Kapitel 10

D as Zirpen der Grillen echote über den Moss-Hof, als William dabei war, eine Laterne am Tor anzuzünden. »Du willst nach Hause gehen?«

»Ja, aber ich habe meinem Großvater versprochen, dass ich dich dazu bringe, mit mir zu gehen, wenn es dunkel wird. Er ist gerne vorsichtig.« Sie zuckte mit den Schultern und schaute in den Nachthimmel, der voller Sterne war. Die Worte des Drachen kamen ihr wieder in den Sinn und sie atmete die Aufregung ein, die immer noch durch ihren Körper summte.

William ging den Rand des Grundstücks entlang, um die nächste Laterne anzuzünden. »Ein weiser Großvater. Gib mir ein paar Minuten, dann bin ich fertig.«

»Danke, dass du mich auf den Flug mitgenommen hast. Du musst dich die ganze Zeit so fühlen«, sagte Raven, grinste und drückte die Hand auf ihren Bauch.

William lachte leise. »Drachen können dir das Gefühl geben, dass alles möglich ist, aber vergiss nie, dass wir sie für den Kampf ausbilden. Sie sind prächtig, ja und tödlich.«

Sie erreichten die nächste Laterne. Diese war viel höher als die ersten beiden. »Wenn du schon mal hier bist, kannst du auch helfen. Halte das mal kurz fest.« Er reichte ihr die Fackel, während er den Pfahl hochkletterte. »Okay, gib her.«

Sie reichte ihm die Fackel, die sie nur mit einem Arm, den anderen fest an ihre Seite gepresst, hochhalten konnte. Er griff nach unten und ergriff sie.

Raven sah wie hypnotisiert auf die tanzende Flamme. »Wie auch immer, du hast Glück, William.«

»Warum denn das?«

»Schau dir diesen Ort an – völlige Freiheit und Unabhängigkeit. Du kannst den Job machen, den du willst. Du hast dein Schicksal selbst gewählt und bist immer in der Nähe von Drachen.«

William lachte, als er wieder nach unten rutschte und die Fackel bei der Landung auf Armeslänge hielt. »Es gibt zwei Probleme mit dieser Beobachtung. Erstens: Ich habe es mir nicht ausgesucht, es ist das Familienunternehmen. Ich liebe es nur zufällig auch. Weißt du, Raven, du hast ein wenig von dem gesehen, was ich mache. Es ist nicht so glamourös. Drachen zu trainieren, ist ein ziemlich einfaches Geschäft. Meine Eltern vertrauen mir, weil ich nicht viel Spielraum habe für Rebellion oder die Dinge auf meine Art zu machen. Es gibt nur einen Weg, diese Wesen auszubilden und nur ein Ergebnis. Das ist das zweite Problem.«

»Warum ist das ein Problem?« Sie warf einen Blick auf die Aufstellung der brennenden Fackeln in der Nähe der Häuserreihe.

Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um, sein düsterer Blick war im Feuerschein zu sehen. »Dieser Job ist manchmal eine Qual.«

»Warum? Was ist los?«, fragte sie verblüfft.

»Ich habe cool getan, als wir das Tal besucht haben. Okay, bis die Drachen deine neuen besten Freunde wurden. Ich gehe oft dorthin, weil ich mich verdammt schuldig fühle.«

»Weil du ihnen die Flügel stutzen musstest?«

Er wollte es nicht laut aussprechen. »Jedes Mal, wenn wir einen neuen Drachen heranzüchten, setze ich große Hoffnungen in ihn. Diese großen, schönen Tiere – sie sind zu so viel fähig. Mitzuerleben, wie sie ihre neue Rolle im Königreich einnehmen? Das ist der Lohn dafür, ein Drachentrainer zu sein. Wenn also einer von ihnen die Anweisungen nicht befolgt …«

»Hast du das Gefühl, du hast sie im Stich gelassen?«

»In gewisser Weise, ja. Ich weiß, was sie erwartet.« Er holte tief Luft und blickte an ihr vorbei auf die Weide, die sich hinter ihnen erstreckte und auf der die meisten Drachen schliefen. »Wenn das Tal alles ist, was für so schöne Tiere bleibt, wozu existieren sie dann überhaupt noch? Das ist so eine Verschwendung.« Mit erstickter Stimme brachte er die Worte heraus.

»Es muss doch einen Grund geben«, sagte sie leise.

