Dieser Tag musste gefeiert werden!

Ob Kinder oder Erwachsene – alle, die in den letzten Wochen um die Zukunft des Reitstalls gebangt hatten, fanden sich in dem kleinen Verwalterhäuschen von Stableways ein.

Emma durfte an diesem Abend länger aufbleiben. Sie brachte Rags mit, denn schließlich hatte der kleine Terrier bei all den turbulenten Ereignissen eine entscheidende Rolle gespielt.

Auch Benny war eingeladen. Er stand mit großen Augen vor dem kalten Büfett, das Colonel Lyalls Haushälterin herübergeschickt hatte, und futterte alles in sich hinein, was in seiner Reichweite war.

„Ich kann einfach nicht mehr“, sagte er schließlich seufzend zu Sergeant Sam und wies auf ein großes Stück Fleischpastete, das er erst zur Hälfte aufgegessen hatte. „Darf ich das für meinen Hund mitnehmen?“

Jenny legte eine CD ein, und alle tanzten so vergnügt und ausgelassen, dass die Gläser auf dem Tisch leise klirrten.

Doch nach einer Weile wurde es Jenny zu viel.

„Das hält mein Schlüsselbein einfach noch nicht aus!“ Sie stöhnte und tastete nach ihrer Schulter. „Pippa und Ian, wie wäre es mit euch beiden?“

Es war lustig, mit Ian zu tanzen. Doch dann wechselte die flotte Tanzmusik zu einer verträumten, einschmeichelnden Melodie über. Ian war viel größer als ich und fast schon ein junger Mann. Ich wurde schrecklich verlegen, als ich mich in seinen Armen langsam im Kreis drehte. Ich fühlte, wie mir das Blut in die Wangen stieg.

Ich wollte mir nichts anmerken lassen und gratulierte ihm noch einmal zu seinem Sieg bei dem Geländeritt.

„Aber die Dressur habe ich verpatzt“, seufzte Ian. „Trotzdem, ich hätte nicht gedacht, dass Sultan sich nach dem Tumult im Pferdetransporter noch so gut halten würde. Wenn ich Colin in die Finger bekomme! Der kann sich auf etwas gefasst machen!“

Über Ians Schulter hinweg sah ich zwei Gestalten am Fenster vorübergehen.

„Dann mal los! Du wirst nicht lange warten müssen.“ Es klingelte an der Tür. „Das ist Colonel Lyall. Colin ist bei ihm.“

Die Musik wurde wieder schneller, als sich die Wohnzimmertür öffnete. Der Colonel kam herein, und dann schob sich Colin ins Zimmer. Er machte wirklich kein besonders gescheites Gesicht.

„Tut mir leid, dass ich eure kleine Feier einen Augenblick lang unterbrechen muss!“ Colonel Lyall gab Jenny einen Wink. Sie stellte sofort den CD-Player ab. „Dieser junge Mann hier hat euch etwas zu sagen. Bei der Polizei hat er seine Geschichte auch schon zu Protokoll gegeben.“ Er schob Colin vorwärts. „Also, fang an!“

Einen Moment lang schien Colin die Sprache verloren zu haben, doch dann sprudelten die Worte nur so hervor.

„Ich muss ein totaler Dummkopf gewesen sein“, sagte er. „Eigentlich wollte ich nur meinem Vater helfen. Ich wusste ja, dass er Stableways unbedingt kaufen und zu Bauland erklären lassen wollte. Wenn wir Colonel Lyall dazu bringen konnten, das Anwesen zu verkaufen und Sergeant Sam zu entlassen, dann hatte Pa mir versprochen, dass wir selbst hier einziehen würden. Er wollte das Herrenhaus renovieren lassen und mir ein paar erstklassige Springpferde kaufen. Und da dachte ich, ich könnte ein bisschen nachhelfen, denn wenn es auf Stableways jeden Tag neue Schwierigkeiten gibt, ist der Colonel am Ende froh, wenn er verkaufen kann.“

Er schwieg und wusste anscheinend nicht so recht weiter.

