Frühstück auf dem Olymp. Zeus sitzt am Kopfende des langen Steintisches, nippt am Nektar und sinniert über den Tag, der vor ihm liegt. Nach und nach kommen die anderen olympischen Götter und Göttinnen angeschneit und nehmen Platz. Schließlich tritt Hera ein und setzt sich ihrem Mann gegenüber ans andere Ende der Tafel. Ihr Gesicht ist gerötet, ihre Frisur zerzaust. Verwundert schaut Zeus auf.
»In all den Jahren, die ich dich kenne, bist du noch nie zu spät zum Frühstück erschienen. Nicht ein einziges Mal.«
»In der Tat«, sagt Hera. »Bitte entschuldige, aber ich habe schlecht geschlafen. Ich hatte letzte Nacht einen verstörenden Traum. Äußerst verstörend. Möchtest du wissen, worum es ging?«
»Selbstverständlich«, lügt Zeus, der es, wie wir alle, schrecklich findet, die Träume eines anderen in allen Einzelheiten erzählt zu bekommen.
»Ich träumte, wir würden angegriffen«, berichtet Hera. »Hier auf dem Olymp. Die Giganten erhoben sich, erklommen den Berg und überfielen uns.«
»Oje …«
»Aber es war ernst, Zeus. Die Gesamtheit ihrer Art strömte hinauf und griff uns an. Und deine Blitze perlten von ihnen ab, als wären es Piniennadeln. Der Anführer der Giganten, der größte und stärkste von ihnen, stellte mir nach und versuchte … mich zu … sich mir aufzudrängen.«
»Meine Liebe, wie außerordentlich ärgerlich«, erwidert Zeus. »Aber es war schließlich nur ein Traum.«
»Stimmt das? War es nur ein Traum? Alles war so klar. Ich hatte eher den Eindruck einer Vision. Einer Prophezeiung vielleicht. Ich hatte so etwas früher schon, wie du weißt.«
Das stimmte. Heras Rolle als Göttin der Ehe und Familie, der Sitte und Ordnung ließ einen leicht vergessen, dass sie in hohem Maße auch mit der Gabe der Erkenntnis ausgestattet war.
»Und wie endete das Ganze?«
»Eigenartig. Wir wurden von unserem Freund Prometheus gerettet und …«
»Er ist nicht mein Freund«, blafft Zeus. Jede Erwähnung von Prometheus ist im Olymp untersagt. In den Ohren von Zeus brennt die Nennung seines Namens wie Zitronensaft in einer Wunde.
»Wie du willst, mein Lieber. Ich erzähle einfach nur, was ich geträumt habe, was ich gesehen habe. Weißt du, merkwürdig daran ist, dass Prometheus einen Sterblichen bei sich hatte. Und dieser Mann hat den Giganten von mir heruntergezogen, ihn vom Olymp gestoßen und uns alle gerettet.«
»Ein Mann, sagst du?«
»Ja. Ein Mensch. Ein sterblicher Held. Und in meinem Traum sah ich ganz deutlich, ich bin nicht sicher wie oder warum, aber ich sah ganz deutlich, dass dieser Mann der Ahnenreihe des Perseus entstammte.«
»Perseus, sagst du?«
»Perseus, ohne Zweifel. Der Nektar steht neben dir, mein Lieber …«
Zeus reicht ihr den Krug mit Nektar.
Perseus.
Das ist ein Name, den er eine ganze Weile nicht gehört hat.
Perseus …