E dward schlurfte mit den Füßen durch den Dreck und wirbelte Staub in die Nachtluft auf. Kleine Wolken glühten im Licht der Fackel, die neben der Tür seiner Hütte angebracht war. Puh. Viele Tage wie diesen hier kann ich nicht mehr ertragen.
»Hey, Ed!« Deacon ging an ihm vorbei und schlug ihm auf den Rücken. »Gute Arbeit heute.«
Edward lehnte sich mit der linken Schulter gegen die zersplitterte Holztür und stützte seinen Kopf dagegen. Die scharfen Enden einiger Splitter stachen in seine Kopfhaut, aber er war zu müde, um es zu bemerken. »Deek, das ist nicht das, wofür ich mich gemeldet habe. Ich bin Erntearbeiter. Ich soll keine Ziegenscheiße aus den Ställen schrubben. Meine Stiefel werden noch mindestens eine Woche lang stinken.«
Deacon blieb stehen, drehte sich auf dem Absatz um und schlenderte zu Edward hinüber. »Ich weiß, heute war ein harter Tag, aber wir haben einen Mann weniger. Wir müssen alle mit anpacken und Isaacs Pensum übernehmen.«
Edward stöhnte. »Scheiße, Isaac ist wirklich schon lange genug weg. Wann wird der Alte endlich jemanden einstellen? Wartet er darauf, dass Isaac zurückkommt oder so?«
Deacon hielt seine Nase in den Wind und sah in die Ferne. »Nein, er weiß es. Connor ist nicht dumm. Hör zu, wir versuchen alle, über die Runden zu kommen. Es herrscht ein Mangel. Überall in der Stadt verschwinden Leute in unbekannte Gegenden. Kennst du den Bryson-Hof?«
Mit gerunzelter Stirn blinzelte Edward langsam mit seinen schweren Augenlidern und wünschte sich, Deacon würde ihn einfach schlafen gehen lassen. »Ja. Südwestliche Seite des Königreichs, außerhalb der Mauer, richtig?«
Deacon hielt zwei Finger hoch. »Zwei sind in einer Nacht ausgezogen. Die zahlen dort gut, soweit ich weiß. Das ist gut verdientes Geld.«
»Das habe ich gehört. Die Leute gehen nicht weg, sie arbeiten dort einfach, bis sie sterben.«
Deacon zog eine Augenbraue hoch. »Genau.«
»Ich weiß, was du da versuchst. Mach mir keine Angst. Hier drinnen sind wir sicher. Keine abtrünnigen Armeen können uns hier drinnen erwischen. Keine Diebesbanden.« Edward stieß sich wieder auf beide Füße und riss seine Hüttentür auf. »Ich gehe besser schlafen, bevor wir das alles morgen schon wieder machen müssen. Nacht.«
»Gute Nacht.« Deacon seufzte. »Halt einfach die Augen offen, okay?«
»Ja, ja«, murmelte Edward vor sich hin, als er in seine Hütte trat und auf sein Bett sank. Er stieß ein lautes Stöhnen aus, während er jeden schmerzenden Muskel in seinem Körper auf einmal spürte.
Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es ist ein Job, Ed. Nicht jeder bekommt einen. Sei dankbar dafür.
Der Schlaf holte ihn ein und innerhalb weniger Minuten schnarchte er.
Eine Stunde nach Einbruch der Nacht erschütterte ein Rumpeln seine Baracke. Es weckte ihn und er öffnete ein Auge. Er sah sich um. Alles, was er sah, war das Innere seiner Hütte – die Haken an der Wand, an denen seine wenigen Klamotten hingen, die Bank neben der Tür und seine schmutzige Kleidung, die auf dem Boden verteilt war.
Das muss ein Traum gewesen sein. Er schloss sein Auge wieder und drehte sich um.
Das zweite Rumpeln ließ sein Bett erbeben und die Fensterscheiben bis zum Bersten scheppern. Edwards Augen schossen auf und er saß kerzengerade in seinem Bett. Er krallte sich an den Laken fest, während er wild durchs Zimmer hüpfte. Die Möbel bewegten und verschoben sich. Auf der anderen Seite des Zimmers fiel eine schlammige Jeans von einem Haken an der Wand und zerknitterte auf dem Boden. Seine Werkzeuge klirrten und rutschten in alle Richtungen.
Edward hielt den Atem an und versuchte krampfhaft, nicht zu schreien. Dann, so schnell wie es begonnen hatte, hörte das Grollen auf. Der Staub schwebte noch immer in der Luft und sank auf die Gegenstände an ihren neuen Plätzen nieder.
»Verdammte Scheiße!« Er sprang aus dem Bett und rannte zur Tür, schob seine Füße hektisch in seine schmutzigen Arbeitsstiefel und sprintete hinaus in die kalte Nacht. Die eisige Luft schlug ihm entgegen und berührte die nackte Haut seiner Beine, aber er war zu sehr in Panik, um es zu bemerken.
