S ie betraten die Stadt, ohne etwas zu sagen, während es weiter vor sich hin regnete. Raven sprang über eine Pfütze, wobei ihr Fuß im Schlamm versank. Sie trat vorsichtig in die nächste Pfütze und wirbelte mit der Unterseite ihres Schuhs darin herum.
»Ich färbe auf dich ab, Raven. Das ist meine Art von genialem Denken.«
Raven begann zu lachen. »Erst meine Mutter, jetzt du.«
»Was?«
»Nichts.« Sie sah ihn an. Rinnsale liefen über sein Gesicht. »Gibt es irgendwo auf deinem Körper noch eine Stelle, die nicht klatschnass ist?«
Henry blieb stehen und neigte den Kopf, um den Regen abperlen zu lassen. »Nein. Ich bin von Kopf bis Fuß durchnässt. Es verstößt sicher gegen die gute Körperhygiene, an welchen Stellen sich das Wasser ansammelt. Ich hoffe, sie haben einen guten Spruch bei Fowler.«
Raven hob ihre Hände. »Okay, okay. Keine weiteren Details notwendig. Ich hab’s kapiert. Weißt du, für jemanden, der gerade erst angefangen hat, mit seinem Krafttier zu arbeiten, bin ich beeindruckt, dass der kleine Kerl so fest an deiner Schulter klebt. Ziemlich gute Kontrolle.«
Henry lächelte, als er seinen Kopf drehte und Maxwell ansah. Die Kröte blieb regungslos und starrte geradeaus. »Ich glaube, er ist im Moment einfach zufrieden. Er muss nirgendwo hingehen.«
»Pass auf!« Ein vollgestopfter Karren raste an ihnen vorbei. Terry Powell, ebenfalls ein neuer Schüler in Fowler, rief vom Sitz hinter den Pferden aus Warnungen und zog eine Grimasse, während er den Wagen steuerte. Seine Familie kauerte hinter ihm unter Decken und ihre Habseligkeiten stapelten sich hinter ihnen. Über all das war eine Plane gespannt, die mit Seilen befestigt war und aus der hinten die Beine eines kleinen Stuhls herausragten.
Henry und Raven sprangen zur Seite, doch das Wasser spritzte auf sie.
»Tut mir leid! Schwer zu lenken bei dem ganzen Regen!« Ein breitkrempiger, brauner Lederhut hielt das Wasser so weit von Terrys Augen fern, dass er trotz des Wasserfalls, der an den Seiten herunterlief, ein paar Meter weit sehen konnte.
»Entschuldigung noch mal!«
»Toller Tag für einen Umzug.« Henry grüßte, als sie vorbeifuhren. »Wir sehen uns in der Schule!«
»Hey, Henry, wo ist Maxwell?« Raven zeigte auf seine nun leere Schulter.
Inmitten der Aufregung war die Kröte von seiner Schulter gesprungen und begann, über die Straße zu hüpfen. In Panik suchte Henry die Umgebung ab, bis er die Kröte auf die Metzgerei von Samuel Jones zusteuern sah. »Oh, Scheiße! Nein, tu das nicht, Maxwell! Froschschenkel! Froschschenkel!« Er rannte seinem Krafttier hinterher und Raven schürzte besorgt die Lippen.
»Diese Kröte hat ungefähr so viel Verstand wie Henry. Tja, vielleicht stimmt seine Theorie.«
Zwei ältere Frauen standen unter dem dunkelgrünen Vordach eines Häuschens auf der anderen Straßenseite, wo Terry Powells Wagen langsam zum Stehen gekommen war. Er stieg mit einem düsteren Gesichtsausdruck ab und suchte mit seinen Augen den Horizont ab, als würde er nach etwas Ausschau halten.
Henry rannte an ihnen vorbei und streckte seine Arme aus, um Maxwell einzufangen.
Raven ging unter dem Vordach neben zwei Frauen in Deckung, die sich dort zusammengedrängt unterhielten. » …musste ja passieren. Der Powell-Hof war einer der letzten da draußen.« Die Frau, die Raven am nächsten stand, warf Raven einen verärgerten Blick zu. Die beiden bewegten sich ein paar Schritte von ihr weg und senkten ihre Stimmen.
