Im vorherigen Schritt haben Sie einiges über die Beziehung zwischen rein verteilten Peer-to-Peer-Systemen und dem bekanntesten Anwendungsfall der Blockchain als Methode zur Verwaltung von Eigentum gelernt. Sie haben auch gelernt, dass die Integrität eines verteilten Peer-to-Peer-Systems von Hauptbüchern in seiner Fähigkeit besteht, wahre Aussagen zum Eigentum zu machen und sicherzustellen, dass nur der rechtmäßige Eigentümer seine Eigentumsrechte an andere übertragen kann. Aber was bedeutet das konkret? Was geschieht, wenn die Integrität verletzt wird? Dieser Schritt behandelt ebendiese Fragen im Detail. Insbesondere wird im Folgenden eins der wichtigsten Beispiele für eine verletzte Integrität in verteilten Peer-to-Peer-Systemen vorgestellt: das Double-Spending-Problem.
Das Fälschen von Geldscheinen ist in jedem Land ein schweres Verbrechen, denn es untergräbt das Fundament und die Funktion der Wirtschaft, indem Kaufkraft generiert wird, die nicht durch wertvolle Ressourcen gedeckt ist. Daher sind die meisten Banknoten mit Sicherheitsmerkmalen ausgestattet, die das Fälschen unmöglich oder zumindest sehr kostspielig machen. Diese Sicherheitsmerkmale wie eindeutige Ziffernfolgen, Wasserzeichen oder Leuchtfäden funktionieren hervorragend, wenn es um physische Geldscheine oder andere greifbare Güter geht. Aber was, wenn Geld oder Güter digital und in verteilten Peer-to-Peer-Systemen von Hauptbüchern verwaltet werden? Dieser Schritt erläutert eine bestimmte Schwachstelle von verteilten Peer-to-Peer-Systemen, die zur Verwaltung von Eigentum verwendet werden. Tatsächlich weist diese Schwachstelle in gewisser Weise Ähnlichkeiten mit dem Fälschen von Banknoten auf, und sie repräsentiert ein prominentes Beispiel für eine verletzte Systemintegrität.
Betrachten wir ein Peer-to-Peer-System zur Verwaltung von Eigentum an Immobilien. In einem solchen System werden die Hauptbücher mit den Eigentumsinformationen auf Einzelcomputern der Mitglieder geführt und nicht in einer zentralen Datenbank. Daher besitzt jeder Peer ein eigenes Exemplar des Hauptbuchs. Sobald das Eigentum an einem Haus von einer Person auf eine andere übertragen wird, müssen alle Hauptbücher im System aktualisiert werden, damit sie den Stand der realen Gegebenheiten widerspiegeln. Allerdings dauern die Übertragung der Informationen unter den Peers und das Aktualisieren der Hauptbücher eine gewisse Zeit. Erst wenn das letzte Mitglied des Systems die neuen Daten empfangen und im Hauptbuch eingetragen hat, ist das System wieder konsistent. Einige Peers werden also bereits über die jüngste Eigentumsübertragung informiert sein, während andere noch nicht auf dem aktuellen Stand sind. Und solange noch nicht alle Hauptbücher über die neuesten Informationen verfügen, sind sie anfällig für eine Ausnutzung durch Personen, die bereits Kenntnis von den neuesten Informationen haben.
Stellen Sie sich einmal die folgende Situation vor: Person A verkauft ihr Haus an Person B. Die Eigentumsübertragung von A an B wird in einem der Hauptbücher eines Peer-to-Peer-Systems dokumentiert. Dieses spezielle Hauptbuch muss die anderen Peers über diese Veränderung informieren, die wiederum weitere Peers informieren, bis schließlich alle Peers Kenntnis von der Eigentumsübertragung zwischen A und B erlangt haben. Person A könnte jetzt theoretisch sehr schnell bei einem anderen Hauptbuch im System eine andere Eigentumsübertragung desselben Hauses veranlassen: Das Haus wird in diesem Fall von Person A an Person C verkauft. Wenn dieser Peer noch nicht über die vorherige Eigentumsübertragung von A an B informiert worden ist, genehmigt und dokumentiert er die Eigentumsübertragung von A an C – für dasselbe Haus. So kann Person A sein Haus zweimal verkaufen, indem er die Tatsache ausnutzt, dass die Informationsverteilung über den ersten Verkauf Zeit in Anspruch nimmt. Aber B und C können das Haus nicht gleichzeitig besitzen. Nur eine dieser Personen ist der neue und rechtmäßige Eigentümer. Daher spricht man hier vom Double-Spending-Problem, also dem doppelten Verwenden von Eigentumsrechten.
Wie die Bezeichnung Blockchain ist auch der Begriff Double-Spending mehrdeutig und bezieht sich auf die folgenden Konzepte:
Ein Problem, das durch das Kopieren digitaler Güter verursacht wird
Ein Problem, das in verteilten Peer-to-Peer-Systemen von Hauptbüchern auftreten kann
Ein Beispiel für eine verletzte Integrität in rein verteilten Peer-to-Peer-Systemen
Beim Kopieren digitaler Güter bezeichnet das Double-Spending-Problem die Tatsache, dass Daten auf einem Computer ohne nennenswerte Beschränkungen kopiert werden können. Dies verursacht Probleme, wenn es um digitales Geld oder andere Daten geht, die zu einem gegebenen Zeitpunkt immer nur einen Eigentümer haben dürften. Durch das Kopieren können die Daten, die für digitale Geldeinheiten stehen, repliziert und mehrfach für Zahlungen verwendet werden – dies ist das digitale Gegenstück zum Vervielfältigen von Geldscheinen mit einem Kopierer. Trotz der technischen Möglichkeit verletzt das Kopieren von digitalem Geld das Grundprinzip des Geldes: Dieselbe Münze, derselbe Schein oder dieselbe Geldeinheit kann nicht gleichzeitig an mehrere Personen verteilt werden. Die Fähigkeit, digitales Geld mehrfach zu kopieren und auszugeben, führt dazu, dass das Geld nutzlos wird. Und dieser Umstand wird als Double-Spending-Problem bezeichnet.
