Kapitel 18

D ie Sonne war kaum aufgegangen, als Raven bereits ihre Pflichten erledigt hatte und sich mit dem Riemen ihrer Schultasche quer über der Brust auf den Weg zum Hoftor machte.

Henry wartete auf sie, an den Zaun gelehnt und mit offenem Mund. »Was zum Teufel ist mit dir passiert?«

Sie ging an ihm vorbei und zwang ihn zu laufen, um sie einzuholen. »Sagen wir einfach, mein Krafttier war noch nicht sehr kooperativ. Am Ende hatte ich bei ihm Flugstunden ohne ihn.«

Er pfiff. »Das sind schlechte Nachrichten, Raven. Wird es gehen?«

»Ich habe keine andere Wahl. Ich muss nur irgendwie durch den Unterricht kommen und zurück zum Moss-Hof, um weiter mit dem Drachen zu arbeiten.« Sie warf einen Blick auf Henrys Schulter. »Wo ist deine Kröte?«

Er klopfte auf den braunen Lederriemen an seiner Schulter. »Er ist sicher in der Tasche verstaut. Ich werde ihn nicht mehr durch die Stadt jagen.«

»Kann er da drin atmen?«

»Ich habe ihm ein Versteck gebaut mit Luftloch. Er hat sogar ein paar fette Grillen als Imbiss.«

»Ist das das kreischende Geräusch, das ich höre? Klingt wie ein kleiner Kampf in deiner Schultasche.«

»Ruf der Wildnis. Hast du die Kräutertränke-Hausaufgaben gemacht? Ich habe das richtige Verhältnis von Mutterkraut zu Ingwer nicht hinbekommen. An der Wand meines Zimmers klebt immer noch ein leuchtender Klumpen Etwas. Was hat Professor Finch gesagt?«

»Es ist drei zu eins mit einer Prise Löwenzahn. Nur die Blütenblätter.«

Er schlug sich gegen die Stirn. »Das ist es! Ich habe Wiesen-Kerbel benutzt! Dieses Unkraut verwirrt mich.«

»Lass den Feen etwas da, wenn du im Wald bist, dann werden sie dir helfen. Ein paar Walnüsse oder getrocknete Beeren sind gut.«

»Professor Finch macht mir Angst – diese kleine, runde Brille und die Art, wie er durch dich hindurchschaut. Glaubst du, so einen Zauber gibt es wirklich? Um in jemanden hineinzusehen?«

»Alle Professoren machen dir Angst und sie können mit einem Blick erkennen, was du vorhast, auch ohne einen Zauber.« Raven schob die Tasche auf ihrer Schulter hin und her und stieß ein leises ›Oh‹ aus.

»Bist du sicher, dass du den ganzen Weg schaffen wirst? Lass mich deine Tasche tragen.«

»Du musst nicht …«

Er unterbrach sie und hielt seine Hand hoch. »Ich bin dein bester Freund und Freunde machen so was. Du würdest es für mich genauso tun, oder?«

Raven nahm ihre Tasche von der Schulter, froh, das Gewicht los zu sein und reichte sie weiter. »Danke«, seufzte sie lächelnd. »Lass uns die verschiedenen Kräuterkombinationen durchgehen. Wir haben Zeit.«

Sie sagten sie gemeinsam wie ein Lied auf, während sie sich dem Stadtrand näherten. Die Händler bauten ihre Waren für den Tag auf.

Frau Whittaker rief Raven zu: »Ich habe dir zwei Brötchen aufgehoben. Hast du Zeit?«

Raven nahm sie dankend entgegen und reichte Henry eins. »Danke! Der Tag ist gleich viel besser.«

»Das kann man wohl sagen«, stimmte Henry zu und biss das Brötchen entzwei.

»Das ist ein großer Junge. Ich hole dir noch eins.«

Raven sah sich um und bemerkte die leere Stufe. Die Bäckersfrau kam mit zwei weiteren warmen Brötchen zurück, die obendrauf mit Rosinen garniert waren. »Richte deinem Großvater einen Gruß von mir aus. Seine Ziegenmilch ist die beste.«

Raven nickte. »Wo ist der alte Veteran, der immer in der Nähe Ihres Ladens ist?«

Die Bäckerin schaute nach rechts und links und kratzte sich am Kopf. »Das ist seltsam. Er ist immer hier, wenn ich aufmache. Er mag seine Brötchen auch warm. Ich kümmere mich um die Veteranen«, sagte sie mit einem Lächeln.

