32.

Das Klopfen weckte ihn. Er drehte sich um. Da fiel ihm ein, dass seine Frau Renate in der Nacht Putzen ging. Aber sie würde nicht klopfen. Schon gar nicht mitten in der Nacht. Er blickte auf den Wecker. 4 Uhr 54. Er brummelte etwas vor sich hin. Ging zur Tür, öffnete und hatte die Tür im Gesicht. Er fiel auf den Boden, fasste sich an die Nase. Sah das Blut und brüllte: »Was wollt ihr, ihr Schweine?« Dann: »Hilfe! Hilfe!« Bis ihm einer einen Lappen in den Mund steckte und ein anderer die Tür schloss.

Es waren zwei Typen in Zivil. Der eine trat Müller zwischen die Beine. Müller schrie auf, spuckte das Tuch aus und krümmte sich. Der andere griff in seine Haare und riss den Kopf nach oben, woraufhin der Erste ihm den Lappen wieder zwischen die Zähne steckte und ein Tuch über den Mund band.

Es herrschte Stille. Die beiden lauschten. Nach ein paar Sekunden sagte der mit einem Schmiss an der rechten Schläfe. »Jetzt machen wir eine Spazierfahrt, Genosse Müller. Du kannst dir unterwegs die Frage stellen, ob du überleben willst oder nicht.«

Sie trugen ihn mehr, als dass er lief. Im ersten Stock öffnete sich eine Tür und schloss sich wieder. Ein Schlüssel wurde herumgedreht.

»Lass sie, wir haben’s eilig«, sagte einer.

Sie packten ihn auf die Rückbank einer NSU-Limousine. Einer schob seine Oberschenkel unter Müllers Kopf. »Schön gemütlich so.« Er tätschelte Müller die Wange.

Der grunzte wütend.

Die Fahrt ging nicht weit. Es war noch dunkel, und ein eisiger Novemberregen ließ ihn frieren, als sie ihn in ein Haus trugen. Einer schloss die Kellertür auf. Sie brachten ihn runter. Im Raum stand schon ein Stuhl. Sie setzten ihn darauf, fesselten die Hände hinter der Rückenlehne und die Beine an die des Stuhls.

Der Typ mit dem Schmiss stellte sich vor ihn. »Die Sache ist einfach, Genosse Müller. Wir brauchen die Namen und Adressen der anderen Zeugen im Goldenen Anker. Ja, du hast es richtig verstanden. Wir sind böse Nazis und suchen die Zeugen.«

Müller ließ den Kopf hängen. Er hatte vier Jahre im Graben gelegen und war nur einmal leicht verletzt worden, weil der Scharfschütze im französischen Graben noch übte. Wie ihm Kameraden erklärten. Er kannte Todesangst in den Artilleriebombardements, bei den Sturmangriffen. Aber jetzt würde er sterben. Und erstaunlicherweise hatte er keine Angst. Genauso erstaunlich schien ihm, dass seine Entführer es auch nicht erwarteten.

»Du wirst sprechen«, sagte der mit dem Schmiss. »Wir werden dich dazu bringen.« Eine ansatzlose Rechte traf Müller auf der Nase. Er schrie vor Schmerz und schmeckte sein Blut.