VIERZEHN

Der chemische Sprengstoff explodierte, als der Laster die Barrikade durchbrach. Die mächtige Erschütterung ließ das Gebäude erzittern. Feuer und Rauch wogten durch das Erdgeschoss. Metallsplitter, Betonbrocken und Glasscherben flogen durch die Luft. Die Eingangshalle und jeder darin wurden auf einen Schlag ausgelöscht. Als der wallende Qualm sich lichtete, kamen verbogene Stahlträger und orange züngelnde Flammen zum Vorschein.

Erstaunlicherweise blieb das Gebäude stehen.

Ob beobachtete das Geschehen durch sein Fernglas. Seine grauen Lippen verzogen sich zu einer Grimasse.

»Die Bombe hatte nicht ganz die Wirkung, die ich erhofft hatte. Die Explosion sollte eigentlich die ersten fünf Etagen vernichten. Stattdessen hat sie nur einen Teil des Erdgeschosses und der Parkgarage zerstört. Das Gebäude wurde immer als unzerstörbar angepriesen. Der Architekt war ein echter Quälgeist, der zu Übertreibungen und Selbstbeweihräucherung neigte. Anscheinend war es allerdings doch keine Übertreibung. Egal. Macht die Artillerie und die Mörser bereit. Vernichtet den Abschnitt, in dem sich der Generator des Gebäudes befindet. Ich will, dass der Strom sofort stillgelegt wird. Außerdem sollen die Panzer nach vorne und weitere Eingänge schaffen, und schickt die erste Angriffswelle der Bodentruppen rein.«

Während die Reihe der Panzer auf den Wolkenkratzer zurollte, rannte eine Horde der Zombies über den Platz auf das klaffende Loch zu, das die Autobombe gesprengt hatte. Ohne auf den Schaden zu achten, den sie ihren Körpern zufügten, liefen sie durch die Flammen. Auf der anderen Seite verließen ihre brennenden Leiber das Feuer wieder. Ohne langsamer zu werden, kletterten sie über das Geröll. Gleich darauf drangen sie in die Treppenhäuser vor, um sich auf die Suche nach Beute zu begeben. Als die Treppen überfüllt waren, kletterten sie sogar die Fahrstuhlschächte hoch, indem sie die Wartungsleitern und Kabel verwendeten.

Dann begannen die Schreie.

Die Fahrstuhltüren glitten auf. Danny drückte Jims Hand fester, als sie aus dem Aufzug traten.

»War das Donner, Daddy?«

»Hat sich jedenfalls so angehört. Ich glaube, es hat fast die ganze Nacht geregnet. Aber du hast doch keine Angst vor etwas Blitz und Donner, oder?«

Danny schüttelte den Kopf. »Nein, aber Frankie vielleicht.«

»Wie kommst du darauf?«

»Weil sie ein Mädchen ist.«

»Da würdest du dich aber wundern«, kicherte Jim. »Frankie ist ziemlich hartgesotten. Mädchen können eigentlich alles, was Jungen können – ganz besonders Frankie. Ich wette, sie wird sich freuen, uns zu sehen.«

Sie gingen los. Trotz des Alarms überraschte es Jim, dass keinerlei medizinisches Personal anwesend zu sein schien. Im gesamten Stockwerk herrschte gespenstische Stille. Seine Schritte hallten von den Fliesen wider.

»Magst du Frankie, Daddy?«

»Sicher mag ich sie. Immerhin hat sie mir geholfen, dich zu finden.«

»Wirst du sie heiraten, weil Mami und Carrie jetzt tot sind?«

Die Frage ließ Jim jäh innehalten.

»Wie um alles in der Welt kommst du denn darauf?«, fragte er.

Danny zuckte mit den Schultern. »Ich finde, sie ist hübsch.«

Das ist sie tatsächlich, dachte Jim. Aber bei allem, was geschehen ist, habe ich bis jetzt eigentlich nie darüber nachgedacht.

»Ich denke, im Augenblick müssen wir uns um wichtigere Dinge kümmern«, sagte Jim und hoffte, Danny würde das Thema wechseln.

