KAPITEL 9

Fortaleza – Venezuela

1987

Simon und ich hockten auf dem Teppich im Wohnzimmer seiner Mutter. Wir waren zwölf Jahre alt und gerade aus dem Wald zurück, wo wir durchs Gebüsch gekrochen waren und Rehe beobachtet hatten. »Hier, schau mal«, sagte er, nahm eine VHS-Kassette von dem schwankenden Stapel neben dem Videorekorder und drückte auf Play. Der Bildschirm füllte sich mit dem satten Grün eines tropischen Urwalds. Die Kassette war die Kopie einer Kopie und ziemlich unscharf, aber ich konnte die Silhouette von jemandem erkennen, der auf einen riesigen Baum stieg. Die Kamera zoomte heran, und man sah, wie er an seinem Seil 30 Meter über dem Boden baumelte. Er benutzte Klampen wie ein Bergsteiger, um sich Zentimeter um Zentimeter das dünne Seil hochzuarbeiten, und aus irgendeinem merkwürdigen Grund trug er einen Motorradhelm. Er wirkte sehr ungeschützt und verletzlich. Hoch über ihm war gerade noch eine ausladende Baumkrone im Dunst zu erkennen. Gigantische schwarze Äste, unterbelichtet vor einem milchig-weißen tropischen Himmel. Jeder Ast war so dick wie ein ganzer englischer Baum und eingepasst in dichtes, buschiges Laubwerk, und der Stamm, der diesen hängenden Garten trug, war mächtiger als jeder andere, den ich je gesehen hatte. Dagegen wirkte der Kletterer zwergenhaft, wie ein Kind.

Während ich mich noch fragte, wozu er so einen Helm trug, kam ein großer gefiederter Schatten aus der Krone herabgesegelt und versetzte dem Kletterer einen Stoß gegen die Schulter, der ihn hilflos zappelnd um sich selbst kreiseln ließ. Er blickte sich hektisch nach allen Seiten um, wohl aus Angst vor der nächsten Attacke. Aber der große Vogel war im Schatten verschwunden, und der Mann am Seil konnte nichts anderes tun, als so schnell wie möglich weiterzuklettern und Zuflucht in den oberen Ästen zu suchen. Eine Minute später ging der Riesenvogel wieder auf ihn los und versetzte ihm einen heftigen Schnabelhieb auf den Hinterkopf. Kein Wunder, dass der Kletterer einen Helm brauchte.

Simon war ganz versessen auf Raubvögel, ein wandelndes Lexikon, was das Thema betraf, und ich fragte ihn, was in aller Welt das für ein Vogel sei. Er hatte wie ein riesiger Adler ausgesehen. »Ja, eine Harpyie oder Papuaadler«, sagte er und spulte die Kassette zurück, damit wir sie uns noch einmal ansehen konnten. »Der Typ klettert da rauf, um ihr Nest zu filmen, und es sind sehr scheue, aggressive Vögel«, erklärte er und drückte die Stopptaste, sobald der Adler auftauchte. Ich rutschte näher an den Fernseher, um mir das flimmernde Bild genauer anzusehen. Die Harpyie war in vollem Angriffsmodus zu sehen, mit weit gespreizten Flügeln. Die langen Beine hielt sie nach vorn gestreckt, um den Kletterer mit ihren scharfen Klauen zu zerfetzen. Der Name passte gut zu ihr: Sie sah aus wie ein mythischer Dämon. Das Video wirkte eher wie ein Science-Fiction-Film als wie eine Naturdokumentation. Mit seiner riesigen Flügelspanne war der Vogel viel größer als der Kameramann, den er angriff. Ebenso beeindruckt war ich aber von dem kolossalen Baum, der alles turmhoch überragte und die Szene beherrschte. Der Kommentator erklärte, es sei ein Kapokbaum, tief im Dschungel von Mittelamerika beheimatet, und ich konnte das Adlernest sehen, das er hielt, ein struppiger Horst aus Zweigen, der sich in die Astgabel am oberen Ende des Stammes schmiegte. Sicher saß ein Junges im Nest, was die Angriffslust der Harpyie gegen den Eindringling erklärte. Es war der ideale Baum, um einem so eindrucksvollen Vogel als Nistplatz zu dienen: eine lebende Festung. Völlig unbezwingbar ohne Seile.

Simon drückte auf Play, und die Harpyie entschwand als verwischter Streifen aus dem Bild, während der Kletterer wieder zappelnd an seinem Seil kreiselte.

Der Rest des Films zeigte das geheime Leben innerhalb eines Harpyienhorsts. Der Kameramann hockte in seinem Versteck zwischen den obersten Ästen des Kapokbaums. Es war magisch. Zwar hatte er ein paar ordentliche Püffe von dem Adler abbekommen, aber der Rest des Films bezeugte, was mit ein bisschen Entschlossenheit und sehr viel Geduld zu erreichen war. Für einen Zwölfjährigen, der ohnehin schon auf Bäume und Wildtiere abfuhr, war das Ganze eine Offenbarung.

Es sollte noch einige Jahre dauern, bis ich zusammen mit Paddy und Matt im New Forest auf meinen ersten Baumriesen stieg, doch Simons Video hatte die Saat einer Besessenheit in mich eingepflanzt, die nach und nach mein Leben bestimmen würde. Und mit der typischen Naivität eines zwölfjährigen Schuljungen hoffte ich, dass ich eines Tages das Glück haben würde, auf eine Harpyie zu treffen, während ich an einem Kletterseil in der Krone eines Kapokbaums hing.

2010

Ich ging in unser Camp, ließ mich auf einen Stuhl fallen, öffnete ein warmes Bier und nahm die angebotene Zigarette. Adrian nahm schon einen tiefen Zug von seiner, und ich tat es ihm gleich. Es war ein ganz schön anstrengender Morgen gewesen. Nikotin und Alkohol waren jetzt höchst willkommen, obwohl es kaum zehn Uhr vormittags war und ich eigentlich nicht rauchte. Blut rann mir den Hals herab, ich war schweißgebadet, mein Rücken war voller Blutergüsse und meine Hände zitterten. Stumm saßen wir da, jeder in Gedanken versunken, und versuchten die Ereignisse zu rekonstruieren, die zu dem gegenwärtigen Moment geführt hatten. Ich starrte auf den Teerfleck am Ende meines Zigarettenfilters und schnippte abwesend die Aufreißlasche meiner Bierdose hin und her. Ich trank die Dose in einem Zug leer, und Adrian reichte mir schweigend eine neue. Ich spürte, wie mein Körper sich entspannte, und eine tiefe Erschöpfung überkam mich. Meine Knochen fühlten sich an wie Blei, und ich rutschte vom Sitz, lag flach auf der Erde und blickte hinauf in den wolkenlosen venezolanischen Himmel.

Was war passiert? Mir war schwindelig, also drückte ich die halb gerauchte Zigarette im Staub neben mir aus und versetzte mich im Geiste zurück an den Anfang der Ereigniskette, die in den jetzigen Erschöpfungszustand mündete. Ich schloss die Augen und dachte an den Tag, als ich vor drei Monaten zum ersten Mal den Fuß in diesen Wald gesetzt hatte – den Tag, als ich zum ersten Mal unter dem kolossalen Kapokbaum gestanden und zu dem Harpyiennest hinaufgespäht hatte, das wir hier für die BBC filmen wollten.

