DREIUNDZWANZIG
E r macht mich alle. Der Waschraumvorfall ist ein paar Tage her, und einer der Teufel ist immer an meiner Seite. Ich weiß, sie tun das, um mich zu beschützen, aber es nervt langsam. Ich kann nicht einmal aufs Klo gehen, ohne dass einer von ihnen versucht, mitzutrotteln. Als ich das erste Mal pinkeln gegangen bin, musste ich Emilio mit Gewalt aus dem Klo schieben, und da hatte er bereits alle anderen herausgeworfen, um sicherzugehen, dass die Luft rein war.
Zum Glück ist mir mein Ruf an dieser Schule sowieso schon egal, denn ein Kerl, der einen Waschraum mit Gewalt räumt, bedeutet normalerweise nur eine Sache.
Sogar Aaron ist noch aufmerksamer und bleibt bei mir, bis er einen der Teufel entdeckt, und dann ist es wie ein Schichtwechsel. Ich weiß nicht, ob sie mein Babysitten miteinander abgesprochen haben oder ob das so eine Sache unter Kerlen ist, die ohne Worte läuft, aber ich kann es kaum erwarten, dass es vorbei ist. Das einzig Gute an all dem ist, dass ich es irgendwie geschafft habe, eine Freundin zu finden. Roman will, dass ich bei ihrem Training warte, bis er mich selbst nach Hause fahren kann, und da ich sowieso nichts Besseres zu tun habe, habe ich zugestimmt.
Aus irgendeinem Grund war Kasey Henderson am ersten Tag auch da und hat mir Gesellschaft geleistet, und wir zwei verstehen uns gut. Ich konnte sie überreden, zwei weitere Male mitzukommen, und habe gemerkt, wie schön es ist, eine Freundin zu haben. Dadurch vermisse ich Adriana noch mehr, aber diese Freundschaft ist eindeutig vorbei.
Heute ist das große Spiel, und die Kerle reden über nichts anderes. „Du kommst doch immer noch, um uns anzufeuern, oder?“, fragt Emilio, als er mir eine Fritte zuwirft.
Ich nicke und setze mich neben Roman zum Mittagessen hin. Er zieht mich nahe heran und ich lehne den Kopf an seine Schulter, weil ich irgendwie müder als sonst bin. Ich stochere in meinem Essen herum und versuche gar nicht erst richtig, zu essen. Dann schiebe ich mein Tablett zu Dominique, der seines schon geleert hat. „Hier. Du brauchst Energie für das große Spiel.“
Er grinst, nimmt sich meinen Burger und verschlingt das Teil mit vier Bissen. Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen. Dom ist praktisch unser Müllschlucker, wenn es um Essen geht. Alle Kerle sind das.
Ich weiß, ich sollte wahrscheinlich versuchen, etwas von dem Mittagessen zu mir zu nehmen, aber beim bloßen Gedanken daran, wird mir schon übel. Ich habe weiter abgenommen und die Klamotten schlabbern an mir herum. Durch den fehlenden Appetit und das Joggen, mit dem ich begonnen habe, bin ich schlanker geworden. Ich habe immer noch Rundungen, aber mein Bauch und meine Hüften haben ein paar ihrer Polster verloren, worüber ich mich aber nicht beschwere.
„Warum isst du nicht?“, fragt mich Roman und überrascht mich mit der Frage.
In diesem Moment lässt sich Kasey auf den Sitz neben mir fallen, stellt ihr Tablett mit einem lauten Knall ab und erspart mir so die Antwort. „Grr, kannst du glauben, dass sie das macht?“, faucht sie regelrecht.
Ich hebe meinen Kopf und schaue sie fragend an.
Sie verdreht die Augen. „Sarah. Sie betatscht die ganze Zeit Aaron, und es ist ekelhaft. Ich kann sie nicht ausstehen.“
Ich lasse meinen Blick durch die Cafeteria schweifen und entdecke Sarah, die hinter dem am Tisch sitzenden Aaron steht. Ihre Arme sind um seinen Hals geschlungen, ihre Brüste drücken gegen seinen Rücken. „Ich nehme mal an, du bist nicht gerade ihr größter Fan?“
Sie verzieht angeekelt die Lippen. „Ganz bestimmt nicht. Sie ist eine Zicke und macht mit Aaron nur herum, weil sie glaubt, dass sie ihn damit eifersüchtig macht.“ Sie zeigt mit dem Finger auf Emilio, bevor sie sich eine Fritte in den Mund schiebt, aber immer noch hinüber zu ihrem Bruder sieht.
„Was, ich?“ Emilio stockt, Augen weit aufgerissen und ein entsetzter Ausdruck liegt auf seinem Gesicht. „Ich will nichts von der da.“
Ich nehme einen Schluck aus meiner Wasserflasche, während Kasey schnaubt. „Du hast mit ihr letztes Wochenende geschlafen. Sie ist meine Nachbarin. Ich habe dich am nächsten Morgen in den Klamotten vom Vortag nach Hause laufen sehen.“ Mir gerät das Wasser in die falsche Kehle, und Roman schlägt mir ein paar Mal auf den Rücken, bevor der Husten endlich nachlässt.
„Du hast mit diesem Piranha geschlafen?“, frage ich.
