Abschied und Neubeginn
Samson Wolv öffnete die Augen. Die Tatsache, dass er das noch tun konnte, erschien ihm überraschend. Er erinnerte sich ... ja, woran eigentlich?
Mein Name ist Samson Wolv und ich bin eine Kreatur. Aber wo war er? Und wie kam er hierher? Seine letzte Erinnerung war ein gewaltiger Blitz und ein unmenschlicher Schmerz.
»Er wacht auf«, hörte er eine männliche Stimme. Eine junge Stimme, wenn er sich nicht täuschte.
Wolv hob den Kopf und sah in ein grinsendes, jugendliches Gesicht. »Na, ausgeschlafen alter Mann?« Ein Junge, kaum älter als fünfzehn.
Als er sich aufrichten wollte, verschwand das Grinsen. »Vorsicht. Ganz langsam!« Der Tonfall klang jedoch nicht fürsorglich. Eher warnend, drohend. Wolvs Blick fiel auf die Waffe, die der Junge in der Hand hielt und auf ihn gerichtet hatte. Eine grüne Kontrollleuchte zeigte, dass der Strahler entsichert war. Und das Zittern verriet, dass es ratsam war, keine dummen Bewegungen zu machen. Der Junge war nervös und saß zu weit entfernt, als dass Wolv ihn hätte erreichen können, ehe der Zeigefinger den Abzug betätigte. Er blieb also in seiner halbaufgerichteten Stellung, auch wenn die alles andere als bequem war. »Wo bin ich?«, wollte er wissen.
»Wie kommst du hierher?«, lautete die Gegenfrage.
Eine Frage, die ihre Berechtigung hatte, die er jedoch nicht beantworten konnte. »Wenn du mir verrätst, wo ich bin, kann ich dir vielleicht sagen, wie ich hergekommen bin.« Möglicherweise war er im Jenseits und es gab doch ein Leben nach dem Tod. Selbst für ihn, die Kreatur. Denn etwas war geschehen, und er war sich ziemlich sicher, dass er gestorben war. Oder so sicher, wie man eben sein konnte, wenn man sich inmitten einer gewaltigen Eruption von Energie befand. »Also, wo bin ich?«, wiederholte er seine Frage.
Der Junge zögerte, und für einen Augenblick ging sein Blick über Wolv hinweg. Dort musste jemand stehen, doch er verzichtete darauf, den Kopf in die Richtung zu drehen. Stattdessen behielt er den Jungen im Auge. Und die Waffe in dessen Händen.
Offensichtlich hatte der oder die Unsichtbare ihre Zustimmung gegeben, denn der Junge sah ihn wieder an und sagte: »Auf Nekastos.«
»Nekastos?« Wolv war der Name völlig unbekannt. »Und wo genau ist das? Wie weit ist es von hier nach Athena? Oder nach Clapham?«
»Noch nie gehört«, gab der Junge zur Antwort.
Ehe Wolv etwas sagen konnte, meldete sich eine andere Stimme. Ebenfalls jung, aber weiblich. »Du bist ein Dummkopf, Birdie, das habe ich dir schon immer gesagt.«
Aus den Augenwinkeln nahm Wolv eine Bewegung wahr, dann betrat ein Mädchen sein Blickfeld. Wie der Junge war sie hager, beinahe schlaksig. Ihr blondes Haar war kurz geschnitten und in ihrem Blick lag ein misstrauischer Ausdruck.
»Sag nicht immer, dass ich dumm bin, Skilli«, brummte Birdie beleidigt.
»Aber das bist du«, erwiderte das Mädchen ungerührt. »Nekastos ist ein ganzes Stück von diesen Planeten entfernt, alter Mann«, wandte sie sich dann an Wolv. Sie rieb sich das knochige Kinn. »Wir bringen dich am besten zu Ragolan. Er wird wissen, was wir mit dir anstellen sollen.« Sie nickte Birdie zu.
»Steh auf, aber ganz langsam und vorsichtig!« Die Waffe vollführte einen knappen Wink, um die Aufforderung zu unterstreichen.
Wolv stand langsam auf und vermied jede Bewegung, die der Junge als unvorsichtig hätte einstufen können. Jetzt, da er auf den Beinen war, veränderte sich die Lage zu seinen Gunsten. Doch noch dachte er nicht daran, die beiden Kinder anzugreifen und sich den Strahler zu schnappen. Sollten sie ihn zu diesem Ragolan bringen. Vielleicht würde er Antworten bekommen. Denn Wolv hatte Fragen. Sehr viele Fragen!