Aus der gleißenden Sonne zum ersten Mal in den kühlen, dunklen Dschungel zu treten war eine Wohltat. Wie an einem heißen Tag in einen kühlen See zu tauchen. Die Geräusche des Urwalds umgaben mich, und ich brauchte eine Weile, um mich an das Zwielicht der neuen Umgebung zu gewöhnen. Jeder Regenwald hat eine andere Atmosphäre, und dieser hier wirkte vom ersten Moment an besonders angefüllt mit Leben. Papageienschwärme schossen lärmend durch den Morgenhimmel. Kolibris schwirrten in der üppigen Vegetation umher, und eine lange schwarze Schlange hatte ich auch schon getroffen, als wir einen Fluss durchquerten. Sie war mir züngelnd durch das Wasser entgegengekommen. Ich war wie angewurzelt stehen geblieben und hatte sie auf ihrem Weg stromabwärts zwischen meinen Beinen durchschlüpfen lassen. Die Warnrufe der Vögel gellten ihr immer noch nach, als ich sie schon längst zwischen den dunklen Wirbeln und Strudeln aus den Augen verloren hatte.

Kaum war ich aus dem Fluss gestiegen, stand mir ein kurzer, aber steiler Aufstieg bevor. Mein Rucksack war schwer beladen mit Seilen und Gurtzeug, und meine Stiefel rutschten auf dem knöchelhohen Belag aus feuchten Blättern. Ich ließ mir Zeit; mein Atem ging keuchend, während meine Lungen die letzte schale Flugzeugluft von der langen Reise nach Venezuela ausstießen. Oben auf dem Hügel angekommen, blieb ich stehen, um zu verschnaufen und mich umzusehen.

Der Wald um mich herum war eine ungeheuer lauschige Pracht. Jungbäume reckten sich unter den dichten Kronen erwachsener Bäume empor. Der Boden war gescheckt von tanzenden Lichtflecken, und große Spinnweben glitzerten im Gegenlicht quer über dem Pfad; offenbar war ich der Erste, der hier heute entlangging.

Der Wald roch unglaublich. Ein erdiges Aroma von modernden Blättern, durchsetzt von den zarten Zitrusnoten unsichtbarer Blumen. Verschiedene Gerüche hingen in der kühlen Luft, ohne sich zu vermischen, und immer wieder empfingen mich neue, verlockende Düfte, während ich durch die klebrige Spinnenseide voranschritt.

Adrian, unser Produzent, hatte mir den Weg zu dem Harpyienbaum beschrieben.

»Du kannst ihn nicht verfehlen, er ist bei Weitem der Größte weit und breit«, meinte er, nachdem er mir beim Kaffeetrinken einen Plan in den Staub geritzt hatte.

Ich wollte so früh wie möglich los, also hatte ich ihn beim Ordnen einiger Dinge im Camp zurückgelassen und war allein in den Wald aufgebrochen. Ich machte mir keine Illusionen bezüglich der Herausforderungen, die auf uns zukamen, und ich würde keine Ruhe finden, bevor ich nicht mit eigenen Augen sah, auf was ich mich da eingelassen hatte. Einen ausgewachsenen Kapokbaum zu erklimmen, um eine ferngesteuerte Kamera in einem aktiven Harpyiennest zu installieren, war eine spannende Aufgabe, aber keine, die man auf die leichte Schulter nehmen sollte.

Ich folgte weiter dem Pfad, bog rechts ab, um den Weg über einen Felsenkamm einzuschlagen, und nach ein paar Minuten ging es nach links einen sanften Hang hinab. Adrian zufolge musste der Kapok hier irgendwo im Windschatten des Felsenkamms stehen. Aber ich konnte ihn nirgends finden. Für einen Urwaldriesen hielt er sich ganz schön bedeckt.

Ich blickte den Hang hinunter ins dämmrige Grün, und plötzlich fiel mir auf, dass die Baumgruppe dort am Fuß des Hügels tatsächlich ein einziger riesiger Baum war. An der Basis betrug sein Umfang mindestens neun Meter, und das Sonnenlicht flirrte über seine glatte graue Rinde. Ich spähte den kolossalen Stamm hinauf bis zu der Stelle, wo er hinter anderen Ästen im Vordergrund verschwand, nur um ein gutes Stück weiter oben über den restlichen Baumkronen wieder aufzutauchen. Erst dort in lichter Höhe entfaltete der Kapok seine riesigen Äste, um die Nachbarbäume wie ein mächtiger Schirm zu überspannen. Es war eine der breitesten Baumkronen, die ich je gesehen hatte. Auch wenn es nicht mein erster Kapok war, so war es doch der weitaus größte – ein wahrer Gigant. Ich stand da und konnte mich nicht sattsehen, erinnerte mich an das erste Mal, dass ich ein Bild von einem Kapok gesehen hatte, 23 Jahre zuvor in Simons Haus. Und hier war ich nun endlich, drauf und dran, einen zu erklimmen.

Ich ging näher auf ihn zu. Unten verbreiterte sich der Stamm in einer Lawine von Strebepfeilern. Riesige Wurzeln flossen wie geschmolzenes Wachs über den Boden, ehe sie in der Erde verschwanden. Horizontale Risse in der Rinde folgten den Konturen der Wurzeln, wie Dehnungsstreifen auf der Haut, und grüne Algenflecken zeigten, wo sich noch länger Feuchtigkeit hielt. Manche Strebepfeiler reichten so hoch hinauf, dass kein Sonnenlicht in die Ritzen dazwischen gelangte. Ich klopfte mit dem Fuß an eine der Wurzeln. Zwei winzige Fledermäuse flogen auf, schwirrten mir ein paar Sekunden um den Kopf und kehrten dann an ihren Schlafplatz zurück. Ich beugte mich über die Wurzel und sah sie kopfüber an kleinen Rillen in der Rinde hängen, aufgeregt miteinander schnatternd. Ich setzte den Rucksack ab und trat ein paar Schritte zurück, um mir den Rest des Baumes genauer anzusehen.

Sein Stamm ragte gut 35 Meter hoch auf, bevor er sich in vier Riesenäste aufspaltete, die sich immer wieder teilten und verzweigten, um die ungeheure Krone zu tragen. Unten am Fuß des Stammes stand ich noch im morgendlichen Schatten, aber hoch droben leuchtete das Laub im strahlenden Sonnenschein. Jedes der Blätter war so groß wie eine offene Hand. Das Blattwerk war dicht, aber größtenteils auf die Spitze der Zweige beschränkt. Innerhalb der Krone befand sich ein offener, luftiger Raum, von mächtigen grauen Ästen durchkreuzt, von denen die meisten von massiven Dornen bedeckt zu sein schienen. Dies würde dem Aufstieg eine zusätzliche Dimension verleihen; ich würde die Sicherungsseile sehr sorgfältig befestigen müssen, damit das dünne Nylon nicht zerriss. Während ich diese neue Herausforderung überdachte, fiel mir irgendetwas weiter oben ins Auge, und ich sah hinauf und begegnete dem unverwandten Blick einer ausgewachsenen Harpyie.

