DREI
K emp hat mir einen Gefallen getan, als er mir das Nachsitzen erspart hat. Heißt nicht, dass ich es mögen muss. Dieses Mädchen wird eine Nervensäge sein – das weiß ich schon. Sie hat Feuer in sich. Sie wird sich weigern zu duckmäusern. Und aus irgendeinem Grund schleicht sich bei der Vorstellung, mit ihr zu streiten, eine gespannte Erwartung bei mir ein und ein grausames Lächeln auf mein Gesicht.
Fast habe ich Mitleid mit dem Mädchen. Fast. Es ist ihr erster Tag hier, und ich habe nicht die Absicht, es ihr leicht zu machen. Wie alle anderen Schüler hier an der Sun Valley High wird sie lernen müssen, wo sie hingehört. Nämlich ganz nach unten.
Ich regiere diese Schule. Ich und die anderen Teufel – Dominique Price und Emilio Chavez. Deshalb weiß ich auch, dass Kemp – egal, was er gesagt hat – sich nicht dafür interessiert, ob ich nett zu dem Mädchen bin. Was mir entgegenkommt, denn, wenn sie genug hat und sich bei ihm ausheult, dann wird er ein paar tröstende Worte für sie haben, aber mehr wird nicht passieren. Das Einzige, wofür er sich interessiert – das Einzige, wofür sich alle Lehrer dieser Schule interessieren – ist, ob meine Freunde und ich das nächste Spiel gewinnen. Und was sie tun müssen, um uns bei Laune zu halten, damit wir das darauffolgende nicht vermasseln, nur um uns an ihnen zu rächen.
Ich denke, dass ich über solch kleinlichen Scheiß erhaben bin. Auf mich wartet ein Vollstipendium für den Besuch der Suncrest Uni, und meine Leistung auf dem Spielfeld entscheidet darüber, ob ich es behalte. Football ist das Einzige, das zählt. Ich würde niemals meine Zukunft gefährden. Aber es ist nicht unter meiner Würde, den Lehrern von Sun Valley damit zu drohen. Sie brauchen mich auf dem Platz, und ich muss für sie gewinnen. Auf diese Weise heimst die Schule weiterhin Gelder ein für den ganzen Scheiß, den sie veranstalten wollen.
In meinem ersten Highschool-Jahr, als ich gerade erst ein Freshman war, habe ich es ins Varsity-Team geschafft, in das nur die besten Sportler aufgenommen werden, und seitdem haben wir nie verloren. Manche Leute finden, dass Football keine große Sache ist, aber dieser Sport öffnet Türen, und zwar nicht nur den Spielern. Deshalb haben die Teufel Privilegien und darum drücken die Lehrer oft ein Auge zu, wenn wir die Klappe aufreißen oder einen Streit vom Zaun brechen.
Doch Mrs Jennings ist eine Lehrerin, die sich absolut nicht um Football schert. Ich weiß nicht, warum sie nicht schon gefeuert wurde. Sie ist die Einzige, die immer versucht, mich für meinen Mist zur Rechenschaft zu ziehen. Ich glaube nicht, dass sie noch lange bleiben wird, wenn ich oder Coach Samson da ein Wörtchen mitzureden haben.
Allies Schritte sind fast lautlos, als sie mir im Flur hinterhergeht, um zu unserer ersten Stunde, Englisch, zu gelangen. Sie sieht so verdammt unschuldig aus, wie sie das Lehrbuch gegen ihre Brust presst und sich mit ihren Rehaugen im Gang umschaut. Und ich will einfach nur ihr perfektes Bild beschmutzen.
Unter ihrem noblen Äußeren versteckt sich ein Hitzkopf, der nur darauf wartet, sich zu zeigen – und das ist meine Aufgabe.
Sie ist hübsch, wenn man den adretten Mist übersieht, den sie trägt. Lange, dunkle Haare. Braune Augen. Ihre weißen Jeans schmiegen sich an ihren Arsch und betonen ihre Hüften. Ich wünschte, sie würde vor mir laufen statt hinter mir. Dann könnte ich sehen, wie dieser Arsch bei jedem Schritt auf und ab wippt.
