Kapitel 19

 

Sirki schob das zugedeckte Etwas ans Kopfende der Tafel. Als er dort angelangt war, hatten die Thackers nach einigen in Matthews Richtung geknurrten Flüchen ihre Plätze wieder eingenommen. Matthew sah, dass Minx das Messer an seinen sicheren Platz unter ihrer Weste zurücksteckte. Jonathan Gentry goss sich die letzten Tropfen seines Safts des Wegtretens in den Wein und trank die Mischung aus. Vielleicht dürstete ihn danach, sich aus der Szene vor ihm entführt zu fühlen. Cesar Sabroso räusperte sich leise. Adam Wilson schien noch weniger anwesend zu sein als zuvor. Fancy warf Matthew über den Tisch hinweg einen schnellen Blick zu. Toy tupfte Augustus Pons’ Lippen ab und wisperte dem Erpresser etwas in sein Ohr, das zweifellos schon viele Geheimnisse vernommen hatte.

Matthew wartete mit leicht zusammengekniffenen Augen und verspanntem Kiefer.

Sirki riss die Plane herunter. Ein Mann im Stuhl kam zum Vorschein, der auf einer auf Rädchen montierten Holzplatte saß.

Und doch war es kein Mensch, erkannte Matthew.

Es war eine Menschenfigur. Die Statue eines Mannes. Eine Imitation, und mehr nicht.

Der Stuhl war aus rotem Leder gefertigt und goldfarbene Beschläge verzierten die Armlehnen. Der Mann bestand aus … wer wusste das wohl? Jedenfalls nicht aus Fleisch und Blut, so still, wie die Gestalt saß. Es war eine Attrappe, dachte Matthew. Eine lebensgroße Puppe. Wahrscheinlich mit Heu und Sägespänen ausgestopft?

Die Imitation von Professor Fell saß steif und kerzengerade da, die Arme auf die Lehnen gelegt, die Füße auf der Holzplatte im selben Abstand. Es war eine dünne, drahtige Konstruktion, und sie steckte in einem weißen Anzug mit Goldborte und goldenen Stickereien auf der Jacke und den Kniehosen. Sie trug einen ebenfalls goldverzierten weißen Dreispitz, weiße Strümpfe und polierte schwarze Schuhe mit Goldschnallen. Sie hatte hautfarbene Stoffhandschuhe an und – am auffallendsten und erschreckendsten – eine hautfarbene Stoffkutte über dem Kopf und Gesicht, wobei leichte Umrisse der Nasenspitze, Wangenknochen und Augenhöhlen zu erkennen waren.

Was, zum Teufel, soll das? , fragte Matthew sich.

Seine Antwort kam ein paar Sekunden später, als Sirki einen ziemlich großen Schlüssel aus einer Tasche in seinen Gewändern zog. Er steckte ihn in irgendeine Öffnung hinten am Stuhl und drehte ihn ein Dutzend Mal. Dann legte er einen Hebel um. Vom Klang von Zahnrädern und dem Rasseln einer gefetteten Kette begleitet begann die Figur auf dem Stuhl sich zu bewegen.

Für ein Gerät war es eine fließende Bewegung. Denn Matthew wurde klar, dass es sich um eine majestätische, ja fast unglaubliche Kreation handelte, über die er in den Zeitungen aus London gelesen hatte. Nie hatte er Derartiges gesehen, und auch nicht erwartet, so etwas jemals zu Gesicht zu bekommen. Man nannte es einen Roboter.

Die rechte Hand hob sich und drückte den Zeigefinger ans Kinn, als würde sie vor dem Sprechen einen Gedanken überprüfen. Dann senkte sich die Hand zurück auf die Armlehne. Zuckte der Kopf, als ein paar Zahnräder sich drehten? Ja, jetzt drehte der Kopf sich … langsam … nach rechts und wieder zurück, betrachtete alle um den Tisch Versammelten.

»Willkommen« , sagte der Roboter mit einer blechernen Stimme, die ein wenig kratzte und quietschte, »in meinem Zuhause.«

Niemand erwiderte etwas. Hatte die Maschine menschliche Ohren? Nein. Matthew ertappte sich dabei, sein Weinglas so fest zu umklammern, dass er Gefahr lief, entweder das Glas oder seine Knöchel zu brechen. Alle anderen nahmen die Situation als selbstverständlich hin; sie waren nicht zum ersten Mal hier und hatten die Maschine offenbar schon in Bewegung erlebt.

