85. Kapitel
Greg
Drei Wochen später
Die Stimmung war angespannt, Greg’s Mund trocken und mit der abgefuckten Klimaanlage schien irgendetwas nicht zu stimmen, denn hier war es viel zu heiß, verdammte Scheiße!
Hunter, der direkt neben ihm an dem riesigen Konferenztisch saß, war die Ruhe in Person, aber das war auch sein Job.
Er sah auf die Uhr. »Ich hoffe, sie sind pünktlich.«
Greg antwortete nicht. Es war April, daher würde sie ganz bestimmt nicht pünktlich sein, das war nun einmal Gesetz. Genauso, dass sie umwerfend aussehen würde, egal, wie sie hier aufkreuzte. Wie zum Beispiel auch, dass er den dringenden Drang verspüren würde, sie auf diesem abgefuckten Konferenztisch zu ficken – das stand ohnehin noch aus! Und natürlich würde sie – ob gewollt oder nicht – die Szene für sich einnehmen, kaum dass sie ihr beigetreten war. Außerdem war klar, dass Greg sich unnahbar und wie ein gottverdammter Pisser benehmen würde.
Dies war ein geschichtsträchtiger Raum, Hunter hatte das offensichtlich nur vergessen oder er hatte die Bedeutung niemals begriffen. Beides war Greg gleich. Er hätte nicht gedacht, noch einmal so unsicher, so aufgeregt und mit derart klopfendem Herzen in eine Situation zu stürzen, wie es heute der Fall war. Nebenbei war sein Zorn auf April keineswegs abgeklungen, weshalb er unglaublich gern ein klärendes Gespräch mit ihr unter vier Augen geführt hätte. Er hätte alles darum gegeben, hätte er die Geschichte mit diesem Kuss in diesem Club endlich mit ihr klären können. Nur konnte er das nicht. Sie ließ es einfach nicht zu.
Als sich endlich die Tür öffnete, und dieser Assistent, der vor fast genau einem Jahr auch in der Kanzlei gewesen war, seine Frau und ihren Anwalt hereinführte, war Greg nicht in der Lage, den Blick von ihr zu nehmen. April hatte sich nicht für das total verlotterte Outfit entschieden, war aber auch weit von der Dame von Welt entfernt.
Jeans.
Chucks.
Ein einfaches, aber hübsches Oberteil.
Eine Jeansjacke darüber – diesmal in relativ neuem Zustand –, die Haare hatte sie im Nacken zusammengebunden, außerdem fiel ihm auf, dass sie wenig Make-up trug. Und sie sah ihm nur kurz in die Augen, bevor sie den Blick auf Hunter richtete.
Sieh mich an!,
dachte Greg, doch wie üblich gehorchte sie natürlich nicht. Wenigstens etwas, das sich noch nicht verändert hatte.
Anders als damals, als sie sich zum ersten Mal in diesem Raum zusammengefunden hatten, erschien April heute in Begleitung. Ihr Anwalt wirkte genauso, wie man es von ihm auch nur erwarten konnte
:
Laut.
Billiger Anzug.
Aufgesetztes Grinsen, Marke: ›Keine Sorge, das Kind kriegen wir schon geschaukelt! Ich rieche geradezu die Milliarden, die wir euch aus dem Ärmel leiern werden. Bin auch bekannt als der Milliardenschnüffler. Wenn wir heute Abend den Raum verlassen, dann wirst du gerupft sein, wie ein Huhn, Baby.‹
Ja, Greg kannte diese Art von Idioten, die irgendwann einmal durch Zufall ein Jurastudium abgelegt hatten. In jedem anderen Fall hätte er sich nicht damit zufriedengegeben, dass sie sich von so einem Versager vertreten ließ, nicht einmal, wenn sie sich im sprichwörtlichen Krieg befunden hätten. Aber für die gegenwärtige Situation war es gerade gut.
Hunter nahm die Begrüßung vor. »Das ist James Graham, er übernimmt die rechtliche Vertretung Mrs. McCarthys. Mr. Graham, Mr. McCarthy, mein Mandant.«
Die beiden Anwälte schüttelten sich die Hände, während Greg die ausgestreckte des gegnerischen Anwaltes glatt übersah. Sein Blick galt ohnehin nur seiner Frau, die sich auf der gegenüberliegenden Seite eingefunden hatte, genau auf dem Platz, an dem sie auch beim letzten Mal gesessen hatte. Übrigens mied sie es immer noch, ihn anzusehen, und ihre Jeansjacke hatte sie auch anbehalten. Sobald sie saß, legte sie die Arme vor sich auf den Tisch und die kleinen Hände ineinander.
Der Ehering fehlte, wie Greg bemerkte, während das Gegenstück an seiner Hand immer noch prangte, als wäre nichts geschehen. Erst wollte er diesen Fehler ungeschehen machen, doch dann entschied er sich anders. Nein! Wenigstens dieses Zeichen wollte er setzen. Sinnlos, nutzlos, vielleicht sogar ein stückweit infantil, doch es war ihr nicht entgangen. Denn ihr Blick, offenbar verzweifelt auf der Suche nach einer Alternative zu seinem Gesicht, war zwischenzeitlich auch über seine Hände gestreift und bei der linken hatte sie kurz innegehalten.