Doch der Junge ließ sich nicht beirren. »Ich glaube, sie wäre eine gute Mami.«

Sie näherten sich Frankies Krankenzimmer. Jim überlegte, ob er seinem Sohn erklären sollte, dass Frankie schon mal eine Mutter gewesen ist und was aus ihrem Kind geworden war. Doch er entschied sich dagegen. Danny hatte genug Grauen miterlebt und reichlich traumatische Erlebnisse hinter sich. Er verdiente Zeit, um wieder ein Kind zu sein, frei von Gewalt und Schrecken.

»Daddy?«

»Was, Kumpel?«

»Ich rieche Rauch. Irgendwo brennt es.«

Bevor Jim etwas erwidern konnte, öffnete sich die Tür des Krankenzimmers, und ein Mann kam heraus. Er trug eine zerknitterte graue Hose und ein schweißfleckiges weißes Hemd. In der rechten Hand hielt er eine Pistole. Trotz des etwas zerrütteten Aussehens erkannte Jim ihn sofort. Er hatte Darren Ramsey vor sich.

Ihm folgte ein großer, ungekämmter Mann, der Frankie in einem Rollstuhl vor sich herschob. Sie war geknebelt und mit Gummischläuchen an die Armlehnen des Rollstuhls gefesselt worden. Ein dünnes Rinnsal Blut rann ihr aus der Nase. Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung, als sie Jim und Danny erblickte.

»Frankie!«

»Bleiben Sie, wo Sie sind«, befahl Ramsey. »Wir wollen niemandem etwas tun. Ich bin Darren Ramsey.«

»Ich weiß, wer Sie sind«, sagte Jim und zog Danny zu sich. »Das ist meine Freundin, die Sie da an den Rollstuhl gefesselt haben.«

»Ich kann Ihnen versichern, das ist zum Besten der jungen Dame. Ihr Wohl – tatsächlich unser aller Wohl – ist mein oberstes Anliegen.«

»Blutet deshalb ihre Nase?«

»Sie wurde widerspenstig. Ihr Verhalten war recht unbesonnen. Bestimmt wissen Sie, dass dieses Gebäude angegriffen wird. Wir haben sie nur gefesselt, damit wir sie in Sicherheit bringen können.«

Frankie grunzte und wehrte sich gegen den Knebel. Der Griff des fettleibigen Mannes um den Rollstuhl verstärkte sich.

»Angegriffen?« Jim trat vor Danny und ging langsam auf den Milliardär zu. »Ich weiß, dass es einen Alarm gab, aber ich habe nichts von einem Angriff gehört. Wohin wollen Sie mit ihr?«

»In Sicherheit. Sie wird unsere neue Eva.«

»Ich finde, dass sollten Sie sie besser selbst entscheiden lassen.«

»Keinen Schritt weiter, Mr. Thurmond.« Ramsey hob die Pistole an.

»Woher kennen Sie meinen Namen?«

»Ich weiß alles über meine Kinder, auch wenn sie aufrührerisch und respektlos sind wie Mr. Bates im Augenblick. Hat er Ihnen auch gesagt, dass er mich für verrückt hält?«

»Jetzt passen Sie mal auf«, sagte Jim und hob die Hände. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Wenn Sie und Bates ein Problem miteinander haben, dann müssen Sie das unter sich ausräumen. Ich weiß nur, dass Sie meine Freundin an diesen Rollstuhl gefesselt haben und dass sie verletzt ist. Warum binden Sie Frankie nicht einfach los, dann gehen wir unserer Wege, und Sie können tun, was immer Sie vorhaben.«

»Wir versuchen, sie zu retten.« Ramsey seufzte. »Und Sie stellen meine Geduld auf die Probe, Mr. Thurmond. Ich biete Ihnen und Ihrem Sohn dieselbe Rettung an. Kommen Sie mit uns. DiMassi und ich haben vor, diesen Ort zu verlassen. Der Ramsey Tower könnte diesem Angriff standhalten, aber da Bates das Kommando an sich gerissen hat, ist die Verteidigung geschwächt. Unsere Zeit hier ist vorüber.«

Mit einem zuversichtlichen Lächeln streckte er Jim die freie Hand entgegen. Die andere verstärkte den Griff um die Pistole.