„Und Ernie?“, wollte mein Bruder wissen. „Was hatte er damit zu schaffen?“

„Ich habe ihm immer ein bisschen Geld zugesteckt, damit er mir bei meinem Plan hilft. Schließlich hat Pa ihm noch versprochen, ihm den doppelten Lohn zu zahlen, wenn er seine Sammlung alter Autos in Ordnung hält. Aber dann ist mir die Sache über den Kopf gewachsen. Als Sergeant Sam und der Colonel gestern Abend zu Ernies Mutter kamen und nach Rags fragten, da hat Ernie alles vom Ende der Straße aus beobachtet. Gleich darauf kam er mit seinem Motorrad zu mir. Wir wollten uns aus dem Staub machen und in Brighton abwarten, bis ein bisschen Gras über die Sache gewachsen war, aber wir kamen nicht weit. Plötzlich kam Ernie wieder einer seiner – wie er es nannte – genialen Einfälle. Er wollte Sultans Fell scheren und ihn so zurichten, dass er unmöglich an dem Turnier in Boxheath teilnehmen konnte.“

„Und weiter?“ Der Colonel kniff grimmig die Brauen zusammen.

„Da wurde mir plötzlich klar, wie gemein Ernie war. Ich wollte nichts mehr mit seinen Tricks zu tun haben. Vielleicht glaubt ihr mir nicht, aber das war der Grund, warum ich mich in dem Pferdetransporter mit ihm geprügelt habe. Ich hatte einfach genug. Ernie hatte damit geprahlt, wie er mit einem seiner Kumpel die Hindernisse auf dem Übungsfeld zertrümmert hatte. Und drei von den Ponys hatten sie so zugerichtet, dass sie nicht mehr an dem Turnier teilnehmen konnten. Das war in der Zeit, als ich noch im Krankenhaus war. Und an dem Morgen in Boxheath hat er zuerst die Zöpfe in den Mähnen der Ponys aufgelöst. Aber das genügte ihm noch nicht. Er wollte die Mähnen ganz abschneiden. Und die Schweife auch. Das musste ich doch verhindern. Das war gar nicht so einfach. Sultan gebärdete sich wie wild, da habe ich ihn einfach aus der Box herausgelassen.“

Colin schaute verlegen auf seine Fußspitzen.

„Ich glaube, es hat nicht viel Sinn, wenn ich euch sage, dass es mir leid tut.“

„Nein!“ Sergeant Sams Züge blieben hart. „Das ist nicht genug. Du bist ein bisschen spät zur Besinnung gekommen, denn damit kannst du die Dinge, die du uns vorher angetan hast, nicht ungeschehen machen. Du hast stillschweigend zugelassen, dass Ernie unsere Ponys quälte. Und als er das Glas in Sultans Futter mischte, hast du kein Wort gesagt. Auch wenn dir das heute leid tut – deine Entschuldigung reicht leider nicht aus.“ Er schüttelte den Kopf. „Du hast kein Rückgrat, mein Junge. Das ist der entscheidende Punkt. Du hattest bessere Voraussetzungen als mancher andere von uns. Gerade deshalb hättest du wissen müssen, worauf du dich da einlässt.“

Es war still in dem Raum. Colonel Lyall schob Colin stumm zur Tür hinaus.

Emma lief neugierig hinter den beiden her. Wahrscheinlich rechnete sie damit, dass sie draußen noch ein paar Neuigkeiten aufschnappen würde.

Als sie kurze Zeit später zurückkam, schaute sie uns mit kreisrunden Augen an.

„Großvater hat gesagt, dass Colin wahrscheinlich Bewährung bekommen wird, aber Ernie muss in ein Erziehungsheim. Geschieht den beiden ganz recht! Komm, Jenny, leg noch eine CD ein. Wir wollen wieder tanzen. Großvater hat nämlich noch etwas gesagt! Er wird Stableways nicht verkaufen! Der Reitstall besteht weiter! Hurra!“