Die linke Hand hob sich und hing vom Knirschen der Zahnräder begleitet in der Luft, bevor sie sich wieder senkte. »Es gibt wichtige Dinge zu besprechen« , sagte die Maschine. Das maskierte Gesicht neigte sich leicht zur Seite.

Öffnete der Mund sich unter der Kutte? Im flackernden Licht der Kerzen war es schwer zu sagen. Die Stimme war hoch und metallisch und wie von einer anderen Welt, und Matthew spürte einen Schauder über seinen Rücken laufen.

»Ich werde mir Eure Berichte zu gegebener Zeit anhören« , sagte der Roboter. Sirki stand über einen Meter weit dahinter, ein Stück zur Seite weg. »Aber jetzt, wo Ihr alle hier versammelt seid, habe ich eine Bitte.«

Schweigen dehnte sich aus. Lief das Zahnradwerk nicht mehr? Dann rasselte die Kette und der Kopf bewegte sich wieder. Die rechte Hand hob sich, um zum zweiten Mal den Zeigefinger überlegend ans Kinn zu legen.

»Ich suche nach einem Mann« , sagte die Professor-Fell-Attrappe. »Er heißt Brazio Valeriani. Man hat ihn zuletzt in Florenz gesehen, vor einem Jahr. Seitdem ist er verschwunden. Ich suche diesen Mann. Das ist alles, was Ihr im Moment wissen müsst.« Der Finger entfernte sich vom Kinn und der Kopf drehte sich langsam von links nach rechts. »Der Person, die Brazio Valeriani findet, werde ich fünftausend Pfund zahlen«, sagte die Stimme der Maschine. »Der Person, die ihn zu mir bringt, werde ich zehntausend Pfund zahlen. Vielleicht wird Gewalt nötig sein. Ihr seid meine Augen und meine Hände. Suchet« , sagte die Stimme, »und Ihr werdet finden.«

»Entschuldigung, Sir«, meldete Mack Thacker sich wie ein wohlerzogenes Kind zu Wort. »Aber wo ist er?«

»Ich habe Euch alles gesagt, was Ihr wissen müsst.« Wieder neigte der gesichtslose Kopf sich zur Seite. »Das ist meine Bitte.«

Matthew war fasziniert. Anscheinend hatte die Konstruktion doch menschliche Ohren. Und die Zahlen, die die Maschine gerade genannt hatte, waren unglaublich. Matthew brannte vor neuen Fragen. Wo war dieser Brazio Valeriani und warum war er Professor Fell so ungeheuer viel wert?

Der Roboter schwieg. Die Stille war drückend. Sie wurde plötzlich vom Scheppern eines auf den Tisch fallenden Glases zerrissen, das Matthew fast von seinem Stuhl aufspringen ließ. Jonathan Gentrys Hand musste vom Saft des Wegtretens wohl taub geworden sein; der gute, von Drogen verwirrte Arzt hielt sich seine ungehorsame Hand vors Gesicht und untersuchte die Finger, als gehörten sie jemandem, den er nicht kannte.

Die Zahnräder bewegten sich wieder – und damit auch der Kopf, der sich ein Stück nach hinten lehnte.

»Einer von Euch« , sagte die Stimme der Maschine, »ist zum Sterben hergebracht worden.«

Matthew machte sich fast in die Hose. Wenn sein Herz noch ein bisschen schneller klopfte, würde es sich aus seiner Brust losreißen und durch die Banketthalle rollen.

»Um für Eure Sünde bestraft zu werden« , fuhr der Roboter fort. »Ihr wisst, was Ihr getan habt.« Die rechte Hand hob sich, der Zeigefinger lockte, und Sirki zog den brutal gekrümmten Dolch mit der gezahnten Schneide aus seinen schwarzen Gewändern. Dann marschierte der indische Riese nach vorn, schlenderte langsam und entspannt hinter den Gästen entlang, die Matthew gegenübersaßen. »Ihr habt mich verraten« , sagte die Blechzunge. »Dafür werdet Ihr diesen Raum nicht bei lebendigem Leibe verlassen.«

Sirki setzte seinen Spaziergang fort. Auf dem Juweleneinsatz und der grausigen Klinge funkelte das Kerzenlicht.

»Ich biete Euch die Gelegenheit zu sprechen. Mir Eure Sünde zu beichten. Dann wird Euch ein schnelles, gnädiges Ende zuteilwerden.«

Niemand sagte etwas. Niemand außer Sirki bewegte sich, der jetzt um das andere Ende der Tafel herumkam und hinter Adam Wilson entlangging.

