29.
»Verdammt.« Aria öffnete den Ofen, aus dem ihr eine Rauchwolke entgegenkam. Das war bereits die zweite verbrannte Ladung. Die Konzentration fiel ihr schwer. Eigentlich hatte sie gehofft, schnell zum Alltag zurückzukehren, aber es klappte nicht, wie geplant. Ständig schwirrte Ben in ihrem Kopf herum.
»Was ist passiert?« June stürzte in die Backstube.
Aria zeigte auf die verbrannten Kekse. »Ich habe nicht aufgepasst.« Frustriert warf sie den Handschuh auf den Tisch.
»Mach dir keine Vorwürfe. Es ist verständlich, dass du mit deinen Gedanken woanders bist.« June nahm sie in den Arm. »Gib dir Zeit. Es ist erst vier Tage her.«
»Wieso lassen sich Gefühle nicht abstellen? Es tut so weh.« Aria löste sich von June.
»Komm mit. Wir trinken einen Kaffee. Es ist gerade ruhig.«
»Aber ...«
»Keine Widerrede. Du nimmst dir fünf Minuten Auszeit. Um wie viel Uhr ist das Vorstellungsgespräch noch mal?«
»Um dreizehn Uhr.« Auf Arias Stellenanzeige hatte sich eine junge Konditorin gemeldet. Sie hoffte, sie passte ins Team. Sie brauchte dringend Entlastung. Der einzige Vorteil, dass sie viel arbeitete, war, dass sie abends wie ein Stein ins Bett fiel. So lag sie in der Nacht nicht grübelnd wach.
»Ich bin gespannt.«
»Ich auch.« Aria folgte June in den Laden und nahm dankend eine Tasse entgegen. Sie schloss beide Hände darum und trank einen kleinen Schluck. »Das tut gut.« Aria gähnte. Sie war so müde.
»Du bist komplett überarbeitet. Hoffentlich passt die Bewerberin.«
»Am Telefon klang sie sehr nett.«
»Dann hoffen wir, dass sie genauso nett ist und was auf dem Kasten hat.«
Die Tür öffnete sich und eine Kundin betrat den Laden.
»Ich bin hinten.« Aria verzog sich mit der Tasse in die Backstube, damit June in Ruhe die Kundin bedienen konnte.
Sie stellte den Kaffee weg und bereitete ein neues Blech Plätzchen vor. Sie musste sich emotional von Ben lösen, aber das war schwer. June hatte ihr geraten, ihm noch eine Chance zu geben, aber Aria war unschlüssig. Wollte sie mit jemandem zusammen sein, der die Beziehung mit einer Lüge begonnen hatte? Sie haderte mit sich. Ihr Herz schrie ständig laut ja, aber der Kopf hielt dagegen.
Von Ben hatte sie nichts mehr gehört, was sie nicht wunderte. Er hatte ja gesagt, wenn sie ihre Meinung änderte, sollte sie sich melden. Die Versuchung, zum Handy zu greifen, um ihn anzurufen, war groß. Aber sie war ein Kopfmensch, deshalb widerstand sie dem Drang. Sie schob die Gedanken an Ben zur Seite und widmete sich entschlossen dem Teig. Das Leben ging weiter, auch ohne Ben.
***
Um dreizehn Uhr öffnete sich die Ladentür und eine junge Frau kam herein. »Guten Tag. Ich bin Lindy Moore. Ich bin mit Aria Cooper verabredet.«
»Ich bin Aria. Ich freue mich, dass Sie gekommen sind.« Pünktlich war sie und ihr offenes Lachen gefiel Aria auf Anhieb.
Lindy schüttelte ihr die Hand. »Sorry, ich bin ein wenig aufgeregt.«
»Das ist ganz normal. Gehen wir nach hinten.« Aria führte sie ins Büro. »Bitte, nehmen Sie Platz.«
»Danke.«
»Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten oder einen Tee?«
»Kaffee klingt himmlisch. Vielen Dank.«
Aria holte das Gewünschte und nahm hinter dem Schreibtisch Platz.
»Hier ist meine Bewerbung und Empfehlungsschreiben meiner vorherigen Arbeitgeber.« Lindy reichte Aria einige Unterlagen.