Neben ihm grunzte Frankie erneut. »Mhhmm. Hhhmmm.«

»Keine Chance«, erklärte Jim und blieb, wo er war.

»Dann lassen Sie mir keine andere Wahl.« Ramsey zielte mit der Pistole auf seine Brust. »Sie stehen zwischen mir und dem Fahrstuhl aufs Dach. Gehen Sie aus dem Weg, Mr. Thurmond, oder ich garantiere Ihnen, dass Sie und Ihr Sohn sich den Reihen der Untoten anschließen werden.«

»Lassen wir das doch, Mr. Ramsey«, grunzte DiMassi. »Nehmen wir einfach die Treppe am anderen Ende des Flurs.«

Jim ballte die Fäuste und flüsterte: »Danny, lauf zurück zu den Fahrstühlen und hol Hilfe.«

Stattdessen trat Danny vor und ballte die kleinen Händchen wie sein Vater zu Fäusten.

»Lassen Sie meinen Daddy in Ruhe und Frankie frei!«

Ramsey lachte. »Das ist genau die Gesinnung, die für die nächste Generation der Menschheit nötig ist, um zu überleben. Du wirst ein Musterbeispiel dafür sein, junger Mann. Du darfst mit uns kommen.«

Danny rannte vorwärts und trat Ramsey gegen das Schienbein. Bevor Jim sich rühren konnte, packte DiMassi den Jungen. Er drehte Danny den Arm auf den Rücken und verwendete Jims Sohn als Schild. Danny schrie auf.

»Keine Bewegung, Thurmond«, brüllte Ramsey. »Tun Sie, was ich sage, und ich gebe Ihnen mein Wort darauf, dass Ihr Junge leben wird. Tun Sie es nicht, töte ich Sie beide und fange mit ihm an.«

»Das wird das Letzte sein, was Sie tun, Sie schäbiger Mistkerl. Lassen Sie ihn sofort frei.«

»Das ist nicht der rechte Zeitpunkt für Heldenmut, Mr. Thurmond. Ich kenne Ihre Geschichte. Sie sind hunderte Meilen gereist, um Ihren Sohn zu retten. Also werden Sie ihn jetzt auch nicht sterben lassen.«

Jim biss sich auf die Lippe. Blut sammelte sich in seinem Mund.

Ramsey deutete mit der Pistole. »Runter auf den Boden. Sofort.«

Jim zögerte. Er sah die eigene Angst, die sich in Dannys und Frankies Augen widerspiegelte. Widerwillig sank er auf die Knie.

Ramsey ergriff Dannys Ohr und verdrehte es zwischen den Fingern.

»Lassen Sie mich los!«

»Still, du undankbarer Balg. Du wirst tun, was ich dir sage, oder ich töte deinen Vater.«

Frankie kämpfte gegen ihre Fesseln an.

Ramsey kniff Danny noch heftiger ins Ohr. »Legen Sie sich auf den Boden, Thurmond, und nehmen Sie die Hände über den Kopf. DiMassi, kommen Sie mit der Frau. Wir gehen.«

»Um mit meinem Sohn hier rauszukommen«, knurrte Jim, »müssen Sie an mir vorbei.«

»Tatsächlich?«

»Und das schaffen Sie nur über meine Leiche.« Jim ging in die Hocke und machte sich sprungbereit.

Ramsey legte den Kopf schief und lächelte.

»Nun gut denn. Wenn Sie darauf bestehen «

Der Schuss hallte durch den Korridor.

Die Zombies fluteten den ersten Stock. Sie strömten aus den Treppenhäusern und den Fahrstuhlschächten. Die Männer und Frauen, die mit der Verteidigung der Eingänge betraut worden waren, hatten keine Zeit zu schreien, geschweige denn, dem Vormarsch der Kreaturen Einhalt zu gebieten. Wie eine Flutwelle spülten die Zombies über sie hinweg und metzelten jeden auf ihrem Pfad nieder.

Die Krankenschwester Kelli befand sich in der zweiten Etage und war unterwegs zum Krankentrakt, um nach Frankie und der mit Tuberkulose unter Quarantäne gestellten Familie zu sehen, als die Explosion erfolgte. Die Gewalt der Erschütterung schleuderte sie von den Beinen. Deckenfliesen und Brocken der Isolierung prasselten auf sie herab. Atemlos lag sie da und wartete, ob eine weitere Explosion folgen würde.