Gut. Raven zog eine Hand aus der Tasche, wedelte mit den Fingern und flüsterte einen Zauberspruch, um sich die Worte ins Ohr zu zaubern und das Gespräch anhören zu können. Sie senkte den Kopf, um ihr Gesicht zu verbergen und hoffte, dass es niemand bemerken würde.
»So eine Schande. Der Powell-Hof hat immer das beste Fleisch für das Königreich geliefert. Erste Klasse! So eine schöne Marmorierung!«
»Nun, was erwartest du denn? Heutzutage können sie nicht mehr jenseits der Mauer sein. Ich habe gehört, dass sie ein Viertel ihres Schweinebestands verloren haben.« Die Frau erschauderte und zog an ihrem Schal. »Es ist höchste Zeit, dass sie hierherkommen, innerhalb dieser Mauern, bevor der Familie etwas passiert!«
»Powell hat richtig gehandelt. Sein Junge, der gerade bei Fowler anfängt und die beiden kleinen Mädchen wären keine Gegner für das, was sich da draußen herumtreibt. Das müssen Räuber sein.«
»Er hätte einen Kampf angefangen und sich gleich an der Seite seiner Mädchen geopfert, wenn ihnen etwas zugestoßen wäre.«
»Ich habe gehört, es sind abtrünnige Drachen.«
Raven schreckte zusammen und ihr Gesicht erwärmte sich. Sie räusperte sich und schaute weg. Sie beobachtete Henry, der seine Kröte kraulte, während sie den beiden Frauen zuhörte.
»Nee, so etwas hätten wir gesehen, wenn es über uns geflogen wäre. Um Himmels willen … Kannst du dir das vorstellen? Ich habe gehört, es ist eine Armee von jenseits der Sümpfe.«
»Betty hat versucht, mich davon zu überzeugen, dass es Gnome seien, aber die gibt es schon seit hundert Jahren nicht mehr. Was würden sie tun, uns in die Knöchel beißen?« Die Frau schnaubte und schüttelte den Kopf.
»Was glaubt du ist besser? Drachen oder eine Armee?«
Ihre Freundin schüttelte den Kopf. »Keins von beidem. Was auch immer es ist, ich hoffe, sie verschonen uns.«
»Wenn sie das nicht tun, gerät die Sache schnell außer Kontrolle. Wir werden wegen dieser kleinen Miststücke alle unsere Aussiedlerhöfe verlieren.«
Aber was sind das für kleine Miststücke? Bevor Raven noch mehr Tratsch aufschnappen konnte, tauchte Henry aus dem Nichts auf, zog sie am Arm und brach den Bann.
»Lass uns gehen. Wir kommen noch zu spät!« Er umklammerte Maxwell mit der Hand, nur sein kleiner grüner Kopf lugte heraus.
»Henry!« Raven trat aus dem Schutz der Veranda heraus und holte ihren Freund ein. »Diese Familie sind die Powells, vom Powell-Hof in den Außenlanden.«
»Ich weiß. Du hast doch gesehen, wie ich ›Hallo‹ gesagt habe.« Henry machte keine Anstalten, seinen Weg durch die Stadt zu unterbrechen, um pünktlich vor den Toren der Fowler-Akademie zu stehen.
»Und? Das ist alles? Hast du bemerkt, dass sie fast alles, was sie besitzen, bei sich hatten?«
Henry schaute über seine Schulter. »Das schien mir doch etwas übertrieben.«
»Henry, dieser Familie ging es da draußen wirklich gut. Das war einer der profitableren Höfe. Jetzt ziehen sie mitten in einem Gewitter um und lassen Generationen von Schweinezucht hinter sich, um in die Stadt zu ziehen? Das ergibt doch keinen Sinn.« Sie joggte, um mit ihm Schritt zu halten und der Mantel flatterte um sie herum.
