image

Kampf zwischen den Bäumen

Die Luft um Tom herum schien zu pulsieren und der Ast unter seinen Füßen vibrierte. Irgendetwas geschah.

„Der Baum verleiht mir Kraft“, begriff er plötzlich. „Er will, dass ich Sanpao besiege.“

Der Piratenkönig grinste verschlagen zu ihm hoch. Seine Mannschaft umringte den Baum. Ein Pirat griff Elenna mit dem Entermesser an. Geschickt wich sie zur Seite aus und warf einen Pfeil wie einen Dolch nach ihm. Die Spitze ratschte über seinen Hals. Der Pirat schrie überrascht auf und ließ seine Waffe fallen. Sanpao drehte sich zu ihm um.

Tom sprang von dem Ast und landete auf Sanpaos Schultern. Der Piratenkönig brach zusammen und stieß sich den Kopf an einer herausragenden Wurzel. Tom hechtete in Sicherheit, als sein Feind wieder aufstand. Sanpaos Augen waren dunkel vor Hass. Mit ausgestrecktem Arm und einem Dolch in der Hand stürzte er sich auf Tom. Tom sprang wieder hoch und schnappte sich den Ast. Er zog die Knie an und trat Sanpao mit voller Wucht gegen die Brust. Der Piratenkönig taumelte rückwärts. Sein Atem ging rasselnd.

image

Elenna schoss nach einem Piraten, der gerade einen Bolzen in eine Armbrust einlegen wollte. Der hölzerne Rahmen zerbarst. Weitere Piraten tauchten zwischen den Bäumen des verborgenen Waldlands auf. Tom vermutete, dass es die Männer waren, die Elenna und er eingesperrt hatten.

Einer von ihnen schob den Piraten mit der zerstörten Armbrust beiseite. „Ich kümmere mich um diesen Abschaum“, sagte er. Tom erkannte den Goldzahn wieder.

Der Pirat hatte einen Morgenstern aus Metall an einer Kette in der Hand. Er näherte sich Elenna und schwang die Metallkugel über seinem Kopf. Ein anderer aus Sanpaos Mannschaft griff Elenna von der Seite mit seiner neunschwänzigen Peitsche an. Sie brauchte Hilfe. Und zwar schnell.

Tom griff nach seinem Schwert, aber es war nicht an seiner Hüfte. „Oh, nein“, dachte er. Es lag immer noch dort, wo er es nach Sanpaos Axt geworfen hatte. Aber es steckte ja noch etwas verborgen in seiner Schärpe. Der Zahn von Striatos!

Tom zog den Zahn heraus und warf ihn nach dem Piraten mit dem Goldzahn. Der Zahn wirbelte im Kreis herum und zischte sirrend durch die Luft. Dann traf er den Piraten seitlich am Hals. Der Mann ließ die Metallkugel fallen. Der Zahn verschwand und hinterließ einen schwarzen Fleck auf der Haut des Piraten. Sein Körper war steif und seine Glieder bewegten sich nicht. Wie ein Baum stand er da.

„Ich kann mich nicht rühren!“, schrie er. „Hilfe!“

„Danke, Tom“, rief Elenna. Der Pirat stöhnte und knurrte. „Um den müssen wir uns erst mal keine Sorgen mehr machen.“

Sie drehte sich um und richtete ihren Bogen auf den Piraten mit der Peitsche. Der starrte seinen eingefrorenen Kumpel an. Mit einem Schreckensschrei rannte er davon.

„Wo willst du hin?“, brüllte Sanpao ihm nach. „Du räudiger Köter!“

Tom rannte zu seinem Schwert und hob es auf. Der Piratenkönig hatte seine Axt aus dem Boden gehebelt und über die Schulter geschwungen. Nun standen sich Tom und Sanpao gegenüber, der Baum des Seins zwischen ihnen. Langsam umkreisten sie ihn.

„Du gibst wohl nie auf, oder?“, fragte Sanpao. Sein Mund war zu einem fiesen Grinsen verzogen.

Tom schüttelte den Kopf. „Nie. Ich kämpfe bis zum Tod, um Avantia von dir zu befreien.“

Sanpao lachte laut und es klang, als würde in seiner Brust ein Kästchen voller Knochen klappern.

„Du glaubst doch nicht wirklich daran, dass deine Missionen es wert sind, dafür zu sterben?“, fragte Sanpao.

Tom nickte. „Ich kämpfe für mein Königreich und meine Mutter. Für beide würde ich jederzeit mein Leben opfern.“

„Dann werde ich dir eines Tages helfen, das zu beweisen“, sagte Sanpao. „Aber nicht heute.“

Der Piratenkönig schnipste mit den Fingern. Die wirbelnden Aschewolken klarten auf und wurden von den geblähten Segeln des Schiffs geteilt. Der hölzerne Schiffsbauch knarzte, während es zu ihnen hinunterschwebte. An den Masten wölbten sich die roten und schwarzen Segel, jedes war mit der Skelettpranke gekennzeichnet. Der höchste Mast war ein Ast vom Baum des Seins, den Sanpao gestohlen hatte. Durch die Luken auf der Seite waren Kanonen zu sehen. Metallspitzen guckten überall zwischen den Holzbalken hervor.

image

Die Piraten an Bord warfen Seile über die Reling, die sich zum Boden hinunterschlängelten. Die Mannschaft am Boden packte die Seile und ein Mann nach dem anderen kletterte ins Schiff hoch. Sanpao winkte Tom und Elenna zum Abschied höhnisch zu und kletterte dann selbst an einem Seil hoch.

Tom stützte sich auf sein Schwert und sah ihm zu. „Warte!“, rief er, als ihm plötzlich etwas einfiel. „Hast du den Vulkan ausbrechen lassen?“

Sanpao hielt inne und sah grinsend nach unten. „Natürlich war ich das! Wer sollte sonst die Gegend leerfegen wollen, um alles zu plündern? Ich habe dir doch gesagt, dass mein Kanonenpulver nützlich ist. Ich habe eine Ladung in den Krater geworfen und – bumm! Ich habe mir meinen eigenen kleinen Vulkanausbruch gebastelt. Frag deinen Zauberer danach, falls du ihn jemals wiedersiehst.“

Mit einem letzten bellenden Lachen schwang er sich an Bord. Das Schiff erhob sich in die Luft, bis es nur noch so klein war wie ein Vogel, und flog davon.

Elenna hielt ein Bündel Pfeile in der Hand und wischte die Spitzen an ihrem Ärmel sauber. Sie ging mit gerunzelter Stirn auf Tom zu. „Warum hast du Sanpao nicht aufgehalten?“, fragte sie.

Tom warf einen Blick über das Waldland. „Ich wollte meine Kräfte lieber aufsparen, denn wir müssen noch mit einem Biest kämpfen“, sagte er.