I
ch beobachte Allie mit Emilio, und die Eifersucht überrollt mich wie ein Zug, der direkt auf mich zurast.
Sie nimmt seine Hände und, statt sich zurückzuziehen, tritt sie näher an ihn. Streckt die Hand aus und berührt ihn.
Dominique klatscht mit einer Hand auf meine Schulter, und ich reiße meinen Blick zu ihm herum. „Du musst das in Ordnung bringen.“
„Ich versuche es.“
„Dann versuche es noch mehr.“
Ich reiße mich von ihm los. „Sie lässt jeden anderen an sich heran außer
mich.“ Sogar ich kann hören, wie verbittert ich klinge. In dem Moment, als Emilio sie umarmt, sehe ich rot. Ich will dem Wichser ins Gesicht schlagen. Völlig egal, dass er einer meiner besten Freunde ist.
„Ich weiß, dass es schmerzt, Mann ...“
„Schmerzt?!“ Ich drehe mich zu ihm um, meine Augen weit aufgerissen und ein höhnisches Grinsen auf meinen Lippen. „Du denkst, das schmerzt? Ich wünschte, es würde einfach nur schmerzen. Dieser ganze Scheiß hier“, sage ich und
gestikuliere in ihre Richtung, „fühlt sich an, als ob mir die Eingeweide herausgerissen werden. Mein Mädchen spricht nicht mit mir. Sie will mich nicht mal ansehen. Verdammt, sie wurde vergew ...“
Dominique greift mich und schiebt mich in ein leeres Klassenzimmer. „Verdammt, nicht so laut!“, brüllt er mich im Flüsterton an.
Ich schüttele den Kopf, meine Hände ballen sich bereits zu Fäusten. Ich muss irgendetwas schlagen. Oder irgendjemandem. Ich muss, was auch immer ich fühle, auf irgendetwas
umleiten, sonst verliere ich noch meinen verdammten Verstand.
Dom rückt mir zu sehr auf die Pelle, und ich brauche meine ganze Selbstbeherrschung, nicht auszuholen und meinen besten Freund zu schlagen.
„Es ist scheiße. Du bist angepisst, weil du weißt, dass du es vermasselt hast. Ihr beide hattet eine gute Sache am Laufen, und ihr wurde wehgetan.“ Ich öffne meinen Mund, aber er lässt mich nicht zu Wort kommen. „Aber du kapierst es immer noch nicht, Rom. Ihr
wurde wehgetan. Ihr. Nicht dir. Du hast nicht das Recht, auf sie sauer zu sein oder auf irgendjemandem anderen, weil du ein eifersüchtiges Arschloch bist, das normalerweise immer seinen Willen bekommt. Sie hat etwas Besseres verdient.“
„Geh mir von der Pelle.“ Ich schubse ihn weg. Er macht ein paar Schritte zurück, sein Kiefer ist angespannt, seine Augen schmal.
„Es geht hier nicht um dich. Nicht darum, was du willst oder was du glaubst, zu brauchen. Wenn du sie zurückhaben möchtest, dann hör auf, ein egoistischer Mistkerl zu sein, und kapiere endlich, dass es um sie geht. Was sie will und was sie braucht. Das ist das Einzige, das im Moment zählen sollte.“
Ich knirsche mit den Zähnen. Das Arschloch hat recht und das hasse ich. Ich richte meine Augen auf den Boden und zwinge mich, tief einzuatmen. Dann lasse ich mich fallen, sodass mein Arsch aufs Linoleum klatscht und mein Rücken gegen die Wand lehnt. Ich blicke ihm nochmal in die Augen. „Was mache ich nur?“
Er reibt sich den Nacken, ein erschöpfter Ausdruck liegt auf seinem Gesicht. „Ich weiß nicht, Mann.“
„Sie redet nicht mit mir“, sage ich, meine Worte klingen hohl und bedeutungslos.
Dom seufzt. „Du drehst die Sache schon wieder so, dass sich alles um dich geht. Es ist nicht nur, dass sie mit dir nicht reden will. Sie kann es nicht. Du hast
gesehen, was beim letzten Mal passiert ist. Sie ist durchgedreht und hatte fast eine verdammte Panikattacke.“
Fuck.
Das ist die Sache mit den Händen.
Etwas klickt. In meinem Kopf nimmt eine Idee Gestalt an, und plötzlich weiß ich, was ich tun muss.
Ich stehe auf und gehe zur Tür.
„Wo gehst du hin?“
„Weg.“
„Was meinst du mit ‚weg’? Wir haben Unterricht.“
Ich schüttele den Kopf. „Ich schwänze. Ich muss etwas erledigen. Aber“, ich halte inne, „pass auf mein Mädchen auf.“
Ich gehe ohne Umwege zum Parkplatz und ignoriere Mrs Jennings, als sie ihren Kopf zum Klassenzimmer herausstreckt und mich fragt, wohin ich gehe. Die Saison ist vorbei. Sie kann mich so viel nachsitzen lassen, wie sie will.