Sie war die ganze Zeit schon da gewesen und hatte mich reglos beobachtet, während ich im Zwielicht 60 Meter unter ihr herumgelaufen war. Vielleicht einen Meter hoch, hockte sie da auf ihrem dornigen Ast, mit grauem, überraschend eulenhaftem Gesicht. Das Anthrazit ihrer Kehle stand in reizvollem Kontrast zum schneeweißen Brustgefieder. Die großen gefalteten Flügel waren schiefergrau, die Flanken schwarz-weiß gestreift. Das Auffälligste aber waren ihre mächtigen Beine. Sie waren leuchtend gelb und so dick wie meine Handgelenke. Ihre Fänge waren so groß wie meine Hände, jeder mit vier tiefschwarzen mörderischen Krallen bestückt. Ich hob mein Fernglas und sah sie mir genauer an. Besonders die rückwärtigen Klauen, beide gut zwölf Zentimeter lang, sahen wie echte Killer aus. Vermutlich benutzte sie diese Daumenklauen, um ihre Beute zu schlagen, rammte sie wie Messer in den Leib eines Affen oder Faultiers.

Bei aller Schönheit war sie auch einschüchternd. Sie strahlte eine greifbare Aura von Macht und Mordlust aus. Als sie sich entdeckt sah, lehnte sie sich vor, um meinen Blick zu erwidern und mich noch genauer zu begutachten. Ihr Kopf neigte sich langsam von einer Seite zu anderen, und zweifellos registrierte sie jede Einzelheit meiner Erscheinung. Das Objekt einer Begutachtung durch Adleraugen zu sein war unheimlich, besonders, da sie jetzt auch noch den dunklen Federkamm auf ihrem Kopf aufstellte. Der Kamm bewegte sich leicht im Wind, und ich hatte das Gefühl, dass sie genau wusste, was ich vorhatte, und versuchen würde, dies auf alle Fälle zu verhindern.

Es ist natürlich unvernünftig, Tiere zu vermenschlichen, aber in diesen ersten Minuten wusste ich einfach, dass sie meine Absicht durchschaute, ihren Baum zu erklimmen. Und es war ihr Baum. Der Kapok dominierte den Wald, doch ihr gehörte der Kapok. Dieser Baum war ihre Festung – ihre fortaleza –, und es war mir klar, dass sie alles tun würde, um ihr Nest zu verteidigen.

Dieses Nest lag irgendwo unterhalb von ihr verborgen. Ich konnte es nicht sehen, aber offensichtlich barg es etwas, das ihr wichtig war. Schließlich spreizte sie ihre dunklen Flügel und segelte hinüber zur anderen Seite des Baumes, wo sie auf einem Ast landete und über den Wald hinausblickte. Anscheinend war meine erste Audienz bei einer Harpyie beendet.

Ich stieg wieder den Hügel hinauf, auf der Suche nach einem Blickwinkel, von dem aus das Nest zu sehen war. Und tatsächlich entdeckte ich es in der Astgabel am oberen Ende des Hauptstamms, geschützt vor den Elementen wie vor neugierigen Blicken. Ich staunte, dass etwas so Massives vom Boden aus nicht zu sehen gewesen war. Das Nest war drei Meter breit und einen Meter fünfzig tief. Ich hätte bequem drin schlafen können. Tja, das wäre mal eine denkwürdige Nacht gewesen, sagte ich mir, als ich zum Lager zurückwanderte, um den Rest meiner Kletterausrüstung zu holen.

* * *

Außerhalb des Waldes stach mir das gleißende Licht in die Augen. In den Schatten des Camps zurückzukehren war eine Erleichterung. Ich hörte Stimmengemurmel. Adrian und Graham, der Kameramann, füllten gerade ihre Wasserflaschen. Wir setzten uns an den improvisierten Küchentisch und besprachen unsere Vorgehensweise.

Wir hatten das alles schon x-mal durchgekaut. Die Frage, wie man die Kamera am besten in das Nest schmuggeln sollte, war seit Tagen unser Gesprächsthema. Am wichtigsten war uns dabei, dass die Vögel nicht unter unserem Eindringen litten. Wobei das Eindringen in ein Harpyiennest wohl das schwierigste Unterfangen überhaupt war. Jeder Schritt musste sorgfältig geplant sein, um möglichst wenig zu stören. Ein Ei anzuknacksen oder ein Küken zu beschädigen wäre absolut unverzeihlich. Oder gar die Elternvögel so unter Stress zu setzen, dass sie sich bei der Verteidigung ihres Nests selbst verletzten. Sie konnten sich leicht eine Klaue zerren, eine Feder abknicken oder sogar einen Flügel brechen, während sie versuchten, uns zu vertreiben. Ich jedenfalls wollte nicht mit einem zerstörten Harpyiennest auf dem Gewissen leben.

Unsere Sorgen waren berechtigt, aber wir waren auch zuversichtlich, dass wir es schaffen könnten, ohne Schaden zu verursachen. Wir mussten die Sache eben sorgsam vorbereiten. Gut möglich, dass wir irgendwann von den Elternvögeln angegriffen würden. Aber wir hatten uns darauf geeinigt, dass unsere Verteidigung weitgehend passiv zu sein hatte. Selbst einen attackierenden Vogel abzuwehren konnte ihn verletzen.

Ursprünglich war geplant gewesen, die Kamera heimlich zu installieren, ohne dass die Eltern es mitbekämen. Aber das Verhalten des Weibchens hatte mir heute Morgen gezeigt, dass wir uns diese Hoffnung abschminken konnten: Sie würde die Nachbarschaft ihres Baumes zu keiner Zeit aus den Augen lassen.

An der Art, wie sie immer wieder hinabgeblickt hatte, war klar ersichtlich gewesen, dass entweder ein Ei oder ein Küken im Nest sein musste. Wie auch immer, wir würden sie nicht lange von ihrem Nest abhalten können. Ohne schützende Mutter würde ein Ei oder Küken schnell auskühlen oder überhitzen, je nach Tageszeit. Weder das eine noch das andere durfte passieren, und die Uhr würde ticken, sobald sie bei unserem Anrücken vom Nest aufflog. Ich beschloss, die Kletterseile noch am selben Nachmittag anzubringen, damit die Vögel sich wieder beruhigen konnten, bevor wir noch einmal hinaufstiegen, um die Kamera zu installieren.

* * *

Ich kniete mich auf den Blätterteppich und zog die dicke Gummischlinge des Katapults so weit herunter, wie ich konnte. Den Y-förmigen Kopf des Katapults hatte ich auf eine Stange montiert, um mir so viel Schubkraft wie möglich zu geben. Der Zielast war 40 Meter weit oben, durchaus in Reichweite, sodass ich die Schlinge gar nicht so sehr hätte dehnen müssen. Aber die Schusslinie lag nicht frei. Der Wurfbeutel musste durch einige Lücken im Laub geschossen werden, und ich brauchte den maximalen Schub, damit er nicht von den Blättern abprallte, die im Weg hingen. Der Kapok stand in vollem Saft, seine Krone war dicht und kerngesund, ohne hängendes Totholz. (Dieses Fehlen von Totholz war eine große Erleichterung. Das Letzte, was ich wollte, war, etwas Schweres auf das Nest fallen zu lassen.)