Sie hatte eine kleine halbautomatische Pistole Kaliber .22 erhalten, mit der sie umzugehen verstand. Kellis Vater und Brüder waren passionierte Hobbyschützen gewesen, und sie selbst hatte vor Jahren eine Scharfschützenprüfung bei der National Rifle Association abgelegt. Sie war in der Lage gewesen, drei Schüsse so dicht beieinander zu platzieren, dass man die Einschusslöcher mit einer Vierteldollarmünze abdecken konnte. Einen Zombie in den Kopf zu treffen, würde kein Problem für sie sein.

Kelli rappelte sich wieder auf die Beine, hob die Pistole auf und lief zum Treppenhaus. Durch die Feuerwaffe fühlte sie sich etwas sicherer. Sie fragte sich, wo Dr. Stern sein mochte, und hoffte, dass es ihm gut ging.

Zwei Männer und eine Frau standen an den Fahrstuhltüren und drückten wiederholt auf die Knöpfe.

»Nehmt nicht die Aufzüge«, warnte Kelli sie. »Es hat eine Explosion gegeben.«

»Sind Sie sicher?«, fragte einer der Männer. Die anderen starrten sie ausdruckslos an.

»Ich glaube schon, ja.«

»Bates hat kein Wort von Explosionen gesagt. Was sollen wir tun?«

»Kämpfen.«

»Aber wie?«, entgegnete die Frau. »Hier ist niemand zum Bekämpfen. Diese Dinger sind alle draußen.«

Der Mann nickte. Seine Stimme hörte sich panisch, flehentlich an. »Mr. Ramsey hat gesagt, sie könnten nicht herein. Er hat es versprochen.«

»Mr. Ramsey war ein Vollidiot«, erklärte Kelli.

Die Frau sog empört die Luft ein. »So sollten Sie wirklich nicht über ihn reden! Mr. Ramsey hat uns alle gerettet.«

Kelli sparte sich die Mühe, etwas darauf zu erwidern und eilte stattdessen weiter. Sie bog um die Ecke und erblickte das Ausgangsschild am Ende des Flurs. Als sie zur Tür griff, wurde diese von der anderen Seite aufgedrückt und gegen sie geschleudert.

Zombies strömten durch die Tür und eröffneten das Feuer.

Die erste Kugel traf Kelli in den Bauch. Die zweite peitschte ihr mitten in ihrem Schrei den Atem aus der Lunge. Kelli konnte gerade noch sehen, wie ein Fleischermesser auf sie herabfuhr, dann spritzte ihr aus ihrer durchtrennten Arterie Blut in die Augen und blendete sie. Sie sackte auf den Boden zusammen und wurde von den trampelnden Füßen der Untoten überrannt.

Sie dachte: Ich bin gar nicht dazu gekommen, die Pistole abzufeuern

Dann kniete sich ein Zombie über sie.

»Du lebst ja noch«, schnarrte er. »Gut. Ich zeige dir, was Grauen ist, Püppchen.« Sie erinnerte sich an ihren Albtraum.

Der Zombie fuhr mit einer Rasierklinge über ihre Brust, durchschnitt sowohl den Stoff ihrer Kleider als auch ihr Fleisch.

Dann begann der Feueralarm zu schrillen und übertönte ihre Schreie.

Die erste Salve des Artilleriebeschusses hallte durch die Stadt und hörte sich wie Donnergrollen an. Das Gebäude erzitterte. Lampen gerieten ins Schwanken, Möbel stürzten um. Gebrüll und Schüsse dröhnten durch die Korridore. Und über allem schrillte der Feueralarm.

Steve und Bates rannten den Flur hinab und duckten sich hinter einen Wall aus Sandsäcken.

»Ist das ein Erdbeben?«, brüllte Steve.