William ging weiter zur nächsten Fackel. »Ja, deshalb möchte ich, dass du Leander ausbildest.«

Raven blieb stehen und wäre fast in Gelächter ausgebrochen. »Du willst was

»Du hast da was, Raven.«

»Ja, Schule und Hausarbeit.«

»Lass mich die letzte anzünden, dann hör mir zu. Ich habe gesehen, wie du mit Teo umgegangen bist. Du weißt, dass du es machen willst.«

»Das möchte ich auch, aber es gibt da mehr als nur ein paar Leute, die das nicht zulassen werden.«

Als er mit der letzten Fackel fertig war, ging er an ihr vorbei. »Folge mir.«

Sie hasste es, diese Worte auszusprechen. »Ich bin doch eine Magierin in Ausbildung.«

Williams Augenbrauen schossen in die Höhe und er runzelte die Stirn. »Das hört sich nicht nach dir an. Du hast doch keine Angst, oder? Du bist eine furchtlose Kriegerin, die kleine Elfen besiegt.«

»Hey, er hatte eine Armbrust und war streitlustig!«

»Siehst du? Du kannst das und wir können …«

»Wir können was? Sie werden es nicht zulassen.«

»Das bekommen wir schon hin.«

William führte sie zu Leanders Gehege, wo das mächtige Tier unruhig umherlief. Er zeigte auf den Drachen, während er die Fackel hochhob, um ihn zu beleuchten. »Sieh dir diese Kreatur an. Dieser Drache ist riesig, mächtig und wunderschön. Er kann unglaublich nützlich sein für das Königreich, oder?«

Raven nickte. »Das ist gewiss.«

»Aber das wird er nicht sein, weil er nicht auf uns hören will. Er wird sich nicht einmal beruhigen, solange wir in seiner Nähe sind. Pass auf.« William näherte sich dem Tor, Leander knurrte ihn an und blies einen kleinen Feuerball in die Luft, der so hell war, dass beide zusammenzuckten.

»Zisch ab, Bruchpilot.«

William wich zurück und wandte sich an Raven. »Und jetzt du.«

»Ich dachte, du magst mich? Wenn es um damals geht, als ich dich im Bogenschießen besiegt habe, da habe ich dich immerhin zwei von drei Punkten gewinnen lassen.«

»Geh einfach zu dem verdammten Tor!«

»Und was dann? Soll er mir die Augenbrauen versengen? Das würde in der Akademie nicht gut aussehen. Ich bin keine Drachentrainerin. Was soll ich denn tun? Mit den Armen winken? Mit ihm reden? Ihm sagen, er soll sich umdrehen?«

»Geh zum Tor und schau ihm in die Augen. Ich habe ein gutes Gefühl dabei. Ich erkenne eine besondere Verbindung zu einem Drachen, wenn ich eine sehe.«

Raven näherte sich dem Tor und starrte Leander an, bereit, sich zu ducken, falls er einen weiteren Feuerball abfeuern würde.

Die Augen des Drachen glühten, als er Raven fixierte und ruhig Dampf schnaubte. Raven beruhigte ihren Atem und beobachtete ihn ausdruckslos. Leander beugte sich vor und streckte ihr langsam seinen langen Hals entgegen.

Raven hielt still, atmete tief ein und aus.

William lächelte. »Bleib einfach da. Rühr dich nicht vom Fleck.« Er hob die Fackel an, um eine bessere Sicht zu bekommen. »Du bist ein Naturtalent.«

Mit einem langen, lauten Schnüffeln atmete Leander das Aroma ein, das von Raven ausging. Er schloss die Augen und schnupperte noch ein paar Mal, wobei seine Nasenlöcher sich aufblähten. »Was ist das? Wer bist du?« Seine Stimme war ein leises Grollen, das Raven in ihrer Brust spüren konnte.

Leander hob den Kopf, bis er Nase an Nase mit Raven stand. Sie blickte ihn beharrlich an und er sah ihr tief in die Augen. Kein Schnauben. Kein Rauch. Kein Feuerball. »Du bist mehr als ein Naturtalent.«

Der Moment schien ein Leben lang zu dauern. Raven wusste nicht, wie sie reagieren sollte oder ob sie etwas tun sollte. Sie wusste nicht, ob der Drache ihr etwas antun würde. Sie starrten sich nur schweigend in die Augen.

Schließlich zog sich der Drache in seinem Gehege zurück und legte sich in die hinterste Ecke.