»Vielleicht ist es nicht für immer, Raven. Vielleicht waren sie es leid, immer nur miteinander zu reden und mussten ihren Freundeskreis erweitern.«
»Du hast dich mit Jenny getroffen. Ich wusste es!«
»Was? Du weißt nicht alles, Raven. Konzentriere dich auf dein eigenes Leben. Wir haben viel zu tun und Maxwell benötigt offensichtlich mehr meiner Aufmerksamkeit. Wenn ich ihn verliere, bin ich am Ende.« Sie schritten in den sonst so belebten Innenhof. Es regnete noch immer.
Henry verstaute seine Kröte unter seiner Jacke und begann zu rennen. »Ich bin nicht der Einzige, der sich auf sein Krafttier konzentrieren muss, Mädchen. Wenn du darauf genauso viel Energie verwenden würdest wie auf den kleinstädtischen Klatsch und Tratsch, hättest du jetzt wahrscheinlich schon einen Drachen hier.«
Raven rannte hinter ihm her und sie marschierten gemeinsam die Stufen der Haupthalle hinauf. »Ich weiß nicht einmal, wie ein Drache auf Regen reagiert. Es ist gut, dass ich heute keinen dabeihabe.«
»Oder an jedem anderen Tag. Wir reden von einem Drachen. Sie sind so groß wie eine ganze Kneipe. Das hier sind Klassenzimmer. Denk in kleineren Dimensionen, Raven.«
»Es muss einen Weg geben.«
Henry rollte mit den Augen, als er nach dem verzierten Messinggriff fasste und ihr die alte Holztür aufhielt. »Eines Tages wird dich dein Motto in ernsthafte Schwierigkeiten bringen und das heißt, mich auch. Du weißt, dass ich direkt neben dir stehen werde.«
Sie betraten die Haupthalle, in der sich zahlreiche Schüler in unterschiedlichen Feuchtigkeitsstadien in Gruppen versammelt hatten und ihre Notizen aus Professor Ridleys Unterricht verglichen. Ein paar Jungen drehten sich zu Henry um, der fröstelte und so viel Wasser auf den Kachelboden tropfte, dass sich um ihn herum Pfützen bildeten.
»Keinen Schirm dabei, Henry?«
»Zieh dir wenigstens einen Mantel oder so an, Alter!«
Henry strich sich mit der freien Hand die feuchten Haare zurück und hielt Maxwell hoch. »Wenigstens habe ich heute mein Krafttier dabei! Ihr steht alle mit leeren Händen da.«
»Ja«, stimmte Stanley Upton, ein anderer neuer Junge, zu. »Aber wir sind auch trocken. Ich habe das Gefühl, dass das heute ein bisschen wichtiger ist.«
Henry nahm einen trotzigen Tonfall an, als er die Stufen zum vorderen Teil der Halle hinunterging. »Das werden wir gleich sehen.« Vorne in der Halle, auf der Bühne, stand Professor Ridley mit perfekt gelocktem Haar, das ihr Gesicht umspielte, als ob es nie geregnet hätte.
»Professor?«
Sie blickte von ihren Notizen auf und schaute Henry mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Sie neigte den Kopf erst in die eine, dann in die andere Richtung und blickte auf die Pfützen, die sich hinter ihm durch den Mittelgang zogen. »Herr Derks? Sie scheinen schon einen anstrengenden Tag hinter sich zu haben.«
»Ma’am, ich habe heute keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen für den Regen. Ich dachte, ich würde meine Energie und Aufmerksamkeit besser auf mein Krafttier verwenden, das den Regen zu schätzen wusste, aber jetzt bin ich ziemlich nass.«
Sie musterte ihn von oben bis unten. »Das sehe ich.«
»Ich hatte gehofft, Sie könnten einen Zauber sprechen, der mich trocknet?« Er lächelte breit, aber seine Augen huschten von der Kröte über die Pfützen zu der Professorin.
Raven kroch in den hinteren Teil der Halle und schälte sich aus dem Mantel ihres Großvaters.