Die kleinere, weniger aggressive männliche Harpyie hatte ich noch immer nicht gesehen, aber das formidable Weibchen hockte wieder auf ihrem stachligen Ast über mir, den Kopf eingezogen, den Kamm aufgestellt. Sie balancierte auf einem Fuß, den anderen hielt sie vor sich ausgestreckt und krümmte immer wieder die Klauen, offensichtlich irritiert. Ich war froh, sie so deutlich zu sehen, dann bestand wenigstens keine Gefahr, sie aus Versehen mit dem Katapult zu treffen. Da machte ich mir schon mehr Sorgen um das Nest. Ein Wurfbeutel konnte leicht ein Ei zerschmettern oder ein Küken verletzen. Ich wählte meine Schussposition sehr sorgfältig, und von diesem Winkel aus war das Nest von einem der riesigen Kapokstämme vollständig geschützt.

Ich zielte auf einen etwas höher gelegenen Punkt als den Ast, den ich treffen wollte, zog die Gummischlinge die letzten paar Zentimeter herab, atmete langsam aus und ließ los. Der Beutel flog pfeilgerade durch die Lücken im Laubwerk, über den angepeilten Ast hinweg und wickelte sich schließlich um ein paar Zweige an der Spitze des Baumes. Es war ein guter Schuss. Ich wartete, bis der Beutel aufhörte zu baumeln, bevor ich ihn vorsichtig durch die Blätter zurückzog, um ihn über den großen Ast fallen zu lassen.

Die ganze Zeit verfolgte die Harpyie den kleinen blauen Wurfbeutel mit gespannter Aufmerksamkeit. Sie rückte näher, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen. Nachdem sie ihre Neugier befriedigt hatte, drehte sie sich wieder zu mir um und flog dann zu einem anderen Ast, außer Sichtweite.

Ich brachte das Kletterseil in Stellung. Als der Baum hergerichtet war, ging es bereits auf die Dämmerung zu, und ich wollte den Vögeln endlich ihre Ruhe lassen. Ich verstaute meine Rucksäcke in der Blätterschicht am Fuß des Kapok und machte mich auf den Rückweg zum Camp.

Oben auf dem Hügelkamm warf ich einen Blick zurück zu dem Kapok, der in der Abendsonne leuchtete, als glühte die riesige Krone von innen. Es war wirklich ein herrlicher Baum, der wie ein riesiger Pilz den Rest des Waldes überragte. Aus diesem flacheren Winkel konnte ich gut erkennen, wie massiv die unteren Äste waren, die steil vom Stamm aufstiegen, und wie geräumig der Platz dazwischen war. Die Vögel hatten ihren Nistplatz gut gewählt; sie hatten einen ungehinderten Blick auf alles, was in der Baumkrone und ringsherum geschah. Wir würden uns nirgends verstecken können, sobald wir in die Krone eingestiegen waren.

Am folgenden Morgen zog ich mir die schwere Kevlarweste über mein Kletterhemd und schnürte sie fest zu. Es war beruhigend zu wissen, dass sie eine Messerklinge aufhalten konnte, aber hatte sie sich je gegen eine wütende Harpyie bewähren müssen? Ich streifte ein Paar Armschoner über und bückte mich nach dem schweren Helm, der zu meinen Füßen lag. Er war dunkelblau, mit zerkratztem Plexiglasvisier und gepolstertem Nackenschutz. Vorne drauf stand in verblassten Lettern das Wort »Police«. Wegen der Schaumgummidämmung war mein Hörvermögen in dem Ding stark eingeschränkt, und wenn ich sehen wollte, was sich seitlich von mir tat, musste ich den Kopf drehen. Als ich das Visier herunterklappte, beschlug es sofort, wodurch das Gefühl klaustrophobischer Enge noch verstärkt wurde.

Diese Secondhand-Rüstung hatten wir aus Bristol mitgeschleppt. Darin einen Baum zu erklimmen würde keinen Spaß machen. Aber es war wohl immer noch besser als von einem wütenden Adler zerfetzt zu werden. Auch wenn es nicht unbedingt so weit kommen musste. Jede Harpyie ist anders, und vielleicht würde dieses Paar sich damit zufriedengeben, unseren Aufstieg aus einiger Entfernung zu beobachten. Doch das konnten wir nicht wissen, bis wir an den Seilen hingen, und dann wäre es natürlich zu spät. Sicher ist sicher, sagte ich mir, eingedenk des Videos, das Simon mir damals gezeigt hatte.

* * *

Am nächsten Morgen um halb sechs standen Graham, Adrian und ich zwischen den riesigen Wurzeln am Fuß des Kapok. Graham stellte die Kamera ein, während Adrian und ich unsere Gurte anlegten. Um das Nest mit der Kamera zu bestücken, brauchte es nur einen Kletterer, aber vier Augen waren besser als zwei, darum würde Adrian mit mir hinaufsteigen. Graham würde unseren Aufstieg vom Nachbarbaum aus filmen. Von dort aus konnte er sich auf die Vögel konzentrieren und uns, wenn nötig, über Funk eine Warnung zukommen lassen. Das war wirklich wichtig, da es vielleicht nicht nur das Weibchen war, mit dem wir es zu tun bekämen. Ich hatte ihren Partner noch nicht gesehen, aber zweifellos hatte das Männchen mich schon des Öfteren wahrgenommen, und wir mussten davon ausgehen, dass beide Elternvögel uns auch jetzt in diesem Moment beobachteten.

Ich spähte die dünnen weißen Seile hinauf. Sie hingen im offenen Raum, sechs Meter vom Stamm entfernt. Ich schüttelte sie, um sie von Verhakungen freizubekommen. Ein leichter Dunstschleier verlieh der Szenerie Tiefe und verdeutlichte, wie hoch wir zu steigen hatten. Fünfundvierzig Meter über uns erleuchteten die ersten Sonnenstrahlen die Spitze des Baumes, und darüber kündete der blassblaue Himmel einen weiteren wolkenlosen Tag an. Zeit, in die Gänge zu kommen.

Ich steckte die Nestkamera in einen kleinen Beutel, den ich an meinen Klettergurt hängte, dann klinkte ich mich ins Seil. Unter dem Helm war es erstickend heiß. Ich schwitzte jetzt schon, und dabei hatte ich noch kaum den Boden verlassen. Das Gewicht von Helm und Schutzweste brachte mich aus dem Gleichgewicht und zog mich nach hinten. Kombiniert mit der Elastizität des Seils, machte es das Klettern schwierig; es war fast unmöglich, einen effizienten Rhythmus zu finden. Ich war mies drauf und mühte mich, einen klaren Kopf zu kriegen. Es kam mir alles so verkehrt vor. Ohne richtig hören und sehen zu können, fühlte ich mich völlig losgelöst von dem Baum, den ich gerade erklomm.

