13. Kapitel
Helen
Unsicher betrachtete sie die Tür, die sich vor ihr geschlossen hatte, bevor sie den Kopf senkte und wieder in ihre Wohnung ging.
So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Sie hatte April doch nur von diesem Wichser Scott ablenken wollen, der sie nach Strich und Faden betrogen hatte, und das nicht erst, nachdem er ihr auf so elegante Weise den Laufpass gegeben hatte. Selbst sie – Helen – hatte er irgendwann frontal angemacht, und nein, das war kein Kompliment gewesen, denn so hatte er es bei jeder Frau gehalten, der er begegnete. Selbst bei Lizzy, der dreißigjährigen Pizzabotin.
Er war ein Arsch und hatte nicht einmal den Dreck unter ihren Fingernägeln verdient. Genau so, wie sie es April gesagt hatte, und von dieser Meinung würde sie auch nicht abweichen. Helen ahnte, dass er zurückkehren würde, und wollte ihre Freundin für diesen Moment konditionieren. Denn neben ihrer Naivität hatte April noch ein weiteres, grauenvolles Laster: Sie war zu gutgläubig. Ein paar Tränen, ein wenig Gejammer und er wäre wieder drin. Sowohl in ihrem Appartement als auch in ihrem Bett und letztendlich in ihr. Und was Helen so von dem Sex gehört hatte, den der Typ zustande brachte, ging ja mal gar nicht! Sollte er sich jemanden suchen, der dämlicher war oder eben keine Freundin hatte, die aufpasste , wenn er vögeln wollte. Hier jedenfalls würde er nicht mehr zum Stich kommen.
Helen seufzte.
Na ja, wenigstens das schien ihr geglückt zu sein, nur dass ihre Freundin inzwischen eine Misses war und nicht mal den Nachnamen ihres edlen Gatten kannte. Hätte Helen doch nur früher davon gewusst, dann hätte sie das Schlimmste verhindern können, oder wenigstens diesen Jacob und diesen Stan ausquetschen, um den Namen ihres Obermachos von Freund aus ihnen rauszupressen. Sie wäre mit Sicherheit erfolgreich gewesen, die beiden waren ja so einfach zu händeln gewesen.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Also sie war in Atlantic City auf jeden Fall auf ihre Kosten gekommen. Der Sex war hart, schnell und befriedigend gewesen, ohne weitere Verpflichtungen. Genau, wie sie es liebte.
Ihr Handy summte und sie sah auf das Display, halb davon überzeugt, dass April endlich zusammengebrochen war und sie um Hilfe bat, um auch nur die Nacht zu überstehen. Doch es handelte sich um eine unbekannte Nummer. Als sie ranging, meldete sich eine männliche Stimme, die ihr ebenfalls fremd war.
»Hey, mein Name ist Terence Blue, du hast mich vor ein paar Tagen in Atlantic City kennengelernt.«
»Was? Wie kommst du an meine Nummer? Und nein, ich habe dich ganz bestimmt nicht kennengelernt, vertrau mir. Ich vergesse nie eine Stimme.«
Er schien wenig beeindruckt. »Nein, DU vertraust jetzt am besten MIR. Woher ich die Nummer habe, tut nichts zur Sache. Ich will auch gar nichts von dir, sondern …«
Der Typ sprach fast zwanzig Minuten, in denen Helen mit wachsender Anspannung lauschte. Manchmal unterbrach sie ihn mit einem »Das kannst du vergessen!« oder auch mit einem »Ihr müsst doch beide spinnen!« Aber als sie nach einer halben Stunde auflegte, ließ sie sich entkräftet auf ihr Sofa fallen und stöhnte. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Wie hatte dieser Kerl sie in so kurzer Zeit dermaßen einwickeln können? Sie war doch gar nicht auf Sexentzug! War es seine Stimme gewesen? Unbekannt, aber definitiv sexy? Oder doch eher seine Art, ihr die Sachlage so auseinanderzunehmen, dass sie logisch klang?
Unsicher sah sie zur Wohnungstür. Sollte sie April warnen? Sollte sie mit ihr durchbrennen? Der Typ hatte zwar vernünftig geklungen – und sexy –, das was er sagte, war es aber nicht gewesen. Tatsächlich hatte es von jeder Menge Wahnsinn erzählt.
All das durchdachte Helen mehrfach und entschied am Ende, eine Nacht darüber zu schlafen, bevor sie eine Entscheidung fällte, ob sie eingreifen würde oder nicht.