Ich entdecke Henderson, der auf dem Parkplatz gerade aus seinem Subaru WRX steigt, und innerhalb eines Moments entscheide ich mich, ihm zuzurufen: „Hey, Henderson!“
Er reißt den Kopf herum zu mir und runzelt die Stirn.
„Los, wir schwänzen.“
„Was?“
Ich marschiere zu seinem Auto, öffne die Tür auf der Beifahrerseite. „Steig ein, Henderson, ich brauche jemanden, der mich fährt. Los.“
Überraschenderweise tut er, was ich ihm sage. Ich beschreibe ihm den Weg zu The Missing Piece und lasse ihn in der ersten freien Parklücke parken, die wir finden können. Ohne zu zögern, gehe ich hinein. Ich muss nicht einmal darüber nachdenken, was ich haben will. Ich weiß es schon. Henderson folgt mir, Unsicherheit ist ihm ins Gesicht geschrieben.
Die Frau am Empfang schaut uns beide kurz an, und ihr Lächeln wird strahlender. Sie trägt mitten im Winter ein tief ausgeschnittenes Tanktop, sodass man ihre beiden Arme sieht, die voller Tattoos sind. „Habt ihr Zeit für Kunden ohne Termin?“, frage ich, wobei ich das flirtende Lächeln ignoriere, das sie mir schenkt.
„Für dich werde ich mal nachschauen“, sie dreht sich zu ihrem Computer, bevor ihr Blick wieder zu mir schwenkt. „Und was ist mit ihm, Süßer? Seid ihr beide zum Stechen hier?“
Henderson schüttelt voller Überzeugung den Kopf.
„Nur ich“, sage ich zu ihr.
„Okay. Henry hat Zeit. Was möchtest du denn?“
Ich erkläre ihr kurz, was ich will.
Sie presst die Lippen aufeinander. „Bist du sicher, dass du das auf deinen Händen willst?“
Ich nicke, und sie geht los, um diesen Typen namens Henry zu holen. Er kommt nach vorn, und ich erkläre noch einmal, was ich will. Er sieht mich auf die Weise an, wie es manche Tattoo-Künstler tun, wenn sie überzeugt sind, dass man einen Fehler macht. Aber er sagt nichts, weil er froh ist, mir mein Geld abzuknöpfen.
Wir setzen uns zusammen hin, und er arbeitet an der Skizze für beide Motive. Als wir die Schablonen auf meine Hände legen, besprechen wir die genaue Platzierung, und dann sind wir fertig. Er fragt nicht einmal nach meinem Ausweis. Ich habe mitbekommen, wenn man erst einmal ein Tattoo hat, hat keiner wirklich ein Problem damit, noch Weitere hinzufügen.
„Letzte Chance, Mann. Bist du dir sicher?“
Ich nicke. Ich habe Henry erklärt, was die Tattoos bedeuten. Es passiert nicht jeden Tag, dass ein Kerl kommt, und das verlangt, was ich möchte. Doch meine Erklärung bestärkt nur seine Meinung, dass es dumm ist. Aber das ist schon in Ordnung. Dieses Mädchen ist meine Bestimmung. Sie ist nicht nur mein Anfang, sie ist auch mein Ende. Ich habe bis jetzt herumgevögelt und in dieser Stadt ein Mädchen nach dem anderen flachgelegt, bis sie aufgetaucht ist. Die letzten paar Jahre war das völlig in Ordnung für mich. Ich wollte mit keiner mehr als eine Nacht. Aber mit Allie will ich nicht nur eine Nacht. Ich brauche sie jeden Tag. Jeden einzelnen Tag, der noch vor mir liegt.
Sie ist die erste Person, an die ich denke, wenn ich aufwache, und die letzte in meinen Gedanken, bevor ich einschlafe. Sie ist nicht nur irgendein Mädchen. Das war sie nie. Sie ist die eine. Ich weiß, wir sind jung. Ich weiß, dass wir gesagt haben, dass wir nur Spaß miteinander haben wollen. Ich sollte mir keine Gedanken um
mein Morgen oder den Rest meines Lebens machen, aber genau das will ich mit ihr.
Sie muss wissen, dass sie für mich die Einzige ist. Ich werde Opfer bringen. Ich werde mich anstrengen und an mir arbeiten. Weil sie es, verdammt noch mal, verdient hat. Ich hoffe, dass ihr das zeigt, wie viel sie mir bedeutet. Wenn nicht, habe ich keine Ahnung, was ich noch tun kann.
Henry braucht vier Stunden, um das Werk zu vollenden. Als er fertig ist, erklärt er mir die übliche Nachsorge von Tattoos. Welche Lotion man verwenden soll und so. Und er erinnert mich daran, dass Handtattoos berüchtigt dafür sind, schneller zu verblassen als Tattoos an anderen Körperstellen. Ich bezahle ihn und bedanke mich, nachdem er meine Handrücken mit einem dünnen Verband abgedeckt hat.