Doch es ging nicht anders. Ja, es würde schwierig werden, aber ich erinnerte mich daran, dass niemand mich zwang, diese Ausrüstung zu tragen. Es war meine eigene Entscheidung, also riss ich mich jetzt besser zusammen und machte, dass ich vorankam. Aus gutem Grund hatten wir uns in die Rüstung gezwängt, und falls wir von den Harpyien angegriffen würden, hätte das ganze Unbehagen sich schon ausgezahlt.

Drei Meter neben mir kämpfte Adrian ebenso wie ich an seinem Seil. Unser Plan war, miteinander Schritt zu halten, uns gegenseitig im Auge zu behalten, aber wir kreiselten langsam um uns selbst, dem natürlichen Drall des Seils ausgeliefert, und ohne peripheres Blickfeld konnte ich Adrian nur sehen, wenn er direkt vor mir war. Ich drehte mich, er tauchte mit dem Rücken zu mir auf, dann war er wieder weg, während ich mich weiterdrehte.

Es war alles ganz schön surreal, und je höher ich stieg, desto unwohler fühlte ich mich. Wir wurden beobachtet, und ich sah es Adrians Körpersprache an, dass er es ebenfalls spürte. Wir hielten immer wieder inne und blickten uns um, in dem vergeblichen Versuch, die Vögel im Baum zu entdecken.

Fünfzehn Meter über dem Boden durchbrachen wir das dichte Blattwerk des Unterwuchses und stießen in den offenen Bereich der gigantischen Baumkrone vor. So verletzlich ich mich eben beim Aufstieg noch gefühlt hatte, war das gar nichts gegen das Gefühl des Ausgeliefertseins, das mich jetzt ergriff. Während der nächsten 22 Meter würden wir ohne jede Deckung an den Seilen hängen, und ich war auf einmal erleichtert, diese ganze Schutzkleidung zu tragen. Die Unternehmung hätte sonst leicht ins Selbstmörderische kippen können. Das Herz klopfte mir im Hals, und ich erwartete jede Sekunde eine Attacke aus dem Hinterhalt. Die Fantasie ging mit mir durch, also riss ich mich zusammen und konzentrierte mich einfach aufs Klettern.

Der Baumstamm neben uns war selbst in dieser Höhe immer noch massiv. Ich spähte zum Nest hinauf: gut zwölf Meter noch bis dahin. Es war fast gänzlich hinter einer riesigen Schlingpflanze verborgen, und mir fiel auf, dass sie einer Zimmerpflanze namens Monstera glich, die meine Eltern in den Siebzigern auf der Fensterbank stehen hatten, nur eben in riesigem Format. Da kommen die Biester also her, dachte ich – wie eigenartig, ausgerechnet hier so ein Exemplar zu sehen.

»Achtung, sie kommt!« Grahams Stimme im Funkgerät katapultierte mich abrupt zurück in die Gegenwart.

Ich blickte über die Schulter und gewahrte gerade noch einen Schatten, der fünf Meter entfernt aus dem Baum strich, und als ich mich umdrehte, sah ich die Harpyie zum Nachbarbaum hinüberfliegen und auf dessen Wipfel landen. Sie plusterte die Federn, stellte den Kamm auf und nahm eine kauernde Stellung ein, um jede unserer Bewegungen zu verfolgen.

So schnell ich nur konnte, kletterte ich weiter zu den belaubteren Ästen hinauf. Adrian war ein Stück unter mir und noch sehr exponiert. Wieder warf ich einen Blick zu der Harpyie hinüber, die uns aus 30 Metern Entfernung beobachtete. Plötzlich stürzte sie vornüber und ließ sich lautlos von ihrem Ast fallen. Den Kopf zwischen die mächtigen Schultern eingezogen, kam sie geradewegs auf Adrian zugeschossen.

»Pass auf, Adrian, klapp das Visier runter!«, rief ich.

Mit einer schnellen Handbewegung senkte er das Plexiglas vor die Augen, aber er kehrte der nahenden Harpyie noch immer den Rücken zu. Doch im letzten Moment fing sie sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit ab und landete fünf Meter über uns auf einem Ast. Sie funkelte uns mit ihren Mörderaugen an. Sie so dicht neben Adrian zu sehen hatte mir einen Eindruck von ihrer wahren Größe verschafft, und als sie abgebogen war, hatte ihr Flügelschlag unsere Seile zum Schwanken gebracht. Es war eine Warnung gewesen, ein Schuss vor den Bug. Wie würde sie wohl reagieren, wenn wir schließlich zum Nest hinaufgelangten?

Wir konnten gar nicht anders, als sie ständig im Blick zu behalten, während wir zügig weiterstiegen. Nach ein paar Minuten hatte ich die ausladende Plattform aus Zweigen erreicht und schwang mich über die Kante. Jetzt konnte ich erkennen, wie massiv das Nest tatsächlich war: drei Meter lang, zwei Meter breit. Manche der Zweige, aus denen es bestand, waren abgestorben, andere hatten noch grüne Blätter, aber alle waren ordentlich groß und schwer. Es war eine beeindruckende Konstruktion, stabil genug, das Gewicht mehrerer Leute auszuhalten. Und dort zu meinen Füßen, tief in eine Kuhle gebettet, lagen zwei zarte elfenbeinfarbene Eier. Sie waren beinahe rund und etwa so groß wie Gänseeier. Also war die Harpyie noch beim Brüten. Die Küken waren noch nicht geschlüpft. Ich blickte zu ihr nach oben, wo sie immer noch auf ihrem Ast hockte, und behielt sie im Auge, bis Adrian sich ebenfalls hinaufgeschwungen hatte. Sie flog zurück zum Nachbarbaum und gab sich damit zufrieden, uns von dort aus weiter zu observieren.

Dieser unsichere Waffenstillstand hielt die ganze Zeit, die ich brauchte, um die Kamera zu installieren. Sie an einem Ast neben dem Nest anzubringen war eine ziemliche Fummelei. Sobald es geschafft war, seilte Adrian sich die 40 Meter bis zum Boden ab. Ich folgte ihm ein paar Minuten später, wobei ich immer wieder anhalten musste, um das lange Stromkabel der Kamera am Stamm zu befestigen. Auf halbem Weg abwärts spürte ich eine Bewegung in der Luft, konnte aber nichts sehen, als ich mich danach umdrehte.

Es war eine ungeheure Erleichterung, endlich wieder zwischen den riesigen schlangenhaften Kapokwurzeln zu stehen.

»Hast du sie gesehen?«, wollte Adrian wissen.

Ich nahm den Helm ab und sah ihn an. »Was meinst du? Wann?«

»Die Harpyie, sie hat vor ein paar Minuten noch einen Anflug auf dich gestartet.«

»Nein, hab ich nicht gesehen.« Es musste der Luftzug gewesen sein, den ich gespürt hatte. Ein Adler, neun Kilo schwer, mit einer Flügelspanne von gut zwei Metern, war dicht an mir vorbeigesegelt, und wegen des klobigen Helms hatte ich kaum etwas davon mitbekommen.