›Nimm das, Mrs. McCarthy!‹
, dachte Greg mit einem Anflug von Belustigung.
Graham, der begeisterte Anwalt, der garantiert aus Texas oder irgendeinem anderen Südstaat stammte, in dem man morgens noch zur Arbeit ritt und seinen Colt sichtbar für alle am Hosenbund trug, klatschte in die Hände. »Tja, wie schön, dass wir alle heute hier zusammengefunden haben. Sie machen einen so sympathischen Eindruck, ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass Sie etwas Hinterhältiges gegen meine Mandantin im Schilde führen. Aber wie sage ich immer?« Er zog mit einem Zeigefinger das rechte Lid herunter, sodass der Augapfel beinahe aus seiner Höhle fiel und glupschte zu Greg hinüber. »Holzauge sei wachsam.«
Greg betrachtete ihn mit erhobener Augenbraue, bevor sein Blick auf April herumschwenkte. Die hatte Greg heimlich beobachtet, sah jetzt aber schnell zu Hunter, und weil es ihr dort offenbar auch nicht gefiel, war dieser idiotische Graham ihr nächstes Ziel.
Hunter räusperte sich, wobei er tat, als hätte dieser Versager nie etwas von sich gegeben. »Wir haben uns heute hier zusammengefunden …«
Greg musste sich zusammenreißen, um nicht laut zu lachen. War das nicht der falsche Text?
»… um die Ehe der beiden Herrschaften auf eine für beide Seiten akzeptable Weise zu beenden. Mein Mandant hat mich im Vorfeld beauftragt, seiner Noch-Ehefrau an dieser Stelle mitzuteilen, dass er keineswegs das Ziel verfolgt, sie auf irgendeine Art zu be
nachteiligen, auch soll dieses Prozedere in keinem Racheakt münden.«
Grahams Schnauben erfüllte den Raum, was dazu führte, dass sich Hunters Stirnfalten noch einmal verdichteten. Er hatte Greg nämlich dringend davon abgeraten, eine derartige Ankündigung zu machen.
»Auch wenn sie sich vielleicht zurückhält – was noch lange nicht feststeht –, ihr Rechtsbeistand wird um jeden Cent feilschen. Das ist der größte Fall seiner jämmerlichen Laufbahn, und er hat sich vorgenommen, das fette Schwein zu schlachten und alles mitzunehmen, was irgendwie möglich ist. Vergessen Sie nicht, dass Sie millionenschwer sind, Ihre Frau aber mehr oder weniger mittellos ist. Mein Vorschlag: Lassen wir sie kommen, sie werden ihre Forderungen extrem hoch ansetzen, um noch genügend Raum für Zugeständnisse zu haben und trotzdem zu bekommen, was sie wollen. Er wird rücksichtslos sein, er wird immer wieder auf Ihre Abwesenheit während der Ehe zu sprechen kommen – ich wüsste nicht, was sie sonst als Grund angegeben haben könnte.« Nun, diesbezüglich war Greg schlauer, er wusste es sogar ganz genau, hatte Hunter aber nicht darüber aufgeklärt. Er würde früh genug damit konfrontiert werden. Was Hunter anging, lagen alle Karten hübsch ausgebreitet auf dem Tisch. »Weshalb wir dann den gegenteiligen Trumpf aus der Tasche ziehen«, hatte er weiter gesagt und gegrinst. »So weit ich informiert bin, weiß Ihre Frau nichts davon, dass Sie über Ihren Fehltritt informiert sind? Das ist gut, sehr gut, auf diese Art können wir ihrem Rechtsverdreher im geeigneten Moment das Maul stopfen.«
»Nein!«, hatte Greg schlicht gesagt.
Hunter war fast vom Stuhl gefallen. »Wie, nein?«
»Nein, wir werden alle Manöver dieser Art lassen«, hatte Greg erwidert. »Mir ist klar, dass ihr Anwalt sich aufführen wird, als befände er sich an einem Buffet, auf dem die Millionen wie Gratisproben im Supermarkt angeboten werden. Aber der Typ wird nie mehr als ein Statist sein! Am Ende interessieren nur April und ich.«
Hunter hatte gestöhnt. »Genau das hatte ich befürchtet. Sie haben noch nicht einmal akzeptiert, dass Sie sich nicht mehr als Ehepaar gegenüberstehen, sondern als gegnerische Parteien, und in der Mitte befindet sich das Kind. Seien Sie wenigstens so clever, sofort das alleinige Sorgerecht anzustreben, um ihr diesen Trumpf zu nehmen.«
Greg hatte auch das abgelehnt, weshalb Hunter recht verzweifelt in diesen Versuch, die Dinge außergerichtlich zu regeln, gegangen war. Doch Greg war froh, Hunter zu haben, keinen von Williams Bluthunden, obwohl sein Onkel genau diese mit Greg in den Scheidungsring hatte schicken wollen. Greg hatte sich mit Hinweis auf die jahrelange Tätigkeit von Hunter, Carter & Son aus der Affäre gezogen, was seinem Onkel gar nicht geschmeckt hatte. Nun, er würde sich an dieses Gefühl gewöhnen müssen.