Emilio funkelt Kasey wütend an und zeigt nun im Gegenzug mit dem Finger auf sie. „Das war nicht cool, Baby Henderson.“
„Igitt. Nenn mich nicht so.“
„Moment. Du hast mit Sarah Draven geschlafen?“, frage ich noch einmal.
Emilio seufzt und Roman verkneift sich das Grinsen. „Was Baby Henderson nicht erwähnt hat: Da war eine Party. Ich war betrunken. Diese Irre da drüben hat mich benutzt.“
Ich pruste auf. „Aber klaaaar.“
„Hey, wenigstens lerne ich aus meinen Fehlern. Du schläfst immer noch mit diesem Arschloch.“
Roman starrt ihn wütend an, und Kasey wiehert. Ich gebe Roman einen flüchtigen Kuss auf die Wange, und sein finsterer Blick wird sofort weicher. „Ich mag dieses Arschloch zufällig“, sage ich ihm und alle anderen am Tisch geben Würgelaute von sich.
Ich rolle mit den Augen und klaue mir eine Fritte von Kaseys Tablett, nur um damit Emilio abzuwerfen, dem es irgendwie gelingt, die Fritte mit dem Mund aufzufangen.
„Also, das Spiel …?“, sagt Emilio, um von sich abzulenken. „Mit wem gehst du, denn du kannst da nicht allein aufkreuzen.“
Ich verdrehe die Augen, bemerke aber, dass Roman finster blickt. Ich wette, daran hatte er nicht gedacht. „Ich kriege das schon hin. Seit dem Waschraumvorfall ist nichts passiert und es wird auch nichts mehr passieren. Ihr drei habt bei Silvia total auf Psycho gemacht und seitdem geht sie mir aus dem Weg.“ Jeder am Tisch dreht sich zu ihr um, wo sie gerade sitzt, allein und in einer einsamen Ecke, wo sie in ihrem Mittagessen herumstochert und absolut elend aussieht.
Alle drei schauen mich selbstzufrieden an. Sobald Roman erfahren hatte, dass Silvia hinter dem Angriff steckte, hat er auf Neandertaler gemacht und jeden Kerl im Footballteam auf seine Seite gezogen, um sicherzustellen, dass ihr Status als Außenseiterin bestehen bleiben würde. Jetzt ist sie wie eine Aussätzige. Sie tut mir fast schon leid. Ihre eigenen Freunde haben sie im Stich gelassen, und die Schule tut so, als ob sie nicht existiere. Leute laufen, ohne mit der Wimper zu zucken, in sie hinein. In der zweiten Stunde habe ich bemerkt, dass sogar unser Lehrer sie nicht beachtet. Ich habe keine Ahnung, wie die Teufel das geschafft haben.
„Auf gar keinen Fall.“ Roman schüttelt den Kopf. „Du kannst nicht allein kommen. Wir werden alle drei auf dem Spielfeld sein. Wir können dich dann nicht beschützen.“
„Ich brauche keinen Schutz ...“
„Ich kann mit dir kommen“, sagt Kasey. Alle Augen richten sich auf sie.
„Bist du sicher?“, frage ich. „Du hasst Football.“ Ich weiß das, weil sie zu mindestens vier verschiedenen Gelegenheiten herum gejammert hat, wie langweilig Football ist und wie dumm es ist, dass die Schule die Spieler wie Götter behandelt. Kasey hat allgemein nichts für Sportler übrig, wodurch sie eine interessante Ergänzung für unsere Gruppe darstellt, um es mal vorsichtig auszudrücken.
„Ja ich bin mir sicher. Ich hänge gern mit dir ab.“ Sie zieht einen Mundwinkel zu einem fiesen Grinsen hoch und richtet ihre Aufmerksamkeit auf Dominique. „Außerdem kann ich dann sehen, wie einer seiner Würfe abgefangen wird, und kann ihm das später unter die Nase reiben.“
Dom schaut finster, und der gesamte Tisch bricht in Gelächter aus.
„Verdammt unwahrscheinlich“, sagt er mit ausdrucksloser Miene.
Keine Ahnung, was zwischen den beiden vor sich geht. Wahrscheinlich gar nichts, weil Dom in einigen wenigen Monaten achtzehn wird und Kasey erst frisch auf die Highschool gekommen ist. Aber sie scheint darauf aus zu sein, ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu necken und zu nerven, auch wenn er sie normalerweise ignoriert.
Die Klingel läutet das Ende der Mittagspause ein, und wir verlassen die Cafeteria. Roman bringt mich noch bis zum Klassenzimmer meiner dritten Stunde und gibt mir einen langen Kuss, der mich atemlos zurücklässt.
„Komme heute Abend nicht zu spät“, sagt er zu mir und knabbert an meiner Unterlippe.
„Machst du dir plötzlich Sorgen, dass ich nicht auftauche?“, frage ich, während ich mit meinem Armband herumspiele.
Er grinst. „Nee, ich weiß, dass du kommen wirst, aber es schadet nie, etwas zur Beruhigung zu haben.“
Ich nehme mein Armband ab, greife nach seiner Hand und binde es ihm ums Handgelenk. „Mit dem hier kannst du beruhigt sein. Es ist mir wichtig. Du kannst es mir nach dem Spiel zurückgeben.“
Er küsst mich tief und langsam und lässt mich atemlos zurück, bevor er rückwärts zu seinem eigenen Kurs läuft. „Bis später, Baby.“