Sie ist eindeutig eine Latina, aber eher der hellere Typ. Kemp hat sie mit Ms Ulrich angesprochen, und in dieser Gegend gibt es nur einen Ulrich, einen alten weißen Kerl. Jede Wette, dass sie nach ihrer Mom kommt.
Ich kann schon spüren, wie das Interesse in mir auf vertraute Weise aufflammt. Ich will mit ihr spielen. Will sie zu meinem schönen, neuen Spielzeug machen. Normalerweise mache ich mir nichts aus den Mädels hier. Die meisten sehen mich nur als Statusbereicherung an. Als eine Möglichkeit, die soziale Leiter hochzuklettern. Oder sie haben Dollarzeichen in den Augen, weil ich auf dem Spielfeld so gut bin und sie glauben, wenn sie mich frühzeitig einfangen, dann werden sie ein tolles Leben führen, sobald ich erst einmal Profispieler bin.
Allie wirkt nicht so wie diese Mädchen. Nein. Diese Mädchen würden so ziemlich alles tun, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Wenn ich von Allie verlange, sich hinzuknien und in der Abstellkammer des Hausmeisters an meinem Schwanz zu lutschen, wird sie bestimmt rot und rennt davon. Oder vielleicht sehe ich dann mehr von dem Feuer, das in ihr steckt und sie sagt mir ihre Meinung? Nein. Allie ist nicht leicht flachzulegen. Ich frage mich, ob ich es ändern kann…
Wenn ich an all die Dinge denke, die ich mit ihr tun will, geht mein Puls schneller, verwandelt sich von einem langsamen, stetigen Pochen in ein schnelles, heftiges Trommeln. Mir ist es egal, mit wem sie verwandt ist. Mein Paps wäre angepisst, wenn er wüsste, dass ich vorhabe, mit diesem Mädchen herumzumachen. Gerald Ulrich hat in dieser Stadt viel zu sagen. Für meinen Paps könnte es schwierig werden, sollte herauskommen, dass ich die Tochter dieses Mannes befleckt habe.
Was für ein Glück, dass mich das nicht interessiert.
Wir kommen am Klassenzimmer des ersten Kurses an. Es hat schon geklingelt, und die Tür ist geschlossen. Ich stoße sie theatralisch auf und lasse sie gegen die Wand knallen, damit sich alle Augen auf uns richten. „Nach dir, Vanille.“ Ich winke sie mit einer überschwänglichen Geste hinein.
Sie schaut finster, bevor sie erstarrt, weil ihr klar wird, dass uns die ganze Klasse anschaut.
Ich grinse spöttisch. „Willst du etwa alle warten lassen?“
Ihre Wangen nehmen eine rosa Farbe an, als sie einen Schritt nach vorn macht. Ich mache ihr keinen Platz, sodass sie gezwungen ist, mich im Vorübergehen zu streifen. Die Klasse ist still, alle Augen sind auf uns gerichtet.
Sie will sich auf den ersten freien Platz fallen lassen. Er ist in der letzten Reihe und der Tür am nächsten, doch das Mädchen, das daneben sitzt, schüttelt ihren Kopf. „Da solltest du dich nicht hinsetzen“, sagt sie im lauten Flüsterton.
„Warum?“
Ich schnaube, und das Mädchen wirft mir einen Blick zu. „Das ist sein Platz.“
Allie dreht sich um und schaut mich wieder finster an.
Ich ziehe ein gelangweiltes Gesicht und frage mich, ob sie um den Platz kämpfen wird oder ob sie klug genug ist, sich einen anderen Platz zu suchen. Ich bin fast enttäuscht, als sie ärgerlich schnauft und nach vorn läuft. Sie muss das ganze Klassenzimmer durchqueren, um den letzten freien Platz auf der anderen Seite, in der dritten Reihe von vorn, zu erreichen. Als sie sich hinsetzt, ist es immer noch totenstill im Zimmer. Ihre Wangen sind leuchtend rot. Wie eine Rose. Ich kann es kaum erwarten, ihre Dornen zu sehen.