Professor Ridley schaute auf ihre Notizen. »Setzen Sie sich, Herr Derks.«
Henry schaute auf seine Schuhe, die bei jedem Schritt quietschten. »Sie werden mir nicht helfen?«
Sie ignorierte ihn und stellte sich vor die Versammlung. Henry ließ den Kopf hängen und ging an Jenny vorbei auf dem Weg zu einem Sitzplatz. Sie kicherte. Ein Senior klopfte ihm auf die Schulter und sagte: »Ridley erwartet von dir, dass du herausfindest, wie du die Dinge selbst regelst. Du wirst das schon hinkriegen. Halte durch.«
»Leute! Bitte kommen Sie zur Ruhe. Ihre Klassenzimmer warten auf Sie und es gibt ein paar wichtige Ankündigungen.« Professor Ridley schritt über die Bühne, die Schleppe ihres langen, roten Kleides folgte ihr. »Wie ihr sehen könnt, gibt es heute draußen ein heftiges Unwetter. Das wird sich auf einige Dinge auswirken, die wir tun. Als erstes bitte ich Sie, ausreichende Vorkehrungen zu treffen und sich dem Wetter entsprechend anzuziehen. Weder ich noch meine Kolleginnen und Kollegen werden Ihnen helfen, sich abzutrocknen, wenn Sie hier ankommen. Wir sind nicht Ihre Kindermädchen.«
Ein paar Schüler kicherten. Stanley, der hinter Henry saß, klopfte ihm auf die Schulter. »So ein Pech, Krötenjunge.«
»Ruhe!«, warnte Ridley. »Zweitens führen starke Regenfälle bestimmte Variablen in die gewohnte Ausbildung ein, mit denen die neueren Schüler noch nicht umgehen können.« Sie biss das letzte Wort ab und sah die Erstklässler in den letzten Reihen an. »Wenn Sie Ihre Krafttiere nicht richtig unter Kontrolle haben, wird das schlechte Wetter noch mehr Probleme verursachen. Deshalb hat Professor Harding uns mitgeteilt, dass Sie heute nicht mit den Tieren arbeiten werden.«
Henry sah Maxwell enttäuscht an. »Ich hätte dich zu Hause und im Regen spielen lassen können.«
Raven lehnte sich zu ihm herüber und flüsterte: »So ein Pech, Krötenjunge.«
»Nicht du auch noch.« Henry setzte Maxwell auf seinen Schoß. Der Stimmsack der Kröte dehnte sich aus und er stieß ein leises ›Ribbit ‹, aus.
»Gut gemacht, Maxwell. Bumm, mach sie fertig.«
Raven lächelte ihren feuchten Freund an und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Auf ihrer anderen Seite versuchte Murphy – ihre langen blonden Zöpfe waren vom Regen verfilzt – lernbegierig auszusehen. Aber ihre Augen waren eindeutig schwer und ihr Kopf nickte gelegentlich nach unten, bis Raven sie mit dem Ellbogen anstieß. »Hey«, flüsterte sie und behielt die Professorin im Auge.
Murphy riss die Augen auf. »Hey, was? Wer?«
»Kannst du mir einen Gefallen tun?« Raven sprach mit leiser Stimme. »Ich will die Drachen sehen.«
»Wie lange habe ich geschlafen? Was habe ich verpasst?«
»Der Zauber, den du am ersten Tag gemacht hast. Ich will nach den Drachen sehen.«
»Es gibt Drachen? Welcher Zauber?« Murphy rieb sich die Augen. »Ich habe bis spätabends gelernt.«
»Es ist der dritte Tag, Murphy. Mach mal langsam.«
»Meine Mutter ist sehr stolz auf mich und mein Vater hat mir schon tausendmal erzählt, was für eine Magierin ich werden kann.«
»Tag. Drei.« Sie tätschelte die Hand ihrer Freundin. »Du hast den Teleskopzauber gemacht und mir einen Drachen im Garten gezeigt. Ich will sehen, wie sie mit dem Regen umgehen. Kannst du das machen und dabei diskret sein?«
»Unter Professor Ridleys Nase? Ich meine, das ist mal eine Nase.« Sie schaute in Ravens entschlossenes Gesicht. »Du solltest als Klassensprecherin kandidieren. Allein dieser Blick wird dir Stimmen einbringen.«
»Kannst du es tun?«
»Sicher. Ich meine, ja.«
Murphy, die die Professorin fest im Blick hatte, senkte ihre Hände und drehte eine winzige leuchtende Kugel von der Größe einer Murmel. Sie hielt die Kugel unter die Oberkante der Sitze und aus dem direkten Blickfeld von Professor Ridley. »Hier.«
Henry warf einen Blick hinüber und seine Augen weiteten sich, als er Raven mit dem Ellbogen anstieß und Maxwells Augen bedeckte.
