jemand anderen durch unser Gebet anrühren möchte. Es könnten Offenbarungen in Bezug auf unsere Berufung sein, auf unser Leben oder Bereiche, in denen wir Schmerz und Zerbruch erfahren haben und für die unser Herz Heilung braucht.

Wenn wir in Zungen beten, empfangen wir vielleicht ein inneres Bild von jemandem oder sehen seinen Schmerz, seine Entmutigung oder eine besondere Not, die er mit sich trägt. Vielleicht bekommen wir einen Hinweis, wie wir für Gottes Absichten beten oder anderen Menschen, Städten und Ländern dienen sollen. Oder der Heilige Geist zeigt uns etwas in unserem eigenen Leben, z. B. die Notwendigkeit, uns vor jemandem zu demütigen oder in einer Beziehung jemandem entgegenzukommen. Oft sind die Geheimnisse, die der Heilige Geist hervorhebt, praktische Dinge, in welchen der Herr uns oder anderen durch uns dienen möchte.

Wenn ich mich darauf vorbereite, in einem Gottesdienst oder auf einer Konferenz zu sprechen, versuche ich so viel wie möglich im Geist zu beten. Auf diese Weise positioniere ich mich, um Eindrücke, Sätze und Leitung vom Heiligen Geist zu empfangen, die mich führen und mir beim Predigen oder Dienen helfen. Manchmal empfange ich, wenn ich in Zungen bete und dabei Geheimnisse spreche, vor einem Treffen ein Wort der Erkenntnis für jemanden, den der Herr anrühren möchte.

Wenn Sie in Zungen sprechen, nehmen Sie sich Zeit, für die Auslegung zu beten: „Darum, wer in Zungen redet, der bete, dass er es auch auslege“ (1. Kor. 14,13). Dann offenbart der Heilige Geist Ihnen vielleicht, was er für eine bestimmte Situation auf dem Herzen hat.

Einer meiner Lieblingstexte ist 1. Korinther 2,10, wo Paulus davon spricht, dass der Heilige Geist die Tiefen Gottes erforscht, um sie uns zu offenbaren. Der Heilige Geist ist unser Begleiter zu den tiefen Dingen in Gottes Herzen, Gottes Wort und seinen Willen. Er lässt uns an seinem Tisch der Erkenntnis Gottes essen.

Denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes. … Wir aber haben … empfangen … den Geist aus Gott, damit wir erkennen, was uns von Gott geschenkt ist.

1. Korinther 2,10.12

Denken Sie sich das, was der Heilige Geist über den Vater und den Sohn weiß, als die ultimative „Suchmaschine“ von Gottes Herzen. Er ist der Einzige, der die tiefen Dinge des Vaters und des Sohnes kennt. Er gibt uns eine Portion dessen, was er erforscht, wenn wir uns mehr auf ihn einlassen, indem wir mit dem Verstand zu ihm reden und im Geist beten.

Sich selbst erbauen

Wer in Zungen redet, der erbaut sich selbst; wer aber weissagt, der erbaut die Gemeinde.

1. Korinther 14,4

In Vers 4 des 14. Kapitels im ersten Korintherbrief hebt Paulus einen weiteren Nutzen des Zungenredens hervor: „Wer in Zungen redet, der erbaut sich selbst.“ Paulus rief nicht zur Nabelschau auf, sondern zum Aufbau unseres geistlichen Lebens. Er ermahnte uns quasi, unsere geistlichen Batterien zu laden. Sich selbst erbauen bedeutet einfach, gestärkt zu werden.

Es ist wichtig, dass wir die Gabe der Zungenrede wertschätzen und sie regelmäßig in unseren persönlichen Gebetszeiten anwenden. Gott gab uns diese Gabe zur geistlichen Stärkung. Wir mögen nichts spüren, wenn wir im Geist beten, sollten aber nicht anhand momentaner Gefühle beurteilen, was passiert.