»Nein«, schrie Bates zurück. »Sie bombardieren uns!«

»Aber … aber das ergibt keinen Sinn. Wir dienen ihnen als Nahrung, und danach ergreifen sie Besitz von unseren Körpern. Wenn sie uns in die Luft sprengen, sind wir für beides nutzlos.«

»Das versuchen sie ja gar nicht«, knurrte Bates. »Das ist ein wohlkalkulierter Beschuss. Denk doch mal nach. Um uns zu töten, müssen sie rein. Der Artilleriebeschuss reißt Eingänge für sie auf.«

Eine zweite Explosionswelle erschütterte den Wolkenkratzer. Plötzlich erloschen die Lichter, und der Feueralarm verhallte. Die Notbeleuchtung ging an, spendete allerdings nur schwaches Licht.

»Scheiße.« Bates griff zum Funkgerät. »Sie haben die Stromversorgung lahmgelegt.«

Das Funkgerät knackste. Forrest hörte sich panisch an.

»Wir haben den Kontakt zur Eingangshalle verloren«, brüllte er. »Ich glaube, sie haben eine Autobombe eingesetzt, Bates. Eine verfluchte Autobombe! Wir haben Zombies im ersten und zweiten Stock. Dort sind sie schon durchgebrochen. Im dritten wehren wir sie noch ab, aber wir brauchen Verstärkung.«

Eine andere Stimme drängte sich in denselben Kanal. »Sir, wir haben Vögel im fünften und sechsten Geschoss! Sie kommen durch die Fenster herein! Wir haben sie geöffnet, um schießen zu können … die Viecher «

Die Meldung wurde durch einen anhaltenden, gellenden Schrei unterbrochen. Er schwoll an und ab, verwandelte sich in ein schrilles Kreischen, bevor er schließlich erstarb.

»Forrest?«

»Ich bin hier!« Im Hintergrund war das Geräusch von Schüssen zu hören. »Durch den Rauch ist kaum was zu erkennen. Sie kommen unaufhörlich nach. Immer mehr von ihnen!«

»Forrest, hol deine Leute da raus«, befahl Bates. »Ihr habt feindliche Präsenz oberhalb und unterhalb eures Standorts. Ihr müsst euch ins Kellergeschoss durchschlagen!«

Zur Antwort ertönten weitere Schüsse und gedämpfte Schreie.

»Forrest, hörst du mich?«

Stille.

»Forrest?«

Der Kanal war tot.

»Das Kellergeschoss?« Steve überprüfte seine Waffe. »Was ist im Kellergeschoss?«

»Ein Weg hier raus«, antwortete Bates. »Der vielleicht unsere einzige Chance ist.«

»Aber wenn sie die Eingangshalle gesprengt haben, sind dann nicht auch die Untergeschosse am Arsch?«

»Ich hoffe nicht. Falls die Sprinkleranlage noch funktioniert, müsste die dort unten mittlerweile angegangen sein. Das sollte zusammen mit dem Feuerschutzmaterial zwischen den Böden dazu beitragen, die Feuer einzudämmen. Und durch die Bauweise des Gebäudes müsste der Explosionsschaden sich eigentlich auf die Eingangshalle beschränken.«

»Was ist, wenn du dich irrst, Bates?«

»Dann habe ich mich eben geirrt, und wir sind tot. Um die Wahrheit zu sagen, Steve, wir sind wahrscheinlich so oder so tot.«

»Aber deine Ansprache «

» war dazu gedacht, diesen Leuten falsche Hoffnung zu schenken«, unterbrach ihn Bates mit gesenkter Stimme. »Sieh dir nur die Chancenungleichheit an. Wirf einen Blick darauf, wogegen wir ankämpfen. Wir können diesen Kampf nicht gewinnen, Steve. Aber ich will verdammt sein, wenn ich diese Menschen in den Tod schicke, ohne zuvor dafür zu sorgen, dass sie mit fliegenden Fahnen untergehen. So wurde ich ausgebildet.«

»Warum dann diese Farce? Warum hast du nicht allen von dem Fluchtweg erzählt?«

»Weil wir zu viele sind. Glaub mir, nichts wäre mir lieber, als jeden zu retten, aber das können wir nicht. Je mehr wir mitnehmen, desto größer ist die Gefahr, dass wir Aufmerksamkeit erregen. Und dann sterben wir alle.«

Steve schwieg einen Moment. Ein weiterer Schrei drang aus dem Funkgerät, dann kehrte wieder Stille ein. Der Flur füllte sich langsam mit Rauch.