»Sein Name ist Peter, richtig?«

»Lass mich nachdenken. Das kommt wohl hin. Ich habe den Nachnamen nie herausgekriegt.«

»Kennen Sie die Smitheys?«

»Nein, kann ich nicht sagen. Freunde von dir?«

Raven schüttelte den Kopf. »Nein, tut mir leid, dass ich Sie aufgehalten habe. Er muss verwirrt gewesen sein.«

Frau Whittaker lächelte und winkte, als sie wieder ins Haus ging.

Raven trabte kurz über den Platz und ignorierte ihre Schmerzen, aber sie konnte keine Spur von dem alten Zauberer finden.

»Machst du dir Sorgen um den alten Mann? Er sieht aus, als könnte er auf sich selbst aufpassen.« Henry leckte sich die Finger ab, ein zufriedenes Grinsen im Gesicht. »Essen, sehr gut.« Sie machten sich weiter auf den Weg durch die Stadt.

»Ja, ich bin sicher, du hast recht. Vielleicht hat ihn der Regen irgendwo hin verschlagen.«

»Sieht aus, als hätten alle Nachholbedarf, nachdem sie gestern den ganzen Tag drinnen waren.« Mehrere Ladenbesitzer waren damit beschäftigt, die Fassaden ihrer Läden zu fegen oder die Fenster zu putzen.

Sie erreichten den Stadtplatz und Raven zeigte auf die Anschlagtafel, als sie sich ihr näherten. »Schau dir das Brett an. Die Papiere sind durchweicht. «

Henry nickte, als er sich der Tafel näherte und mit dem Finger den dünnen, breiigen Papierstapel wegdrückte. Ein schlammiges Stück der Dokumente fiel ab und wickelte sich um seinen linken Stiefel. »Verfluchter Mist!« Er wich zurück und versuchte, das Stück abzuschütteln.

Raven blickte ernst auf das, was auf der Tafel noch übrig war. »Wo können nur all diese Leute sein?«

Er schälte die letzten schleimigen Papiere ab. »Mein Vater sagt, dass das egal sei. Wer auch immer diese Leute sind, sie sind schon lange weg.«

»Wie kann er das nur sagen?«

»Laut ihm wurde durch diese Vermisstenmeldungen noch nie jemand gefunden. Das ist nur eine Formalität. Das gibt den Leuten das Gefühl, dass etwas getan wird.«

Raven runzelte die Stirn. »Das ergibt keinen Sinn«, protestierte sie.

»Papa sagt, dass die meisten Leute in andere Teile des Königreichs weitergezogen sind und viele von ihnen nicht gefunden werden wollen.«

»Hat jemand die hinteren Tische im Streithammel überprüft?«

»Keine schlechte Idee. Machst du dir immer noch Sorgen um Isaac? Keiner hat von ihm gehört?«

»Nein, kein einziges Wort. Ich habe heute Morgen in der Arbeiterbaracke nachgesehen.«

»Er muss von jemandem ein besseres Angebot bekommen haben.« Er sah Raven an und klopfte ihr auf die Schulter. »Das ist nicht deine größte Sorge. Das weißt du doch, oder? Die Zeit vergeht und du hängst immer noch an einem sturen Drachen als Krafttier.«

»Es ist das einzige Tier, das nach mir ruft.«

»Dann bring ihm besser etwas Anstand bei, sonst muss ich noch allein zur Schule gehen. Komm schon, wir gehen besser weiter.«

»Diese Brötchen haben dir einen Energieschub gegeben.«

»Essen ist Treibstoff, Raven! Ich weiß, Maxwell, wir sind fast da.« Henry klopfte auf seine Tasche und legte einen Schritt zu.

Sie kamen an den anderen Läden vorbei. Herr Jones schaufelte den Schlamm aus seinem Arbeitsbereich, während sie um die übrig gebliebenen Pfützen herumgingen.

Die Wimpel, die auf den Türmen der Schule wehten, kamen immer näher und sie eilten durch den Wald, über die kleine Brücke und an den wenigen Häusern vorbei, bis sie vor den hohen Toren ankamen. Die Schüler strömten aus der Haupthalle und verteilten sich in alle Richtungen.

»Wir sind doch nicht zu spät, oder?« Raven schaute auf die Schatten, die über das Gras fielen und schätzte die Uhrzeit ab. »Murphy!« Sie winkte ihrer Freundin zu.