In der Gegenwart überging Hunter Grahams Schnauben, er lächelte ihn nur süffisant an. »Ich ging mit Ihrem heutigen Erscheinen davon aus, dass Sie an einer einvernehmlichen Klärung interessiert sind. Wenn das nicht der Fall ist, dann können wir dieses Treffen auch abkürzen. Ich bin sicher, Sie werden sich bei Gericht hervorragend behaupten können.«
Graham grinste. »Warum so bissig, Butch? Sie werden verstehen, dass ich für meine Mandantin das Beste herausholen will. Ganz sicher werden wir uns nicht von ein paar salbungsvollen Worten einlullen lassen.«
»Natürlich nicht. Ich nehme an, Ihr Honorar ergibt sich aus der Summe, die Sie hier ›herausholen‹?
«
»Oh, das war billig«, klagte Graham, ohne dass das Grinsen an Gewicht verlor. »Nun denn, sind Sie fertig mit der Eröffnungsrede?«
»Noch nicht ganz«, erwiderte Hunter und lächelte. Er grinste nie, war aber auch nicht ungefährlich. »Eine Ehe soll geschieden werden, die gerade einmal fünf Monate Bestand hatte.«
»Da muss ich gleich erneut widersprechen«, trumpfte Graham auf. »Nach Kenntnis meiner Mandantin ist sie bereits seit über einem Jahr mit Ihrem Mandanten verheiratet. Die Ehe wurde ohne ihr Wissen annulliert, sie wurde sogar zu einem höchst bizarren Geschäft mit ihm überredet – immer in dem Glauben, sie sei mit Ihrem Mandanten verheiratet …«
»Ein Geschäft, das ihr sechs Millionen Dollar eingebracht hätte«, warf Hunter eisig ein.
»Ein Geschäft wider den guten Sitten, weil ihr eine gravierende Tatsache vorenthalten worden war. Nämlich, dass die Ehe, die im Alkoholrausch im Mai letzten Jahres geschlossen wurde, zu diesem Zeitpunkt keinen Bestand mehr hatte. Um den Skandal perfekt zu machen, wusste sie bis zum Tage ihrer tatsächlichen
Eheschließung nichts davon.«
»Und sie hat meinem Mandanten vergeben.«
Graham lächelte. »Natürlich hat sie das, weil sie eine herzensgute, grundehrliche, sehr moralische Person ist. Nur ist das hier nicht das Thema. Fakt ist doch, dass IHR MANDANT!« Offenbar wähnte er sich bereits im Gerichtssaal, denn er hatte den Finger auf Greg gerichtet und die Stimme dramatisch erhoben. »Dass IHR MANDANT seine Frau bereits von Anfang ihrer Beziehung an belogen und betrogen hat, während meine Mandantin stets mit offenen Karten spielte und sich nicht nur gegen die Anfeindungen seitens der Familie meines Mandanten behaupten, sondern auch ihr gesamtes bisheriges Leben aufgeben musste. All das war Bestandteil des haarsträubenden Vertrages, den sie einging, um dem geliebten Mann nah sein zu können.«
Greg kämpfte mit dem Husten, Hunter betrachtete den hoch motivierten Anwalt zweifelnd und April sah aus, als würde sie am liebsten auf der Stelle im Boden versinken.
Tja, Baby, das sind Anwälte.
Er war nicht spöttisch, es ärgerte ihn sogar, wie der Typ sich hier aufführte und in welch peinliche Situation er April damit brachte, denn eines war Greg klar: Sie hatte garantiert nicht gewollt, dass dieses Meeting so ausartete. Ihre Wangen glühten nicht, so wie sonst, stattdessen war sie leichenblass. Erst jetzt fielen ihm diese tiefschwarzen Schatten unter den von ihm so geliebten Augen auf. Er wollte um diesen verdammten Tisch herumgehen, ihre Hand nehmen – wenigstens das –, ihr sagen, dass alles gut werden würde, dass sie nur durchhalten müsste, doch er konnte nicht. Nicht, weil die Situation es nicht zuließ, sondern weil er wie gelähmt war.
Gelähmt von ihrer Anwesenheit an sich.
Gelähmt von ihrem Duft.
Gelähmt von diesem Treffen, das so unendlich falsch war und nicht zu ihnen passte.
Gelähmt von dem, was ihm, ganz besonders aber ihr, noch bevorstand.
Darüber hinaus musste er wenigstens annähernd die Fassade wahren. Hunter war zwar loyal, doch wie weit war Greg nicht bekannt. Außerdem war auch Graham ein unbekannter Faktor. Wer wusste schon, ob man nicht auch an ihn herangetreten war?
»Um die Dinge auf den Tisch zu bringen, wir wissen von dem Seitensprung Ihrer Mandantin.
«
Damit hatte Hunter offenbar eine Bombe hochgehen lassen, denn sowohl April als auch ihr Anwalt rissen die Augen auf.
