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reitagabend ist viel zu verdammt schnell gekommen. Ich sitze im Umkleideraum und höre kaum, was der Coach sagt, der vor dem Spiel eine motivierende Ansprache hält. Ich binde meine Schnürsenkel, mein Blick trifft dabei Doms. Wir nicken uns zu, sind bereit, auf dem Feld alles zu geben. Heute ist ein wichtiger Abend. Wenn wir gewinnen, wird von jetzt an alles glattgehen. Der Coach schwafelt immer weiter darüber, wie stolz er auf uns alle ist und dass wir in dieser Saison unglaublich gespielt haben. Und dann brüllt er uns an, dass wir das nun bloß nicht verbocken sollen.
Emilio stößt mir mit dem Ellbogen in die Rippen. Er grinst, während er an einem palerindas
, einem Lolli mit Tamarindengeschmack, lutscht. Das ist sein Ritual an Spieltagen. Ich kann die Dinger nicht ausstehen, aber Emilio ist süchtig nach dem Zeug und hat immer ein paar in seiner Tasche.
Ich wippe mit den Beinen und hoffe, dass der Coach sich beeilt, damit wir raus aufs Spielfeld können. Heute spielen die Teufel gegen die Saints, und ich bin fest entschlossen, diesen Scheißkerlen die Hölle heiß zu machen.
Als ich mit dem Team auf das Feld hinauslaufe, erhellen die Flutlichter den Platz und Hunderte von Menschen auf der Zuschauertribüne. Ich lasse meinen
Blick über die Menge schweifen. Allie kann ich nicht sehen, aber ich weiß, dass sie da sein wird. Die Tribüne ist rappelvoll, alle Zuschauer auf der Seite der Heimmannschaft sind rot und schwarz gekleidet und tragen Teufelshörner auf dem Kopf.
Ich vergewissere mich, dass Allies Armband unter meinem Handschuh steckt, bevor ich den anderen zur Spielfeldmitte folge. Dom ist unser Kapitän und Quarterback, und alle Augen sind auf ihn gerichtet, als wir uns zusammendrängen und die Einzelheiten unseres ersten Zugs durchgehen.
Ich bin verdammt überdreht und federe auf den Fußballen, weil ich fest entschlossen bin, die Verteidigung der Saints in einer Staubwolke hinter mir zu lassen. Ein letzter Blick zur Tribüne sagt mir, dass Allie nicht da ist, doch ich schüttele die Verärgerung darüber ab, sobald ich meinen Paps auf den Rängen entdecke. Ich drücke die Brust heraus, und als Dom den Spielzug ausruft und der Ball in seine Richtung fliegt, bin ich weg. Ich sprinte ganz weit nach links, bevor ich mich drehe, um den Ball zu fangen, der direkt zu mir geschossen wird. Meine Hände halten die Schnüre fest und ich umklammere das verdammte Teil, als ob mein Leben davon abhängt. Dann renne ich sofort auf die Torpfosten los.
Weniger als zwanzig Meter von der Endzone entfernt, werde ich zu Boden geworfen, aber ich grinse immer noch, weil wir im ersten Zug viel weitergekommen sind, als geplant war. Sieht so aus, als ob die Saints heute keinen guten Tag haben.
Am Ende des zweiten Quarters führen wir mit sieben Punkten. Das Stadion ist brechend voll, wodurch es schwieriger wird, mein Mädchen zu entdecken. Doch als ich mich auf die Bank setze, zeigt Dominique zu Hendersons kleiner Schwester. „Baby Henderson ist hier. Das bedeutet, dass Allie auch hier ist.“
Ich nicke und suche die Menge nach ihren dunkelbraunen Haaren ab. Der Platz neben Kasey ist frei. Vielleicht ist Allie zur Toilette gegangen? Allein die Vorstellung davon genügt, dass sich meine Hände zu Fäusten ballen. „Ja, aber siehst du sie?“
Er schaut und schüttelt den Kopf. „Nein.“
„Ich auch nicht. Was bedeutet, dass sie jetzt hier in diesem verdammt übervollen Spiel irgendwo allein ist.“
„Vielleicht holt sie sich nur schnell eine Limo?“
„Das ist mir egal, selbst wenn sie scheißen müsste. Sie weiß, was wir ausgemacht haben. Sie soll in dieser Schule nirgendwo allein hingehen.“
Er nickt und sein finsterer Blick sagt mir, dass er das genauso wenig mag wie ich, doch keiner von uns kann irgendetwas vom Spielfeld aus dagegen unternehmen. Der Coach ruft uns zurück in den Umkleideraum, um uns in der Halbzeit Mut zuzusprechen, und mir bleibt nichts anderes übrig, als dem Rest der Kerle zu folgen.
