17. Kapitel
Greg
Einige Minuten zuvor …
Sie sprachen erst, als sie Hunters Büro erreicht und er die Tür von innen geschlossen hatte. »Und, was meinen Sie?«
Greg lachte dumpf auf. »Was weiß ich? Ich kann nicht in ihren Schädel sehen, tut mir leid. Wenn man die Aufmachung bedenkt, in der sie hier aufgetaucht ist, dann lässt das auf einen sehr einfachen Geist schließen.«
Hunter betrachtete ihn kopfschüttelnd. »Sie haben einen ganzen Tag mit dieser Frau verbracht und können nicht einmal annähernd ihr Wesen einschätzen?«
»Was wird das hier? Eine Belehrung über den korrekten Umgang mit einem gewöhnlichen Flittchen? Wenn das so ist, den habe ich an den Tag gelegt. Wir waren im Bett, da versuche ich selten, die tiefe Psyche meiner Partnerin zu ergründen. Ich glaube auch nicht, dass es in diesem Falle ratsam wäre, ganz ehrlich. Wäre gut möglich, dass man auf jede Menge Dreck trifft.«
Hunter wirkte leicht fassungslos und schüttelte dann abermals den Kopf. »Das sind recht ungünstige Voraussetzungen für das, was Sie vorhaben, wenn Sie mir diese persönliche Bemerkung gestatten.«
»Ach ja?« Greg setzte sich auf das Sofa, während Hunter auf einem der Sessel der kleinen Bürositzgruppe Platz nahm. »Das sehe ich anders. Sie soll mir einen vergleichsweise geringen Dienst erweisen und wird dafür fürstlich entlohnt. Von Sympathie war keine Rede und sie ist auch nicht erforderlich. Das Ganze ist nicht mehr als eine geschäftliche Transaktion …«
»Zu der wir sie zunächst überreden müssen«, warf Hunter ein.
Greg lachte auf. »Himmel, hier geht es um ein Vermögen, dass sie sich auf denkbar leichte Weise verdienen kann. Vertrauen Sie mir, ich kenne diesen Menschenschlag, den muss man nicht lange überreden. Vielmehr gehe ich davon aus, dass sie mit konkreten Vorstellungen hierhergekommen ist.«
Hunter wägte den Kopf zweifelnd hin und her, stand dann auf und trat zu der kleinen, offenen Bar, aus der er – zu Greg’s Freude – die Flasche Scotch fischte, davon jeweils einen üppigen Schwall in zwei Whiskygläser füllte, mit denen er dann zurückkehrte und eines davon vor Greg stellte.
Der nahm es dankend entgegen, und sah den Anwalt an. »Vertrauen Sie mir«, wiederholte er. »Ich kenne mich mit solchen Mädchen aus, sie sind …«
»… einfach zu händeln, natürlich«, vollendete Hunter den Satz. »Aber wenn Sie an die Aufmachung denken, mit der sie heute hier aufgetaucht ist, spricht das eher dafür, dass sie uns nicht beeindrucken wollte.«
»Sie konnte nicht wissen, wohin sie nach der Arbeit gehen würde.
Ich setze 1000 Dollar darauf, dass sie sich sonst anders gekleidet hätte.«
Hunter sah auf. »Das hätte wohl jeder halbwegs vernunftbegabte Mensch, machen wir uns nichts vor.«
Die beiden Männer grinsten sich an, prosteten einander zu und widmeten sich ihrem Scotch. Als die Gläser wieder auf dem Tisch standen, hob Hunter erneut an. »Ich sehe übrigens noch enorme Defizite, bevor sie …«
»Das ist allein meine Sorge«, unterbrach Greg ihn kühl. »Sie kümmern sich darum, dass die Verträge wasserdicht sind und ich das Mädchen nach einem Jahr auch zuverlässig loswerde. Ich übernehme das Weitere. Ist es ratsam, die Verhandlungen ohne einen Rechtsbeistand an ihrer Seite zu führen? Nur für den Fall, dass sie später vielleicht rückwirkend bestimmte Bestandteile … ändern will.«
»Nun, ich habe sie darauf hingewiesen, dass es besser sei, heute mit ihrem Anwalt zu kommen …« Greg’s Gelächter unterbrach ihn und auch Hunter musste grinsen. »Okay, wir können wohl davon ausgehen, dass sie weder einen Rechtsbeistand hat noch sich einen leisten kann, aber die Dinge sind im Begriff, sich zu ändern, denken Sie immer daran. In absehbarer Zeit, wird sie über ausreichend Geld verfügen, deshalb rate ich zur Vorsicht. Bisher führten wir nur ein zwangloses Gespräch. Ich werde sie nochmals im späteren Verlauf darauf hinweisen und gegebenenfalls rasch einen Kollegen bitten, die Mandantschaft zu übernehmen. Wenn sie wieder ausschlägt, dann lasse ich mir das gegenzeichnen. So wären wir bei einer etwaigen Klage aus dem Schneider.«
»In Ordnung.«
»Vielleicht sollten wir Jack hineinschicken, um nachzusehen, ob sie bereits in Ohnmacht gefallen ist. Ich will den Schockmoment vollständig ausnutzen und nicht zu spät kommen.«
»Gute Idee.«
Hunter erhob sich und tippte auf eine Taste. »Jack? Kommen Sie bitte herein!«
Wenige Sekunden später öffnete sich die Tür und der Assistent trat ein. »Wie hat sie sich auf der Fahrt hierher verhalten?«, erkundigte sich der Anwalt ohne lange Vorrede.
Jack lächelte. »Sie war verwirrt, recht offen, vielleicht ein bisschen frivol.«
»Frivol?«
»Nicht woran Sie vielleicht denken, sondern sehr vertrauensselig. Unerwartet.«
»Nun, das könnte für uns von Vorteil sein«, erwiderte Hunter nachdenklich. »Wirkte sie berechnend?«
Jack hob die Hände. »Oh, garantiert nicht. Ich kann Ihnen versichern, dass die Dame nicht den geringsten Schimmer hat, weshalb sie überhaupt hier ist.« Wieder lächelte Jack, doch diesmal wirkte er nicht halb so offen, wie zuvor bei April. Möglicherweise hätte sie ihn kaum wiedererkannt.
»Gut«, sagte Hunter. »Ich ließ ein paar Sandwiches kommen. Sie bringen sie ihr und sondieren nebenbei die Lage, in Ordnung?«
»Ja, Sir.« Jack war bereits auf dem Weg zur Tür. »Geben Sie mir eine Viertelstunde.«
Als die Tür sich geschlossen hatte, sah Hunter Greg an. »Am Ende läuft alles auf das erforderliche Fingerspitzengefühl hinaus. Es wäre vielleicht hilfreich, wenn Sie nicht ganz so abweisend wären. Schließlich verlangen wir von der Dame keine Kleinigkeit.«
»Ach nein?« Wieder lachte Greg auf und wieder klang es ausnehmend trocken. »Doch, genau das verlangen wir, Hunter. Genau das. Es ist nur eine klitzekleine Kleinigkeit, mit der sie ihr Leben für immer und ewig aus der sozialen Abhängigkeit reißt. Sie soll merken,
dass es keine Möglichkeit gibt, mich zu manipulieren. Dies dürfte sich in der Zukunft noch als sehr nützlich erweisen, vertrauen Sie mir.«
Dann hob er sein inzwischen leeres Glas. »Bekomme ich hiervon noch einen? Vielleicht sorgt ja der Scotch dafür, dass ich nicht mehr ganz so … ›abweisend‹ wirke.«