»Hey, da bist du ja! Heute Morgen ist keine Versammlung. Wir sollen direkt in den Unterricht gehen. Ich kann es kaum erwarten. Ich liebe den Waffenkurs. «

»Du liebst es, den Professor des Waffenkurses anzuglotzen«, scherzte Henry. Raven stupste ihn in die Rippen. »Oh, stoß mir nicht in den Hintern.« Er grinste, seine Grübchen kamen zum Vorschein, und reichte ihr die Büchertasche. »Ich habe als erstes Magische Geschichte. Ich muss schnell in den zweiten Stock. Drückt mir die Daumen, dass ich nicht einschlafe.«

»Das ist zu unauffällig.«

Er lachte und zeigte auf Raven, als er sich umdrehte und davonlief.

»Komm schon«, sagte Murphy und hakte sich bei Raven ein. Sie gingen um das lange Seitengebäude herum und zurück zu den Scheunen. Sie sahen ihren Waffenprofessor, Auguste Fellows, mit einem Langbogen in der Hand und einem Köcher auf dem Rücken vor ihrer Klasse stehen. Zwanzig Meter entfernt waren Zielscheiben aus Stroh auf Metallständern aufgestellt.

»Der Beste«, flüsterte Murphy, lächelte und winkte dem Professor zu. Er nickte und zeigte mit dem Bogen auf die Gruppe. »Stellt euch alle auf.«

Murphy stieß einen lauten Seufzer aus und zog Raven mit sich. »Er ist viel zu alt für dich.«

»Nicht zum Gucken!«

Der Professor war ein schlanker, muskulöser Zauberer mit langen dunklen Haaren, die ihm über die Schultern fielen. Er trug immer eine Tunika und eine Jagdhose mit hohen Stiefeln und eine Waffe war nie weit.

Genauso wenig wie einige der älteren Mädchen, die Ausreden fanden, um bei ihm herumzuhängen und endlos Fragen zu stellen, bis er sie wegscheuchte.

Er war einer von zwei Professoren, die kaum je in der Standarduniform, einer schwarzen Leinenrobe, anzutreffen waren. Die andere war Professor Ridley, die etwas Dramatischeres bevorzugte.

»Willkommen zu eurer ersten Verteidigungsvorführung. Es ist nicht nur wichtig zu wissen, wie man eine Waffe benutzt, sondern auch, wie man sich gegen sie verteidigt. Jetzt brauche ich einen Freiwilligen.«

Bella Chase hob eifrig ihre Hand und wedelte damit herum. Murphy war nicht weit hinter ihr, zusammen mit ein paar anderen Mädchen. Raven musste sich beherrschen, um nicht die Augen zu verdrehen.

»Bella, perfekt.« Bella ging nach vorn, stellte sich neben ihn und strahlte den Rest der Klasse an. Murphy verschränkte wütend die Arme vor der Brust.

»Bella, ich möchte, dass du diesen Pfeil und Bogen nimmst, dort rübergehst und ihn direkt auf meinen Kopf schießt.«

Das Mädchen reagierte empört auf diese Andeutung. »Nein, nein«, sagte sie kopfschüttelnd. »Das kann ich nicht tun. Ich würde Sie umbringen.«

Fellows stupste sie an, loszugehen. »Du musst deiner Magie vertrauen. Ich vertraue meiner. Jetzt gehe da rüber und mache dich bereit, mich zu erschießen.«

Ein lautes Gemurmel erhob sich in der Klasse.

»Halten Sie das für eine gute Idee?«

»Bella, weißt du überhaupt, wie man einen Pfeil schießt?«

»Was ist, wenn er Sie streift?«

»Wir könnten es an jemand anderem ausprobieren. Wie wäre es mit Roger? Er hat ein dickes Fell. Seine Mutter sagt das ständig.«

Professor Fellows lächelte, richtete sich auf und deutete auf seine Stirn. »Schau genau hierher, wenn du zielst.«

»Okay …«, rief Bella mit mehr als nur ein wenig Unsicherheit in ihrer Stimme. Sie schluckte schwer und hob den Bogen, zog die Sehne zurück und spannte sie mit dem Pfeil.

Fellows nickte. »Klasse, ich möchte, dass ihr die Macht dieses Zaubers in Aktion seht. »Protegas me !« Der Professor schwenkte seine Hände, woraufhin ein helles grünes Licht vor seinem Körper aufblitzte und ununterbrochen weiterleuchtete. »Okay, Bella! Schieß!«

Bellas Hände zitterten, als sie die Sehne noch fester zurückzog und ihr Ziel direkt anvisierte.