Er lief zurück in die Hütte und versuchte, die Tür zu schließen, aber sie war jetzt schief und ließ sich nicht mehr ganz schließen. Er öffnete die Tür um hinaus auf den Hof zu spähen. Ein Schauer lief ihm über den Rücken und er erstarrte auf der Stelle.
Der Rest des Hofs war intakt.
Edward hatte erwartet, ein Katastrophengebiet zu sehen, nachdem der Boden so gebebt hatte. Die Scheunen sahen noch genauso aus wie vorher. Die Zäune hatten sich nicht bewegt. Alle anderen Häuser sahen gut aus.
Er trat wieder hinaus, machte ein paar Schritte zurück und schaute auf seine Hütte, die sich deutlich nach rechts neigte. Sie schien, als würde sie bei einer starken Windböe umfallen.
Verwirrt lief Edward zur Baracke nebenan und hämmerte gegen die Tür. Nach ein paar Sekunden ohne Antwort klopfte er erneut.
»Schon gut! Schon gut!«, rief Lincoln von drinnen. »Warte doch!« Mit aufgeknöpfter Jeans und einem geschlossenen Auge riss er die Tür auf. »Ed, was zum Teufel, Mann? Zieh dir ein paar verdammte Klamotten an!«
»Wie hast du danach weiterschlafen können?«
»Nach was? Deinem Klopfen? Tue ich nicht. Und Mick auch nicht. Jetzt sind wir beide wach und stinksauer.«
Edward sah sich die Hütte an. »Wieso ist euer Haus noch intakt? Ich habe den Boden seit Jahren nicht mehr so stark beben gefühlt.«
Lincoln rieb sich die Augen. »Ed, wovon redest du?«
»Das Erdbeben!«
»Welches Erdbeben?«
»Ach komm schon, verschone mich damit, Lincoln. Das könnt ihr doch nicht verschlafen haben.«
Lincoln trat aus der Baracke, schloss die Tür und sah auf den Rest des Hofs hinaus. »Ed, es gab kein Erdbeben. Sieh dich um. Wenn es ein Erdbeben gegeben hätte, gäbe es Schäden. Vielleicht hast du nur schlecht geträumt oder so.«
»Nein!«, rief Edward. »Das war’s nicht. Es war kein Traum! Ich habe doch gespürt, wie die Erde heftig gebebt hat. Lauter Sachen sind in meiner Hütte runtergefallen. Komm und sieh es dir an!«
Lincoln starrte ihn an, als würde er den Verstand verlieren. »Geh wieder ins Bett, Edward. Ich glaube, du hast heute Abend zu viel getrunken.«
»Verflucht, ich habe nicht getrunken!«
Lincoln drehte sich um und ging zurück in seine Hütte. »Morgen früh wird es dir besser gehen.«
Allein und ohne Hose in der Kälte stehend, fröstelte Edward. Verliere ich meinen Verstand? Hat das sonst niemand gespürt? Er schaute zum Haupthaus, das immer noch dunkel war. Der alte Mann wäre herausgekommen und hätte nach uns gesehen. Vielleicht war es ein Traum.
Edward kehrte zu seiner Hütte zurück und ging hinein, wobei er sich bemühte, die Tür hinter sich zuzuziehen. Er versuchte nicht darüber nachzudenken, dass die Tür nicht mehr mit dem Rahmen übereinstimmte. Er hob die Jeans auf, die auf den Boden gefallen war und hängte sie zurück an den Haken, dann zog er seine Stiefel aus und kroch ins Bett.
Er war gerade kurz davor, einzuschlafen, als er das Rumpeln erneut hörte. Diesmal versuchte er, es zu ignorieren. Ich muss mehr trinken. Dein Verstand spielt dir einen Streich. Mach dich nicht verrückt.
Das Rumpeln wurde stärker und seine Fenster klapperten. Edward drückte seine Augen zu und versuchte, es als Traum abzutun.
Ein lautes Krachen kam von der hinteren Hüttenwand. Edward riss die Augen auf und er sah, wie sich der Riss in der Wand verbreiterte. Krach! »Woher kommt das?« Entsetzt drehte er sich um und schaute hinter sich. »Lieber Gott, Allmächtiger, was zum Teufel ist hier los?« Der Riss breitete sich hinter seinem Bett aus.
Ein großer schwarzer Tentakel mit winzigen Saugnäpfen durchschlug die hölzernen Bodendielen, wirbelte gesplittertes Holz empor und überschüttete ihn mit Sägemehl. Das schrille Zirpen von tausend Zikaden erfüllte die Luft.
»Neeeeeiiiiiiiin!« Das Wort gurgelte in seiner Kehle.
Edward schrie wieder ungläubig auf und schob sich mit angezogenen Beinen ans Kopfende des Bettes, weg von dem Tentakel. Er setzte sich auf sein Kopfkissen und spähte in ein Loch unter dem Holz. »Grube zur Hölle«, murmelte er und die Angst schnürte ihm die Kehle zu.
Das Rumpeln hörte auf und Edward sah sich hektisch im Raum um. »Verdammt! Kommt denn niemand, um nach mir zu sehen?« Er lehnte sich über das Fußende seines Bettes und blinzelte, um zu sehen, ob er auch nur den Schatten einer Gestalt erkennen konnte. Nichts.