»Sprecht« , sagte die Maschine. »Einen Verräter werde ich nicht dulden. Sprecht, solange Euch das Leben noch durch die Adern rinnt.«

Es wurde nicht gesprochen, obwohl Aria Chillany hörbar einatmete, als Sirki hinter ihr vorbeikam. Matthews Hoden hatten sich bereits in seiner Bauchhöhle verkrochen.

Sirki ging weiter. Hinter Mother Deare blieb er stehen, drehte sich um und begann wieder in die andere Richtung zu gehen. Er hielt das Messer niedrig, einsatzbereit.

»Es geht um Kymbelin« , wurde die schreckliche Stimme wieder laut, jetzt mit spöttischem Klang. »Ihr wisst, dass nichts vor mir geheim gehalten werden kann. Gesteht jetzt.«

Keine Zunge bewegte sich, obwohl sich vielleicht selbst in dieser rauen Gesellschaft Herzen zusammenzogen und Urin sammelte.

»Leider« , sagte die Maschine, »ist die Zeit Eurer Buße jetzt abgelaufen.« Und dann fügte sie hinzu: »Doctor Gentry.«

»Was?«, fragte Gentry. Seine Augen waren glasig. Speichel trat ihm auf die Unterlippe.

Sirki blieb stehen. Hinter dem guten, von Drogen benebelten und zum Tode verurteilten Arzt holte der Riese aus und hieb Gentry die gezahnte Klinge rechts in den Hals.

Mit der anderen Hand packte er Gentrys Haare. Und dann begann er zu sägen, vor und zurück.

Matthew zuckte zusammen, als das Blut auf ihn spritzte. Überall sonst hätte er unter diesen Umständen einen Angstschrei ausgestoßen, aber in diesem Raum hätte das wohl ein weiteres Todesurteil bedeutet. Aber das Grauen wurde noch schlimmer, als Gentry Matthew den Kopf zudrehte, während er ihm abgesägt wurde. Auf Gentrys Gesicht stand mehr Verwunderung als Schmerz geschrieben, als das rote Blut aus der immer tiefer werdenden Wunde strömte. Matthew erkannte, dass der Saft des Wegtretens Wirkung zeigte. Vielleicht war es nur gut, dass die Nerven betäubt und der Arzt in eine andere Welt befördert war.

Aber leider war es in dieser Welt, wo sein Kopf methodisch – und mit einer gewissen Freude, musste man wegen Sirkis grimmigem Lächelns sagen – abgetrennt wurde.

Augustus Pons gab ein ersticktes Keuchen von sich, obwohl es nicht sein Hals war, der geöffnet wurde. Toy drückte sich an seinen Herrn wie eine zweite Haut oder zumindest ein zweiter Anzug. Das Blut spritzte und sprühte aus Gentrys Halswunde, und obwohl der Körper zu zittern und die Hände nach dem Tisch zu greifen begannen, war die Miene des Arztes so gelassen und beherrscht, als lauschte er der Stimme eines Patienten neben sich.

Und tatsächlich – im nächsten Moment fragte Gentry Matthew mit bluttropfenden Lippen: »Sagt mir, was fehlt Euch?«

Auf der anderen Seite des Tischs hatte Jack Thacker sein Selbstbewusstsein so weit wiederhergestellt, dass es für ein hohles Lachen reichte, das Mack Thacker mit einem gespenstischen Kichern beendete. Zwischen ihnen saß Fancy mit den Haaren im Gesicht, aber ihr Blick war auf die Blutbäche geheftet, die zwischen den Gläsern und Tellern flossen.

Die rechte Seite von Gentrys Hals und Schulter war eine von dunklen Fäden und Klumpen verbundene rote Masse, wie ein grauenhafter Anzug, bei dem eine wichtige Naht reißt. Die Wunde sah wie ein klaffender, zahnloser Mund aus. Zu seinem eigenen absoluten Entsetzen konnte Matthew nicht wegschauen.

Gentrys Augen schienen tief in sein einst teuflisch gutaussehendes Gesicht zu sinken, das jetzt hager und bleich geworden war. Als er wieder sprach, war seine Stimme nur noch ein heiseres Krächzen. »Papa?«, sagte er zu Matthew. »Ich hab meine Hausaufgaben fertig.«

Die Klinge sägte weiter vor und zurück, vor und zurück. Dem Riesen war der Schweiß auf den Wangen ausgebrochen.

