ZWANZIG
B eim Gedanken daran, dass Allie mit dem verdammten Aaron Henderson ein Date haben könnte, flammt ein Gefühl in meiner Brust auf, das sich verflixt sehr nach Eifersucht anfühlt. Nein. Das nehme ich zurück. Ich bin nicht eifersüchtig. Ich bin angepisst. Für wen zum Teufel hält sich Henderson eigentlich?
Ich habe ihm gesagt, dass er sich von ihr fernhalten soll. Emilio hat öffentlich verkündet, dass sie den Teufeln gehört. Er hat uns zusammen in Shadle Creek gesehen. Er weiß , dass sie mir gehört. Und trotzdem schwänzelt er um sie herum.
Der Kerl muss selbstmordgefährdet sein. Nach all dem, was in dem Sommer vor unserem Junior-Jahr passiert ist, als er uns alle vier fast unter die Erde gebracht hätte, werde ich mir von ihm nichts mehr bieten lassen. Ich kann nicht glauben, dass ich je mit diesem Arschloch befreundet war.
Ich ziehe Allie näher an mich heran, als mir meine wachsende Wut bewusst wird. Ich schlinge meinen Arm um ihre schmale Taille und führe sie zu unserem Stammplatz. Lust regt sich in mir, und mein Schwanz zuckt, während ich ihre schlanken Beine und ihre Taille betrachte und den Erdbeerduft ihres Shampoos einatme. Sie trägt nicht einmal einen Hauch von Schminke, sodass ich ein paar helle Sommersprossen auf ihrer Nase erkennen kann. Gott, sie ist so verdammt schön.
Und sie war mit ihm hier. Ihr Aufzug ist nur für ihn bestimmt.
Ich knirsche mit den Zähnen, als wir uns hinsetzen. Heather kommt zurück, nimmt unsere Getränkebestellung auf und klatscht ein paar Speisekarten auf die Tischplatte, bevor sie sich zur Theke zurückzieht. Sie versucht nicht mehr, mit Dom zu flirten, aber das geht schon in Ordnung. Jede Tussi im Laden ist für Team Henderson. Dieses Restaurant gehört seiner Tante, also ist das nicht weiter verwunderlich.
Wir sind eine ganze Weile nicht mehr hergekommen, aber das Sun Valley Diner hat einfach die besten Burger, und nachdem ich mich auf dem Spielfeld so abgekämpft habe, wollte ich eine kleine Belohnung. Und was für ein Glück, dass wir feindliches Territorium betreten haben. Wer weiß, was Aaron sonst noch versucht hätte, bei Allie abzuziehen. Ich traue diesem Wichser nicht. Seine Weste mag blütenweiß wirken, doch das kaufe ich ihm nicht ab. Er ist einfach nur gut darin, seine Dämonen zu verstecken.
Sie ist still, während die Kerle direkt in ein Gespräch über das kommende Spiel versinken. Es ist das Wichtigste der Saison und wir sind deshalb voll aufgeregt. Die Saints sind das einzige Schulteam, das eine Chance hat, unseren Rekord zu versauen. Bis jetzt wurden wir nicht geschlagen, und sobald wir sie erst einmal besiegt haben, wird es leicht sein, bis zu den Wettkämpfen zu kommen, die für den ganzen Bundesstaat durchgeführt werden. Dort werden Talentsucher sein. Selbst wenn wir alle schon ein Stipendium haben, ist es nicht schlecht, einen Plan B zu haben.
Sogar meine Eltern wollen zu dem Spiel kommen. Als Mom mir das gesagt hat, hat mich das voll überrascht. Sie unterstützen meinen Wunsch, Profisportler zu werden, beide nicht. Zum Teufel, sie unterstützen nicht einmal meine Entscheidung, zur Uni zu gehen. Mein Paps will, dass ich direkt nach dem Schulabschluss zur Polizeiakademie gehe. Das wird, verdammt nochmal, auf keinen Fall passieren. Ihm mag die blaue Uniform gefallen, nur ich habe absolut keine Pläne, in seine Fußstapfen zu treten. Mom zieht die ganze Ich will nur, dass du glücklich wirst -Tour ab, aber in Wirklichkeit möchte sie, dass ich das tue, womit Paps zufrieden ist, weil ihr eigenes Leben dadurch einfacher wird. Wenn ihr mein Glück echt am Herzen läge, dann würde sie nicht bei jedem Abendessen immer nur nicken, lächeln und mir erzählen, dass mein Vater es am besten weiß. Er hat null Ahnung, was am besten ist. Nicht, wenn es um mein Leben geht.
