Schluss

 

 

 

In dem immerwährenden Kampf zwischen Gefühl und Vernunft hatte die Romantik eine Zeit lang das Gefühl über die Logik und das Bild über die reine Idee gestellt. In anderen Zeitaltern hatte es ähnliche Situationen gegeben; deswegen wurden die hellenistische Periode und die Spätgotik erwähnt. Die Zukunft, wie man sich denken kann, sollte ähnliche Wiederholungen bringen.

Der Romantik ging eine lange Reifezeit voraus: Sie entstand nicht aus einer Krise, die ihr Aufblühen begünstigte, sie hatte schon lange auf ihre Stunde gewartet. Ebenso erlosch sie nicht innerhalb eines Tages, als die Stimmung sich wandelte, sie ordnete sich zwar unter, aber sie verschwand nicht, als sich neue Konzepte durchsetzten. Die Romantik übte weiterhin eine direkte Wirkung und einen allgemeinen Einfluss aus, der Nachhall ihrer Stimme erklingt noch bis unsere Tage.

Die Protagonisten der Romantik, die unter ihrem Zeichen zu schaffen begonnen hatten, waren weiterhin am Werk. Die Zeit und der Zeitgeist haben sie verändert, aber nicht verwandelt. Die Romantiker haben noch nach 1848 Schüler gewonnen. Vor allem haben sie nach und nach den Widerstand des Publikums bezwungen. Die Popularität, die sie sich nach erbittertem Kampf errungen hatten, wird ihnen heute zuerkannt, und die Weltausstellung von 1855 war für sie ein erster Triumph. Die offiziellen Bestätigungen haben sich seither vervielfacht, ihre wichtigsten Werke fanden Aufnahme in den Museen und haben dazu beigetragen, unser Empfindungsvermögen zu verfeinern, und sie tun es immer noch.

Die Romantik hat außerdem einen allumfassenden Einfluss ausgeübt. Sie hat die Freiheit im Bereich der Kunst verkündet. Dadurch, dass sie für jeden das Recht beanspruchte, sich seinem Temperament entsprechend auszudrücken, hat sie zuerst die eigene Sache vertreten. Gleichzeitig hat sie auf geschwisterliche Weise den Aufschwung aller Tendenzen begünstigt, sowohl den jener Künstler, die der Romantik Sympathie entgegen brachten, als auch den jener, die sie bekämpften und an ihrem Untergang arbeiteten. So ist der Wille zur Toleranz größer geworden, der sich schließlich in allen Gemütern durchgesetzt hat. Viele Künstler glauben auch heute noch, dass außerhalb bestimmter Gesetze nichts Wertvolles geschaffen werden kann, aber selbst die glühendsten Anhänger von Regeln und Disziplin würden kein Scherbengericht fordern.

Dieser gegenseitige Respekt nahm die Form einer Doktrin an. Niemand würde heute versuchen, ein Kriterium für Schönheit zu formulieren. Die Romantik hat uns von der Relativität des Schönen überzeugt. Ihr verdanken wir, dass wir jedem Land, jeder Epoche und jedem Künstler das Recht zuerkennen können, sein Ideal und seine Norm selbst zu bestimmen – eine wohltuende Wahrheit! Durch sie lassen wir den versöhnten Toten Klarsicht und Gerechtigkeit widerfahren. Durch sie begünstigen wir in der Gegenwart und in der Zukunft das Aufblühen des Genies. Und schließlich gewinnen wir durch sie ein Vielfaches an Freuden. Es gibt keine Helden mehr, deren Worte uns widerspenstig machen; mit wohlwollendemwohlwollendem Herzen öffnen wir uns allen Enthüllungen.