Auch Judas 20 spricht vom „Beten im Heiligen Geist“ als den persönlichen Glauben aufbauend. Damit wird unser Herz weicher und sensibler für die Dinge des Heiligen Geistes und wir können Geheimnisse empfangen und Gott danken (1. Kor. 14,16). Erbaut zu sein im geistlichen Leben ist ein wesentlicher Aspekt des Lebens im Geist und Dienens in seiner Kraft. Ich kenne niemanden, der im prophetischen oder Heilungsdienst steht und nicht regelmäßig in seiner privaten Gebetszeit in Zungen spricht.

Wie oft stellen Sie sofort das Radio an, wenn Sie sich ins Auto setzen? Nutzen Sie einige Zeit auf Autofahrten, um im Geist zu beten – Sie könnten überrascht sein, wie sehr das Ihrem geistlichen Leben guttut. Oder wie sieht es mit den Stunden aus, die Sie allein in einem Bus oder zu Fuß unterwegs sind oder die Sie im Flugzeug verbringen? Ich versuche immer im Geist zu beten, wenn ich allein reise. Auf diese Weise kann ich die Zeit gut nutzen und mein geistliches Leben erbauen.

Paulus sprach mehrfach davon, Tag und Nacht bzw. ohne Unterlass zu beten (1. Thes. 3,10, 5.17). Ich bin sicher, dass er u. a. deshalb so beständig beten konnte, weil er in Zungen betete, während er mit anderem beschäftigt war, z. B. mit Zeltmachen (Apg. 18,3, 20,34) oder auf seinen Wanderungen von einer Stadt zur nächsten. Während seine Hände Zelte nähten, war sein Herz mit Gott beschäftigt, weil er viel im Geist betete. Als ich verstand, dass Zungenreden der Schlüssel für den Aufbau unseres geistlichen Lebens und das Wachsen in geistlichen Dingen ist, fühlte ich mich herausgefordert, ohne Unterlass beten zu wollen, indem ich wenigstens teilweise in Zungen sprach.

Gott loben und ihm danken

Sonst, wenn du im Geist lobpreist, wie soll der, der die Stelle des Unkundigen einnimmt, auf deine Danksagung das Amen sagen, da er ja nicht weiß, was du sagst? Denn du magst wohl gut danksagen …

1. Korinther 14,16–17

In Vers 16 des 14. Kapitels im ersten Korintherbrief nennt Paulus den dritten Nutzen des Zungenredens: Wir lobpreisen mit unserem Geist und geben Dank. Wen loben wir? Wir loben Gott, wenn wir in Zungen beten oder singen. Paulus schreibt in Vers 2 dieses Kapitels, dass der, der in Sprachen betet, sich an Gott wendet: „Denn wer in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott.“ Wenn wir im Geist beten, dienen wir tatsächlich Gott mit Lob und Dank und er nimmt unseren Dank entgegen. Deshalb ist das Sprechen in Zungen eine Gabe für die persönliche Andachtszeit, die wir verwenden, um Gott auf eine Weise zu loben, zu preisen und zu anbeten, die sich von dem Danken nur mit dem Verstand unterscheidet.

Weil wir im Sprachengebet Gott ansprechen, sollten wir unsere Aufmerksamkeit auf ihn richten und nicht einfach nur gedankenlos in die Luft reden. Wenn ich in Zungen bete, fokussiere ich mein Inneres oft auf die Szene um Gottes Thron im Himmel (siehe Offenbarung 4/Kapitel 23 dieses Buchs) und spreche direkt zum Vater. Zu anderen Zeiten spreche ich den Heiligen Geist an, der in meinem Geist wohnt (Röm. 8,9, 2. Kor. 13,14). Ich ermutige Menschen, zu dem in ihnen wohnenden Geist zu sprechen. Östliche Religionen blicken nach innen, aber ins Nichts: Das ist das Problem. Wir hingegen sehen auf eine reale Person, den innewohnenden Heiligen Geist.

Beten und Singen im Geist

Ich will beten mit dem Geist und will auch beten mit dem Verstand, ich will Psalmen singen mit dem Geist und will auch Psalmen singen mit dem Verstand.