Es war eine Erleichterung zu wissen, dass die Kamera einsatzbereit war, aber entspannen konnte ich mich erst, wenn wir ein Bild sehen konnten. Graham gesellte sich zu uns, und wir steckten die Köpfe über dem kleinen LCD-Monitor zusammen, der auf einer Baumwurzel balancierte. Wir schalteten ihn ein. Der Bildschirm leuchtete einen nervenzerreißenden Moment lang nur blau, ehe er ein wunderbares Weitwinkelbild des gesamten Nests offenbarte. An der rechten Seite des Ausschnitts lagen die zwei weißen Eier in ihre Kuhle geschmiegt. Den Hintergrund bildete ein weites Panorama des umgebenden Waldes. Es sah großartig aus.

Adrian und ich zogen die Seile herab und trugen unsere Ausrüstung zurück zum Lager. Graham kam eine Stunde später nach und berichtete, das Weibchen habe gleich wieder zu brüten begonnen, sobald wir den Baum verlassen hätten. Das war eine fabelhafte Nachricht. So weit, so gut: Unsere Mission war ein voller Erfolg. Mit etwas Glück würden wir nun bald einmaliges Filmmaterial davon bekommen, wie einer der imposantesten und zugleich scheuesten Adler der Welt seine Jungen aufzog.

Aber das war viel verlangt von der kleinen Kamera. Harpyien-Küken brauchen lange, um flügge zu werden – sechs Monate nämlich, eine enorme Zeitspanne für ein Gerät, das in so einer feuchtheißen Umgebung funktionstüchtig bleiben sollte. Die Vorstellung, noch einmal dorthinauf zu müssen, um die Kamera wieder flottzukriegen, gefiel keinem von uns. Sobald die Küken geschlüpft wären, würden die Eltern erst recht etwas zu verteidigen haben, und je mehr sie in die Aufzucht investierten, desto stärker würde die Bindung, und desto aggressiver würden sie sich bei der Verteidigung ihrer Brut verhalten. Aber einstweilen schien alles in bester Ordnung. Die Kamera funktionierte, die Vögel hatten die Störung gut überwunden, alles lief glatt. Mit etwas Glück würde ich erst wieder auf den Kapok steigen und die Kamera abmontieren, wenn die Jungen das Nest verlassen hatten. Dann konnte ich mir die Schutzkleidung sparen und diesen großartigen Baum in aller Ruhe auskundschaften.

Ein schöner Gedanke, doch als nach ein paar Monaten mein Telefon klingelte und Adrians Nummer auf dem Display erschien, wusste ich gleich, dass mit der Kamera irgendwas schiefgelaufen war.

* * *

Es kam mir vor, als hätte ich erst gestern am Fuß dieses mächtigen Baumes gestanden.

Doch inzwischen waren drei Monate vergangen, und seitdem war einiges passiert. Die Kamera im Nest lief zwar noch, aber das Objektiv war total beschlagen, und die Bilder waren unbrauchbar. Jemand musste sich der Sache annehmen, also wieder hinaufsteigen, nur diesmal hinauf zu einem Nest, das ein sehr großes Adlerküken beherbergte. In einer der Aufnahmen konnte man seine flauschige weiße Silhouette umhertorkeln sehen. Es war jetzt ein paar Monate alt und wuchs rasant, wohlgenährt mit Affen und Faultieren. Seine Eltern jagten rund um die Uhr und brachten regelmäßig Beute heim, um ihren unersättlichen Nachwuchs zu päppeln.

Es war die betriebsamste Zeit in einem Harpyiennest; die Eltern hatten viel Zeit und Mühe in ihr Küken investiert, seit es geschlüpft war. Diesmal hatten sie also viel mehr zu verlieren, da würden sie nicht einfach nur zuschauen, wie ich ihr Nest aufsuchte. Sie würden sicher reagieren. Man konnte allerdings nicht vorhersehen, wie ihre Reaktion ausfallen würde, bis ich tatsächlich dort oben war.

So kniete ich denn wieder auf dem Waldboden, zielte sorgfältig mit dem Katapult und ließ das Gummiband losschnalzen. Der Wurfbeutel flog in schnurgerader Bahn über denselben Ast wie beim ersten Mal. Ich ließ das Katapult fallen und griff nach der dünnen Angelschnur, die sich immer schneller in die Baumkrone hochspulte. Aber genau in dem Moment gab es einen Ruck, die Schnur wurde mir aus der Hand gerissen und ratschte mir die Finger auf. Ich blickte nach oben: Die Harpyie zerrte an dem Wurfbeutel und versuchte, ihn in ihren Klauen davonzutragen. Sie hing kopfüber an dem Beutel und flatterte mit ihren riesigen Schwingen. Besorgt, dass sie sich verheddern könnte, zog ich wieder und wieder an der Schnur; einen Moment lang gab es ein erbittertes Tauziehen zwischen mir und der Harpyie, bis sie schließlich von dem Beutel abließ und aus dem Baum davonglitt. Ich blickte mich nach allen Seiten um, konnte sie aber nirgends sehen. Wie der Blitz war sie aufgetaucht und ebenso schnell wieder verschwunden. Alles war wieder still, bis auf das leise Niederregnen von Schrotkugeln auf die Blätter. Sie hatte das dicke Segeltuch des Wurfbeutels mit den Klauen aufgerissen und mich mit blutenden Fingern hier stehen lassen.

Das verhieß nichts Gutes für den Aufstieg. Zwar konnte ich nun in Ruhe die Seile anbringen, innerlich aber war ich voller Ängste und Zweifel. Als ich zurück im Camp war, hatte ich mich entschieden, zusätzliche Schutzkleidung anzulegen. Der Helm, die Sicherheitsweste und Armschoner waren ja gut und schön, aber ich brauchte noch irgendeine Polsterung, um auch die Nieren und Schenkel zu schützen; ein bisschen resigniert dachte ich daran, wie ich beim ersten Mal allein schon über den Helm und die Weste gejammert hatte. Doch ich hatte das ungute Gefühl, dass die heute Morgen offenbarte Angriffslust nur ein Vorgeschmack auf das gewesen war, was noch kommen sollte.

Ich erwachte im Dunkeln. Die Nachtluft war erfüllt vom Summen der Insekten, und durch das dünne Fliegengitter meines Zeltes konnte ich das schwache Glimmen eines Glühwürmchens sehen. Die schauerlichen Brüllaffenrufe in der Ferne kündeten die Morgendämmerung an. Ich sah auf die Uhr: halb fünf. Da ich ohnehin nicht mehr schlafen konnte, zog ich mich an und kroch hinaus an die frische Luft. Schwarz standen die Bäume vor einem Himmel voller Sterne.

Ich stieg in die Stiefel und ging hinüber in die Küchenhütte, um mir einen starken schwarzen Kaffee aus der Thermoskanne einzugießen. Eine halbe Stunde saß ich nur da und versuchte, mich irgendwie auf das Kommende einzustellen. Es war klar, dass ich von einer der Harpyien oder beiden attackiert werden würde. Damit konnte ich umgehen, ich hatte ja meine Rüstung, und wer wollte es den Vögeln verübeln, dass sie ihr Nest verteidigten? Es war der Preis, der für die Reparatur der Kamera gezahlt werden musste. Nein, was mich umtrieb, war die Sorge, die Vögel bei einem Zusammenstoß aus Versehen zu verletzen. Ich konnte nur versuchen, mich möglichst passiv zu verhalten, sie nicht zu provozieren. Doch der Selbstverteidigungsinstinkt ist schwer zu unterdrücken und würde meine Geduld auf die Probe stellen. Zur Not müsste ich mich eben zurückziehen, bevor das Ganze aus dem Ruder lief.