»Wa…«
Bevor sie weitersprechen konnte, hatte Graham ihr seine fleischige Hand auf den Unterarm gelegt, Greg hätte sie am liebsten weggeschlagen. Der Typ grinste Hunter an. »Wir
wissen von keinem Seitensprung … seitens meiner Mandantin. IHR Mandant hingegen hat sich nachweislich mit seiner Assistentin vergnügt, was auch der Grund dafür ist, weshalb wir hier sitzen.«
Hunter lachte herzlich. »Das ist …«
»Ein bedauerlicher Unfall gewesen«, fiel Greg ihm hart ins Wort. Plötzlich fühlte er eine wunderbare Ruhe in sich. Neben der Wärme, die sich in seinem Körper ausbreitete. Er hatte es gewusst, verdammte Scheiße! Er hatte es gewusst, aber der kleine Stachel des Zweifels war geblieben – wie auch nicht, verdammt, er liebte diese Frau. Er liebte sie mehr als sein Leben. Und er war ein Mann, der nun einmal nicht teilte, was er liebte. Aprils Gesichtsausdruck, der inzwischen leicht verstört wirkte, war nicht falsch zu interpretieren. Nichts von dem, was William und Bill ihr andichteten, war so passiert. Egal wie die Fotos zustandegekommen waren, sie hatte ihn garantiert nicht betrogen. Jetzt musste er die Dinge nur noch in die richtigen Bahnen lenken.
Er nickte. »Ich nehme an, dir wurden Fotos zugespielt?«
Graham platzte dazwischen. »Ich habe meine Mandantin angewiesen, nicht auf direkte Fragen zu antworten. Also würden Sie …«
»Ja«, sagte April fest, mit einem Mal sah sie Greg an. Frontal, mit großen, tiefen, dunklen, anklagenden, aber auch so liebenden Augen. Das war dieses stumme Flehen, mit dem sie auszudrücken schien: Sag mir, dass es nicht so war. Gib mir einen Grund, wieder an dich zu glauben.
»Sie zeigen mich in … äh … verfänglichen Situationen mit meiner Brüsseler Assistentin?«
April nickte.
Greg seufzte. »Es tut mir leid.«
Ihre Augen wurden größer, doch Greg sprach gleich weiter. Er klatschte in die Hände. »Nun, meine Herren, womit der Schuldige am Scheitern dieser Ehe wohl zweifelsfrei ermittelt wäre. Ich räume mein Fehlverhalten ein, und erwarte Ihre Vorschläge.« Letzteres hatte er wieder an Graham gewandt gesagt.
Hunter war für einen Moment so verblüfft, dass er sichtlich nach Luft schnappte. Dann sah er zu Graham. »Auf ein Wort mit meinem Mandanten.«
Graham lehnte sich zurück, grinsend, natürlich, und trommelte spielerisch mit den Fingern auf die Tischplatte. »Nur zu.«
Mit einem Nicken forderte Hunter Greg auf, ihm aus dem Konferenzraum zu folgen und stampfte sichtlich wütend davon.
Weit gingen sie nicht, bereits vor der Tür wirbelte Hunter zu ihm herum.
»Was soll das?«, knurrte er Greg an. Letzterer hatte den Typ selten so wütend erlebt. »Wenn Sie so weiter machen schlage ich vor, Sie überschreiben der Kanaille am besten gleich Ihr gesamtes Vermögen …«
»Ich hoffe, mit Kanaille meinen Sie diesen Wichser von Anwalt …«, warf Greg ein
.
Doch Hunter war nicht zu bremsen. »… dann sparen wir eine Menge Zeit.«
Greg musterte ihn eisig. »Ich weiß, was ich tue.«
»Ach so? Wie zum Beispiel, mich nicht darüber zu informieren, dass auch Sie sich bei irgendeiner außerehelichen Nummer fotografieren ließen?«
»Davon war mir bisher nichts bekannt.«
»Vielleicht hätten Sie mal nachfragen sollen, weshalb
die Dame die Scheidung wünscht. Oder eher, welchen Aufhänger sie nimmt, denn dass dies auf eine elende Abzocke hinausläuft, dürfte Ihnen doch wohl klar sein. Ich flehe Sie an, lassen Sie mich meine Arbeit machen. Lassen Sie mich intervenieren, lassen Sie mich den Fehltritt der Dame …«
»Sie haben ihre Reaktion gesehen, ich zweifele die Echtheit der Aufnahmen an.«
»Ach, tun Sie das, ja?« Hunter stand kurz vor der Hysterie. »Und soll ich Ihnen was sagen? Das ist mir FUCK EGAL! Ich lasse zur Not eigenhändig noch ein paar Montagen anfertigen, mit denen wir sie in die Enge treiben können. Hier geht es …«
»Ich weiß genau, worum es hier geht«, erwiderte Greg kurz. »Nur Sie haben mal wieder nicht den geringsten Schimmer. Alles wird so gehalten, wie ich es angeordnet habe, auch wenn Sie sich an meine Weisung, nichts von dem angeblichen Seitensprung verlauten zu lassen, schon einmal nicht gehalten haben. Im Nachhinein bin ich Ihnen sogar dankbar, dafür. Wir lassen uns den Forderungskatalog dieses Idioten vorlegen, Sie erheben dann und wann Einspruch, halten sich aber ansonsten bedeckt. Das gemeinsame
Sorgerecht kommt auf den Tisch, ihr Seitensprung wird nicht mehr erwähnt, meiner nicht infrage gestellt, und sie bekommt auf jeden Fall das Haus, auf die Art, die wir besprochen haben. Das hatte ich sowieso geplant. So wird es gemacht, und ich rate Ihnen, sich ab sofort strikt an meine Anweisungen zu halten, denn ansonsten werde ich mir einen anderen Rechtsverdreher suchen, der sich meinen Instruktionen nicht widersetzt.« Hunter sah so aus, als wäre er so weit, Greg’s Drohung zu akzeptieren und ihm tatsächlich einen Anwaltswechsel nahezulegen. Greg seufzte. »Vertrauen Sie mir doch einfach. Nur noch ein einziges Mal. Wie wäre das?«
Hunter wirkte, als litte er grausame Schmerzen, doch schließlich nickte er widerwillig. »Wenn Sie mir irgendwann erklären, weshalb genau ich Sie diesem Versager ans Messer liefern soll.«
»Oh, das werde ich«, sagte Greg zuversichtlich. Er lächelte, allerdings kam es nicht sonderlich fröhlich rüber. »Bald.«
Damit gingen sie wieder in den Raum, wo Graham gerade sehr leise, aber eindringlich auf April einsprach, die ihn teilnahmslos betrachtete.
