18.
Aria winkte, als sie Bens Wagen auf den Parkplatz fahren sah. Er hielt neben ihrem Fahrzeug.
»Danke, dass du mir hilfst.«
»Das ist selbstverständlich. Was hat der Patient für Probleme?« Ben öffnete die Motorhaube.
»Er springt nicht an und gibt röchelnde Geräusche von sich.«
»Hört sich nicht gut an.« Ben sah in den Motorraum. »Ich könnte jetzt etwas Schlaues sagen, aber meine Kenntnisse über Motoren sind mehr als bescheiden. Solange nicht eindeutig ein abgesprungenes Kabel verantwortlich ist, tappe ich im Dunkeln.« Er klappte die Haube herunter. »Nichts Offensichtliches.«
»Also Werkstatt?«
»Ja. Ich hole die Abschleppstange.«
Aria fand es süß, dass er nicht den Helden markierte, sondern zugab, keine Ahnung zu haben. Das war sympathisch.
Ben verband die Autos mit der Stange, danach öffnete er Arias Fahrertür. »Bitte einsteigen.«
»Ich bin ein bisschen nervös. Ich werde das erste Mal abgeschleppt.«
Bens Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen. »Es gibt immer ein erstes Mal.«
»Hört sich merkwürdig an«, sagte Aria lachend. Ben schaffte es, sie zum Lachen zu bringen, trotz der verfahrenen Situation. Er wäre bestimmt ein toller Freund.
»Du brauchst keine Angst haben. Es ist auf jeden Fall einfacher, als mit einem Seil. Du lenkst mit, aber das Lenkrad ist ohne Motorunterstützung schwergängiger, genau wie die Bremswirkung geringer ist. Warnblinkanlage einschalten und die Handbremse lösen.«
»Okay. Das schaffe ich.«
»Daran habe ich keinen Zweifel«, sagte Ben lächelnd. »Hast du eine Werkstatt, zu der du möchtest?«
»Ja.« Sie nannte ihm die Adresse. Aria nahm hinter dem Steuer Platz und Ben setzte sich in seinen Wagen. Ihre erste Abschleppfahrt. Sie war gespannt, wie sie die meisterte.
Eine Stunde später erreichten sie die Werkstatt. Arias Anspannung fiel von ihr ab. Durch den Schneeregen, der kurz nach Beginn der Fahrt eingesetzt hatte, war sie hoch konzentriert gewesen. Der Berufsverkehr hatte sein Übriges dazu getan. Aber sie waren heil am Ziel angekommen. Sie stieg aus und sah den Werkstattleiter, der auf sie zukam.
»Hallo Aria«, begrüßte er sie.
»Hey Bruce. Wie geht es dir?«
»Gut, kann nicht klagen und dir?«
»Mir auch, aber dem Wagen weniger. Darf ich dir Ben vorstellen? Er hat mich gerettet.«
»Es gibt noch wahre Helden.« Bruce nickte ihm zu. »Ich lasse das Auto gleich auf die Bühne heben. Dann schaue ich ihn mir an. Was genau ist passiert?«
»Er springt nicht an und röchelt.«
»Er röchelt?« Bruce zog die Augenbraue in die Höhe.
»Na ja. Wie ein Auto ... halt. Du weißt schon.« Aria schob eine Haarsträhne hinters Ohr. Technik war eher nicht ihr Ding.
»Ich habe einen Blick in den Motorraum geworfen, aber nichts Auffälliges entdeckt. Bin nur ein Laie«, sagte Ben.
»Dann schauen wir dem Baby mal unter den Rock.«
»Wann hast du Zeit dafür?«, fragte Aria.
»Jetzt direkt. In der Nebenstraße ist ein Café. Trinkt einen Kaffee. Ich rufe an, wenn ich fertig bin.«
»Du bist ein Schatz.« Aria hoffte, dass sie ihn vielleicht morgen wiederbekam. Hoffentlich war es nicht zu teuer. Wieso kam alles immer zusammen?
»Ja, so bin ich«, sagte Bruce grinsend. »Hey Leute«, rief er Richtung Werkstatt, »hier ist ein Patient. Rauf mit ihm auf die Bühne.«
Die Mitarbeiter kamen heraus und Ben legte Aria eine Hand um die Schulter, die sehnsüchtig ihren Wagen ansah. »Lass uns etwas trinken. Hier stören wir nur.«
»Du hast recht.« Aria genoss die leichte Berührung. Unwillkürlich lehnte sie sich an Ben. Es fühlte sich so gut an.