„Okay, Leute“, beginnt unsere Lehrerin. Sie bittet Allie, sich vorzustellen und lässt sie dazu aufstehen. Fragt sie, von wo sie hergezogen ist, ob sie Geschwister hat. Der ganze langweilige Kram.
Ich erfahre, dass sie aus Richland stammt. Keine Geschwister. Keine Haustiere. Sie lebt bei ihrem Vater. Interessant. Es ist mir neu, dass Gerald Ulrich eine Tochter hat. Ich frage mich, wo er sie all die Jahre versteckt hat.
Als Mrs Beck endlich mit dem Verhör fertig ist, lässt sie Allie für den Rest der Stunde in Ruhe. Für mich ist es von Vorteil, dass ich sie beobachten kann, ohne dass sie das Gleiche mit mir tun kann. Sie schreibt mit und passt tatsächlich auf. Sie ist eindeutig eine Musterschülerin, wodurch es noch mehr Spaß machen wird, sie zu beflecken. Genau das habe ich gebraucht. Das Abschlussjahr fing an, langweilig zu werden, aber nun wird’s interessant. Ich kann es kaum erwarten.
Ich verliere mich in meinen Fantasien. Mein Blick klebt an ihrem Hinterkopf, während ich mir all die Arten vorstelle, wie ich ihr wehtun will. Sie ficken. Sie beflecken. Es ist ein Sport und zufällig bin ich extrem gut darin. Wenn sie ihre Sache gut macht, könnte ich vielleicht ein paar der Schmerzen, die ich ihr bereite, lindern. Mal sehen.
Nach dem Klingeln warte ich vor der Tür auf sie. Sie hält einen Zettel in der Hand und schaut darauf, weshalb sie mich erst bemerkt, als sie in mich hineinläuft und der Zettel zwischen unseren Körpern zerknittert. Körperkontakt. Jetzt wird’s interessant.
„Pass doch auf, Vanille.“ Ich reiße ihr den Zettel aus der Hand und schaue mir schnell ihren Stundenplan an. Ich hätte sie nach ihrem nächsten Kurs fragen können, das wäre nur halb so lustig gewesen.
„Hey!“ Sie versucht, sich den Zettel zu greifen, aber ich halte meine Hand hoch über ihren Kopf und schaue nach oben, damit ich ihn lesen kann. Sie kann ihn sich gegen meinen Willen unmöglich zurückholen. Es sei denn, sie beschließt, an mir wie an einem Baum hochzuklettern. Damit hätte ich kein Problem.
Sie ist ein Meter siebenundfünfzig groß. Vielleicht ein Meter sechzig. Winzig im Vergleich zu meinen ein Meter fünfundachtzig, mit denen ich sie weit überrage. Ihre Hände ballen sich an den Seiten zu kleinen Fäusten. Ihre Lippen werden zu einer schmalen Linie. Mein Schwanz zuckt beim Anblick ihrer Wut, aber bis auf diesen anfänglichen Ausbruch bleibt sie still.
Hm, … Ich frage mich, was sie wirklich wütend machen würde, damit sie aus dieser kleinen Form aus guten Manieren und unterdrücktem Zorn ausbrechen würde.
Englisch, Analysis, Spanisch 4… Hm. Ich mustere sie. Spanisch 4 ist für Muttersprachler. War meine Annahme über sie also richtig. „Mexikanerin oder Puerto-Ricanerin?“, frage ich, als ich sie nochmal von oben nach unten beäuge. Ich wette auf Mexikanerin, aber ein-, zweimal im Leben habe ich daneben getippt.
„Mexikanerin.“
Wieder richtig.
Ich stecke ihren Stundenplan hinten in meine Hosentasche und gehe los.
„Hey, das brauche ich.“ Sie beeilt sich, um mit mir Schritt halten zu können. Ihre kürzeren Beine müssen die doppelte Arbeit leisten. Die Schüler mustern sie mit unverhohlener Neugierde, und ich beschließe, die Sache noch interessanter zu machen.
