In letzter Sekunde

Maximilian und Anna sitzen auf der hintersten Bank im Park. Ein paar Bänke von ihnen entfernt sitzt ein Liebespärchen und tauscht Küsse aus. Maximilian und Anna tun so, als würden sie es nicht sehen. Eine Zeitlang hängen sie schweigend ihren Gedanken nach.

Irgendwann schüttelt Anna kaum merklich den Kopf.

»Was ist?«

»Dass er uns einfach so hereingerufen und sich mit uns auf die Terrasse gesetzt hat, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt.« Wieder schüttelt sie leicht den Kopf.

»Für ihn ist es das.«

»Nimmt sich Zeit, mit uns zu reden, obwohl er mich überhaupt nicht kennt«, sagt Anna, als könne sie es noch immer nicht begreifen.

»Zu ihm kannst du jederzeit kommen. Und wenn er mal keine Zeit hat oder nicht gestört werden will, hängt er ein Schild an die Tür. Auf dem steht: ›Ich freue mich über Deinen Besuch – ein andermal.‹«

Anna schaut Maximilian zweifelnd an.

»Das stimmt!«

»So wie Andreas hat noch nie ein Erwachsener mit mir geredet.«

Maximilian nickt. »Zu mir hat er auch noch nie gesagt, dafür bist du noch zu jung oder das verstehst du eh nicht oder denk nicht so viel über Gott und die Welt nach.«

»Solche Erwachsene sollte es viel mehr geben.«

»Und solche Mädchen wie dich«, rutscht es Maximilian heraus.

Sie wendet den Kopf zu ihm und lächelt ihn geheimnisvoll an.

»Muss Liebe schön sein!«

Ketchup und Josip kommen hinter einem Strauch hervor und stellen sich breitbeinig vor die beiden hin.

»Verschwindet!«, sagt Anna.

Ketchup grinst. »Bleib cool, Schnecke. Der Park gehört nicht euch allein, auch wenn ihr hier rummachen wollt.«

»Haut ab!«

»Was wollt ihr?«, fragt Maximilian.

Ketchup tut erstaunt. »Ey, Alter, du willst doch ein neuer Einstein sein. Dann müsstest du das checken.«

»Ihr wollt mich verprügeln.«

»Ey!«, sagt Ketchup und stößt Josip an. »Hast du gehört, Alter? Er ist gar nicht so dumm, wie er aussieht.«

»Maxi ist überhaupt nicht dumm!«, ruft Anna.

»Halt du die Klappe!«

»Ich rede, solange ich will!«

»Es ist besser, du verpisst dich, Schnecke«, sagt Ketchup drohend. »Sonst …«

»Warum?«, fragt Maximilian dazwischen.

»Was warum?«, gibt Ketchup verwirrt zurück.

»Warum wollt ihr mich verprügeln?«

Ketchup schaut Josip an, so, als erwarte er von ihm, dass er die Frage beantwortet.

»Hast du die Sache mit dem Hirni vergessen?«

»Hirni?«, fragt Maximilian.

»Tu doch nicht so blöd. Du weißt genau, was ich meine!«, zischt Josip.

Maximilian überlegt, wie er Anna und sich hier heil rausbringen kann. »Ihr könnt mich jetzt verprügeln, weil ich allein bin …«

»Du bist nicht allein«, sagt Anna.

Ketchup lacht. »Ey, krass, Mann! Deine Schnecke will dich beschützen. Wie süß!«

Anna will etwas sagen, aber Maximilian kommt ihr zuvor und bringt seinen Gedanken zu Ende: »… aber morgen ist Yasin bei mir. Und wenn es darum geht, euch zwei zu verprügeln, machen Jonas und Potter gern mit, das ist euch klar. Dann könnt ihr natürlich auch Verstärkung suchen und uns wieder verprügeln, dann wir wieder euch und so weiter.«

»Du laberst zu viel«, brummt Josip.

»Aber er hat recht«, sagt Anna. »Wohin soll das führen? Wollt ihr euch am Ende alle die Schädel einschlagen?«

»Halt du dich da raus!«, sagt Josip.

Ketchup tippt sich an die Stirn. »Schädel einschlagen! Du tickst doch nicht richtig. Es macht einfach Fun, einen zu verprügeln.«

»Mir nicht«, sagt Maximilian.

»Du bist ja auch …«

»Maxi!«, ruft in diesem Augenblick jemand. »He, Maxi!«

Alle vier schauen sich um.

»O nein, der Hirni!«, sagt Josip.

Schneller als er und Ketchup denken können, kommt Liliput angestürmt, sodass Bubbi hinter ihm her fliegt. Und als er vor den vieren steht, spürt er, dass irgendetwas nicht stimmt.

»Was ist los?«, fragt er Maximilian.

Der zögert mit einer Antwort.

»Wollen die dir etwas tun?« Liliput zeigt auf Josip und Ketchup. Plötzlich starrt er Ketchups Pullover an. Dabei scheint sein Gehirn zu arbeiten. »Der Pulli … der sieht aus … das Feuer … mein Bubbi … du hast ihn gebrannt …«

Vor lauter Aufregung bringt Liliput keinen Satz zustande. Er redet auch nicht weiter, sondern tritt nach Ketchup.

»Ich war’s nicht, Josip war’s!«

»Das ist nicht wahr!«, ruft Josip und rennt davon.

Liliput packt Ketchup und stößt ihn zu Boden.

»David, hör auf!«, ruft Maximilian.

Doch Liliput ist nicht zu bremsen.

»Hör sofort auf, sonst bin ich nicht mehr dein Freund!«

Diese Drohung wirkt. Liliput lässt von Ketchup ab und starrt Maximilian schwer atmend an. »Maxi … du …«

»Nur wenn du aufhörst, den zu schlagen, bin ich weiter dein Freund«, sagt Maximilian.

Liliput schaut auf Ketchup hinunter und macht zwei Schritte rückwärts. Da fällt ihm sein Hund ein, den er im Kampfgetümmel verloren hat. »Bubbi?«

»Dort drüben liegt er«, beruhigt ihn Maximilian. »Dem ist nichts passiert.«

Erleichtert hebt Liliput seinen Hund auf. Ketchup rappelt sich hoch.

»Hat die Prügelei Fun gemacht?«, fragt Maximilian.

»Den Hirni zeig ich an, der gehört doch in die Klapse«, brummt Ketchup.

»Noch ein Wort, und ich erzähle, was ihr in der alten Fabrik getan habt«, droht Maximilian.

Zwischen den Zähnen Verwünschungen hervorstoßend verzieht sich Ketchup.

»Bist du mein Freund?«, fragt Liliput verunsichert.

»Klar bin ich dein Freund«, antwortet Maximilian.

Liliput lächelt erleichtert. »Maxi ist mein Freund«, sagt er zu Anna. »Und du bist auch mein Freund.«

Sie nickt.

»Aber du darfst nicht mehr so fest zuschlagen«, sagt Maximilian.

»Die sind bös … haben Feuer gemacht … und wollten meinen Bubbi verbrennen und …«

»Ja, die zwei sind bös. Trotzdem darfst du nicht so fest zuschlagen, sonst …« Maximilian spricht nicht weiter, weil er Liliput keine Angst machen will. Deswegen sagt er nur noch: »Versprich mir das!«

»Ich versprich dir das.«