Danach bleiben uns noch etwa eine Stunde und zwanzig Minuten, bevor sie nach Hause kommt. Ich muss an einem Ort mit ihr reden, wo sie sich sicher fühlt. Ich will das nicht in der Schule machen. Wir brauchen kein Publikum, und ich weiß, dass der Parkplatz schlechte Erinnerungen in ihr wachruft. Also beschließe ich, zu ihrem Haus zu fahren. Ich will sie hiermit nicht überfallen, und ich will nicht, dass sie sich unwohl fühlt, aber mir fällt keine Alternative ein.
„Ich kann nicht glauben, dass du das getan hast“, sagt Henderson.
Ich zucke mit den Schultern, als ob es keine große Sache ist, denn das ist es wirklich nicht. Für dieses Mädchen würde ich noch verdammt viel mehr tun, als mir nur ein paar Tattoos stechen zu lassen.
Er wirft mir einen Seitenblick zu, als ich ihm sage, dass er zu Allies Haus fahren soll. „Du hast sie wirklich gern?“, fragt er und klingt überrascht.
Ich knurre, weil ich ihm meine Gefühle nicht erklären muss.
Er parkt gegenüber der Villa, in der sie wohnt, und ich verstelle die Lehne des Sitzes nach hinten und mache es mir zum Warten bequem. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass uns noch ein bisschen Zeit bleibt, bis sie nach Hause kommt. Henderson schaltet den Motor aus, und das Schweigen zwischen uns wird immer länger und unangenehmer.
„Sprechen wir je über ...“
Ich unterbreche ihn. „Nein. Da gibt es nichts zu besprechen.“
Er seufzt. „Ich habe Scheiße gebaut.“
„Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts.“
Er dreht sich zu mir um, seine Nasenflügel beben. „Du hast auch Scheiße gebaut, Rom. Tu nicht so, als ob du ein Heiliger wärst.“
„Ich habe nie behauptet, dass ich einer bin“, sage ich zu ihm. „Aber ich lerne aus meinen Fehlern. Versuche sie, wieder geradezubiegen. Kannst du das Gleiche von dir sagen?“
Sein Gesicht verspannt sich und er schaut fort, starrt durch die Windschutzscheibe. „Damals hatte ich Probleme.“
Ich nicke. Das weiß ich. Damals wusste ich es wahrscheinlich nicht. Er war gut darin, seine Spuren zu verwischen und eine weiße Weste zu behalten, aber später habe ich herausgefunden, was er durchgemacht hat. „Wir haben einen Deal gemacht“, erinnere ich ihn. „Du hilfst mir, wir fangen neu an. Aber Henderson“, sage ich und warte, bis er mir in die Augen blickt, denn ich will, dass er weiß, wie ernst es mir ist, „ich werde diesen Deal nicht noch einmal machen. Egal, welchen Scheiß du noch aus der Welt schaffen musst, gehe sicher, dass du das auch tust.“
Er nickt, verleugnet nicht, dass er noch in Zeug verwickelt ist, mit dem er nichts zu tun haben sollte.
Ich weiß, dass ich nicht fragen sollte, tue es trotzdem: „Nimmst du sie immer noch?“
Er schüttelt den Kopf.
„Und dealen?“
Eine Pause, dann ein einziges, heftiges Nicken.
„Halte diesen Mist von ihr fern. Klar? Sie mag dich. Sie hat hier nicht viele Leute, und sie hat viel durchgemacht. Wo immer du drin steckst, lass das nicht an sie ran.“
„Das werde ich nicht. Ich würde nie ...“
Ich schnaube. „Weil sich das ja auch nicht auf unsere Leben ausgewirkt hatte, oder?“ Das bringt ihn zum Schweigen, und er atmet tief aus.
„Ich werde meinen Mist in Ordnung bringen. Ich brauche einfach nur… Zeit.“
„Es ist eineinhalb Jahre her.“
„Ich weiß.“ Sein Kiefer spannt sich an. „Aber ich habe meine Gründe, und ich arbeite daran.“
Ich nicke und lasse damit das Thema ruhen. Wir warten schweigend noch ein
paar Minuten, bevor Allies Audi in Sicht kommt.
„Also, wie sieht dein Plan aus?“
Ich drehe mich zu ihm und zucke mit den Schultern. „Ich habe keinen Plan. Ich improvisiere. Wenn sie bereit ist, mit mir zu reden, verdrück dich. Ich finde dann schon jemanden, der mich später fährt. Wenn es schwierig für sie ist, bleib da und versuche, nicht zuzuhören, wenn ich mein Innerstes vor ihr auf dem verdammten Gehweg ausbreite.“
Er runzelt die Stirn und reibt sich dabei den Nacken. „Äh, okay. Ich schätze, das kriege ich hin.“