Epilog

Das mutterlose Kind und die kinderlose Mutter erwachten in der Dunkelheit. Die Katze lag zwischen ihnen. Sie schnurrte und zuckte im Schlaf. Frankie schaltete die Taschenlampe ein und war dankbar, dass sie unter den Vorräten im Bunker Batterien gefunden hatte.

Sie stand auf und überprüfte die Tür. Bemerkenswerterweise hatte der Bewehrungsstahl der Explosion tatsächlich standgehalten, allerdings hatte sich die Tür im Rahmen verzogen. In der zweiten Nacht hatten sich untote Ratten durch das Geröll gebuddelt und versucht, sich durch den Spalt zu zwängen. Frankie hatte sie zurückgeschlagen und die Tür anschließend mit einer Tube Silikon und ein paar Brettern abgedichtet. Beides hatte sie in einem Lagerspind gefunden. Es war zwar kein technisches Wunderwerk, aber es genügte, um die kleineren Zombies draußen zu halten.

Bisher jedenfalls

Frankie ging durch den Raum, durchwühlte einen Karton und holte eine Packung gefriergetrockneten Mais hervor. Mit den Zähnen biss sie den Kunststoffbeutel auf.

»Hast du Hunger, Danny?«

»Nein.« Seine Stimme klang heiser.

Sie leerte den Packungsinhalt in ein Gefäß und schüttete eine Flasche Wasser darüber. Da sie keine Möglichkeit hatten, das Essen zu erwärmen, stellte sie es beiseite und wartete, bis der Mais das Wasser aufsog.

»Du musst aber etwas essen, Kleiner.«

»Ich will nichts essen. Ich will meinen Daddy.«

Frankie unterdrückte Tränen. In einer Ecke prangte immer noch Lauspelz’ Blut am Boden. Frankie hatte ihm mit einem Pritschenbein aus Eisen den Schädel gespalten, bevor er zurückkehren konnte. Den Kadaver hatte sie durch den hinteren Eingang entsorgt. Der vordere Zugang war unter tonnenweise Geröll vergraben und somit blockiert, der hintere hingegen frei geblieben. Seit sie Lauspelz hinausgeschafft hatte, musste sie die Tür erst ein einziges Mal öffnen, um die Kaffeekanne zu entleeren, die sie als Toilette verwendeten.

Sie ging zurück hinüber zu ihren Pritschen und setzte sich neben Danny. Er schmiegte sich dicht an sie, als sie ihn festhielt, ihm über das Haar streichelte und ihm mit den Fingernägeln sanft über den Rücken fuhr. Dabei atmete sie seinen Duft ein und schloss die Augen.

Danny wollte etwas sagen, doch durch ein Schluchzen versagte ihm die Stimme den Dienst. Er zitterte am ganzen Leib.

Frankie war nicht sicher, wie lange sie so verharrten, aber irgendwann richtete Danny sich auf und wischte sich mit der Hand die Nase ab.

»Vielleicht bin ich doch ein bisschen hungrig«, sagte er.

»Prima. Ich hole den Mais.«

Damit stand sie auf und schöpfte den Mais in zwei Schüsseln.

»Frankie? Was werden wir jetzt tun?«

»Ich weiß es nicht, Danny. Vorerst sind wir hier sicher, aber irgendwann müssen wir diesen Ort verlassen. Wir haben genug Essen und Wasser für eine ganze Weile, trotzdem können wir nicht ewig hier unten bleiben.«

»Aber wohin gehen wir?«

Frankie antwortete nicht.

Schweigend aßen sie. Danny ließ Gott seine Schüssel sauberlecken, während Frankie die Kaffeekanne benutzte. Als sie aus dem Nebenraum zurückkehrte, musterte Danny sie mit seltsamer Miene.

»Was ist denn?«, fragte sie ihn.

»Du wirst glauben, ich bilde mir das bloß ein.«

»Nein, werde ich nicht. Worum geht’s?«

Er setzte kurz ab, ehe er fortfuhr. »Ich habe im Schlaf von Daddy geträumt. Er sagte, er wäre jetzt an einem schöneren Ort, und ich bräuchte nicht traurig zu sein. Außerdem meinte er, wir würden ihn bald wiedersehen. Ihn und Mr. Martin und Mr. De Santos und alle anderen, die gestorben sind.«

Frankie stockte der Atem in der Kehle.

»Glaubst du mir, Frankie?«

Langsam nickte sie. »Ja. Ja, Danny, ich glaube dir. Ich träume manchmal vom Prediger, und er sagt dasselbe.«

Danny griff hinab und kraulte Gott hinter den Ohren. Die Katze neigte das Gesicht zu ihm empor und schloss genüsslich die Augen.

»Vielleicht sind sie gar nicht tot. Vielleicht sind die Monsterleute die Einzigen, die wirklich tot sind.«

»Vielleicht«, pflichtete Frankie ihm bei.

Immer noch erschöpft legten sie sich wieder auf die Pritschen. Frankie schaltete die Taschenlampe aus. Bald erfüllte das Geräusch von Dannys regelmäßigem Atem den Raum.

Vielleicht ist der Tod nicht das Ende, dachte sie. Ich bin immer noch nicht sicher, ob ich an den Himmel glaube, aber die Hölle befindet sich jedenfalls unmittelbar vor der Tür. Womöglich hat Danny recht. Vielleicht ist der Tod für uns nur ein Beginn, und vielleicht ist er unsere Flucht vor diesen Dingern. Vielleicht sind sie deshalb hier – damit wir uns nicht an dem Ort mit ihnen herumschlagen müssen, an den wir als Nächstes gehen. Damit er unbefleckt von ihrer Art ist

Frankie drückte den schlafenden Jungen an sich und schloss die Augen.

Was hatte Martin zu ihr gesagt?

Alles stirbt, aber nicht alles hat ein Ende.

In der Finsternis wachte Gott über sie, während sie schliefen. Schließlich rollte der Kater sich zusammen und döste ebenfalls ein.

Die drei schliefen wie Tote.

Als die Ratten sich schließlich durch das Holz und Silikon vor dem Loch im Eingang nagten und in den Bunker strömten, erwachten Frankie, Danny und Gott nicht.

Als sie es später taten, waren ihre Liebsten da, um sie zu begrüßen.

Auf den Straßen der Nekropolis herrschte wieder Stille. Hoch über den verwaisten Wolkenkratzern und Betonschluchten schien der jüngst aufgegangene Mond auf die Welt hinab und starrte einäugig auf ein Spiegelbild seines kalten, toten Selbst.

Im Central Park bewegte eine mächtige, knorrige Eiche ihre Zweige und streckte mit einem tiefen Rumoren die dicken Äste. Einzelne Grashalme begannen, sich zu wiegen.

Das Mondlicht verschwand, und Finsternis verschlang die Stadt.

Donner rollte über das Firmament, und der Himmel weinte ein letztes Mal.