I
ch habe den Job bekommen.
Gerade, als Julio und ich durch die Tür meines Hauses treten, kommt eine Nachricht von Aaron rein.
Aaron: Meine Tante sagt, du kannst heute Abend zur Probe arbeiten. Wenn es klappt, dann gehört der Job dir. Spätschicht 3x pro Woche.
Ich: DANKE SEEEEEEEHR!
„Du siehst glücklich aus“, sagt Julio, als wir unsere Taschen an der Kücheninsel abstellen. Ich schnappe mir zwei Gläser aus dem Schrank und fülle sie mit Wasser, bevor ich ihm eines reiche. „Danke.“
„Ich bin auch glücklich. Aaron hat geschrieben, dass ich den Job bekomme. Endlich mal etwas Gutes, weißt du?“
Er nickt, doch seine Brauen sind zusammengezogen, während er in sein Glas blickt. „Ich will es dir nicht vermiesen, aber bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?“
Ich spanne mich an. „Warum sollte es das nicht sein?“
Er fährt sich mit einer Hand durch seine dunkelbraunen Haare und blickt auf.
„Allie, du hast eine Menge durchgemacht.“
„Ich weiß“, blaffe ich, weil ich es nicht mag, in welche Richtung dieses Gespräch geht. Vor nicht einmal zwei Minuten war ich in Hochstimmung. Jetzt bringt er meinen Traum grundlos zum Platzen.
„Wie wirst du mit all den Leuten um dich herum umgehen? Mit den Kunden? Mit dem anderen Personal? Was, wenn Aaron dich zum Abschied wieder freundlich umarmen will?“
Ich kaue an meinem Fingernagel. „Ich werde mir etwas einfallen lassen“, sage ich zu ihm, fest entschlossen, die Sache hinzukriegen. „Mir geht es gut. Ich hatte heute in der Schule keine größeren Zusammenbrüche. Das wird mir guttun.“
Er sieht nicht überzeugt aus, aber er lässt das Thema fallen. Ich schaue, wie spät es ist, und merke, dass ich vierzig Minuten habe, um mich fertig zu machen, und zum Diner zu fahren. „Ich muss mich umziehen. Willst du mich hinfahren und dann das Auto behalten, falls du irgendetwas unternehmen willst?“
Er schüttelt den Kopf. „Nein. Ich habe ein paar Aufgaben fürs Selbststudium, die ich erledigen muss. Ist es okay, wenn du selbst fährst?“
Ich nicke. „Ich kriege das hin.“
Er sieht immer noch nicht überzeugt aus, sagt aber nichts, als ich nach oben renne, um mich umzuziehen.
Wenn man bedenkt,
dass es ein Wochentag ist, dann ist das Sun Valley Station rappelvoll. Fast jede Sitzecke ist besetzt, und an der Theke sind nur zwei Barhocker frei. Ich erkenne ein paar Schüler aus meiner Schule, aber glücklicherweise nicht die Teufel. Ich glaube nicht, dass ich jetzt mit Roman umgehen könnte.
Aaron winkt mich zu sich, sobald er mich eintreten sieht. „Hey, komm mit.“ Er macht eine der Kellnerinnen auf sich aufmerksam und ruft ihr zu: „Ich bin gleich wieder da.“
Sie nickt, und Aaron führt mich durch eine Doppelschwingtür und dann einen privaten Flur entlang zu einem Büro. Er klopft zweimal an die Tür, bevor er sie öffnet.
„Tante Emma, das ist Allie.“ Eine Frau mittleren Alters mit aschblondem Haar
schaut von ihrem Schreibtisch auf. Ihre Gesichtszüge sind streng. Schmale Nase, hohe Wangenknochen und schmale Lippen. Eine Lesebrille sitzt oben auf ihrem Kopf.
„Du gehst mit meinem Neffen zur Schule?“, fragt sie und lehnt sich in ihrem Stuhl zurück. Sie legt die Dokumente, die sie gerade durchgesehen hat, zur Seite, um mir ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken.
„Jawohl, Maam.“
„Ah, diese hier hat Manieren“, sagt sie zu Aaron, bevor sie sich wieder zu mir dreht. „Hast du Arbeitserfahrung?“
„Ich habe einen Sommer lang in meiner Heimatstadt als Barista gearbeitet.“ Viel ist das nicht, aber wenigstens etwas, und ich habe dadurch gelernt, in einem schnellen Tempo zu arbeiten.