Nachdem die beiden wieder Platz genommen hatten, klatschte Graham begeistert in die Hände. »Haben Sie sich einigen können? Perfekt, dann dürfen wir jetzt endlich zur Tat schreiten?«
Hunter nickte mit sichtlicher Abscheu im Gesicht und Greg lehnte sich zurück. Seine Hände befanden sich flach auf dem Tisch, während er April, die wieder die Tischplatte anstarrte, nicht aus den Augen ließ.
Alles in allem ging Graham noch zahm an die Angelegenheit heran. Er forderte eine Entschädigungszahlung von zehn Millionen Dollar für jeden Monat Ehe – inklusive des Zeitraumes, in dem April gedacht hatte
, Greg’s Frau zu sein. Darüber hinaus forderte er das Haus, das alleinige Sorgerecht für June, dass Greg die alleinige Schuld am
Scheitern dieser Ehe auf sich nahm, und eine einmalige Entschädigungszahlung für June in Höhe von 200 Millionen Dollar. Außerdem wurde Greg ein Besuchsrecht bei seiner Tochter eingeräumt: einmal im Monat für drei Stunden.
»Ich hörte, Ihr Mandant ist zeitlich so sehr eingebunden, dass er auch während der Ehe seine Tochter nicht häufiger gesehen hat«, verkündete Graham gerade süffisant grinsend. »Wir beide waren der Auffassung, dass wir an diesem Rhythmus nicht rütteln sollten. Kinder sind ja so sensibel.«
Greg sah zu April, deren Wangen jetzt tiefrot waren. Nun ja, er hatte eine ungefähre Vorstellung, wer für das Gift zuständig war, das hier versprüht wurde. Er konnte nicht mal sauer sein, hassen, wüten oder wenigstens die eine oder andere Morddrohung in Richtung Helen St. James schicken.
Zu einigen Zugeständnissen war der Flachwichser von Anwalt auch bereit, die er nun verkündete – Hunter benötigte zu diesem Zeitpunkt beinahe ein Beatmungsgerät, denn er schnappte hörbar nach Luft und sein Gesicht war rot vor Zorn. Aber er beherrschte sich und eskalierte nicht.
»Meine Mandantin verpflichtet sich im Gegenzug, keine Interna über die Ehe in der Öffentlichkeit preiszugeben. Sie wird weder im Fernsehen auftreten noch irgendwelche Exklusivinterviews geben. Auch bei eventuellen Galen wird sie nicht auftauchen. Sie ist relativ unbekannt und will diesen Status beibehalten. Ich denke, damit kommt sie den Gepflogenheiten der Familie sehr entgegen?«
Greg antwortete nicht und Hunter brachte nur ein Grunzen zustande, doch das interessierte Greg nicht. April hatte währenddessen kein einziges Mal aufgesehen, die Röte war aus ihren Wangen gewichen, weshalb sie nun wieder extrem bleich aussah.
»War das alles?«, erkundigte Greg sich.
Graham war sichtlich überrascht, dass sich der Mandant wieder direkt zu Wort meldet. Doch er fing sich schnell wieder. »Fürs Erste. Ich denke, wir haben Ihnen genügend Stoff zum Nachdenken gegeben, weshalb eine dreißig minütige Pause keine schlechte Idee wäre. Ich würde vorschlagen …«
»Sie halten endlich Ihren Mund«, sagte Greg sehr leise. »In den vergangenen« er sah auf seine Uhr »zwei Stunden haben Sie bis ins kleinste Detail dargelegt, was Sie alles fordern und haben wollen und beanspruchen und meinen. Das reicht tatsächlich fürs Erste. Am heutigen Tag werden nur noch zwei relevante Dinge festgehalten und festgesetzt.« Er sah zu Hunter, dessen Miene sich inzwischen wieder etwas aufgehellt hatte. »Sie sind dran.«
Hunter lächelte und lehnte sich zurück, in der rechten Hand hielt er einen Kugelschreiber, mit dem er unaufhörlich auf dem Tisch herumtrommelte. »Zunächst teilt mein Mandant unbedingt die Meinung, dass Mrs. McCarthy mit der gemeinsamen Tochter im Haus verbleiben sollte. Er hat darüber hinaus keine Einwände, was eine zeitnahe Übereignung auf den alleinigen Namen MISS June McCarthy betrifft.«
April sah auf, die Augenbrauen leicht erhoben.