Eine Stunde später standen wir drei zusammen unter dem Kapok. Adrian hatte irgendwo ein paar Lederstreifen aufgetrieben und wickelte sie mir mit Klebeband um die Taille. So war wenigstens die Lücke zwischen der Weste und dem Klettergurt geschlossen. Die Schenkel umwickelte ich mir auf die gleiche Weise, während Adrian sich um Grahams Rüstung kümmerte. Um uns nicht so breitzumachen, hatten wir nur ein Paar Seile im Baum. Also würde ich als Erster hochklettern, zeitweilig auf einem Ast vor Anker gehen und die Seile für Graham frei machen. Dann könnte ich zwar nicht flüchten, falls es zu einem Angriff kam, aber so konnte einer von uns an der Kamera werkeln, während der andere Wache hielt. Nur den Aufstieg musste halt jeder allein schaffen.

Der Helm roch nach Schimmel und ranzigem Schweiß. Ich stülpte ihn über und schloss den Kinnriemen. Ich hängte mich mit meinen Steigklemmen in das Seil, schaltete das Funkgerät ein und machte mich an den Aufstieg. Noch hielten die Vögel sich bedeckt, hatten mich aber sicher schon im Auge.

Das eingeschränkte Sichtfeld des Helms wirkte wie Scheuklappen, und Geräusche drangen nur gedämpft an mein Ohr, wie unter Wasser. Dafür klang mein Atem umso lauter. Da ich kaum etwas sehen oder hören konnte, konzentrierte ich mich auf den Rhythmus des Aufsteigens. Oberhalb des dichten Unterwuchses angekommen, klappte ich das Visier herab, denn von jetzt an gab es keine Deckung mehr. Das zerkratzte Plexiglas beschlug sofort, sodass ich mich praktisch blind durch das Gewirr der Zweige wühlen musste.

Oben im offenen Bereich war es nur eine Frage der Zeit, bis die Adler mich als Störenfried orten würden. Das Rennen um das schützende Blätterdach 20 Meter über mir hatte begonnen, und bis ich mein Ziel erreichte, konnte ich mich praktisch als Beute fühlen. Schweiß rann mir in die Augen und meine Muskeln brannten. Ich peitschte mich das Seil hinauf, so schnell ich nur konnte.

Die erste Warnung war ein Unheil verkündender Schatten, der urplötzlich von links niederstieß. Mit eingezogenem Kopf zeigte die Harpyie ein stromlinienförmiges Profil, bis sie etwa drei Meter vor meinem Gesicht die Krallen zum Angriff ausfuhr. Im letzten Augenblick aber schwenkte sie doch noch zur Seite, weil sie merkte, dass ich sie gesehen hatte. Der Luftzug ihrer riesigen Schwingen brachte mich an meinem Seil ins Schaukeln; nun kehrte ich ihr den Rücken zu. In blinder Hast kletterte ich weiter, und das Herz pochte mir laut in den Ohren.

Sekunden später knisterte das Funkgerät los: »Pass auf, sie kommt wieder zurück.« Als ich mich umdrehte, war sie schon bis auf 30 Meter herangekommen und hielt mit majestätischen Schlägen ihrer weiten schwarzen Schwingen in beängstigender Geschwindigkeit auf mich zu. Ich konnte nichts anderes tun als zuzusehen, wie sie immer größer und größer wurde. In etwa zehn Metern Entfernung setzte sie zum Segelflug an, schoss im letzten Moment schräg an mir vorbei und hieb mir dabei ihre Krallen in die Nieren. Zum Glück hielt meine improvisierte Rüstung. Ihre Klauen drangen nicht durch, auch wenn der Schlag eine heftige Prellung verursachte und mich an meinem Seil kreiseln ließ. Mir blieb nichts weiter übrig als in panischem Tempo weiterzuklettern.

In schwindelerregenden Spiralen schraubte ich mich an dem pendelnden Seil in die Höhe. Mir wurde übel von der Hitze, dem Schweiß, der Blindheit und obendrein dem ganzen Geschaukel. Ich klappte das Visier hoch, um Luft zu holen, und prompt sah ich die Harpyie auf mein Gesicht zugeschossen kommen, keine sieben Meter entfernt. Das Seil schwenkte mich noch mal im Kreis herum, wieder streifte mich der Luftzug ihrer Schwingen, wieder traf mich ein heftiger Schlag – diesmal mitten ins Kreuz. Ich erhaschte noch einen kurzen Blick auf die breit gerundeten Flügelspitzen und den fächerförmig geplusterten Schwanz, unter dem die mächtigen Fänge wie Dolche herabhingen.

Ein paar Minuten später tauchte sie wieder über mir auf und landete auf einem Ast in der Nähe meiner Seile. Da es gerade keine klare Flugroute zwischen uns gab, nahm ich die Gelegenheit wahr, mich weiter hinaufzuhieven, so schnell meine brennenden Muskeln es zuließen. Ich näherte mich bereits dem Ende des Seils und war bis in die Baumkrone vorgedrungen. Dort wartete die Harpyie schon auf mich. Ihre schwarzen Augen starrten mich unverwandt an, und ihr großer gebogener Schnabel öffnete sich leicht und ließ eine reptilienhafte Zunge sehen, die im Takt ihres schnellen Atems vibrierte.

Die mächtigen gelben Krallen hielten den Ast umklammert, auf dem sie vornübergebeugt saß, während die rückwärtigen Klauen auf ihren messerscharfen Spitzen ruhten. Offenbar lauerte sie nur auf eine weitere Chance zum Angriff. Ohne sie aus den Augen zu lassen, quetschte ich mich durch eine Astgabel und verharrte in unsicherer Balance, um zu der Harpyie aufzusehen. Langsam schien sie sich zu entspannen, streckte sich auf ihrem Ast und stellte den Kamm auf.

Jetzt kam der schwierigste Teil. Um die Seile für Grahams Aufstieg frei zu machen, war es nötig, ein weiteres Sicherungsseil am Baum zu verankern. Dafür musste ich die Harpyie ein paar Sekunden aus den Augen lassen, in der Hoffnung, dass sie ihren Vorteil nicht nutzte.

Ehe ich mich’s versah, baumelte ich wieder am Seil und sah Sterne. Ich hatte ein Dröhnen in den Ohren und spürte einen durchdringenden Schmerz im Genick. So schnell wie möglich hangelte ich mich auf den stacheligen Ast zurück und legte die Hand auf die schmerzende Stelle. Die ganze linke Halsseite war taub, und als ich die Hand wegnahm, hatte ich Blut an den Fingern. Sie hatte wohl die Lücke zwischen Nackenschutz und Kevlarweste erspäht und sich daraufgestürzt. Es war ein Gefühl, als hätte mich ein Baseballschläger getroffen; ich drehte den Kopf hin und her, um sicherzugehen, dass nichts gebrochen war. Aber das Blut war kein gutes Zeichen, und als ich die Hand auf die Wunde drückte, wurde mir flau.