Bezeichnet Double-Spending das Problem in einem verteilten Peer-to-Peer-System von Hauptbüchern, bezieht es sich auf die Tatsache, dass das Weiterleiten von Informationen an alle Elemente in einem solchen System Zeit kostet, sodass nicht alle Peers gleichzeitig über dieselben Eigentumsdaten verfügen. Wenn noch nicht alle Peers über die neuesten Informationen verfügen, sind sie anfällig für eine Ausnutzung durch Personen, die bereits Kenntnis von diesen neuesten Informationen haben. Damit kann es gelingen, das Eigentum mehrfach zu übertragen – und auch hier liegt wiederum ein Double-Spending vor.
Der Einsatz von verteilten Peer-to-Peer-Systemen ist nicht auf die Verwaltung von Eigentum beschränkt. Allerdings bleibt auch in anderen Fällen die Problematik der Informationsweitergabe unter den Peers und der Aktualisierung des Systems bestehen, denn es kommt dabei nicht auf eine bestimmte Anwendungsdomäne an. Abstrahiert lässt sich Double-Spending als Schwierigkeit beim Erhalt der Datenkonsistenz in verteilten Peer-to-Peer-Systemen betrachten. Da Datenkonsistenz ein Aspekt der Systemintegrität ist, stellt das Double-Spending-Problem also ein spezifisches Beispiel für eine verletzte Systemintegrität dar.
Aufgrund seiner Mehrdeutigkeit (im Rahmen der verschiedenen Konzepte) gibt es keine Universallösung, um das Double-Spending zu unterbinden. Stattdessen gibt es mehrere Lösungsansätze, von denen einige in den folgenden Abschnitten beschrieben werden.
Das Problem beim mehrmaligen Ausgeben digitalen Geldes oder anderer digitaler Mittel durch einfaches Kopieren der Daten steht tatsächlich in direktem Zusammenhang mit der Beschaffenheit des Eigentums. Jede anerkannte Methode für die Zuordnung von Daten, die digitale Güter repräsentieren, zu deren Eigentümern löst das Problem – ungeachtet der speziellen Implementierung. Sogar ein zentrales physisches oder (realistisch gesehen) elektronisches Hauptbuch kann unabhängig von seiner Architektur (zentralisiert oder Peer-to-Peer) sicherstellen, dass ein digitales Gut nur einmal ausgegeben wird, sofern das Hauptbuch jederzeit korrekt arbeitet.
In diesem Kontext sind sowohl die Architektur als auch die Anwendungsdomäne des Systems vorgegeben. Verteilte Peer-to-Peer-Systeme von Hauptbüchern werden häufig als klassisches Beispiel zur Herleitung der Blockchain betrachtet. Die Erläuterungen aus Schritt 6 unterstrichen die Beziehung zwischen der Blockchain und verteilten Peer-to-Peer-Systemen von Hauptbüchern. Daher kann die Blockchain in dem in diesem Buch üblichen Begriffssinn als eine Lösung für das Double-Spending-Problem in einem verteilten Peer-to-Peer-System von Hauptbüchern angesehen werden.
Bei dieser Konstellation ist die Architektur des Systems bekannt, nicht aber die Anwendungsdomäne. Daher konzentrieren sich die Lösungen hier auf das Erreichen und Erhalten von Integrität in verteilten Peer-to-Peer-Systemen – unabhängig von der eigentlichen Verwendung. Allerdings entscheidet die konkrete Verwendung eines verteilten Peer-to-Peer-Systems über die Bedeutung der Integrität. Bei einer einfachen Filesharing-Anwendung wird Integrität beispielsweise unter anderen Aspekten betrachtet als bei einem System, mit dem das Eigentum an einer Digitalwährung verwaltet wird. Die Frage, ob das Blockchain-Technologiepaket das passende Tool zum Erreichen und Erhalten der Systemintegrität ist, kann daher nicht ohne Kenntnis der spezifischen Anwendungsziele beantwortet werden. Es könnte durchaus möglich sein, dass in bestimmten Einsatzgebieten verteilter Peer-to-Peer-Systeme andere Technologien, Datenstrukturen und Algorithmen besser für diesen speziellen Zweck geeignet sind.
In diesem Buch bezeichnet der Begriff Double-Spending eine Schwachstelle, die in rein verteilten Peer-to-Peer-Systemen von Hauptbüchern vorkommen kann.
Dieser Schritt erklärte das Double-Spending und hob die Bedeutsamkeit der Blockchain beim Erreichen von Integrität in rein verteilten Peer-to-Peer-Systemen hervor. Der nächste Schritt beschäftigt sich damit, wie die Blockchain Integrität erreicht und erhält.
Der Begriff Double-Spending ist mehrdeutig und hat unterschiedliche Bedeutungen.
Das Double-Spending kann sich auf die folgenden Konzepte beziehen:
Ein Problem, das durch das Kopieren digitaler Güter verursacht wird
Ein Problem, das in einem verteilten Peer-to-Peer-System von Hauptbüchern auftreten kann
Ein Beispiel für eine Integritätsverletzung in verteilten Peer-to-Peer-Systemen
In diesem Buch bezeichnet der Begriff Double-Spending eine Schwachstelle in rein verteilten Peer-to-Peer-Systemen von Hauptbüchern.
Die Blockchain ist ein Mittel, mit dem das Double-Spending-Problem gelöst werden kann.