Verwirrt wandte sich Raven an William. »Sind wir fertig?«

»Ich glaube, das seid ihr.« William lachte.

»Was zum Teufel war das?«

»Das, meine liebe Freundin, war ein Fortschritt. Was du in den letzten paar Minuten getan hast, ist mehr, als jeder von uns auf dem Hof in den letzten Wochen vollbracht hat.«

»Aber ich habe doch gar nichts gemacht!« Sie streckte ihre Handflächen aus. »Ich stand einfach nur da und habe diese seltsame Verbindung gefühlt.« Sie klopfte sich auf die Brust.

»Raven, der erste Schritt bei der Ausbildung eines Drachen ist es, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Einen gegenseitigen Frieden. Du scheinst mehr als das getan zu haben. Niemand sonst hat Leander bisher dazu gebracht, etwas anderes zu tun als Beleidigungen und Feuerbälle zu schleudern.«

»Ja, das habe ich bemerkt, Bruchpilot.«

»Er ist müde. Warte, bis du ihn bei Tageslicht siehst. Er flucht so gut wie jeder andere. Wenn ich das getan hätte, was du da eben gemacht hast, wäre ich jetzt eine verkohlte Leiche. Du hast dich in die Mitte von wilden, unzähmbaren Drachen gestellt und sie haben auf dich gehört. Du kannst das schaffen und du bist diejenige, die Leander trainieren kann.«

Raven wusste nicht, ob sie ihn auslachen oder ihm ins Gesicht schlagen sollte. »Aber ich bin keine Drachentrainerin! Ich bin eine Magierin oder werde es zumindest werden. Ich habe keine Zeit, um mit Leander zu trainieren.«

William trat näher heran. »Hast du dich über den Gedanken aufgeregt, dass den Drachen die Flügel gestutzt und sie ins Tal geschickt werden oder nicht?«

»Ja, aber …« Sie hielt einen Moment inne. »Wann würde ich ihn ausbilden sollen? Ich bin selbst in der Ausbildung.«

»Raven, ich gebe dir die Chance, deinen Traum auszuprobieren. Du kannst einen Drachen davor bewahren, ins Tal verbannt zu werden. Du kannst ihm helfen, sein Schicksal zu erfüllen. Du erzählst mir immer von dem Tag, an dem du die Menschen in die Schlacht führen wirst, um das Königreich zu beschützen und die größten Arschtritte zu verteilen, bla bla, bla.«

»Das war mit Zaubersprüchen und Magie.«

»Du musst nichts davon zurücklassen. Du kannst dein Schicksal mit diesem Drachen teilen. Er hat auch ein Schicksal und das besteht darin, nicht die Flügel gestutzt zu bekommen. Du kannst ihm helfen, sein Schicksal zu erfüllen und deines.«

Raven warf einen Blick über ihre Schulter auf Leander, der in seinem Gehege schlief. Sein Schwanz war um seinen Körper gewickelt und sein Rücken hob und senkte sich mit jedem langen, schweren Atemzug. »Ich werde darüber nachdenken. Das werde ich, versprochen.« Sie schaute in den Nachthimmel und zu den Sternen hinauf. »Ich muss nach Hause. Wir sollten uns auf den Weg machen.« Sie ging an ihm vorbei in Richtung Tor.

William stemmte eine Hand in seine Hüfte und sah auf den schlafenden Leander. »Es ist noch nicht vorbei. Du hast sie ausgewählt und sie wird für dich da sein«, murmelte er. Er drehte sich um und legte seine Hand auf Ravens Rücken. »Komm schon, wir müssen dich nach Hause bringen.«

Sie liefen die Straße hinauf und lauschten den Laubfröschen und Grillen.

Ein Stück vor ihnen waren die beiden Wachen auf dem Posten eingeschlafen, ein leeres Schnapsglas lag zwischen ihnen.

»Da bist du ja! Geht es dir gut?« Connor Alby eilte auf sie zu, Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Er warf einen Blick auf die betrunkenen Wachen und fluchte leise vor sich hin.

Raven stutze. »Warum bist du noch wach? Mir geht’s gut. Geht es dir gut?«

»Hallo, Sir. Es tut mir leid, dass wir Sie erschreckt haben.« William streckte seine Hand aus für einen Handschlag und Connor ergriff sie, abgelenkt, von einer Seite zur anderen in die Dunkelheit spähend.