Wir kehren für das dritte Quarter zurück, der Platz neben Kasey ist immer noch leer, verdammt! Sorge frisst mich auf, dicht gefolgt von Ärger, als ich mitbekomme, wie mein Paps auf der Tribüne aufsteht. Sein Telefon ist an sein Ohr gedrückt, denn natürlich kann er seine Arbeit nicht im Büro lassen.
Ich verfolge seine Bewegungen, als er durch das Eingangstor verschwindet, und ich höre Dom nicht, als er unseren Spielzug ausruft. Fuck. Ich renne los und hoffe, dass ich in die richtige Richtung renne. Als Dom wirft, merke ich, dass ich viel zu weit weg bin und muss mich beeilen, um das geplante Ziel zu erreichen. Meine Finger streifen den Ball, aber ich verpatze den Fang. Glücklicherweise ist einer meiner Teamkameraden nahe genug, um den Ball zu erwischen. Ich gebe dem Rasen einen Tritt, sodass Grasklumpen durch die Luft fliegen, während ich fluche und zurück zur Startlinie gehe.
Der Rest des Spiels verläuft ähnlich, aber ich bin nicht der Einzige, der nicht bei der Sache ist. Es ist, als ob in der zweiten Hälfte alles den Bach runtergeht. Einer von Doms Würfen wird abgefangen, und uns entgehen zwei Feldtore, die wir eigentlich problemlos hätten kriegen können. Emilio lässt zwei Runningbacks an sich vorbeiflitzen, sodass die Saints punkten können. Wir führen noch, aber die Zeit wird knapp, und wenn wir keinen Punkt machen, dann ist das Risiko groß, dass die Saints im nächsten Spielzug punkten und wir verlieren. Wir haben nicht mehr genügend Zeit übrig. Ich muss einen Punkt erzielen.
Ich kenne die Strategie dieses Zugs. Ich habe dieses Manöver schon eine Million Mal durchgespielt, also konzentriere ich mich auf meine Atmung, schaue nur auf die Stelle, wo ich so schnell wie möglich hinkommen muss. Mein Paps ist nicht mehr zurückgekommen, und ich habe mein Mädchen immer noch nicht gesehen. Ich stecke all meine Wut und Frustration in unseren letzten Zug und sprinte los, Adrenalin strömt durch meine Adern. Meine Hand bekommt den Ball zu fassen und dann renne ich das Spielfeld hinab, rase die Grenzlinie entlang.
Zwei Spieler sind mir dicht auf den Fersen, und niemand von meinem Team ist in der Nähe, um mir zu helfen. Eines der Arschlöcher, Nummer Elf, holt auf. Doch während der Ball fest unter meinem rechten Arm klemmt, schiebe ich den linken
Arm vor und ihn zur Seite und dann TOUCHDOWN!
Mein Team eilt zu mir. Helme knallen gegen meinen und Fäuste schlagen in meine Schulter. Es sind weniger als zwei Spielminuten übrig, und das andere Team kann keine Auszeit mehr nehmen. Ich jubele mit meinem Team. Wir haben gewonnen. Wir werden das Spiel über die Zeit bringen, mein Job hier ist erledigt.
Ich fühle mich absolut großartig und grinse wie ein Idiot, bis ich zur Tribüne schaue.
Kasey ist jetzt nirgendwo zu sehen und Allie auch nicht.
Mein Lächeln wird angespannt. Und ich drehe mich zurück zu den Teamkameraden, um ihre freundlichen High-Five und Gratulationen anzunehmen, während ich die ganze Zeit denke „Wo zum Teufel ist sie?“