Ohne anzuhalten, lege ich einen Arm um ihre Schulter und ziehe sie nah an mich, als ich sie durch den Gang führe. Sie versteift sich. „Entspann dich. Ich bringe dich zu deinem Klassenzimmer. Ich helfe der Neuen nur aus.“
Sie presst die Lippen aufeinander, aber sie nickt, und ich beschließe, kein kompletter Arsch zu sein und laufe etwas langsamer. Nicht wirklich ihr zuliebe, sondern damit unser kleiner Spaziergang ein bisschen länger dauert und uns so viele Schüler wie möglich zusammen sehen.
Die Kerle auf dem Flur beäugen sie mit einer Mischung aus Faszination und Verwirrung. Die Mädchen allerdings schauen sie mit unverhohlener Verachtung an. Perfekt.
Ich entdecke einen meiner besten Freunde, Emilio, weiter vorn im Gang, wo er vor einem Klassenzimmer auf unsere nächste Stunde wartet. Fragend zieht er eine Augenbraue hoch. Mein Mundwinkel hebt sich, und ich werfe ihm einen wissenden Blick zu. Er bemüht sich gar nicht erst, seinen Ärger zu verbergen. Emilio hat nichts für Spielchen übrig, aber er wird sich nicht einmischen. Es ist nicht sein Stil, mir in den Rücken zu fallen.
Ich halte an, als wir den Klassenraum für Allies nächsten Kurs erreichen. Und wieder öffne ich theatralisch die Tür, nur dass ich sie diesmal hineinschiebe. „Hey, Silvia?“, rufe ich.
Silvia Parish reißt den Kopf zu mir herum. Ihre hellbraunen Augen sind geweitet vor Überraschung und der Ansatz eines Lächelns zeigt sich auf ihren Lippen – bis sie Allie entdeckt.
„Kümmere dich um mein Mädchen.“ Ich zwinkere in Allies Richtung und schließe die Tür.
Die Sache liegt nun nicht mehr in meinen Händen. Silvia wird mit ihr ihre helle Freude haben. Sie versucht, mich zu kriegen, seit ich nur denken kann. Sie wird Allie das Leben zur Hölle machen, wenn sie glaubt, dass sie ihre Chance auf den Hauptpreis schmälert. Und ich habe gerade eine knallrote Zielscheibe auf Allies Stirn geheftet.
Eine kleine Menschentraube hat sich hinter mir gebildet, aber als ich mich umdrehe, stieben die Schüler in alle Richtungen davon, obwohl sie eigentlich in das Klassenzimmer wollen, aus dem ich gerade komme. Ich werde nie genug davon bekommen, hier der herrschende Teufel zu sein.
Emilio wartet vorm Raum des Wirtschaftskurses auf mich und sieht nicht erfreut aus. „Ist das die Neue, über die alle reden?“
Ich zucke mit den Schultern. „Schon möglich.“
Seine Augen verdunkeln sich.
„Warum? Versuchst du, sie dir zu reservieren oder irgendeinen Scheiß?“, hake ich nach.
Er schüttelt den Kopf. „Musst du immer so ein Arsch sein?“, fragt er mich.
Noch ein Schulterzucken. „Tu nicht so, als ob dich das interessiert“, werfe ich ihm an den Kopf.
Er boxt mir in die Schulter. „Du weißt, dass wir eine Abmachung hatten, oder? Football. Darauf müssen wir drei uns konzentrieren. Nicht auf Mädels. Keine Psychospielchen mehr. Wir haben einen Pakt, cabrón .“
„Ich habe nichts als das Spielen im Kopf. Hör auf, dich über so eine Kleinigkeit aufzuregen. Kemp hat mich gebeten, ihr diese Woche zu helfen, damit ich nicht nachsitzen muss. Ich tu nur, was mir aufgetragen wurde.“
Emilio sieht nicht überzeugt aus, lässt die Sache aber mit einem Kopfschütteln fallen. „Du tust nie, was dir gesagt wird. Es sei denn, es springt etwas für dich heraus. Wenn du mit deinen Spielchen das versaust, was wir auf dem Spielfeld am Laufen haben, dann trete ich dir in deinen verdammten Arsch. Und du weißt, dass Dom mir dabei helfen wird.“
Ja, ja. Wie auch immer.