William hielt die Fackel hoch, damit das Licht weiter fiel, aber er sah nichts. »Ist etwas passiert?«

»Nein, nichts. Ich brauchte einen Spaziergang und wollte sichergehen, dass Raven sicher nach Hause kommt.« Der Anflug von Panik legte sich und alles, was er nun wollte, war, zu Hause zu sein und die Tür hinter ihnen abzuschließen.

»Ja, tut mir leid. William hatte eine Menge zu tun und … Bist du sicher, dass es dir gut geht?«

Er schaute sie an und schüttelte den Kopf. »Da Isaac immer noch vermisst wird, habe ich mir Sorgen gemacht.«

Raven umarmte ihn und spürte, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief. Verwirrt trat sie zurück und betrachtete sein Gesicht.

»Wir müssen nach Hause gehen. William, du gehst auch nach Hause. Schau, dass du reinkommst.« Er gab sein Bestes, loszulassen, zu vergessen. Er wollte nicht, dass alte Zeichen etwas Neues bedeuteten. »Jeder braucht seinen Schlaf. Und Raven, du musst morgen früh die Ziegen füttern, bevor du zur Akademie gehst.«

Raven drückte seine Hand und schaute William an, wobei sie mit einem besorgten Gesichtsausdruck das Wort ›Seltsam‹ mit den Lippen formte. »Danke für heute.«

William winkte und sagte: »Komm vorbei, wenn du kannst.«

Sie lächelte und drehte sich um, um zu gehen. Sie versuchte, sich einen Reim darauf zu machen, während ihr Großvater sie zur Eile antrieb. Er schaute immer wieder hinter sie, als ob er erwartete, jemanden zu sehen, den er kannte.

* * *

Sie betraten die Hütte, Connor schloss die Tür ab und lehnte seine Stirn für einen Moment dagegen.

»Bist du sicher, dass es dir gut geht?« Raven ließ sich auf einen Stuhl sinken und hielt sich den verletzten Arm, der noch immer in der Schlinge steckte.

»Ja, aber deine Schulter hat schon bessere Tage gesehen.« Er zögerte, kaute auf seiner Unterlippe und dachte über die Konsequenzen dessen nach, was er sagen wollte. »Was ist, wenn ich mich irre?«, sagte er leise.

»Was?«

»Nichts. Ich brauche deine Hilfe bei etwas und ich muss darauf vertrauen, dass du es niemandem erzählst.«

Ravens Augen weiteten sich vor Neugierde und sie stand auf, wobei sie ihren verletzten rechten Arm weiterhin stützte. »Gut, jetzt hast du meine volle Aufmerksamkeit.«

»Das hier ist wichtig, Raven. Ich muss sicher sein, dass du mein Vertrauen behalten kannst.«

Raven beobachtete ihn genau, als er herüberkam und sich schwerfällig auf einen Stuhl ihr gegenüber setzte. »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen. Hast du von Isaac gehört? Du kannst es mir sagen. Ich kann es verkraften.«

»Hör auf damit, das ist nicht das, was ich dir sagen muss. Konzentriere dich. Das ist das A und O, wenn wir es schaffen wollen.«

Er sprang auf und ging in Richtung seines Zimmers. »Ich muss etwas holen.«

Raven verdrehte frustriert die Augen. »Wenn du versuchst, mich auf die Folter zu spannen, funktioniert es.«

Connor kam mit einem kleinen Buch zurück und hielt es aufgeschlagen in seinem Schoß.

»Wo kommt das her?«, fragte Raven und beugte sich vor, um es besser betrachten zu können. »Das habe ich noch nie gesehen.«

»Es gehörte deiner Mutter und ihrer Mutter vor ihr. Hör zu, du musst diese Worte sagen.«

Raven nahm ihm das Buch aus der Hand, schlug die Seite auf und überflog das Geschriebene. »Das ist ein starker Heilzauber. Ich habe nicht die Fähigkeiten dafür, noch nicht.«

»Ich werde dir helfen«, sagte er und räusperte sich.

»Was meinst du damit, du wirst mir helfen? Du hast schon mein ganzes Leben lang keine Kräfte mehr gehabt. Nicht seit …« Sie zögerte, um nicht in alten Wunden zu stochern. »Seit den Kriegen.«

Connor presste seine Lippen aufeinander und atmete tief durch. »Dinge ändern sich.«

»Das gibt’s doch nicht! Das sind ja tolle Neuigkeiten!« Ravens Aufregung wuchs und es fühlte sich an, als sei eine Last von ihr abgefallen.