»Das bedeutet, dass das fragliche Objekt einschließlich Gelände der gemeinsamen Tochter …«
»In Ordnung«, sagte April, was Graham wieder auf den Plan rief. Er beugte sich zu ihr vor. »Mrs. McCarthy …«
»In Ordnung«, wiederholte sie fest und sah ihm unerschrocken in die Augen.
»Schön«, sagte Hunter. »Dann wäre das schon einmal geklärt. Des Weiteren wird
Mr. McCarthy bis zur endgültigen Klärung der Sachlage monatlich einen Betrag von 20 000 Dollar …«
»Das ist ja wohl ein Scherz!«, rief der aufgebrachte Graham, alle Jovialität war blanker Fassungslosigkeit gewichen. Hunter schien ihn allerdings nicht gehört zu haben, denn er sprach unbekümmert weiter. »Jedoch wird mein Mandant alle anfallenden Lohn- und Gehaltskosten des Personals übernehmen, was keine große Umstellung wäre, weil dies ohnehin vom Finanzbüro der Familie vorgenommen wird. Daher steht die Summe ausschließlich für die Begleichung des Lebensunterhaltes zur Verfügung.«
»Damit bin ich einverstanden«, sagte April, die allmählich ihre Stimme wiederzufinden schien.
»Dann sind wir uns schon wieder einig«, freute Hunter sich, der Graham inzwischen überhaupt nicht mehr beachtete. »Für die endgültige Klärung der Angelegenheiten …« Hunter deutete auf den Zwanzig-Seiten-Vertrag, den Graham mitgebracht hatte. »… werden wir einige Zeit benötigen, in der wir jeden von Ihnen vorgeschlagenen Punkt sehr intensiv prüfen und bewerten werden. Ich schlage vor, dass wir uns von heute an in genau vier Wochen wieder hier treffen, um die letzten Details zu besprechen.«
Abermals beugte sich der Wichser von Anwalt zu April vor, doch die sah wieder nur Hunter an. »Das klingt fair.«
»Mrs. McCarthy!«, donnerte Graham, und jetzt schaute sie endlich wieder zu ihm.
»Ich sagte, das klingt fair«, wiederholte sie auf derart feste, strikte Art, dass Greg sein Strahlen nicht mehr tarnen konnte. »Wir können wohl kaum erwarten, dass sie das hier und jetzt und sofort entscheiden. Das würde niemand tun und auch niemand verlangen.«
Nun sah sie zu Greg, ohne rasch wegzusehen, sondern frontal und sehr ernst. »Ich will keinen Krieg.« Hunter schnaubte, doch sie gönnte auch dem gegnerischen Anwalt keinen Blick. »Bitte, ich will das anständig über die Bühne bringen. Was auch immer du vorzuschlagen hast, ich werde mir alles sehr genau anhören und mit Graham beratschlagen.«
Greg nickte. Er betrachtete sie abwägend und sagte dann: »Wenn die Herren kurz den Raum verlassen würden, ich möchte mit meiner Frau ein paar Worte unter vier Augen wechseln.«
»WAS?« Graham lachte schallend. »Natürlich, damit Sie Ihren Psychoterror …
Gleichzeitig protestierte Hunter: »Sir, ich rate Ihnen dringend, dies zu unterlassen. Was immer Sie ohne Zeugen …«
Greg schloss für einen kurzen Moment die Augen, dann hörte man seine zornige Stimme im Raum. »RAUS!«
Diesmal wirkte Hunter tatsächlich, als wolle er auf der Stelle sein Mandat niederlegen. Graham nicht, der wollte nur so viel Honorar wie möglich kassieren und sah davon soeben eine erhebliche Summe gefährdet. Weshalb er sich strikt weigerte, seine – seiner Ansicht nach hochgradig labile, weil von der Seuche der Liebe geschlagene – Mandantin mit diesem Kerl alleinzulassen.
Doch schließlich erhoben sich beide Männer und verließen den Raum. Nicht ohne viel Gezeter und Weltuntergangsszenarien, die sie ihrem jeweiligen Mandanten noch innerhalb eines schier endlosen Schwalls prophezeiten. Ändern konnten sie es dennoch nicht, denn … die Mandanten zahlten, sie waren nur die Mittler. Am Ende galt immer das Wort des Kunden, was nach einheitlicher anwaltlicher Meinung zwar ein großer Fehler war, sich na
ch derzeitiger gesetzlicher Lage nur leider nicht ändern ließ.