1. Korinther 14,15

„Mit dem Geist“ und „im Geist“ beten ist dasselbe wie in Zungen beten. Wir können mit unserem Verstand beten und mit unserem Geist. Beide Gebetsarten sind wichtig, aber mit unserem Geist zu beten hat andere und tiefere Auswirkungen auf uns als mit dem Verstand zu beten. In Zungen zu beten engagiert unseren Geist im Gebet, und die Gegenwart des Heiligen Geistes beeinflusst und stärkt unseren inneren Menschen und damit auch unsere Gedanken und Gefühle. Paulus betete für die Epheser, dass Gott ihnen gebe, „stark zu werden durch seinen Geist am inwendigen Menschen“ (Eph. 3,16). Auf diese Weise gestärkt zu werden ist etwas, was das Sprachengebet bewirkt. Gott hat uns so gemacht, dass unser Geist durch Zungenrede oder -gesang bei Gott „andocken“ kann (1. Kor. 14,15, Eph. 5,19, Kol. 3,16).

Im Geist zu singen ist eine äußerst hilfreiche Übung. Paulus lehrt, dass wir Gottes Gnade und die Gegenwart des Geistes erfahren, wenn wir die Texte der Heiligen Schrift von Herzen singen:

Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen in aller Weisheit; lehrt und ermahnt einander mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern, und singt dem Herrn fröhlich in eurem Herzen.

Kolosser 3,16

Werdet mit Geist erfüllt, indem ihr untereinander in Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern redet und dem Herrn in eurem Herzen singt und spielt.

Epheser 5,18–19

Unser Herz wird warm und weich, wenn wir spontan das Wort Gottes und im Geist singen; das macht unseren Geist sensibler für den Heiligen Geist. Ich habe entdeckt, dass im spontanen Singen von Bibeltexten zu Gott, immer wieder unterbrochen von Zungengesang, Kraft liegt, und dass das oft dazu führt, dass der Heilige Geist die tiefen Kammern meines Herzens anrührt. Ich möchte Sie ermutigen, dies regelmäßig zu tun.

Das Wort Gottes zu singen macht mehr Eindruck auf unser Herz, als wenn wir es einfach nur sprechen oder hören, wie andere es sprechen. Gott hat das Herz des Menschen so gemacht, dass es von Musik und Gesang tief berührt wird. Wenn wir das Wort Gottes und im Geist singen, erfahren wir Geheimnisse (göttliche Eindrücke vom Heiligen Geist) und gewinnen Erkenntnis aus dem Wort. Der Heilige Geist wird uns immer mehr geben, wenn wir Gottes Wort und im Geist singen.

Es ist eindeutig, dass unsere Gemeinschaft mit Gott durch das Beten oder Singen in Zungen Stärkung erfährt, weil unser Geist darin auf eine Weise mit Gott zu tun hat, die weit über das Beten mit dem Verstand hinausgeht. Mit Zungenreden und -singen können wir Geheimnisse sprechen und empfangen (1. Kor. 14,2), uns erbauen (V. 4), Gott loben (V. 16) und beständig beten (V. 18), und zwar auf glaubensstärkende Weise. Sprachengebet macht unser Herz also weich und sensibilisiert uns für die Dinge des Heiligen Geistes.

Die gute Nachricht ist, dass jeder Gläubige im Geist beten kann, weil das keine besondere Ausbildung oder intellektuelle Fähigkeit erfordert. Es ist eine sehr hilfreiche geistliche Gabe für das Wachsen im Gebet. Sie erleichtert das Beten über längere Zeit, weil wir nicht immer wieder andere Wege finden müssen, unsere Gedanken auszudrücken. Unser Geist hat mühelose Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist, wenn wir in Zungen beten.

Rücksicht beim Zungenreden

Wenn jemand in Zungen redet, … einer lege es aus. Wenn aber kein Ausleger da ist, dann schweige er in der Gemeinde, rede aber für sich selbst und Gott.