Sie schoss einen Pfeil ab, der in Sekundenschnelle auf ihren Lehrer zuflog. Er traf das grüne Leuchten und zerbrach in zwei Teile, bevor er auf dem Boden aufschlug.

Die Münder blieben einen Moment lang offen stehen, bis plötzlich lauter Applaus aufbrandete. Der Professor lächelte und ging zurück zu den Schülern. »In eurem Lehrbuch gibt es verschiedene Zaubersprüche, mit denen ihr das machen und die ihr Zuhause sicher üben könnt. Dieser hier ist mein Favorit, weil er praktisch ist, ohne zu viel Energie zu verbrauchen. Ihr müsst immer mit eurer Energie haushalten. Jeder von euch wird diesen Spruch heute ausprobieren.«

Stell dich besser schnell an , dachte Raven. Lass dich von Bella nicht vorführen.

Murphy kam ihr zuvor. Sie war die erste in der Schlange, die aufstand und den Zauberspruch ausprobierte. Sie rief: »Protegos me !« und wie aus dem Nichts erschienen kleine Kartoffeln, die um ihre Stiefel herumkullerten.

»Ist es nicht erstaunlich, was für einen Unterschied ein Buchstabe macht?« Professor Fellows hob eine Kartoffel hoch. »Das könnte eine herzhafte Suppe ergeben.« Er warf Murphy die Kartoffel zu. »Heute schießt niemand auf irgendjemanden. Wir üben nur den Zauberspruch. Ich will keine menschlichen Nadelkissen erklären müssen.« Er zwinkerte Murphy zu, deren Gesicht sich rötete.

Murphy sammelte die Kartoffeln auf und ging zu Raven hinüber. »Na, das war mal was Neues.«

Sie kicherte ungläubig. »Hast du ernsthaft gerade die Kartoffeln mitgenommen?«

»Warum nicht? Sie gehören mir. Außerdem ist das Geld bei uns zu Hause immer etwas knapp. Es ist kein Diebstahl. Ich habe sie gezaubert!«

Die beiden standen da und warteten, bis Raven an der Reihe war. Murphy legte alle Kartoffeln ab, bis auf eine kleine. Sie hielt sie in ihrer Hand und sagte: »Coquus .« Die Kartoffel brutzelte. Sie knabberte vorsichtig daran und ließ den Bissen in ihrem Mund kreisen. »Heiß, heiß, heiß!«

»Mensch, wirklich?« Raven zog eine Augenbraue hoch.

»Ich habe heute Morgen das Frühstück verpasst und ich war ja schon dran.«

»Hast du genug mitgebracht, um es mit allen zu teilen?«, fragte Fellows während er an ihnen vorbeiging.

Murphy schluckte. »Nein, Sir. Ich wollte nur nicht, dass sie verschwendet werden.«

»Etwas mehr Konzentration auf die anstehende Aufgabe. Wir haben seit einer Generation Frieden, aber das wird vielleicht nicht so bleiben.« Er ging weiter zwischen den Schülern umher. »Wer ist als Nächstes dran?«

Raven hob ihre Hand und trat nach vorn, um sich bereitzumachen. Sie schüttelte ihre Hände aus.

»Raven, du scheinst nicht gerade in bester Verfassung zu sein.« Professor Fellows sah sie skeptisch an.

Raven winkte die Besorgnis ab. »Mir geht es gut, Sir. Nur ein wenig angeschlagen. Ich kann immer noch schießen.«

Sie sprach die Worte aus, als ein Pfeil an ihrem Ohr vorbeizischte. Raven stolperte und fiel zu Boden, erschrocken und aus dem Gleichgewicht.

Professor Ridley drehte sich um und rief: »Bella Chase! Was machst du da?«

»Ich habe sie nicht getroffen. Das würde ich nie tun!«, beharrte Bella. »Ich wollte sie nur erschrecken.«

Das werde ich dir heimzahlen, Bella. »Mir geht’s gut«, sagte Raven und strich sich die Vorderseite ihrer Hose ab. »Nur zu, Bella, schieß los!«, rief sie.

Der Professor hob seine Hand, um Bella zu stoppen, als Raven den Schild hochzog. Bella schoss einen weiteren Pfeil ab, der diesmal genau zwischen Ravens Augen zielte. Ein entsetzter Blick ging über das Gesicht des Professors und er rief: »Prohibere! «

Doch der Pfeil war bereits von dem Schild abgeprallt und zersplittert. Raven lächelte und spürte, wie sich ihre Schultern senkten, als sie den Atem ausstieß, den sie angehalten hatte. Das könnte sich als nützlich erweisen.