»Konzentration!« rief er, dann wurde er ernst. Er sagte streng: »Niemand darf erfahren, dass meine Magie zurückgekehrt ist.«

»Aber warum?«

»Ich habe meine Gründe. Ich möchte in Ruhe gelassen werden. Ich habe gehofft, dass ich nie wieder meine Hand im Kampf erheben muss. Das war zu viel!« Er winkte frustriert ab. »Verrate mich nicht.«

»Das würde ich nie tun!«

»Nimm jetzt meine Hand und lass die Magie auf dich wirken. Wenn sie funktioniert, wirst du einen plötzlichen Schub spüren. Kämpfe nicht dagegen an und halte den Zauber nicht auf. Lass ihn seine Arbeit tun. Wir sind nur der Wirt.«

Raven sah ihren Großvater an und wartete auf weitere Erklärungen.

Connor wurde ungeduldig. »Du vertraust mir doch, nicht wahr, mein Enkelkind?«

»Natürlich. Immer.«

»Dann mach schon. Wir können das gemeinsam tun und deine Wunde heilen.«

»Haec ossa mente unoque consilio … « Lange Wortströme ergossen sich aus Ravens Mund, während ihre Augen die Seiten überflogen. Sie spürte, wie die Magie wie eine warme Flüssigkeit durch sie hindurchfloss, sich in ihrer verletzten Schulter niederließ und um diese herum kreiste, um dann ihren Arm hinunter und aus ihren Fingerspitzen zu fließen.

Das strapazierte die Muskeln in ihrem Rücken und sie war sich nicht sicher, ob sie lange genug durchhalten konnte, als sie die Anwesenheit von etwas Neuem spürte.

Sie blickte vom Buch auf und sah ihren Großvater überrascht an. Seine Augen waren geschlossen und er flüsterte etwas Unverständliches.

»Deine Magie ist zurück!« Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie den Zauberspruch wiederholte. Sie stöhnte und biss die Zähne zusammen, als der Knochen in ihrer Schulter begann, sich selbst zu reparieren. Raven drückte seine Hand fester, wild entschlossen, nicht loszulassen.

Als sie fertig war, fiel ihr das Buch vom Schoß. Sie krümmte sich vor Übelkeit und ließ schließlich die Hand ihres Großvaters frei. »Warum war das so schwer?«

»Du musstest noch nie mit so viel Magie umgehen. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen und normalerweise lernt man das mit der Zeit.« Connor Alby ließ seine Stimme verebben und lehnte sich zurück, sein Herz pochte von der Anstrengung. »Probiere deine Schulter aus«, befahl er mit trockener Kehle.

Raven hob vorsichtig ihren rechten Arm an, in der Erwartung, dass es schmerzen würde, aber es tat nur leicht weh. »Es ist … unglaublich!« Sie nahm ihren Arm aus der Schlinge, hob ihn hoch und drehte ihn. »Wir haben es geschafft! Wir haben es geschafft! Was für ein Abend!«

Connor schloss seine Augen und schluckte schwer. »Geh ins Bett. Du hast morgen Schule.« Er öffnete seine Augen wieder und setzte sich auf. »Und vergiss nicht, was ich gesagt habe: kein Wort zu irgendjemandem. Wenn jemand fragt, sagst du, es war eine Fleischwunde und das war’s.«

»Was ist mit Deacon?«

»Ich kümmere mich um Deacon.«

Raven stand auf, um in ihr Zimmer zu gehen. »Ich verspreche, es ist unser Geheimnis. Eine Fleischwunde.« Sie ging in den Flur, kam aber kurz zurück. »Du würdest es mir sagen, wenn du meine Hilfe brauchst? Wenn da mehr wäre, richtig?«

»Ich habe dir gerade mein größtes Geheimnis anvertraut und dich um deine Hilfe gebeten. Das sollte deine Frage beantworten.«

»Ich denke schon …«

»Genau wie deine Mutter. Immer neugierig. Geh ins Bett und ruh dich aus, damit du deine Neugier in der Schule einsetzen kannst.«

Raven sagte kein weiteres Wort, sondern fragte sich beim Weggehen, was er wohl sonst noch versteckte… Als sie in ihrem Zimmer ankam, setzte sie sich auf ihr Bett, ließ ihren rechten Arm kreisen und klopfte mit den Zehen auf den Boden. Sie beugte sich vor, um aus dem Fenster und hoch zu den Sternen zu schauen. »Der beste Tag aller Zeiten.«