»Was? Hast du Angst, dass Maxwell dich verpfeift? Schau woanders hin, Henry! Du verrätst uns sonst«, zischte Raven.
»Und sie sagen, ich sei der Rebell.«
»Das sagt niemand außer dir und deinem Vater, Henry.«
»Beeil dich, ich kann sie nicht ewig hier halten!« Murphy erstarrte, als Professor Ridley sie ansah. Das Trio lächelte und saß still, bis die Aufmerksamkeit der Professorin zu einer Gruppe von Drittklässlern weiter vorne wanderte.
»Danke! Mann, ist das klein.« Raven tat so, als würde sie etwas fallen lassen und beugte sich vor, um in die Kugel zu schauen. Zu ihrer Überraschung sah sie einen silbernen Drachen, der völlig unbeeindruckt vom Regen in seinem Gehege hin und her stakste. Wunderschön. Er scheint den Regen zu mögen. »Kannst du mir noch einen zeigen? Kannst du die Kugel lenken?«
»Klar. Was nützt ein Zauber, wenn er willkürlich ist?«
»Kannst du mir den Moss-Hof zeigen? Den jungen roten Drachen namens Leander.«
»Ich weiß nicht.« Murphy biss sich ängstlich auf die Lippe, gab aber nach. »Einen noch.« Sie tippte auf die Kugel und fuhr mit dem Finger über die Oberfläche, um den Blick auf den feuerroten Jungdrachen zu lenken. »Da ist er.«
Raven sah ihren Leander an und lächelte.
Der Drache stapfte mit seinen großen Pranken durch das schlammige Feld, zerkratzte den Dreck mit seinen Klauen und ließ Dampf aus seiner Nase schießen. Er hat so viel Temperament! Wie ich!
Sie streckte ihre Hand aus, um die Blase zu berühren.
»Fräulein Alby!« Die Blase zerplatzte und Raven setzte sich auf, ihr Gesicht rötete sich. Professor Ridley stand über ihnen, die Hände verschränkt. »Keine Zaubersprüche in der Haupthalle, Mädchen.« Sie schaute Murphy an, die ›Entschuldigung‹, murmelte und schwach lächelte.
Professor Ridley beugte sich vor und flüsterte: »Gut gemacht, Fräulein Anne Marie Murphy. Sie zeigen echtes Potenzial.« Sie schenkte dem Mädchen ein kurzes Lächeln und richtete sich auf, wobei sie ihren strengen Blick wieder aufsetzte.
Murphy strahlte, war jetzt hellwach und saß gerade in ihrem Stuhl. »Der beste Tag aller Zeiten«, murmelte sie.
Ein Rabe flog in die große Halle und nahm seinen Platz auf der Bühne ein, öffnete seinen Schnabel und stieß einen lauten Schrei aus. »Zeit für den Unterricht!« Professor Ridley streckte ihren Arm aus und der große Vogel flog zu ihr, landete sauber und faltete seine breiten Flügel um sich.
Raven stand auf und stieß auf Bella, die von Anne Lundt, einem kleinen, stämmigen Mädchen mit dicht gelocktem schwarzem Haar und immer rosigen Wangen und Nina Quint, einem großen, schlaksigen Mädchen mit ausdruckslosem Gesicht und einer Vorliebe für lange Strumpfmützen, flankiert wurde.
»Raven, wo ist dein Drache?«, fragte Bella und kannte die Antwort.
