117. Sonntag, Tag 51
Terence saß am Tisch. Er wartete nicht, nicht wirklich, denn sie würde pünktlich erscheinen, das stellte er für keine Sekunde infrage. Sie kam immer. Inzwischen waren sie jenseits aller kindischen Gängeleien, die hatten sich bereits ein paar Tage nach der letzten riesigen, lautstarken Auseinandersetzung endgültig gelegt.
Sie lebten zusammen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Mittlerweile waren viele Regeln außer Kraft gesetzt, wie zum Beispiel das tägliche Dinner. Wenn sie keine Lust zum Kochen hatten, sondern lieber ins Bett gingen, fernsahen, spazieren gingen, oder andere, ziemlich alltägliche Dinge miteinander tun wollten, dann verzichteten sie darauf. Besonders die abendlichen Spaziergänge nahmen immer mehr zu, ihnen war aufgefallen, dass sie in einer wunderschönen, ruhigen Gegend wohnten.
Auch die Sexregel war außer Kraft gesetzt, sie liebten sich einfach, wann sie es wollten, oft hatten sie auch einfach heißen Sex. Und wenn ihnen danach nicht war, dann verbrachten sie ihre Zeit trotzdem miteinander.
Ja, sie waren ein Paar.
Niemand kommentierte das, niemand war dämlich genug, alte Wunden aufzureißen und an längst Vergessenem zu rütteln.
Nur die Debattierstunde hatten sie beibehalten, allerdings zum Reden, und die zeitliche Begrenzung war längst aufgehoben worden. In den letzten Wochen hatten sie ganze Nächte durchgeredet. Sie hatten gestritten, oh ja, und wie! Da gab es so einige Dinge, bei denen sie nie einer Meinung sein würden. Aber es existierte keinen Groll mehr danach, sie konnten zum Alltag übergehen, ohne mit der Wimper zu zucken. Beide wollten ihn, beide nahmen sich ihn, beide hatten sich mit dem anderen arrangiert. Es überraschte Terence, denn es war keine große Umstellung, in einer echten Beziehung zu leben, die nie als solche bezeichnet worden war.
Noch nicht.
Damals hatten sie eine Beziehung geführt, aber es war keine gewesen, nicht wirklich. Er erkannte es jetzt, wo er eine echte führte. Damals waren sie immer vorsichtig gewesen, auch vor dem Aussprechen des berühmten Satzes, der alles verändert hatte.
Helen hatten vorgegeben, jemand anderes zu sein, hatte sich immer von ihrer Schokoladenseite gezeigt und jeden Unfrieden vermieden. Jetzt kannte er alle ihre Macken, wirklich alle, selbst die widerliche Affinität für Erdnussbuttertoast mit Fischcreme –, allein beim Anblick musste er regelmäßig würgen, aber er konnte es ertragen. Irgendwie. Und auch Helen ertrug ihn mit all seinen Fehlern und Schwächen, beispielsweise der unvorstellbaren Bindungsangst.
Terence schreckte hoch, als die Tür geöffnet wurde. Er hörte Schritte, das Geräusch hoher Absätze auf Fliesen, die sich langsam der Küche näherten. Dann erschien sie im Rahmen, schön wie die Sünde, ihr volles langes blondes Haar fiel über Rücken und Schultern, ihre Bluse, unter der sich die Spitze des BHs abzeichnete, sah unglaublich scharf aus, genau wie der enge Rock, die langen, endlosen Beine. Die High Heels an den Füßen perfektionierten den Eindruck nur noch. Sie blieb kurz stehen, betrachtete ihn, ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, dann ging sie mit wiegenden Hüften zu ihrem Stuhl und setzte sich
.
Kein Streit drohte, denn es gab nichts mehr zu streiten. Sie hatten jede mögliche Auseinandersetzung bereits etliche Male geführt und irgendwann die Erfahrung gemacht, dass jeder Krach irgendwann einmal beendet werden musste. Egal, wie heiß der Sex danach war.
»Wie war dein Tag?
Terence lächelte. »Lang. Deiner?«
»Anstrengend«, erwiderte sie leise. »Nicht vergessen, morgen kommt der Heizungsmensch.«
Er nickte. » Hab ich auf dem Schirm, Bailey kümmert sich darum.«
»Okay, dann kann ich das von meiner Liste streichen. Gut.« Sie massierte mit den Fingerspitzen ihre Schläfen. »Manchmal hab ich das Gefühl, mir würde der Schädel platzen.«
»Tut mir leid«, sagte er mitfühlend. Seine Finger zuckten, wollten zu ihr, doch noch beherrschte er sich.
Sie hob die Hände. »Das muss es nicht. Ist ja nicht deine Schuld. Themenwechsel. Morgen der Theaterbesuch steht?«
Terence grinste. »Oh ja, mit der gesamten Schickeria New Yorks.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich freu mich trotzdem drauf, ich liebe Shakespeare, selbst in einer modernen Umsetzung.«
Er neigte den Kopf zur Seite. »Dann bin ich zufrieden.«
»Gehen wir danach in eine Bar? Die von letzter Woche?«
Seine Miene wurde eisig. »Vergiss es! Der Typ hat dich angemacht!«
Helen seufzte. »Der wohnt ja nicht dort, höchstwahrscheinlich ist er gar nicht da!«
»Ist mir egal, das Risiko gehe ich nicht ein.«
»Was, dass er mich wieder anmacht?«
Terence schüttelte den Kopf. »Nein, dass ich wegen Körperverletzung im Knast lande.«
Sie lehnte sich zurück, ihre flachen Hände lagen auf der Tischplatte. Lange betrachtete sie ihn, und als sie ihre Hand zu ihm hinüber schob, legte er seine darüber.
»Ich will ein Kind von dir«, sagte sie trotzig, fast forsch, auf jeden Fall herausfordernd, doch er spürte nicht die geringste Panik aufkommen.
»Nein«, sagte er leise.
Ihre Augen wurden groß, doch er sprach schon weiter. »Vorher ...« Seine Lippen zuckten. »Vorher werden wir heiraten. Das ist nicht diskutabel.« Ihre Blicke versanken ineinander. »Einverstanden?«
Sie musterte ihn, ein Zeigefinger tippte auf die Platte, doch ihre andere Hand lag unter seiner. Warm, vertraut, und unendlich zart.
Dann lächelte sie.
Breit.
Selig.
Zufrieden.
Und glücklich.
»Ja!«
ENDE