Gerade als Bella sich abwandte, schoss Raven einen Pfeil in ihre Richtung, gerade weit genug nach links, um sie zu verfehlen. Bella hatte bereits einen Schild gezaubert, schneller als alle anderen in der Klasse. Dieses Mal drehte sich der Schild um den Pfeil, umschloss ihn und brach ihn zwischen Pfeilspitze und Pfeilende entzwei.

Wow, das Mädchen ist gut.

»Genug! Ihr beide kommt mit mir mit.« Der Professor schaute grimmig, marschierte vor ihnen her und wandte sich nicht einmal um, um zu sehen, ob sie ihm folgten.

Bella lief neben Raven her und sie folgten ihrem wütenden Professor. »Wir werden uns wiedersehen«, flüsterte Bella, darauf bedacht, nicht gehört zu werden.

»Das klingt nach einer Drohung.« Raven warf Professor Fellows einen Blick zu, als er sie zu den Seitenstufen des hinteren Gebäudes führte.

»Nicht wirklich. Nicht, wenn du so gut bist, wie du glaubst, dass du es bist. Du scheinst echtes Potenzial zu haben, aber wir werden sehen. Die Konkurrenz an dieser Schule ist groß und ich habe vor, an der Spitze zu stehen.«

Raven spottete über diesen Gedanken. »Wie bitte, ›echtes Potenzial‹? Ich kann dich in Grund und Boden zaubern.«

Bella zuckte mit den Schultern. »Beweise es.« Sie hob einen Finger und schüttelte den Kopf. »Wobei, vergiss es. Das können wir gar nicht machen.«

»Warum nicht?«

»Du brauchst ein Krafttier. Du hast keins, also …«

Raven platzte heraus: »Habe ich wohl. Sein Name ist Leander und er ist ein junger Drache und hat die Farbe von Feuer!«

»Oh, du hast wirklich einen Drachen? Das ist ja toll.« Sie blickte hinter sich und schaute Raven wieder an, ein kaltes Lächeln auf dem Gesicht. »Ich kann ihn nirgendwo sehen. Warum ist er nicht hier an deiner Seite? Deine Freundin hat wenigstens ihre Stallkatze dabei.«

Sie duckten sich in das Gebäude und gingen den Flur entlang, dem Professor hinterher. »Ich arbeite daran, glaub mir. Wenn ich meinen Drachen hier habe, wirst du staunen, was er alles kann.«

Sie stiegen die lange Treppe hinauf und stapften auf das Büro des Schulleiters im höchsten Türmchen zu. Bella schaute sie an, neigte ihr Kinn nach unten und runzelte die Stirn. »Hat man dir nicht gesagt, dass wir keine Drachen haben dürfen? Wenn du nicht bald etwas findest, Magierin, bist du an dieser Schule fertig. Du solltest deine Zeit nicht verschwenden.«

»Von wegen. Wir werden wieder gegeneinander antreten, nur du und ich. Sobald ich meinen Drachen – mein Krafttier – hier habe, wirst du sehen, wozu ich fähig bin. Ich habe schon die nötigen Genehmigungen eingeholt.« Sie errötete bei dieser Lüge und hoffte, dass Bella es nicht bemerken würde.

Bella lächelte. »Ich zähle die Tage«, säuselte sie. »Magie erwartet uns.«

Als sie das Büro des Schulleiters erreichten, brannte die Wut in Raven lichterloh. Ich muss Leander unter Kontrolle bringen.

Die dröhnende Stimme von Schulleiter Flynn hallte aus seinem Büro wider. »Meine Damen, was höre ich da, dass Sie sich gegenseitig mit Pfeilen beschießen?«

»Ein Problem mit der Magie«, sagte Bella, »ist, dass sich alles viel zu schnell herumspricht. Hör auf zu zittern, uns wird nichts passieren. Ich werde dich besiegen, Raven Alby, Magierin in Ausbildung.«

Raven ballte ihre Hand zur Faust. »Freu dich nicht zu früh, Bella.«

»Meine Damen!«

Die beiden Mädchen schreckten hoch und betraten unter dem unverwandten Blick Professor Fellows’ das Büro. »Irgendjemanden gibt es jedes Jahr. Ich werde Sie beide beobachten. Sie sind mein Projekt für dieses Semester.«