09:00 Uhr — Rathaus
Stork und Graven hatten sich hingesetzt. Simone Schaarsberg-Donk lief in ihrem Zimmer auf und ab mit einem Telefon am Ohr.
»Nein, es wurde nichts gefunden. Wir hatten Anweisungen … Nein … ja, das stimmt. Ein Journalist scheint etwas gesehen zu haben.«
Sie blieb kurz stehen und schloss für ein paar Sekunden die Augen. Ihr Gesicht war starr. Langsam schüttelte sie den Kopf, als könnte sie es immer noch nicht begreifen.
»Wir haben die Zeitungen angerufen und versucht, eventuelle Informationen noch kurz geheim zu halten«, sprach sie weiter.
Graven fummelte an seinem Schnauzbart herum.
»Das weiß ich nicht. Es kann sein, dass …«
Die Tür ging auf. Auf der Schwelle stand ein Polizist, der offenbar etwas sagen wollte. Die Bürgermeisterin schaute ihn ungehalten an und zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Ein sehr dringender Anruf auf Linie drei, Frau Bürgermeister.«
»Entschuldigen Sie, aber es scheint eine Entwicklung zu geben. Hätten Sie wohl einen Augenblick Zeit … Gut, ich rufe Sie sofort zurück.«
Sie legte das eine Telefon weg und nahm das andere auf.
»Hier ist Bürgermeisterin Schaarsberg-Donk.«
Sie lauschte konzentriert. Dann erschien ein Ausdruck auf ihrem Gesicht, der irgendwo in der Mitte zwischen Verärgerung und Ungläubigkeit lag.
»Danke.«
Sie schaute zum Staatsanwalt und dem Polizeipräsidenten. Sie schwieg kurz.
»Das Baby ist wieder da. Ungesehen abgeliefert von einem Unbekannten an der Ecke der Straße, in der das Haus der Eltern steht.«
Graven stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus, und Storks Grinsen reichte vom einen Ohr zum andern. Sie klopften sich gegenseitig auf die Schulter. Dann wandte sich Stork an die Bürgermeisterin.
»Meine liebe Simone, du freust dich überhaupt nicht, will mir scheinen. Wenn du mit dieser sauertöpfischen Miene gleich der Presse Rede und Antwort stehen willst, wird das deinem Image gar nicht guttun. Versuch mal, ein bisschen Wärme auszustrahlen.«
Simone hätte ihm am liebsten die Zunge rausgestreckt, aber rang sich mit großer Mühe ein Lächeln ab.
»Natürlich freue ich mich. Sogar sehr. Ich kann es nur noch nicht so ganz fassen, dass wir diese Sache zu einem glücklichen Ende gebracht haben.«
Gegenüber wurden zwei Paar Augenbrauen hochgezogen.
Dann sagte der Polizist nachsichtig: »Ein richtig gutes Ende, ja, aber … was machen wir jetzt mit dem Entführer, der die Lösegeldforderung gestellt hat?«
»Festnehmen natürlich.«
»Dann müssen wir die Nachricht, dass das Baby wieder da ist, wohl noch ein paar Stunden unterm Deckel halten«, meinte Graven.
»Ich find das alles ganz ausgezeichnet«, sagte Stork mit einem breiten Grinsen.
Simone Schaarsberg-Donk fasste sich an die Föhnfrisur. Dann richtete sie sich kerzengerade auf und warf ihm einen kurzen, argwöhnischen Blick zu.