»Du hast Ridley gehört. Heute gibt es keine Krafttiere, Bella. Ich dachte, du würdest besser aufpassen.«
Bella zerrte den Riemen ihrer Schultasche über ihre Brust. »Das wusstest du nicht, bevor du hier angekommen warst.« Wesley, ihr Feuerdrako, sprang aus der Tasche und setzte sich auf ihre Schulter, wobei sich sein Schwanz um ihren Hals schlängelte. »Ich wollte mit Wesley vor dem Unterricht noch eine kleine Runde drehen. Hast du Lust, mitzukommen?«
Raven zuckte mit den Schultern. »Ich schätze, das könnte ich. Wie verhält sich ein Feuerdrako im Regen? Bist du sicher, dass du weißt, was du tust?«
Bella zeigte ein zuversichtliches Grinsen. »Vertrau mir.«
Raven zog den übergroßen Mantel ihres Großvaters an und folgte ihnen. Sie sah sich nach Henry um, damit er sich ihr anschloss, aber Henry war damit beschäftigt, sein Hemd zu verdrehen und das Wasser aus seiner Kleidung zu wringen, während er vor sich hin murmelte: »Komm schon, trockne schneller! Mir ist eiskalt!«
Draußen angekommen, zog Raven ihre Kapuze hoch und stellte sich auf die Treppe.
Der Regen wird den jungen Feuerdrako aus der Bahn werfen. Bella weiß nicht, was sie da tut.
Bella knöpfte ihren Mantel zu und streckte ihren Arm aus, während sie allein in der Mitte des Hofes stand. Wesley trottete ihren Arm hinunter zu ihrer Hand, sprang ab und breitete seine Flügel aus, wobei er doppelt so stark schlug, um den Regen zu bekämpfen. Er stieg in die Luft, machte einen Looping und glitt hinunter.
Raven war erstaunt. Sie haben die Situation voll im Griff. Wie machen sie das nur?
»Zünde den Himmel an!« Bella bellte den Befehl an Wesley. Er hob ab und flog über ihren Kopf, wobei er seine Schnauze nach oben und direkt in den Regen richtete. Sein Maul öffnete sich und er ließ einen Feuerball los, der größer war als sein Körper.
Murphys Mund blieb offen stehen, als sie den Feuerstreifen am Himmel sah. »Heiliger Strohsack! Ich wette, dieser Feuerball war doppelt so groß wie der letzte!«
»Ich verstehe das nicht«, sagte Raven und schüttelte den Kopf. »Wie kann das sein? Sollte der Regen ihn nicht aus der Balance bringen? Warum ist das nicht der Fall?«
Professor Ridley ging hinter den beiden Mädchen her. »Kontrolle. Das ist Ihre Antwort, meine Damen. Bella hat eine sehr starke Kontrolle über Wesley. Der Feuerdrako kann die Elemente überwinden. Denken Sie daran, dass Sie zusammen mit Ihrem Krafttier viel stärker sind als getrennt. Für einen Feuerdrako ist das ein heftiger Regen, aber mit Bellas Kräften im Rücken kann Wesley durch den Regen brechen und trotzdem Höchstleistungen vollbringen.«
Murphy konnte ihre Reaktion nicht unterdrücken. »Ich bin so beeindruckt. Das Mädchen beherrscht diesen Feuerdrako fast so gut wie Schulleiter Flynn sein Krafttier.«
Professor Ridley gluckste und hob eine Augenbraue. »So weit würde ich nicht gehen. Aber Bella ist auf einer anderen Ebene. Sie sollten alle danach streben, Ihre Krafttiere auf diese Weise zu beherrschen.«
Als die Professorin wegging, sah Murphy die versteinerte Raven an. »Was denkst du?«
Raven sah zu, wie Wesley mit Leichtigkeit Sturzflüge durchführte und Feuerbälle ausstieß. »Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich beeindruckt oder eifersüchtig bin. Ich weiß nicht, ob ich an ihrer Seite sein oder ihr ins Gesicht schlagen möchte.«
Murphy lachte. »Wahrscheinlich ist es ein bisschen von beidem und ich glaube nicht, dass du damit allein bist.«