Friedrich von Schiller
 (1759 bis 1805)

Die Braut von Messina

 

 

 

Die Szene ist eine geräumige Säulenhalle, auf beiden Seiten sind Eingänge, eine große Flügeltür in der Tiefe führt zu einer Kapelle.

 

Erster Auftritt

Donna Isabella in tiefer Trauer, die Ältesten von Messina stehen um sie her.

 

Isabella

Der Noth gehorchend, nicht dem eignen Trieb,

Tret’ ich, ihr greisen Häupter dieser Stadt,

Heraus zu euch aus den verschwiegenen

Gemächern meines Frauensaals, das Antlitz

Vor euren Männerblicken zu entschleiern.

Denn es geziemt der Witwe, die den Gatten

Verloren, ihres Lebens Licht und Ruhm,

Die schwarz umflorte Nachtgestalt dem Aug

Der Welt in stillen Mauern zu verbergen;

Doch unerbittlich allgewaltig treibt

Des Augenblicks Gebieterstimme mich

An das entwohnte Licht der Welt hervor.

Nicht zweimal hat der Mond die Lichtgestalt

Erneut, seit ich den fürstlichen Gemahl

Zu seiner letzten Ruhestätte trug,

Der mächtigwaltend dieser Stadt gebot,

Mit starkem Arme gegen eine Welt

Euch schützend, die euch feindlich rings umlagert.

Er selber ist dahin, doch lebt sein Geist

In einem tapfern Heldenpaare fort

Glorreicher Söhne, dieses Landes Stolz.

Ihr habt sie unter euch in freud’ger Kraft

Aufwachsen sehen, doch mit ihnen wuchs

Aus unbekannt verhängnis vollem Samen

Auch ein unsel’ger Bruderhass empor,

Der Kindheit frohe Einigkeit zerreißend,

Und reifte furchtbar mit dem Ernst der Jahre.

Nie hab’ ich ihrer Eintracht mich erfreut;

An diesen Brüsten nährt’ ich beide gleich,

Gleich unter sie vertheil’ ich Lieb’ und Sorge,

Und beide weiß ich kindlich mir geneigt.

In diesem einz’gen Triebe sind sie Eins,

In allem Andern trennt sie blut’ger Streit.

 

Zwar, weil der Vater noch gefürchtet herrschte,

Hielt er durch gleiche Strenge furchtbare

Gerechtigkeit die Heftigbrausenden im Zügel,

Und unter eines Joches Eisenschwere

Bog er vereinend ihren starren Sinn.

Nicht waffentragend durften sie sich nahn,

Nicht in denselben Mauern übernachten.

So hemmt’ er zwar mit strengem Machtgebot

Den rohen Ausbruch ihres wilden Triebs;

Doch ungebessert in der tiefen Brust

Ließ er den Hass – der Starke achtet es

Gering, die leise Quelle zu verstopfen,

Weil er dem Strome mächtig wehren kann.