1. Korinther 14,27–28

Paulus redet von Zeiten im Gottesdienst, wo es besser ist, nicht laut, sondern lieber für sich selbst und zu Gott in Zungen zu beten. Er behandelt dieses Rücksichtnehmen als einen praktischen Ausdruck des Bemühens, die Gemeinde zu erbauen (V. 12) und in der Liebe nach Vollkommenheit zu streben. Auch wenn wir für uns selbst und zu Gott in Zungen sprechen, beten wir effektiv.

In einer öffentlichen Zusammenkunft wie einem Gottesdienst oder Gebetstreffen ist es wichtig, andere nicht mit Zungenbeten abzulenken. Ein öffentlicher Gebetsraum ist wie ein öffentliches Wohnzimmer. Viele verschiedene Persönlichkeitstypen teilen dieses „Wohnzimmer“ und die meisten sind da, um mit Gott in Verbindung zu treten. Sie finden es vielleicht sowieso schwierig, sich gegen Ablenkungen zur Wehr zu setzen, z. B. abschweifende Gedanken, beunruhigende Situationen, ihr Handy, die Menschen um sie herum, die Musik, die Temperatur, das Licht im Raum etc. Normalerweise kostet es Mühe, sich trotz solcher Ablenkungen gut auf Gott einzulassen.

Deshalb müssen wir in Versammlungen Rücksicht auf andere nehmen, indem wir still in Zungen beten und so zusätzliche Ablenkung vermeiden. Wenn die Mehrheit der Teilnehmer im Gebetstreffen im Geist singt oder zusammen laut in Zungen betet, dann schließen Sie sich unbedingt an. Wenn aber die große Mehrheit nicht gemeinsam im Geist singt oder betet, dann ist es ein Ausdruck von Liebe, seine Umgebung nicht abzulenken, sondern still in Zungen zu Gott zu beten (V. 28).

Mit anderen Worten: Wenn Sie zu den einzigen paar Leuten in einer Versammlung gehören, die in Zungen beten, dann tun Sie es still für sich. Beten Sie nicht so laut, dass die drei Reihen vor und hinter Ihnen Sie hören können und abgelenkt werden. Vergessen Sie nicht, dass manche in Ihrer Nähe sich vielleicht gerade sehr bemühen, ihr Denken auf den Herrn auszurichten. Leise in Zungen zu beten, unterdrückt den Geist nicht, im Gegenteil, es freut den Herrn, wenn wir Liebe und Rücksicht gegenüber den Seinen zeigen.

Wir können fast überall still in Zungen beten, ohne dass andere uns hören. Ich tue es in meinen Besprechungen mit den Verantwortlichen, beim Essen im Familienkreis, beim Einkaufen und im Restaurant, auch wenn ich Auto fahre, wenn ich zum nächsten Treffen über den Flur gehe oder mich mit einem Freund treffe.

In seinem Buch The Walk of the Spirit – The Walk of Power schreibt Dave Roberson:

Immer wieder kommen Leute zu mir und fragen: „Wie beten Sie denn in Zungen, Bruder Roberson?” Ich antworte einfach: „So“, und dann mache ich es vor und bete im Flüsterton. „Aber beten Sie denn nicht laut?“ „Nein, normalerweise nicht“, entgegne ich. „Gott ist nicht schwerhörig.“ (Es macht ihm natürlich auch nichts aus, wenn ich lauter bete.)

Einmal fragte mich jemand: „Aber wie steht es um die Zungenrede bei geistlicher Kampfführung?“ Ich fragte: „Wie machen Sie das denn?“ Mein Gesprächspartner führte es vor und brüllte fast in Zungen. „Warum brüllen Sie so laut, wenn Sie mit Gott sprechen?“, fragte ich. „Nun, ich dachte, ich spreche ja den Teufel an.“ „Nein, nein, 1. Korinther 14,2 sagt, dass Sie zu Gott reden. Wenn Sie möchten, können Sie natürlich so laut beten.“ … Aber es geht nicht darum, ob man schreit oder flüstert, wenn man in Zungen betet. Mit Schreien in Zungen bewirken Sie nicht mehr für das Reich Gottes als mit Flüstern in Zungen, denn der Heilige Geist ist es, der das gibt, was Sie aussprechen. Nicht Sie haben die Worte geschaffen, er hat sie geschaffen. Und wenn der Heilige Geist der Ursprung Ihrer Worte ist, sind sie immer voller Kraft. (Dasselbe gilt für Anbetung: Es geht nicht darum, wie laut oder leise Ihre Anbetung ist, es geht darum, wie viel von Ihrem Sein Sie in Ihre Anbetung hineinlegen.)[52]