Aria gab den Anfang eines Schreis von sich, schluckte ihn aber wieder herunter. Ihre Augen waren riesengroß; die Saphire waren zu Onyx geworden. Am Ende des Tischs lehnte Adam Wilson sich zu dem grausigen Schauspiel vor, mit strahlenden Augen hinter seinen Brillengläsern und zuckender Nase, wie hingerissen durch den Geruch von so viel Blut. Cesar Sabroso hielt mit schlaffem Mund und toten Augen in jeder Hand eine Flasche Wein und klammerte sich daran wie ans Leben selbst.

Plötzlich schien Gentry sich darüber bewusst zu werden, was mit ihm geschah. Er stieß einen bebenden Schrei aus und versuchte aufzustehen, aber die Hand des Riesen war fest in seine Haare gekrallt und die verebbende Kraft des Arztes versiegte so abrupt, wie sie aufbegehrt hatte. Der Saft des Wegtretens war offensichtlich ein äußerst starkes Gebräu. Gentry fiel zurück auf seinen Stuhl. Sein Kopf hing nach links herunter und seine Hände zuckten und krampften sich auf den Armlehnen zusammen, während seine Beine unter dem Tisch strampelten und zu laufen versuchten. Aber es gab keinen Ort, an den er laufen konnte.

»Oh«, ächzte die zerfleischte Totenstimme, während der Körper ruckte und sich schüttelte. »Papa … heute hab ich Sarah … geküsst.«

Fast schwarzes Blut sprudelte beim nächsten Schnitt der Sägezähne hervor. Der inmitten der dickflüssigen roten Flut aus Gentrys Mund ertönende Ton mochte eine Stimme sein, der bemitleidenswerte Schrei um ein verlorenes Leben oder die letzten stolzen Worte eines gutaussehenden kleinen Jungen: »Ich glaub, sie mag mich.«

Die Messerklinge traf auf Knochen und schabte mit einem Geräusch darüber, das Matthew die Haare zu Berge stehen ließ. Krachend kippte Minx Cutters Stuhl um; sie war aufgestanden und wich nach hinten zurück. Anscheinend hatte sie genug von diesem Gang des Festmahls.

»Raus, wenn Ihr Euch übergeben müsst!«, fuhr Mother Deare sie ganz und gar nicht mütterlich an. Minx ging zur Treppe, aber nicht schneller als sonst. Sie bewegte sich mit bedächtigen, ja fast verachtungsvollen Schritten.

Die Sägezähne auf Knochen. Gentrys Tritte gegen den blutbedeckten Fußboden. Fast wäre Matthew aufgesprungen und ebenfalls gegangen, aber ihm schien, dass der hartherzige, skrupellose Nathan Spade dies durchgestanden hätte. Und so musste er es auch.

Es war nur unter Aufbietung seiner ganzen Willenskraft möglich, dass er sitzenbleiben konnte, denn in den nächsten unerträglichen Sekunden brach Sirki durch die Halswirbel und durchtrennte so viel Fleisch, dass er den Kopf vom blutenden Strunk abreißen konnte. Sirki legte den Kopf des einstmals lebendigen Jonathan Gentry auf den Tisch vor dessen einstmaligen Körper, und während das bleiche Gesicht mit den tief eingesunkenen Augen in der Qual der absterbenden Nerven Grimassen schnitt, rutschte der Körper mit der knochenlosen Eleganz einer rohen Auster unter den Tisch.

Abgesehen vom Tropfen war es totenstill.

»Und damit ist die Lektion beendet« , sagte der Roboter, der den rechten Zeigefinger in die Luft streckte.

Es war Jack Thacker, der als nächster etwas sagte.

»Professor, Sir?«, fragte er in seinem nasalen Akzent. »Bekommen wir keinen Nachtisch?«

Die Hand des Roboters senkte sich. Unter Kettengerassel drehte der mechanische Kopf sich von einer Seite zur anderen, als suchte er nach dem Fragesteller. »Natürlich bekommt Ihr Nachtisch«, erklang die gespenstische Metallstimme. »Und Ihr habt ihn Euch verdient. Auf der Terrasse werdet Ihr Vanillekuchen, gezuckerte Mandeln und ein paar äußerst gute Flaschen Chateau d’Yquem finden. Für meine Besten nur mein Bestes.« Der Kopf nickte leicht und die Stimme fügte hinzu: »Und jetzt werde ich Gute Nacht wünschen.«

Sirki hatte das grausige Messer in zwei Servietten eingewickelt. Jetzt ging er hinter die Maschine und legte den Hebel um, der sie vermutlich abstellte. Die Geräusche der Zahnräder und Ketten erstarben. Die Figur saß bewegungslos in genau der Position da, die sie zu Anfang gehabt hatte. Sirki deckte sie wieder mit der Plane ab und rollte sie auf die versteckte Tür zu.