Als sie endlich von außen die Tür geschlossen hatten, stand Greg auf und ging um den Tisch herum. Er setzte sich neben seine Frau – denn das war sie noch immer – und nahm ihre schlanken, erstaunlich kühlen Hände in seine. Es dauerte einen Moment, in dem sie beharrlich ihren Schoß musterte, doch dann sah sie auf. Aus der Nähe waren ihre Augenringe noch tiefer und dunkler. Er kannte diesen Anblick: Das verhärmte Gesicht, die stumpfen Haare, die glanzlosen Augen – und verdammt, er musste für keine Sekunde überlegen, wann er sie zuletzt in diesem Zustand gesehen hatte. Nein, diese Wendung war nicht geplant gewesen, aber verflucht, wenn er ihr und sich – oh ja, sich genauso – nur ein bisschen helfen konnte, dann würde er es tun. Es war seine gottverdammte Pflicht! Er hatte das für keine Sekunde vergessen. Und etwas, das sich so gut und richtig anfühlte, wie, ihre zarten Hände in seinen zu halten, das konnte nicht falsch sein.
»Wie geht es June?«
»Gut«, hauchte sie gebrochen. Er hasste es, sie so zu sehen.
Greg lächelte, allerdings nicht sehr lange. »Wie geht es dir?«
Sie zog einen Mundwinkel und gleichzeitig ihre Brauen hoch. Ihre Augen schienen zu sagen: ›Das fragst du jetzt nicht wirklich, oder?‹
Greg nickte. »Ja, ich weiß«, murmelte er und küsste rasch ihre beiden Handrücken. Erstaunlicherweise machte sie keine Anstalten, ihre Finger zurückzuziehen, sondern betrachtete ihn nur mit zur Seite geneigtem Kopf und leicht argwöhnischem, neugierigem Ausdruck. »Es tut mir so leid«, sagte er dann und sah ihr in die plötzlich feucht schimmernden Augen. »April, hätte es eine Möglichkeit gegeben, dich vor diesem Theater zu verschonen, dann hätte ich es getan, das schwöre ich.«
Erste Tränen rollten über ihre blassen Wangen und sie zog die Nase hoch, was Greg leicht grinsen ließ. »Was soll das denn heißen?«, schluchzte sie und wirkte unvermittelt wütend. »Hättest du uns nicht um unser Leben gebracht? Hättest du uns nicht betrogen? Hättest du nicht die erstbeste Möglichkeit genutzt, um alles, was wir hatten, zu vernichten? Wärst du nicht mit ihr ins Bett gegangen? Wärst du …«
Sein Zeigefinger verschloss ihren Mund und er betrachtete sie eindringlich. »Glaubst du wirklich, ich hätte dich mit einer dahergelaufenen Schlampe betrogen, mit deren Anstellung ich übrigens nicht das Geringste zu schaffen hatte? Schätzt du mich denn wirklich so charakterlos ein?«
April entzog ihm ihre Hand, was ihn wie einen Idioten frösteln ließ. Aber sie fuhr sich nur mit dem Handrücken über ihre Augen und sah ihn verständnislos an. »Was?«, hauchte sie mit brüchiger Stimme.
Greg seufzte und lachte trocken auf. »Okay, als die Bilder von dir und diesem kleinen schmierigen Wichser bei mir eintrafen, auf denen du ihn küsst, da gingen bei mir auch erst mal die Lichter aus, das kannst du mir glauben! Obwohl ich mit etwas Derartigem gerechnet hatte. Um ehrlich zu sein, in Wahrheit habe ich sogar darauf gebaut.«
Ihre Augen weiteten sich, schlagartig waren die Tränen Geschichte. »WAS?«
Greg nickte grimmig. »Ich gebe zu Protokoll, dass ich die Möglichkeit in Betracht zog, du könntest wirklich untreu gewesen sein, wenn auch nur als eine von vielen.« Seufzend betrachtete er sie. »Hast du denn niemals wenigstens überlegt, ob es sich vielleicht nicht ganz so verhält, wie auf den Fotos zu sehen?« Sie schluckte nur, eine Antwort
erfolgte nicht, doch die Augen füllten sich wieder mit Tränen. Hastig wischte er sie von ihren Wangen, hauchte jeweils einen Kuss darauf und rückte diesmal nicht wieder von ihr ab. »Vertrau mir«, wisperte er in ihr Ohr. »Bitte, Baby, vertrau mir. Ich liebe dich, ich würde niemals mit einer anderen schlafen … oder sie auch nur ficken.« Sie schluchzte auf, ihre Hände krallten sich in seine Schultern, was er als Zugeständnis wertete. »Ich musste diese Geschichte ohne dein Wissen durchziehen, weil ich davon ausgehe, dass wir an keinem Ort ungestört sind. Weder in unserem Haus noch in meinem Hotel oder wohin wir uns möglicherweise flüchten könnten. Ich habe einen Plan.« Die einzige Frau, die Macht über sein Herz hatte, saß vor ihm und weinte um ihn. Um ihre Beziehung. Um … alles. Er konnte es kaum ertragen. Seine Brust wurde eng, ein Gefühl, das er nicht leiden konnte, deshalb rieb er sich mit einer Hand über die schmerzende Stelle und räusperte sich. »Willst du ihn hören?«
Zu seiner Überraschung schüttelte sie heftig den Kopf, er spürte ihre Hände, die sich fast brutal um sein Gesicht legten und seinen Kopf zurück schoben, glaubte bereits, sie tatsächlich verloren zu haben, als sie ihn für einen langen Moment betrachtete. Mit Augen, aus denen die Tränen nur so strömten, mit bebenden Lippen und so unendlich verzweifelt, dass er leise aufstöhnte, weil er nicht in der Lage war, ihren Schmerz zu lindern.