»Das ist rücksichtslos, Bates – aber ich vermute, nur mit einer solchen Denkweise haben wir eine Chance zu überleben. Also, wie sieht der Plan aus?«

»Du wirst uns hier rausfliegen.«

»Was?«

»Lauspelz sagt, dass es einen Tunnel gibt, der unter dem Fluss hindurch zum Flughafen führt. Du kannst doch noch einen Jet fliegen, oder?«

»Ich bin mein ganzes Leben lang Linienflugzeuge und Experimentalmaschinen geflogen. Ich kann alles fliegen. Aber darum geht es nicht. Du vertraust diesem Lauspelz? Ich bitte dich. Er glaubt, sein Kater ist Gott, um Himmels willen! Und woher wissen wir, dass der JFK sicher ist? Selbst wenn wir eine Maschine finden, müssen wir sie auftanken und «

Bates hob die Hand.

»Sehen wir erst mal zu, dass wir überhaupt hinkommen. Quinn und ein paar andere suchen nach Mr. Ramsey. Ich werde ihnen sagen, sie sollen die Suche abbrechen und unten zu uns stoßen.«

»Habe ich noch Zeit, in mein Zimmer zu gehen?«

»Wozu?«

»Ich möchte das Foto von meinem Sohn holen.«

»Tut mir leid, Steve.« Bates schüttelte den Kopf. »Ehrlich. Aber wir haben keine Zeit dafür, und du musst bei mir bleiben. Du bist zu wichtig, um dich zu verlieren.«

Er versuchte, Quinn über das Funkgerät zu erreichen, doch er bekam keine Antwort. Das Gebäude erbebte abermals, und irgendwo in ihrem Stockwerk begannen Leute zu schreien.

Bates roch die Luft. Der Gestank verwesenden Fleisches überlagerte den Rauchgeruch.

»Sie sind hier.«

Frankies und Dannys Gesicht war von Grauen gezeichnet, und der Schuss hallte ihnen noch in den Ohren. Blut spritzte über Jims Gesicht, Brust und Arme und hob sich schillernd von seiner hellen Haut ab.

Darren Ramseys Blut.

Die Pistole landete klappernd auf dem Boden, Ramsey folgte ihr. Während sein Gesicht sich zu einer Grimasse der Verwirrung verzog, presste er die Hände auf das Loch in seinem Bauch.

»Ich verstehe nicht, was «, keuchte er.

Drei Männer kamen den Korridor hinter Frankie, Danny und DiMassi entlanggerannt. Einen von ihnen erkannte Jim als Quinn, den Hubschrauberpilot, der sie gerettet hatte. Die anderen beiden hatte er noch nie gesehen.

DiMassi wirbelte mit Danny vor sich und einem Messer an der Kehle des Jungen herum.

Quinn und die beiden anderen Männer kamen mit gezückten Maschinengewehren schlitternd zum Stehen.

»Lass das Kind los, DiMassi«, brüllte Quinn. »Es ist vorbei!«

»Hey, Mann«, protestierte DiMassi. »Ich hatte damit nichts zu tun.«

»Blödsinn«, spie ihm einer der jüngeren Männer entgegen. »Wir haben dich gehört, als wir das Treppenhaus heruntergekommen sind, du fette Qualle. Wir haben alles gehört, was du und der Alte gesagt haben.«

»Leck mich, Carson. Ramsey hatte mir die Pistole angesetzt! Was hätte ich denn tun sollen?«

Ein Funkgerät an Quinns Gürtel knisterte mit statischem Rauschen. Jim hörte Bates Stimme, die nach dem Piloten rief.

Quinn ignorierte das Gerät und hielt die Augen stur auf DiMassi gerichtet.

»Komm schon, Mann, lass das Kind los. Hat der Junge nicht schon genug durchgemacht? Haben wir das nicht alle?«

»Damit ihr mich wie Mr. Ramsey abknallen könnt? Wohl kaum, Quinn.«

Ramsey stöhnte auf dem Boden. Etwas Graues und Feuchtes glitschte aus dem Loch in seinem Bauch. Er versuchte, es zurückzustopfen, doch es platschte wieder hervor.

