Michail Jurjewitsch Lermontow
 (1814 bis 1841)

Ein Held unserer Zeit

 

 

 

Erstes Buch: Bela

 

Das Herz eines Russen

 

Kapitel I

 

Ich reiste von Tiflis aus mit der Post. Das ganze Gepäck auf dem kleinen Wagen bestand aus einem einzigen, nicht sehr großen Koffer, der zur Hälfte mit Reisenotizen über Georgien angefüllt war. Ein großer Teil davon ist, zu Ihrem Glück, verloren gegangen, aber der Koffer mit den übrigen Sachen blieb, zu meinem Glück, unversehrt.

Die Sonne versank schon hinter den verschneiten Gipfeln, als ich das Koischaur-Tal erreichte. Der Fuhrmann, ein Ossete, trieb unablässig die Pferde an, weil er noch vor Anbruch der Nacht auf den Gipfel des Koischaur gelangen wollte, und sang aus vollem Halse.

Ein herrliches Fleckchen Erde ist dieses Tal! Ringsum unbezwingbare Berge, rötliche Felsen, die Efeu umrankt und Platanen krönen, gelbe Abhänge, von Rinnen durchfurcht, die das Wasser wusch, und hoch oben der goldene Saum des Schnees; unten aber die Aragwa, die wie eine Schlangenhaut glitzert und sich wie ein Silberfaden dahinzieht, nachdem sie ein anderes, namenloses Flüsschen umarmt hat, das tosend aus einer schwarzen, nebelwogenden Schlucht hervorbricht.

Am Fuße des Koischaur hielten wir vor einem Gasthaus. Hier drängten sich lärmend an die zwanzig Georgier und Gebirgsbewohner; in der Nähe richtete sich eine Kamelkarawane für die Nacht ein. Ich musste mir einen Ochsen mieten, um mit meinem Wagen auf den verdammten Berg hinauf zu kommen, denn es war schon Herbst, die Straßen waren vereist, und dieser Berg ist rund zwei Werst hoch.