Beten in Zungen und der Missionsbefehl

Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung. … Die Zeichen aber, die denen folgen, die glauben, sind folgende: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, mit neuen Sprachen reden …

Markus 16,15.17

Es ist von Bedeutung, dass Jesus Zungenreden im Kontext des Missionsbefehls erwähnte. Leider vernachlässigen manche ernsthaften Christen diesen Teil der Bibel, wie auch ich es ein paar Jahre lang in meiner Anfangszeit mit dem Herrn tat. Aber es ist am besten, die ganze Schrift zu beachten. Ich glaube, wir werden die Nationen effektiver zu Jüngern machen, wenn wir sowohl Dämonenaustreibung als auch Zungenreden einschließen. Sie gehen Hand in Hand bei der erfolgreichen Umsetzung des Missionsbefehls.

John G. Lake (1870–1935) war, wie schon erwähnt, ein kanadisch-amerikanischer Leiter in der Pfingstbewegung. Sein Dienst war außergewöhnlich kraftvoll, und Gott gebrauchte ihn in der vielleicht größten Demonstration des Geistes durch einen Menschen im zwanzigsten Jahrhundert. Man berichtet von über fünfhunderttausend Heilungen durch seinen Dienst in Südafrika in den fünf Jahren von 1908 bis 1913. Lake betete jeden Tag stundenlang in Zungen, und er sagte: „In Zungen zu beten macht meinen Dienst aus.“ Im Jahr 1980 hatte ich das Vorrecht, Lakes Tochter und seinen Schwiegersohn zu treffen, Gertrude und Wilford Reidt, die von Lake sagten: „Er war ein Beter.“ Lakes Tochter erzählte mir, dass einer der Schlüssel für seinen übernatürlichen Heilungsdienst die Tatsache war, dass er täglich stundenlang in Zungen betete.

Kenneth Hagin (1917–2003), ein amerikanischer Pfingstprediger, schrieb über die Anfänge seines Dienstes, in denen er vier bis fünf Stunden täglich in Zungen betete. Der Heilige Geist gebrauchte ihn mächtig, und viele Heilungen und Wunder ereigneten sich durch seinen Dienst.

Auch Smith Wigglesworth (1859–1947), ein großer britischer Evangelist, ungebildet und aus armer Familie, hatte einen der großen Heilungsdienste des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine mächtigen Heilungen sind bekannt und in vielen Büchern beschrieben. Er erzählte, dass er oft in Zungen betete. Zum Beispiel schrieb er einmal: „Ich behaupte, dass man bei konstanter Erfüllung morgens, mittags und abends in Zungen spricht.“[53]

Yonggi Cho (geboren 1936), war Pastor der größten Gemeinde der Geschichte – der berühmten Full Gospel Church in Seoul in Südkorea – mit mehr als fünfhunderttausend aktiven Mitgliedern. In den ersten Jahren seines Dienstes betete er vier bis sechs Stunden täglich in Zungen. Einer der Männer, die ihn gut kennen, erzählte mir, dass einmal einige Leiter planten, nach einem langen Vormittagstreffen mit ihm zu Mittag zu essen. Aber Cho sagte: „Ich kann nicht zum Essen gehen, weil ich heute Abend um sieben einen Dienst habe.“ Als sie darauf hinweisen, dass es doch erst zwei Uhr sei, antwortete er: „Aber ich brauche vier Stunden Sprachengebet vor dem Gottesdienst, um mein Amt effektiv ausüben zu können.“

Wenn Leute, die mit solch gewaltigen Diensten betraut wurden, das Beten im Geist so sehr wertschätzten, dann werden sicherlich auch wir vom häufigen Sprachengebet profitieren. Ja, je mehr wir in Zungen beten, desto mehr wird Gottes Kraft in unserem Leben und Dienst sichtbar werden. Mit vermehrtem Beten können wir nicht das Privileg verdienen, von Gott gebraucht zu werden, aber wir können uns damit so positionieren, dass wir mehr vom Heiligen Geist empfangen.