Während der ersten zwei Highschool-Jahre haben sie mir meinen Willen gelassen. Sind sogar zu ein paar von meinen Spielen aufgekreuzt. Doch als die Suncrest Uni mir zum Ende des Juniorjahres ein Stipendium angeboten hat, haben sie kapiert, wie ernst es mir mit Football ist. Und dann hat sich alles geändert. Football ist kein Beruf, es ist ein Spiel. Du bist jetzt fast achtzehn. Du musst erwachsen werden und Verantwortung zeigen. Bla, bla und Scheiß-Blabla.
Paps ist mit seiner Dienstmarke verheiratet. Der Mann arbeitet rund um die Uhr. Und ich kapiere es. So sorgt er für seine Familie. Doch als Polizeichef von Sun Valley hat er für etwas anderes als seine Arbeit kaum Zeit. Und ganz sicher hat er keine Zeit, um seinem einzigen Sohn beim Football spielen zuzusehen. Aber er kommt zu dem Spiel am Freitag, das Erste, das er dieses Jahr besucht, und ich weiß, wenn er mich erst einmal auf dem Spielfeld sieht, wird er sehen, wie gut ich bin. Dann wird er endlich nicht mehr davon reden, dass ich zur Polizeiakademie gehen soll. Das Spiel am Freitag ist mehr als nur die Chance, mir Stipendien zu sichern. Es ist die Gelegenheit, meinem Paps zu beweisen, dass ich für den Football geboren wurde.
Allie schweigt immer noch, während sich die Kerle unterhalten, bis Emilio das fragt, was wir uns alle schon die ganze Zeit im Stillen fragen: „Also seid ihr, du und Henderson, jetzt ein Paar?“
Sie versteift sich neben mir und dreht ihm stirnrunzelnd das Gesicht zu. Sie sollte lieber nicht antworten, was ich glaube, was sie gleich sagen wird, denn ich lasse sie auf keinen Fall mit diesem Idioten ausgehen. Sie ist viel zu gut für einen Deppen wie ihn.
Ich mache mich darauf gefasst, dass sie es zugibt. Nicht, dass es einen Unterschied machen würde, denn Allie Ramirez gehört mir. Sie kann Henderson mögen, so sehr sie will, wenn es sein muss, werde ich mich direkt zwischen sie drängen.
Doch statt ihre Beziehung mit ihm zu bestätigen, sagt sie: „Wir sind einfach nur Freunde.“ Ich ziehe eine Augenbraue hoch, woraufhin sie seufzt und den Kopf schüttelt. „Warum ist das so schwer zu verstehen?“
Die Kellnerin bringt uns das Essen, bevor sie sich hastig zurückzieht.
Emilio wirft eine Fritte in seinen Mund und sagt grinsend: „Weil Aaron mit dir poppen will.“ Er kaut, schluckt und beißt dann nochmal ab. „Kann man ihm nicht verübeln. Du siehst echt heiß aus, Allie.“ Sie errötet. „Aber ich weiß, wem du gehörst. Henderson weiß es auch, und er macht sich trotzdem an dich heran.“ Er tippt mit dem Zeigefinger an seine Schläfe. „Nicht wirklich schlau von ihm, doch Henderson war noch nie die hellste Kerze auf der Torte.“
„Ich gehöre gar niemandem.“
Ich schnaube, lehne mich auf der Sitzbank zurück und strecke meine Beine breit aus, um es mir bequem zu machen. „Doch, tust du.“ Mit gerunzelter Stirn blickt sie zwischen Emilio und mir hin und her. „Es ist Zeit, der Wahrheit ins Auge zu blicken, Vanille. Gib zu, dass du mir gehörst. Es ist nicht nett, so mit den Gefühlen eines Kerls zu spielen und Henderson glauben zu lassen, er hätte eine Chance.“
„Das tue ich doch gar nicht“, blafft sie.
„Doch, tust du. Gib’s zu.“
Sie schnaubt verächtlich, bevor sie zischt: „Du besitzt mich nicht. Ich ‚gehöre’ dir nicht. Ich gehöre nur mir und ich bin eine eigenständige Person.“
„Das kannst du dir gern einreden, aber sieh dir nur an, wo ich bin und wo du bist. Zwischen uns läuft etwas, und ich werde auf keinen Fall teilen.“
Sie spannt ihr Kinn an und dreht sich von mir weg. Ich greife ihr Kinn und zwinge sie, mir in die Augen zu sehen. Dabei bin ich mir der interessierten Blicke von Dominique und Emilio nur zu bewusst. „Du. Gehörst. Mir. Ist das klar?“
Sie reißt sich los. Wenn sie hier nicht neben mir in der Sitzecke gefangen wäre, wäre sie sicher schon davon gestürmt. „Fick dich.“
„Das hast du bereits. Und wir können das sehr gern wiederholen.“
Sie macht in ihrer Kehle ein angeekeltes Geräusch, aber das ist alles nur Show.