»Sie haben exzellente Referenzen.« Aria war beeindruckt. Lindy hatte auf einem großen Kreuzfahrtschiff als Konditorin gearbeitet und davor war sie in New York gewesen.
»Danke.« Lindy sah verlegen auf ihre Hände.
»Verzeihen Sie mir die Frage, aber wieso möchten Sie in unserem Miniladen arbeiten? Mit diesen Empfehlungen können Sie in den besten Häusern des Landes anfangen.«
»Meine Familie und mein Freund leben hier. Nach so vielen Jahren fernab der Heimat möchte ich sesshaft werden. Mein Freund und ich planen bald zu heiraten. Da ist es ungünstig, wenn einer fast das ganze Jahr unterwegs ist.«
»Das ist nachvollziehbar.« Lindy gefiel ihr. Wenn sie mit der Bezahlung einverstanden war, stand einer Einstellung nichts im Weg.
»Ich finde es schön, in einem kleinen Betrieb zu arbeiten. Das ist persönlicher. Auf See ist man trotz vieler Kollegen eigentlich alleine.«
»Das verstehe ich. Ich hoffe, Sie verstehen, dass Ihr Gehalt wahrscheinlich geringer ausfällt, als Sie es gewohnt sind.«
»Das ist mir bewusst. Keine Sorge«, sagte Lindy lächelnd.
Aria nannte ihr die monatliche Summe.
»Das ist vollkommen in Ordnung.«
»Dann wäre von meiner Seite aus alles geklärt. Wenn Sie den Job möchten, gehört er Ihnen.«
»Das ist klasse. Ich freue mich, hier zu arbeiten.« Lindy strahlte über das ganze Gesicht und Aria spürte, es war die richtige Entscheidung.
»Und ich erst. Wir brauchen dringend Unterstützung.«
»Wann soll ich anfangen?«
»Wenn es nicht zu unverschämt ist, wäre es mir recht, wenn Sie morgen bereits anfangen.«
»Ich habe, als wir durch die Backstube gegangen sind, gesehen, dass Sie extrem viel zu tun haben. Wenn Sie möchten, fange ich gleich heute an.«
»Lindy. Sie schickt der Himmel. Danach zu fragen, hätte ich als unverschämt empfunden, aber wenn Sie möchten, gerne. Ich ersticke in Arbeit.« Aria nahm einige Papiere aus der Schublade. Sie hatte den Vertrag bereits vorbereitet.
»Dann steige ich gleich mit ein. Ich freue mich darauf, endlich wieder in der Backstube zu stehen.« Lindy rieb sich die Hände.
»Vorher müssen wir noch die Formalitäten klären. Hier ist der Vertrag.« Sie schob Lindy die Unterlagen zu.
Die las sich die Seiten durch und griff nach dem Kugelschreiber. »So. Unterschrieben.«
Aria unterschrieb ebenfalls und gab Lindy einen der Verträge. »Für Ihre Unterlagen.«
Lindy steckte ihn in die Tasche und stand auf. »Sorry. Ich kann es kaum erwarten«, sagte sie lachend.
»Das freut mich und ich bin Aria.« Sie hielt ihr die Hand hin. »Willkommen bei uns.«
»Lindy. Ich mag es auch locker.«
»Wir auch. Ich stelle dir noch June vor. Sie ist für den Verkauf verantwortlich und meine beste Freundin.«
»Das ist ja cool.« Lindy folgte Aria in den Laden.
»June. Das ist Lindy. Unsere neue Konditorin.«
»Freut mich Lindy«, begrüßte June sie lächelnd.
»Mich auch. Ich kann es gar nicht glauben, das Aria mir den Job sofort gegeben hat.«
»Lindy fängt gleich schon an.«
»Echt? Klasse. Aria braucht dringend Unterstützung.«
»Die hat sie jetzt.«
»Sagt mal«, sagte June grinsend.
Die anderen sahen sie neugierig an.
»Sind wir jetzt ein Dreimädelhaus?«
»Ja, sind wir.« Aria grinste. Sie gaben bestimmt ein tolles Trio ab. Sie freute sich auf die Zusammenarbeit mit Lindy.