Ich ermutige Christen, zu Anfang dreißig Minuten täglich im Geist zu beten. Oft merke ich, dass mein Kopf erst nach etwa einer Viertelstunde Sprachengebet zur Ruhe kommt und ich „reinkomme“. Danach ist es viel leichter, sich dauerhaft auf Gott zu konzentrieren.

Darum, Brüder, bemüht euch um Weissagung und verbietet nicht, in Zungen zu reden.

1. Korinther 14,39

Paulus sagte den Korinthern: „Verbietet nicht, in Zungen zu reden.“ Ein Verbot des Sprachengebets hieße den Segen der geistlichen Erbauung und des Sprechens von Geheimnissen zu verringern. Es hieße, dass wir die Dinge des Geistes nur eingeschränkt erleben könnten.

In Zungen zu sprechen ist von universellem Nutzen für alle Christen. Es ist nicht nötig oder der Beweis dafür, dass wir erlöst sind; nein, es handelt sich vielmehr um ein Vorrecht, das uns durch das Wirken Jesu und das Innewohnen des Geistes verfügbar ist. Es ist nicht reserviert für die mit einer besonderen Berufung. Es erfordert keine besondere Ausbildung, Qualifikation oder Vorbereitung. Es ist eine freie Gabe an alle, erworben durch das Blut Jesu.

Die Gabe der Zungenrede empfangen

Jedem Menschen, der Jesus angenommen hat und von ihm erlöst wurde, steht die Gabe der Zungenrede als persönliche Gebetssprache zur Verfügung. Wenn Sie Ihre Gebetssprache für Ihre Andacht (die Gabe der Zungenrede) noch nicht empfangen haben, dann können Sie jetzt darum bitten. Es ist ganz einfach: Bitten Sie einfach den Vater um diese besondere Gnade des Geistes.

Manche Leute sagen, wenn der Geist wolle, dass sie in Zungen sprechen, dann würde er sie dazu bringen. Der Geist wird aber niemanden „zwingen“, irgendetwas zu tun, auch nicht, in Zungen zu sprechen. Manche warten auf ein überwältigendes geistliches Gefühl, aber oft rührt uns der Geist wie ein sanfter Windhauch an. Deshalb verspüren Sie die Gegenwart Gottes vielleicht ganz schwach, wenn Sie um die Gabe der Zungenrede beten, oder Sie fühlen sich nur sanft gedrängt, etwas auszusprechen. Ich ermutige Sie, die Worte auszusprechen, die der Geist Ihnen in Ihrer neuen Gebetssprache gibt, und zu sehen, was passiert. Es ist nicht immer spektakulär – manchmal beginnt es ganz dezent. Gott ist treu und gibt seinen Kindern gute Gaben, wenn sie ihn bitten. Wenn Sie im Gebet wachsen wollen, ermutige ich Sie, diese Gabe regelmäßig zu nutzen.

[51] Andrew Murray, The Ministry of Intercession (London: James Nisbet & Co., Limited, 1899), Seite 202.

[52] Dave Roberson, The Walk of the Spirit – The Walk of Power: The Vital Role of Praying in Tongues (Tulsa, OK: Dave Roberson Ministries, 1999).

[53] Smith Wigglesworth, Ever Increasing Faith (N.p.: Zao Ministries International, n.d.), S. 81. Dieses Buch ist Public Domain und ist in verschiedenen Versionen von unterschiedlichen Verlagen veröffentlicht worden. Deutsch: Stets wachsender Glaube (Lüdenscheid: Asaph 1995).