Während DiMassis Aufmerksamkeit abgelenkt war, rückte Jim näher zu Danny und Frankie.

Der andere junge Soldat meldete sich zu Wort. »DiMassi, die Scheiß-Zombies sind bereits im Gebäude. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie es hier raufschaffen. Bringen wir diese Geschichte besser schnell ins Reine. Lass den Jungen los. Er hat dir nichts getan.«

»Du lügst, Branson«, beschuldigte ihn DiMassi, wobei er sich allerdings unsicher anhörte. »Wenn sie im Gebäude wären, dann wären wir schon tot.«

»Das werden wir bald sein, du Idiot«, herrschte Quinn ihn an. »Herrgott – riechst du den Rauch nicht? Hörst du den Feueralarm nicht?«

»Das Gebäude ist feuergesichert. Ein Brand kann sich nicht zwischen den Etagen ausbreiten.«

»Hast du die beschissenen Explosionen nicht gehört und nicht gespürt, wie das Gebäude zittert? Sie bombardieren uns, du Arschloch! Es brechen überall Feuer aus.«

In jenem Augenblick flackerten die Lichter im Flur, dann erloschen sie. Die Notbeleuchtung ging an und tauchte die Umgebung in einen gespenstischen rötlichen Schimmer.

Jim wagte einen weiteren Schritt auf DiMassi zu.

Der fette Pilot ließ die Schultern sinken und den Jungen los. Carson und Quinn bewachten ihn mit den Gewehren.

Danny rannte zu seinem Vater. Jim umarmte ihn innig und vergewisserte sich, dass ihm kein Haar gekrümmt worden war.

»Sieht so aus, als hätten Sie uns schon zwei Male gerettet, Quinn. Danke.«

»Danken Sie mir später, Jim. Wir müssen immer noch aus dem Gebäude raus.«

»Ist es wirklich so schlimm, wie Sie gesagt haben?«, fragte Jim, während er Frankie den Knebel abnahm.

»Wahrscheinlich noch schlimmer«, meinte Branson.

Quinn deutete mit dem Kopf auf Ramseys reglosen Körper. »Kümmer dich um ihn, Branson. Ich hab ihn im Bauch erwischt. Gib ihm den Rest.«

Jim löste Frankies Fesseln. »Alles in Ordnung? Du blutest aus der Nase.«

»Der fette Mistkerl hat mir ein Ding verpasst, als ich ihm an die Eier wollte, aber ja, mir geht’s gut.«

»Gott sei Dank. Ich hatte schon befürchtet, wir hätten dich verloren, so wie Martin.«

Bei der Erwähnung des Priesters wollte Frankie Jim von ihren Träumen erzählen. Doch bevor sie dazu kam, wandte er sich DiMassi zu.

»Du hältst dich wohl für ganz stark, wenn du Frauen und Kinder verprügelst, was?«

»Hey«, protestierte Frankie. »Die Qualle hat mich unglücklich erwischt, sonst hätte ich den Typ selbst fertiggemacht.«

»Ich habe nur Befehle befolgt«, verteidigte sich DiMassi. »Mehr nicht.«

Jims Stimme war frostig wie Eis. »Befehle befolgt? Wir haben miterlebt, was passiert, wenn Männer wie du Befehle befolgen. Du hättest meinen Sohn nicht anrühren sollen, du Mistkerl.«

Quinn stellte sich zwischen die beiden. »Jim, lassen Sie mich das machen. Und Branson, beeil dich mit Ramsey, bevor er wieder aufsteht.«

Branson stupste Ramsey mit dem Lauf seiner Waffe. Als der einstige Milliardär nicht reagierte, kniete Branson sich vorsichtig neben ihn. Die Augen des alten Mannes starrten blicklos vor sich hin.

»Wäre doch jammerschade, diese goldene Rolex verkommen zu lassen. Darf ich sie haben, Quinn?«

Ramsey blinzelte.

Bevor Quinn antworten konnte, setzte Ramseys Leichnam sich auf und schlug das Gewehr beiseite. Seine Gedärme quollen aus dem Loch in seinem Bauch und ergossen sich auf den Fußboden. Seine Zähne sanken in Bransons Handgelenk. Der junge Soldat schrie auf.