„Tu nicht so, als ob du nicht geschmeichelt bist. Du willst Henderson nicht. Du willst keinen anderen. Gib’s doch schon zu. Du willst mich. Ich will dich. Hör auf, dich so kindisch zu benehmen, dann können wir die Sache endlich hinter uns lassen.“
Sie schluckt schwer, bevor sie ihren wütenden Blick wieder auf mich richtet. Ihre Augen sind zusammengekniffen und ihr Gesichtsausdruck ist nachdenklich. Dann spuckt sie aus: „Okay.“
Oha. „Okay?“
Ein Schulterzucken. „Ja, okay. Ich will dich. Du bist heiß und der Sex war beim ersten Mal gut.“ Sie zieht die Nase kraus. „Das zweite Mal allerdings weniger, aber schließlich kann jeder mal einen schlechten Tag haben.“
„Volltreffer.“ Dominique gibt ein seltenes Glucksen von sich.
„Direkt in die cojones “, fügt Emilio hinzu.
„Das war nicht sehr nett“, presse ich hervor.
„Das ist es auch nicht, wenn einem der Orgasmus verweigert wird. Und nur damit du es weißt: Ich bin dafür, dass jeder im Leben eine zweite Chance bekommt, aber erwarte bloß keine dritte.“ Ein Lächeln stiehlt sich auf ihre Lippen und sie blickt mich warnend an. Da ist das Feuer, von dem ich mir sicher war, dass es in ihr steckt.
Ein langsames Lächeln breitet sich auch auf meinem Gesicht aus. „In Ordnung. Ich versuche, mir das zu merken.“
„Das würde ich dir dringend raten.“
Ich schlinge mein Essen hinunter. Der Coach lässt uns zweimal täglich trainieren, um uns auf das Spiel vorzubereiten, und innerhalb weniger Minuten haben Dom, Emilio und ich unsere Teller leergeräumt, doch mir fällt auf, dass Allie ihr Essen kaum angerührt hat. Vielleicht ein halbes Chicken Nugget und ein paar Fritten. Sie bemerkt, dass ich sie anstarre, und schaut weg.
„Ich dachte, du hättest Hunger?“
Sie zuckt mit den Schultern. „Ja, aber ich kriege es irgendwie nicht runter.“
Ich kenne Allie noch nicht lange, sie sieht dünner aus als an ihrem ersten Tag an der Sun Valley High, doch ich schiebe den Gedanken zur Seite. Wenn sie nicht essen will, dann isst sie eben nicht. Ich bin nicht ihre Mutter. Sie kann sich um sich selbst kümmern.
„Also, Allie, kommst du am Wochenende zu unserem Spiel?“
Sie setzt sich aufrechter hin, und als Heather zurückkommt, um die Teller abzuräumen, reicht ihr Allie, ohne zu überlegen, ihren fast vollen Teller. Ich runzele die Stirn, mache aber keinen Kommentar. Das Mädchen muss etwas essen, vielleicht isst sie ja, wenn sie nach Hause kommt?
„Ich hatte eigentlich nicht vor…“, fängt sie an.
„Du musst kommen. Wenn du eine von uns bist, musst du uns vertreten. Keine Ausreden. Das Spiel beginnt am Freitagabend um sieben. Stell dich darauf ein, dass du kommst.“
Sie nagt an ihrer Unterlippe, erstarrt dann, als ich mit dem Daumen ihre geschundene Lippe nach unten ziehe und ihr in die Augen schaue. „Komm zum Spiel.“
„Ist das ein Befehl?“, fragt sie frech.
Ich fahre mir mit der Zunge die Zähne entlang. „Was, wenn es das ist?“
Sie zuckt mit den Schultern, während sie ihre Serviette in kleine Schnipsel zerreißt. „Könnte sein, dass ich etwas anderes vorhabe.“
Ich knurre und ziehe sie an mich. Ich weiß nicht, warum es plötzlich so wichtig ist. Aber es ist mir wichtig. „Du hast nichts anderes vor. Du kommst zum Spiel. Ende der Debatte.“ Sie sagt nichts weiter, doch als ich sehe, dass ein kleines Lächeln ihre Lippen umspielt, durchströmt mich ein Gefühl des Triumphs. Sie wird zum Spiel kommen.