»Oh Greg!«, stieß sie hervor, ehe sich ihre heißen Lippen auf seine pressten. Das war so nicht geplant gewesen, und ihm war auch nicht wohl dabei. Hunter hatte ihm zwar versichert, dass sie in diesem abgefuckten Raum zur Abwechslung mal nicht belauscht wurden, aber was galt schon das Wort eines Anwaltes, der mit der Familie McCarthy dealte, wenn …
»Oh, fuck«, murmelte er an ihrem Mund, bevor sich seine Hand auf ihren Hinterkopf stahl, eine Faust voll ihres seidigen Haars packte und die andere ihr Kinn umfasste. Sie keuchte in seinen Mund, schluchzte im gleichen Moment und schmiegte sich wie eine Ertrinkende an ihn, als er die Regie übernahm. Ihr schlanker, so vertrauter Körper an seinem und die vollen Brüste, die sich an seinem Hemd rieben. Diese langen Beine pressten sich an ihn, die ihn schon immer um den Verstand gebracht hatten … Es waren harte, entbehrungsreiche Wochen gewesen. Wochen voller Zweifel, Wochen voller Sehnsucht, aber auch angefüllt mit ausgewachsenem Zorn und der Frage, wie es überhaupt so weit hatte kommen, wie um alles in der Welt er dies hatte zulassen können. Aber wie sehr sie ihm tatsächlich fehlte, wurde ihm erst jetzt bewusst, als sie endlich wieder in seinen Armen lag. Sie weinte unaufhörlich; benetzte auch seine Wangen, der Kuss schmeckte salzig und steigerte daher die Verzweiflung noch, die von beiden spätestens jetzt in ihrer gesamten Macht Besitz ergriffen hatte.
Als er sich schließlich von ihr löste, geschah es fast in einem Akt der Notwehr, weil er wusste, dass er sie sonst nie wieder loslassen würde. Sie gehörte ihm, verdammt noch mal!
Ihm!
Und Greg war inzwischen bereit, alles zu vernichten, was sich ihnen in den Weg stellte, nur um seine Familie endlich wieder bei sich zu haben. Er nahm sie an den Schultern, zwang sie, ihn anzusehen, und sprach eindringlich auf sie ein.
Und April hörte zu
…
April
Trotz des in ihr herrschenden Ausnahmezustandes, versuchte sie, sich auf seine Worte zu konzentrieren und nicht auf seine, auf sie so imposant wirkende Erscheinung, das überwältigende Gefühl, ihn endlich wieder berühren zu dürfen, oder den geringfügigen Umstand, dass er nicht
mit einer anderen im Bett gewesen war. Sie bezweifelte für keine Sekunde, dass er die Wahrheit sagte, sondern hatte diesen Teil der unglaublich brisanten, alles verändernden, vor Hoffnung strotzenden Informationen, die er ihr innerhalb der nächsten viel zu kurzen Minuten zukommen ließ, sofort als Realität akzeptiert. Einiges davon klang zu schön, um wahr zu sein, vieles war Labsal für ihre geschundene Seele, aber ein paar Dinge verursachten in ihr leider auch das nackte Grauen. Denn der Albtraum war unglücklicherweise noch nicht überstanden. Sie zuckte ein paar Mal zusammen, und wäre er nicht da gewesen, um sie festzuhalten und beschwichtigend auf sie einzureden, wäre sie vor lauter Angst geflohen.
Das Weinen stellte sich irgendwann wieder ein, doch es geschah in einer Mischung aus Verzweiflung, weil vor ihnen noch ein steiniger Weg lag, Erleichterung, weil sie Greg noch nicht ganz verloren hatte, und Erschöpfung, weil sie schon jetzt nicht mehr kämpfen wollte, es aber offensichtlich musste.
Gott, warum musste es so kompliziert sein?
Viel zu früh ließ er sie los und musterte sie fragend. »Bist du einverstanden?«
April musste eine Weile überlegen. Nicht, weil sie seine Worte anzweifelte, sondern weil sie ernsthaft infrage stellte, dem Kommenden gewachsen zu sein. Zu groß war ihre Furcht, zu gewaltig das, was vor ihnen lag.
Doch dann sah sie ihn, seine geliebten, so unendlich attraktiven Züge, die traurigen Augen, die ihr schon beim Eintreten aufgefallen waren, die schattigen Wangen und Kinnpartie und nahm wieder seinen unglaublichen Duft wahr.
Wie konnte sie denken?
Wie konnte sie überlegen?
Wie konnte sie überhaupt in Zweifel ziehen, nicht alles zu tun, um wieder mit ihm zusammensein zu können? In Wahrheit hatte sie doch gar keine Wahl!
»Okay«, wisperte sie und erwiderte sein Lächeln, das sofort auf seinen Zügen erblühte. »Okay«, murmelte sie noch einmal, hob den Blick und sah ihm mit letzter Kraft fest in die Augen. »Ziehen wir die Sache durch!«