K irow erzählte Pekkala nicht gleich von Stalins Entscheidung. Am liebsten hätte er sie ihm überhaupt nicht mitgeteilt.
Während der gesamten Rückfahrt in die Pitnikow-Straße schwiegen beide Männer.
Pekkala drängte ihn nicht. Er musste sich nur Kirows Miene ansehen, um zu wissen, dass sich in seinem Kopf etwas zusammenbraute.
Zu hören war daher nur ihr Fahrer Zolkin, der mit seiner weichen Stimme eines seiner ukrainischen Volkslieder zum Besten gab. »Das Entchen schwimmt«, so hieß das Lied, und es handelte von einem jungen Mann, der in den Krieg zog. Unterbrochen wurde er nur hin und wieder vom Krachen des Getriebes, wenn er sich mal wieder verschaltet hatte.
Als sie schließlich die vier Stockwerke zu ihrem Büro hinaufgestiegen waren, eröffnete Kirow Pekkala, was Stalin ihm gesagt hatte. Kirow schaffte es nicht, Pekkala dabei in die Augen zu sehen. Er hatte den Blick aufs Fenster gerichtet, auf die leuchtend grünen Blätter seines Basilikums, auf seinen Salbei und den Rosmarin, die er in Tontöpfen auf dem Fensterbrett zog, und ratterte Stalins Ausführungen herunter.
Es schien eine geraume Weile zu dauern, bis er die im Grunde doch recht einfache Anweisung erläutert hatte. Als er mit seinen Ausführungen zum Ende kam, war er völlig außer Atem. Und dann starrte er durch die verstaubten Fensterscheiben, ohne irgendetwas zu sehen, und wartete auf die Antwort des Inspektors.
»Das ist eine sehr gute Idee«, sagte Pekkala.
Erstaunt fuhr Kirow herum. »Sie meinen wirklich?« Es war das Letzte, was er erwartet hatte.
Pekkala hatte sich in seinem Sessel neben dem kalten gusseisernen Ofen niedergelassen und die Füße auf die runden Kochplatten gelegt. Kirow sah von seinem Platz aus nur die Unterseite der doppelt besohlten Stiefel mit ihren glänzenden Eisenplatten an den Absätzen. Der Inspektor schien alles völlig gelassen aufzunehmen, als hätte er es längst erwartet.
»Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem ersten Kommando«, fügte Pekkala generös hinzu.
»Na ja … danke«, stammelte Kirow.
»Es ist längst überfällig, wenn Sie mich fragen.«
»Nun, da Sie es erwähnen …« Langsam fing sich Kirow wieder. »Ich freue mich schon seit einiger Zeit auf die Herausforderung. Ich habe nur nicht gedacht, dass sie jemals kommen würde.«
»Stalin ist kein Dummkopf. Er weiß ganz genau, wenn er ein Talent vor sich hat.«
Überwältigt kam Kirow durch das Zimmer und schüttelte Pekkala die Hand.
»Vergessen Sie nicht, es Ihrer Frau zu erzählen. Sie wird sich bestimmt freuen.«
»Keine Sorge, das werde ich tun!«
Elisaweta arbeitete im Archiv der Lubjanka, der Zentrale des sowjetischen Inlandsgeheimdienstes.
»Sobald ich unsere Ausrüstung für die Reise abgeholt habe«, fuhr Kirow fort, »gehe ich nach oben und erzähle ihr die wunderbaren Neuigkeiten.«
»Ja, natürlich, wenn Ihnen das so genehm ist, Genosse Major«, antwortete Pekkala mit feierlichem Ernst.
»Ja, ich glaube schon«, sagte Kirow und reckte energisch das Kinn. Dann machte er sich auf den Weg zur Lubjanka.