D raußen im Korridor blieb Pekkala nach wenigen Schritten stehen. Er war von dem, was er soeben erfahren hatte, so überwältigt, dass er sich außerstande sah, auch nur einen Fuß vor den anderen zu setzen.

Es war nicht der Zorn, der ihn jeglicher Kraft beraubte.

In den Jahren der Zusammenarbeit mit dem Kreml hatte Pekkala gelernt, dass man die Regeln, die vielleicht auf andere zutrafen, niemals bei Josef Stalin anwenden durfte. Bei ihm liefen die Dinge anders. Nur ein Dummkopf glaubte Stalins Wort, und viele hatten diese Naivität mit ihrem Leben bezahlt. Bei Stalin musste man sich an das halten, was er tat, nie an seine Versprechungen.

Die Russen hatten sogar ein Wort dafür. Sie nannten das Maskirowka, was so viel wie Verschleierungs- oder Ablenkungsmanöver bedeutete. Für Männer wie Stalin stand dieser Begriff jedoch für nichts anderes als die Kunst der Täuschung.

Wollte man inmitten von Männern wie dem russischen Führer und seinen willigen und vor Angst wie gelähmten Untergebenen am Leben bleiben, musste man über ihre Unehrlichkeit hinwegsehen und sich eine ganz einfache Frage stellen: Was will Stalin? Denn gleichgültig, wie viel Blut vergossen würde, wie viel Heuchelei nötig wäre und wie viele Lügen er auftischen würde, nie würde er von seinen Wünschen ablassen.

Solange sich Pekkala als nützlich erwiesen und Stalins Wünsche erfüllt hatte, so lange hatte er sich in Sicherheit wähnen dürfen. Die Schwierigkeit bestand nur darin, dem Herrn und Meister zu Willen zu sein, ohne dabei seine Seele zu verkaufen.

So schlimm es war, von der jahrelang aufrechterhaltenen Lüge zu erfahren, so wenig war er jetzt überrascht. Er verstand es sogar. Stalin hatte ihn gebraucht, also hatte er getan, was notwendig war, um das brüchige Bündnis zwischen ihnen zu bewahren.

Es hatte keinen Sinn, wütend auf Stalin zu sein, jetzt nicht und später nicht. Wie auch, wenn dieser zu keinerlei Schuldgefühlen oder Reue fähig war? Zuweilen hatte Pekkala Stalin sogar bedauert, da er in einer geistigen und moralischen Ödnis hauste, in der das Wort des Einzelnen nichts zählte.

Daher wollte sich Pekkala jetzt auch nicht mit der Tragweite von Stalins Verrat herumschlagen, nein, wichtig war etwas anderes: Wie konnte er beurteilen, ob Stalin sein Versprechen auch einhalten würde?