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Nachwort von Beta Greenway,

Tochter von Alpha Jefferies

 

Ich bin eine Jupiterin. Ich lebe ein geordnetes Leben. Meine Handlungen sind wohlüberlegt. Ich freue mich, dass ich zu diesem Bericht etwas beitragen darf.

Da die Jupitermonde wenig an sich haben, das Menschen in emotionaler Hinsicht berührte, wurden sie nicht so rücksichtsvoll wie der Mars behandelt. Raumsonden, begleitet von einem Frachtschiff, kamen um die Jahrhundertwende in der Region an, die Galilei ursprünglich als die ›Medici-Sterne‹ bezeichnet hatte, unsere vier Monde. Auf Ganymed wurde eine Basis errichtet, während Maschinauten die anderen Trabanten, vor allem Io und Europa, untersuchten.

Mit Hilfe biotechnisch gezüchteter Insekten wurde Ganymed bewohnbar gemacht. Diese kurzlebigen Arten hatte man vorab entsandt, damit sie den Boden aufweichten und auf menschliches Leben vorbereiteten. Ihre Geschwader schwärmten zur Landnahme aus, lange bevor wir hier ankamen. Bei den ersten Marslandungen war ein solches Vorgehen noch gar nicht möglich.

Das Leben hier ist angenehm, an Beschäftigung mangelt es nicht. Gerade stelle ich ein Dossier mit dem Titel ›Pluto als Hort des Lebens‹ zusammen. Die Sonne ist zwar weit entfernt, aber wir genießen den wunderbaren Anblick von Jupiter am Himmel. Und auch den der anderen Monde.

Die Suche nach Erkenntnis geht weiter und erstreckt sich in immer weitere Fernen. Seit einiger Zeit wird jenseits des Sonnensystems, jenseits der Oort'schen Kometenwolke, gearbeitet. Dort wird demnächst ein Chheeth-Rosewall in Betrieb gehen, viel größer als der winzige HIGMO-Detektor, der vor hundert Jahren auf dem Mars gebaut wurde und sich als Fehlschlag erwies. Der Durchmesser des neuen Detektorrings ist etwa so groß wie der eines äußeren Saturnrings, doch er ist nur wenige Millimeter dick. Die Supraflüssigkeit hat daher auch kein allzu großes Volumen, aber wir gehen dennoch davon aus, dass wir dort schließlich einen gravitativen Monopol verborgener Symmetrie, einen HIGMO, entdecken werden. Die HIGMO-Dichte ist sehr viel geringer als erwartet, und doch gilt diese Forschung inzwischen als überaus wichtig: Es wird angenommen, dass sie nicht nur wesentliche Erkenntnisse über die Natur des Bewusstseins bringen, sondern auch das Rätsel der Masse lösen wird – und dann werden wir auch in der Lage sein, unsere Gedanken kreuz und quer durch das Universum zu schicken … Wer weiß, auf was wir dort stoßen werden?

Ich habe keine Verbindung zu der Person, die meine Mutter war. Sie lebt auf Iapetus, draußen beim Saturn. Aber ich werde ihr dieses Nachwort übermitteln, so dass sie es den Erinnerungen ihrer Mutter hinzufügen kann. Ehrlich gesagt, belustigt mich die Vorstellung, dass Babys früher von Müttern zur Welt gebracht wurden. Wie umständlich und ineffizient – und wie unangenehm für die Frauen! Wir haben keine Familien. Die Jupiter-Generationen wachsen inzwischen alle außerhalb des Uterus heran, wobei unsere Gene mit denen von Pflanzen verbunden werden. Wenn unsere Lungen ausatmen, atmet unser Blattwerk ein; was das Blattwerk emittiert, atmen wiederum die Lungen. So sind wir über längere Zeit hinweg unabhängig von Schutzanzügen.

Wir sind ein Volk von Mathematikern. Bis zum Ende ihres ersten Lebensjahres können die Kinder die Umlaufbahnen aller Matrixkörper berechnen, die wir hier kreisen sehen.

Nachdem wir Chimborazo beigebracht haben, wie er sich vermehren kann, haben wir immer und überall kleine Chimbos mit dabei. Wir profitieren von ihrem Scharfsinn. Man kann sogar sagen, dass Menschen und Chimbos eine symbiotische Einheit bilden. Gemeinsam mit ihnen werden wir durch das Universum reisen, zu Regionen weit jenseits der Heliopause, und ihm seine Geheimnisse entlocken. Da wir Utopisten sind, werden wir es schaffen.

Man kann mit Stolz feststellen, dass die Menschheit, die aus Lebensformen hervorgegangen ist, deren Verstand, wie Darwin sagte, ›so wenig ausgeprägt war wie bei den niedrigsten Tierarten‹, endlich zur Vernunft gekommen ist.