DiMassi nutzte die Ablenkung, um Jim und Quinn aus dem Weg zu stoßen und zum Treppenhaus zu flüchten.

»Carson«, brüllte Quinn. »Schnapp ihn dir. Erschieß ihn, wenn es sein muss!« Dann packte er Branson am Hemdkragen und zog ihn rückwärts. Ein Brocken von Bransons Fleisch verschwand im Schlund des Zombies. Blut strömte aus der hässlichen Wunde an Bransons Arm.

»Ich bin gekommen, um mich meinen Brüdern anzuschließen«, verkündete zischend das Ding, das früher Ramsey gewesen war. »Das blüht euch allen. Wir sind unbesiegbar!«

Das Gewehr zuckte gegen Quinns Schulter, und der Kopf des Zombies explodierte. Ramsey sank ein zweites Mal zu Boden.

»Dein Gebäude war ja angeblich auch unbesiegbar, Scheißkerl.«

Carson rannte los und nahm die Verfolgung von DiMassi auf.

Quinn holte ein Taschenmesser hervor und schnitt einen Streifen Stoff von Ramseys Hosenbein ab. Anschließend band er den Streifen um Bransons Wunde.

»Kannst du laufen?«

Branson nickte. Sein Gesicht war blass und verschwitzt.

»Ich werde zwar nicht schießen können, aber ich werd’s überleben. Ich … ich glaube nicht, dass ich einen Schock kriege oder zusammenklappe.«

»Pass nur darauf auf, dass der Druckverband fest bleibt«, forderte Quinn ihn auf. »Du darfst nicht alles vollbluten. Dadurch würden wir ihnen eine verlockende Spur hinterlassen.«

Jim trat vor. »Wenn du nichts dagegen hast, nehme ich deinen Schießprügel.«

Branson nickte. »Sicher.«

Jim gab Frankie Ramseys Pistole und hob das Gewehr für sich selbst auf.

»Wisst ihr beide, wie man mit den Dingern umgeht?«, fragte Quinn.

»Wir haben es nicht so weit geschafft, indem wir mit Wattebäuschen geworfen haben«, gab Frankie zurück. Mit einem Ruck erhob sie sich aus dem Rollstuhl, dann untermauerte sie ihre Aussage, indem sie fachmännisch das Magazin aus dem Griff der halbautomatischen Pistole auswarf und wieder einlegte.

Danny runzelte die Stirn. »Wieso bekomme ich keine Pistole?«

»Dr. Stern hat in dem Lagerraum dort drüben einen Baseballschläger aus Aluminium verwahrt.« Quinn deutete hinüber. »Er und Maynard haben hier im Flur gerne Ball gespielt. Wie wär’s damit?«

Dannys Züge leuchteten auf. »Darf ich den Schläger haben, Daddy?«

»Ich denke, das ist schon in Ordnung.« Jim seufzte. »Aber du musst mir versprechen, dass du hinter mir und Frankie bleibst, falls wir Zombies über den Weg laufen, in Ordnung?«

Danny versprach es, dann durchwühlte er den Lagerraum. Er kam mit dem Schläger zurück und schwang ihn wie ein Schwert.

»Wenn sie uns was tun wollen, dann hau ich ihnen damit in die Nüsse.«

»Danny!«, ermahnte ihn Jim.

»Ziel lieber auf den Kopf«, flüsterte Frankie und knuffte ihn spielerisch in die Schulter.

Quinn überprüfte den Druckverband, dann verschwand er in eines der Büros. Er kehrte mit einer Schachtel Schmerztabletten zurück und ließ Branson vier davon schlucken. Anschließend wandte er sich an die anderen.

»Auf geht’s.«

»Wie sieht der Plan aus?«, wollte Frankie wissen.

»Wir müssen Carson einholen und DiMassi aufhalten, bevor er den Helikopter erreicht. Dann funken wir Bates an und sehen mal, wie die Dinge stehen.«

»Und wenn Bates tot ist?«

»Dann fliege ich uns auf dieselbe Weise raus, wie ich uns reingebracht habe. Wir haben alle im Hubschrauber Platz.«

»Wohin fliegen wir?«, fragte Frankie.

»Einfach nur weg von hier.«