Gentrys Gesicht hatte aufgehört, sich zu verzerren. Der brave Arzt war den Weg allen Fleisches gegangen, auf recht wüste Weise, entweder in die Himmlische Apotheke oder das Höllenloch der unheilbaren Krankheiten. Als Matthew merkte, wie blutbespritzt sein eigener Anzug war, drückte er sich seine Serviette an den Mund. Anscheinend bedeutete Pendulum Island nicht nur Menschen den Tod, sondern auch Kleidung. Er wusste jetzt auch, wer den zwei Leichen in der Nassau Street mit welchem Werkzeug die Köpfe abgetrennt hatte. Gentrys verstümmelter Hals war ähnlich ausgefranst wie die Hälse der beiden – eine Observation, die nur er machen konnte, aber er klammerte sich an sein Geschick als Problemlöser, um nicht ganz in der Jauchegrube unterzugehen, auf der seine Maskerade basierte.

»Zeit für Vanillekuchen«, sagte Mack mit einer Hand auf dem Bauch.

Offenbar hatte das eben miterlebte Drama die Thackers ihre Feindschaft Nathan Spade gegenüber fürs Erste beiseitelegen lassen. Sie standen auf, zerrten Fancy zwischen sich und schlenderten die Treppe hoch, als wären sie gerade Zeuge eines außerordentlich mitreißenden Tanzabends gewesen … oder, für sie wohl passender, tanzender Fäuste.

Matthew konnte nicht beurteilen, wie lange er dazu brauchte, aber irgendwie erhob er sich, rutschte etwas auf dem blutigen Boden aus und arbeitete sich zur Treppe vor. Er mochte keinen der anderen ansehen, und auch ihn sah niemand an. Er hatte den Eindruck, dass Adam Wilson ein kaum verborgenes freudiges Grinsen im Gesicht hatte. Anscheinend bewunderte der unsichtbare Finanzexperte blutrünstige Gewalt. Auf seinem Weg nach oben fragte Matthew sich, wer wohl den Kopf vom Tisch nehmen, die Leiche entfernen und das schreckliche Blutbad aufwischen würde. Ihm schien, dass man äußerst verzweifelt nach einer Anstellung suchen musste, um derartige Arbeiten zu verrichten.

Aber vielleicht waren die Dienstboten in diesem Haus an alles gewöhnt. Matthews Knie zitterten, als er die Stufen hochwankte. Ihm war nicht nach Vanillekuchen, gezuckerten Mandeln und Dessertwein zumute. Auf halbem Wege die Treppe hoch spürte er etwas in sich zerbrechen. Plötzlich stand ihm prickelnd kalter Schweiß auf der Haut. Er musste sich ans Geländer krallen, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Dann richtete er sich auf, so gut er konnte, und zerrte sich am Geländer die Stufen hoch wie ein Mann an einem Rettungsseil.

Immer noch schwitzend und mit dem Geruch von Blut in der Nase betrat er sein Zimmer und machte hinter sich die Tür zu. Er schob den Riegel vor. Er sah, dass im Kerzenständer auf der weißen Kommode immer noch die drei Talglichter brannten, die er vorher angesteckt hatte. Es drängte ihn, seine Blase in den Nachttopf zu erleichtern, aber stattdessen wankte er auf die Lamellentüren zu, um tief die Seeluft einzuatmen und vielleicht den blutigen Nebel aus seinem Kopf zu verscheuchen.

Und dann sah er, dass auf dem weißen Stuhl mit der schwarz bestickten Rückenlehne der Professor-Fell-Roboter saß. Die Maschine hatte ein dürres Bein über das andere Knie gelegt.

»Hallo, Matthew«, sagte die Konstruktion mit einer Stimme, die jetzt weder metallisch noch hoch klang, aber in ihrer unbewegten, mechanischen Ausdrucksweise trotzdem gespenstisch war. »Ich glaube, wir sollten uns unterhalten.«