Er drehte sich um, bereit zur Tür zu springen und schaute wieder in das Loch hinunter. Er erblickte zwei rot glühende Augen in der Schwärze, umgeben von Tentakeln, die sich in der Dunkelheit bewegten. Edward öffnete den Mund, um zu schreien, aber er wurde von einem Tentakel zum Schweigen gebracht, der auf ihn zuschoss, sich um seine Kehle schloss und fest zudrückte. Sein Gesicht färbte sich violett, während er nach Luft schnappte.
Vier Arme krochen aus dem Loch, zwei davon mit rotierenden Zangen, die sich halbmondförmig zusammentaten, sich schneller drehten und an den Rändern des Lochs hackten. Die anderen beiden hatten mit Schwimmhäuten besetzte Hände in der Farbe verrottenden Mooses und griffen nach Edward.
Der Hofarbeiter versuchte, auf dem Bett wegzukriechen und zerrte an den Tentakel um seinen Hals. Die Saugnäpfe gruben sich in Edwards Fleisch und seine Bemühungen, sie loszuwerden, schienen das Monster nicht zu stören. Der Griff des Monsters war zu stark. Ein weiterer Tentakel tauchte aus der Dunkelheit auf, schlängelte sich um sein rechtes Bein und begann zu ziehen, während die Hände sich ausstreckten, bereit, um ihn in ihre Arme zu ziehen. Blutstropfen rannen in Rinnsalen sein Bein hinunter.
Was zum Teufel … was zum Teufel … was zum Teufel !
Edward bekam keine Luft mehr und wurde in Richtung des Lochs gezerrt, in das er kurz zuvor noch gestarrt hatte. Er griff nach den Laken auf dem Bett, um sich festzuhalten. Seine Sicht verschwamm und sein Verstand vernebelte sich, als er losließ und an den Tentakeln rüttelte, im Versuch, ihren Griff zu lockern.
Sie zogen an seinem Bein und schleiften ihn über das Bett. Er griff nach dem Bettkasten und war überrascht, dass das Loch groß genug war, um das ganze Bett mitzuverschlingen.
Plötzlich kippte das Fußende des Bettes nach unten und warf ihn aus dem Gleichgewicht. Er löste seinen Griff an den Laken und stieß eine Laterne um. Das Öl verteilte sich überall und sickerte entlang der Dielen ein. Der Tentakel machte einen scharfen Ruck und die Beine des Bettes kratzten und knarrten, Funken sprühten über den Boden und vermischten sich mit den Säurerückständen, die die Kreatur hinterlassen hatte. Das Öl entzündete sich.
Edward wollte unbedingt schreien, aber da seine Luftröhre verschlossen war, konnte er nur hoffen, dass jemand den Aufruhr hören würde.
Keine Hilfe kam, während die Flammen niedrig über den Boden tanzten und dem Weg des Brennstoffs folgten. Die Rückstände entzündeten schnell das alte, trockene Holz der Hütte.
Edward hielt sich am Fußende seines Bettes fest, auch als die Kreatur ihn in die tiefe Grube zog und die Flammen immer näher kamen. Er versenkte seine Fingernägel in das Holz und hinterließ entlang des gesamten Weges durchgehende Kratzspuren. Sein Kopf und seine Arme wurden als letztes hineingezogen. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck der Resignation.
Der Dreck und die Erde im Boden begannen unter der Hütte im Kreis zu wirbeln. Die Wände der Hütte bebten, als würde die gesamte Behausung mit verschlungen werden. Genauso schnell, wie er aufgetaucht war, stand der Strudel wieder still und der Boden war zu seinem normalen Zustand zurückgekehrt. Währenddessen wuchsen die Flammen weiter an, die Wände der Hütte stürzten nach innen und verschlossen das Loch.
* * *
Als am nächsten Morgen die Sonne aufging, ging Raven hinaus, um die Ziegen zu füttern. Sie kam an Edwards Baracke vorbei und stand vor dem Haufen aus Asche und verkohlten Metallstücken, die alles waren, was davon übrig geblieben war.
Lincoln kam und stellte sich an ihre Seite.
»Was ist hier passiert? Wo ist Edward?«
»Armer Edward. Ich glaube, er hat gestern Abend zu viel getrunken. Er muss seine Laterne umgeworfen haben. Eine schreckliche Art zu gehen. Steh nicht hier und starr das an.«
»Du meinst, er ist unter den Trümmern? Grabt ihn aus!«
»Das werden wir, Raven. Wir werden dafür sorgen, dass er rauskommt. Es wird ein wenig dauern, aber jetzt kann man nichts mehr für ihn tun. Kümmere dich um die Tiere. Wenn du heute Abend nach Hause kommst, ist das alles aufgeräumt. Das verspreche ich dir.« Er schüttelte den Kopf. »Mach jetzt weiter. Hier gibt es nichts mehr zu erfahren.«
Raven warf einen Blick über ihre schmerzende Schulter, als sie wegging und stellte sich trotzdem Fragen. Was gab es noch zu wissen?