Leider zog er den Arm zurück. Am liebsten hätte sie geseufzt, aber das verkniff sie sich. »Ich habe dich lange genug aufgehalten. Du hast bestimmt Termine. Du musst nicht warten.« Sie wollte Ben nicht von der Arbeit abhalten. Wenn der Wagen hierbleiben musste, fuhr sie mit dem Bus nach Hause.
»Ich habe Zeit. Mach dir darum keine Gedanken. Ich lasse dich nicht hier alleine sitzen. Noch dazu bei dem Wetter.«
Ihr fiel erst jetzt auf, dass Ben einen Schirm aufgespannt hatte. Er schien für jede Lage bestens gerüstet zu sein. Sie hatte nie einen Schirm im Auto. Den vergaß sie regelmäßig zu Hause. »Danke. Das kann ich nie wieder gutmachen.«
»Ich erwarte keine Gegenleistung. Ich verbringe gerne Zeit mit dir.« Er bot ihr seinen Arm an. »Darf ich bitten? Dann passen wir besser unter den Schirm.«
»Ich mit dir auch.« Aria hängte sich ein. In ihrem Bauch kribbelte es.
»Beste Voraussetzung, um gemeinsam einen Regenspaziergang zu unternehmen.«
»So romantisch. Müssen wir singen?«
»Lieber nicht. Sonst ergreifst du die Flucht. Ich singe nur unter der Dusche.«
»Ich verzichte ganz drauf. So schief, wie ich die Töne singe.« Aria schmiegte sich an Ben, während sie zum Café liefen.
»Wir geben ein nettes Duo ab.« Ben klappte den Schirm zu und sie betraten das Café, das sie mit angenehmer Wärme empfing. Sie nahmen an einem Fenstertisch Platz.
»Sieh mal. Sie preisen Apfelkuchen an. Ich wette, der kommt an deinen nicht heran. Der war köstlich.« Ben winkte der Kellnerin.
»Den probiere ich. Die Konkurrenz darf man nicht außer Acht lassen.«
»Das stimmt.«
Die Kellnerin kam und nahm die Bestellung auf.
»Ben?«
»Ja?«
»Du bist doch im Immobiliengeschäft.«
»Richtig.«
»Kennst du Estelle Stone und ihren Enkel?« Aria fiel auf, dass sie nicht wusste, wie Mr. Stone mit Vornamen hieß, aber es war eigentlich nicht wichtig.
»Nein. Tut mir leid.«
»Hätte ja sein können. Ich weiß auch nicht, ob Estelle noch mehr Häuser hat. Ich glaube, sie ist kein Makler, sondern vermietet es privat. Kein Wunder, dass du sie dann nicht kennst.«
»Das wird es sein. Da kommt unsere Bestellung«, sagte Ben.
»Bitte sehr. Guten Appetit«, wünschte die Bedienung und ließ sie alleine.
Kritisch beäugte Aria den Kuchen und stach mit der Gabel hinein. »Ziemlich fest.«
Ben probierte ein Stück. »Trocken ist er auch. Deiner ist um Welten besser.«
»Ja«, stimmte Aria zu. Er war extrem trocken und die Apfelstücke musste man suchen. Das war keine Konkurrenz. Trotzdem war der Laden, im Gegensatz zu ihrem, voll. Fast alle Tische waren besetzt.
Ben trank einen Schluck Kaffee. »Staubtrocken.«
Arias Handy klingelte. Es war die Werkstatt. »Hallo Bruce«, meldete sie sich. »Ist viel dran? Was? Oh nein.« Aria schloss kurz die Augen. »Bist du sicher? Ja. Okay. Danke. Wir kommen gleich.« Sie beendete das Gespräch.
»Was ist los? Du bist weiß wie eine Wand.« Ben griff über den Tisch nach Arias Hand und hielt sie fest.
»Mein Auto. Es hat einen Totalschaden.« Jetzt saß sie ohne fahrbaren Untersatz da. Im Moment schlug alles über ihr zusammen.