»Alles okay«, rief ich den Jungs unten zu, »aber mir reicht’s, ich komm runter!«

Gedämpft hallte Grahams Stimme zu mir herauf: »Bleib da, James, ich bin gleich bei dir!«

Ich hatte gerade noch Zeit, mich auszuklinken und am nächstbesten Ast anzudocken, als das Seil unter mir heftig zu wippen begann. Er war auf dem Weg.

Doch Sekunden später attackierte die Harpyie mich erneut, schoss mit ausgestreckten Krallen auf mein Gesicht zu. Diesmal sah es nicht so aus, als ob sie sich durch reines Standhalten von ihrem Vorhaben abbringen ließe, also brüllte ich sie an und schwenkte die Arme. Sie bog ab und landete auf einem Ast in drei Metern Entfernung, wo sie sich vorbeugte, um mich zu mustern, die Flügel nur halb zusammengelegt, bereit zur nächsten Attacke, sobald sich die Gelegenheit ergab. Ihr jetzt den Rücken zuzukehren oder auch nur kurz wegzusehen würde sicher einen weiteren Angriff auslösen. Den Fehler würde ich nicht noch mal machen. Während sie mich also mit vorgestrecktem Kopf fixierte, bemühte ich mich, den Blickkontakt zu halten, während ich den Ast neben mir zur Deckung nutzte. Wir befanden uns in einer Pattsituation – Auge in Auge. Dies hier war ihr Revier, und ich war der Eindringling.

Mit einem schnellen Blick nach unten vergewisserte ich mich, dass Graham gerade aus dem Unterwuchs hervorkam. Die Harpyie hatte ihn wohl ebenfalls bemerkt, denn sie beugte sich noch ein Stück weiter vor, um hinabzuspähen. Ich dachte schon, sie würde auf Graham losgehen, als plötzlich das Adlermännchen wie aus dem Nichts auftauchte und unterhalb von mir ins Laubwerk einschwebte, direkt auf Graham zu. Ich schlug Alarm, doch Graham hatte es ebenfalls schon gesehen und streckte die Füße vor, um einen Krallenhieb abzuwehren. In letzter Sekunde schwenkte der Adler zur Seite und ließ Graham am Seil kreiselnd zurück. Trotz allem kletterte er zügig weiter und gesellte sich alsbald zu mir auf den Ast. Ich hatte meine Nerven inzwischen wieder halbwegs unter Kontrolle, zumal die Blutung gestillt zu sein schien. Da Graham mir nun zur Seite stand und ein Auge auf das Weibchen hatte, konnte ich mich zum ersten Mal dem Nest hinter uns zuwenden.

Wo sich drei Monate zuvor zwei kleine weiße Eier in eine zarte Kuhle geschmiegt hatten, hockte nun ein großes, zorniges Küken. Es war so groß wie ein ausgewachsenes Huhn, mit grauen Flügeln, einem weißen Kopf und enormen gelben Krallen, die es mir abwehrend entgegenstreckte. Den Schnabel hatte es aufgesperrt, und alle paar Sekunden schob sich in kalter reptilienhafter Weise eine blasse Nickhaut über die stechenden schwarzen Augen.

Der Boden des Nestes war mit einer dicken Blätterschicht bedeckt und mit den Überresten verspeister Kleintierkadaver übersät. Fette grünliche Fliegen krochen scharenweise über verfaulende Fleischfetzen, die von Maden wimmelten. Das Küken rückte Stück für Stück von uns ab. Wir mussten aufpassen, dass es uns nicht vor Angst aus dem Nest fiel, also angelte ich mir nur ganz behutsam die Kamera. Graham und ich verbrachten die nächste halbe Stunde damit, den Adlerdung von der Linse zu entfernen und den angesammelten Dreck von drei Monaten wegzuputzen. Als wir damit fertig waren, schien das Küken sich überraschend gut mit unserer Anwesenheit abgefunden zu haben, doch ein schneller Blick über die Schulter zurück zur Mutter erinnerte mich daran, dass allzu viel Selbstsicherheit fehl am Platz war. Graham und sie behielten sich im Blick, und der Waffenstillstand hielt – gerade noch. Allerdings würde einer von uns sich bald wieder abseilen, und der andere müsste dann allein mit ihr klarkommen. Ich erbot mich zu bleiben und sah zu, wie Graham sich auf dem Ast zurücklehnte und ins Leere fallen ließ, um gut 30 Meter weiter unten vom dichten Unterwuchs verschluckt zu werden. Die Harpyie blieb wo sie war und fixierte mich wie gehabt; Graham aber war unversehrt entkommen.

Jetzt war es an mir, mich abzuseilen, und ich wusste schon, was mir blühte. Mit einem letzten nachdrücklichen Blick in ihre Richtung sprang ich von dem Ast und kurbelte mich so schnell an meiner Abseilvorrichtung hinab, wie ich mich nur traute, aber nein, es ließ sich nicht vermeiden: Mit angelegten Schwingen stieß sie auf mich nieder und umschwirrte mich, um mir einen letzten Klauenhieb in die Schulter zu verpassen, bevor sie in den Wald entschwand. Ich hatte jetzt wirklich die Schnauze voll und ließ mich wie ein Stein am Seil auf den rettenden Waldboden fallen.

»Junge, du blutest ja«, sagte Adrian, sobald ich den Helm abnahm. »Sieht gar nicht gut aus …« Er beugte sich vor, um die Stelle genauer zu begutachten. »Dein Kragen ist zerrissen, der Nackenschutz aufgeschlitzt, anscheinend hat sie dich mit der Klaue haarscharf an der Schlagader vorbei am Hals verletzt. Ein klein bisschen weiter links, dann hättest du jetzt nichts mehr zu lachen.« Die Frage war nur: Was für Bakterien besiedeln so eine Harpyienklaue? Die Wunde würde eine gründliche Reinigung brauchen, aber wenigstens floss kein Blut mehr.

Wir versammelten uns um den kleinen LCD-Monitor, um uns das Küken anzusehen, wie es im Nest saß und in die Kamera schmollte. Nach ein paar Minuten landete der Muttervogel im Bild. Reglos stand die Harpyie da und starrte vor sich hin. Dann rupfte sie ein Stückchen Fleisch aus einem Kadaverfetzen und bot es ihrem Küken an, das mit schwächlich flatternden Flügeln näher gerückt kam. Unendlich sanft steckte sie ihm den Happen in den aufgesperrten Schnabel. Es war ein fantastischer Anblick; wir hätten uns keine bessere Bestätigung wünschen können, dass alles gut gegangen war und die Vögel keinen Schaden genommen hatten.

Ich blickte hinauf zu den riesigen Silberästen, die hoch oben im Sonnenlicht schimmerten. Es war eine andere Welt dort in der Festung der Harpyien. Welch ein Privileg, sie besucht zu haben.

»Wir müssen zurück zum Camp, die Wunde desinfizieren«, mahnte Graham. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Es war zwar erst Vormittag, aber ich brauchte jetzt ein Bier.