„Hat Aaron dir die Einzelheiten erzählt? Du musst Geschirr spülen. Es ist nichts Glamouröses. Du wirst nicht kellnern und kein Trinkgeld bekommen. Ab und zu räumst du vielleicht ein paar Tische ab, wenn die Mädchen vorn Hilfe brauchen, aber den größten Teil der Zeit wirst du hinten verbringen. Ist das in Ordnung für dich?“ Sie mustert mich prüfend.
Ich wusste nicht, was ich tragen sollte, als habe ich ein paar schwarze Skinny-Jeans und ein langärmeliges schwarzes T-Shirt und weiße Sneaker angezogen. Ich habe angenommen, dass Schwarz die sicherste Wahl sei.
„Klingt gut“, sage ich zu ihr.
„Okay, dann. Aaron bringt dir eine Schürze und zeigt dir, wo du arbeitest. Wenn du heute mithalten kannst, kannst du den Job haben. Du bekommst den Mindestlohn, aber nach sechs Monaten wird der Stundenlohn um einen Dollar erhöht. Der Arbeitsplan ändert sich jede Woche, aber drei Schichten sind dir sicher.“
Ich nicke. „Danke.“
Aaron führt mich durch den Flur in den Küchenbereich. Ich werde von zwei Köchen begrüßt, aber beide stecken bis zum Hals in Arbeit, also winken sie mir nur zu und lächeln. Ich verspanne mich, als mir klar wird, dass nur wir drei hier hinten sind, doch ich lasse erleichtert die Schultern sinken, als Aaron mich weiterführt, wo die Geschirrspülstation ist.
Sie befindet sich, von den Köchen entfernt, in einer kleinen Ecke. „Die Kellner
und Hilfskräfte stellen hier das Geschirr ab.“ Er zeigt auf eine niedrige Theke, auf der sich bereits schmutzige Teller und Gläser stapeln. „Und wenn du fertig mit Spülen bist, dann stellst du sie hier ab. Besteck und Gläser kommen alle in die automatische Spülmaschine, damit sie desinfiziert werden, aber die Teller und Schüsseln wäschst du von Hand.“
„Klingt nicht allzu schwierig.“ Ich lächele ihn an. „Ich denke, ich kriege das hin.“
„Okay. Und wenn du nicht weiterweißt oder Hilfe brauchst, dann bin ich vorn.“ Er legt eine Hand auf meine Schulter und ich verspanne mich sofort. Panik kommt in mir hoch, und Aaron entgeht meine Reaktion nicht. Er nimmt sofort seine Hand hoch und macht zwei Schritte zurück.
„Was ist hier gerade passiert?“
Ich öffne meinen Mund, um zu antworten, bringe aber nichts heraus.
„Allie, du bist ganz weiß.“
Ich schlinge meine Arme um mich und schaue weg. Julio hatte recht. Das war eine furchtbare Idee. Was hatte ich mir nur gedacht?
Ich nage an meiner Unterlippe und frage mich, wie ich Aaron mein Verhalten erklären soll, als er sagt: „Ist irgendetwas passiert, während du nicht da warst?“
Ich fange seinen besorgten Blick auf und weiß, dass mein eigener feucht mit ungeweinten Tränen ist und nicke.
„Fuck.“ Er reibt sich den Nacken. „Deshalb ist dein Freund eingeschritten, als ich dich vorhin umarmen wollte?“
Noch ein Nicken.
„Okay. Okay.“ Er tigert vor mir hin und her, während er das alles verarbeitet, und ich wappne mich für das, was er als Nächstes sagen wird. „Ich muss nicht wissen, was passiert ist. Es geht mich nichts an. Falls du entscheidest, dass du es mir irgendwann erzählen möchtest, dann kannst du es, okay? Ich bin für dich da, egal was du brauchst.“ Mein Herz schmilzt bei seinen Worten. Ich wusste, dass Aaron ein guter Kerl ist. „Aber…“ Er schüttelt den Kopf, als er schwer ausatmet. „Du willst nicht berührt werden? Richtig?“
Ich nicke. „Ja. Das stimmt.“
„Ist deshalb dein Freund hier zu Besuch? Um dich zu unterstützen, womit
auch immer du zu kämpfen hast?“
„Ja.“
„Ich werde auch helfen. Was immer du brauchst. Er kann nicht rund um die Uhr bei dir sein. Wenn du hier bist, dann bin ich für dich da. Okay?“
Eine Träne rollt meine Wange hinunter und ich wische sie fort. „Du bist ein echt toller Kerl, Aaron. Ich danke dir.“