KAPITEL 20

Der Ausschuss für die Weihnachtsfestlichkeiten traf sich am Montag im Rathaus im Besprechungsraum zur letzten Sitzung vor der feierlichen Eröffnung, die am zweiten Samstag im Dezember stattfinden würde. Howard war voll in seinem Element und freute sich wie ein Kind auf das Einschalten der Lichter des Weihnachtsbaums. Der Marktplatz würde sich mit Ständen füllen, die gesamte Innenstadt von Serenity würde ununterbrochen mit Weihnachtsmusik beschallt werden. Mit seiner pingeligen, hartnäckigen Detailverliebtheit trieb er Tom sichtlich in den Wahnsinn.

Während Mary Vaughn lauschte, wie ihr ehemaliger Schwiegervater unaufhörlich vor sich hin plapperte, wurde ihr klar, warum sie ihn nie als besonders einschüchternd empfunden hatte. Er war bloß wie ein zu groß geratenes Kind.

»Hat schon irgendjemand nachgesehen, wann genau es derzeit dunkel wird?«, feuerte Howard eine weitere Frage in Toms Richtung ab. »Der Zeitpunkt muss exakt geplant werden. Wir wollen die Beleuchtung am Baum und alle anderen Lichter genau dann einschalten und keine Minute zu früh. Nur so erzielen wir die maximale Wirkung. Immerhin wollen wir die anwesenden Menschen ja vom Hocker reißen.«

Bevor Tom antworten konnte, wandte sich Howard an Mary Vaughn. »Kommt Rory Sue dieses Wochenende nach Hause? Sie hat es immer geliebt, dabei zu sein, wenn die Lichter am Baum eingeschaltet werden.«

»Sie sagt, sie muss noch für die letzten beiden Prüfungen vor den Feiertagen lernen«, antwortete Mary Vaughn. »Die sind nächste Woche. Gleich danach kommt sie nach Hause.«

Howard gab sich keine Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. »Tja, daran führt wohl kein Weg vorbei«, brummte er. »Trotzdem schade. Wäre ein toller Start in die Weihnachtszeit gewesen, sie hier zu haben.«

Allmählich beschlichen Mary Vaughn ernste Zweifel, ob schöne Weihnachtsfeiertage überhaupt möglich sein würden. Rory Sue hatte sich bislang geweigert, sich den Skiurlaub aus dem Kopf zu schlagen. Jedes Gespräch mit ihr artete in ein Gefecht aus. Keiner der Pläne, die Mary Vaughn und Sonny geschmiedet hatten, schien ihr zu gefallen. Mary Vaughn fürchtete langsam, ihre Tochter würde sich aus reinem Trotz weigern, sich zu amüsieren.

»Das ist so lahm«, zählte zu ihren häufigsten Kommentaren. Mittlerweile hatte Mary Vaughn das so oft gehört, dass sie sich jedes Mal auf die Zunge beißen musste, um von Rory Sue nicht in scharfem Ton zu verlangen, ihre Einstellung zu ändern. Welche Konsequenzen sollte sie ihr schon androhen? Deshalb schwieg sie dazu. Sie konnte ihr ja schlecht Hausarrest aufbrummen. Und wenn sie ihrer Tochter stattdessen sagte, sie könnte sich die Mühe sparen, mit einer solchen Laune nach Hause zu kommen, würde Rory Sue höchstens vor Freude jubeln und mit ihrer Freundin schnurstracks nach Colorado reisen.

Je länger die Sitzung dauerte, desto tiefer versank Mary Vaughn selbst in Unmut. Sie hatte sich aufrichtig gewünscht, dass dieses Weihnachtsfest für ihre Tochter, ja für die gesamte Familie etwas Besonderes würde. Im Verlauf der Wochen, die Sonny und sie Pläne für ein altmodisches Weihnachtsfest voller Nostalgie und Traditionen geschmiedet hatten, war in ihr zunehmende Freude darauf erwacht, etwas wiederaufleben zu lassen, was früher für sie alle eine so besondere Zeit im Jahr gewesen war. Zum ersten Mal seit Jahren würden sie ein richtiges Familienfest feiern. Bis vor kurzem war ihr nicht bewusst gewesen, wie sehr ihr das gefehlt hatte. Ebenso wenig hatte sie bemerkt, wie unheimlich sie es vermisst hatte, etwas mit Sonny zu planen, der sich ihre Ideen tatsächlich anhörte und ihr eine Freude bereiten wollte.

Während ihrer Ehe hatte sie so viel als selbstverständlich betrachtet. Nach dem Ende hatte sie sich eingeredet, es hätte keine Rolle gespielt und sie wäre durchaus in der Lage, allein für sich und Rory Sue zu sorgen. Was sie auch war. Finanziell ging es ihr mehr als gut. Nur fühlte sie sich verdammt einsam.

Als die Sitzung endlich vorbei war, drehte sich Jeanette zu ihr um. »Was ist los?«, fragte sie. »Du siehst elend aus.«

Mary Vaughn hatte sich so sehr daran gewöhnt, ihre Gefühle zu verbergen, dass sie es beinah geleugnet hätte. Stattdessen seufzte sie. »So fühle ich mich auch.«

»Komm mit«, forderte Jeanette sie auf. »Gehen wir ins Corner Spa und trinken wir einen Tee. Dabei kannst du mir erzählen, was los ist.«

»Warum?«, fragte Mary Vaughn, verwirrt von dem Angebot.

»Weil du aussiehst, als könntest du eine Freundin gebrauchen«, antwortete Jeanette schlicht.

Völlig unerwartet traten Mary Vaughn Tränen in die Augen. Eine Freundin? Das war sogar genau, was sie brauchte. Nachdem sie zu viele Jahre lang ihre Energie in die Suche nach einem Mann gesteckt hatte, wurde ihr wieder einmal bewusst, wie verzweifelt sie sich nach einer Freundin sehnte. Nach jemandem, von dem man einen ehrlichen Rat erhalten, dem man Vertrauen schenken und mit dem man gemeinsam lachen konnte. Wie bei den süßen Magnolien untereinander.

»Du musst nicht so tun, als wärst du meine Freundin«, sagte sie aus Gewohnheit zu Jeanette. Immerhin hatte sich Mary Vaughn ihr Leben lang bemüht, niemanden ihre Bedürftigkeit erkennen zu lassen.

»Ich tue nicht nur so«, gab Jeanette ungeduldig zurück. »Ich dachte, das hätten wir längst geklärt. Nur weil wir noch keine Zeit für einen Kinobesuch oder ein gemeinsames Mittagessen gefunden haben, heißt das doch nicht, dass wir keine Freundinnen sind. Jetzt lass uns verschwinden, bevor jemand – insbesondere dein ehemaliger Schwiegervater – dich weinen sieht und Fragen stellt, die du nicht beantworten willst.«

»Ich weine nicht«, protestierte Mary Vaughn schniefend und wischte sich Tränen von den Wangen, die ihre Worte Lügen straften.

Auf dem Weg vom Rathaus zum Corner Spa legte Jeanette ein forsches Tempo vor. Dann ging sie außen um das Gebäudes herum voraus bis zur Terrasse und zeigte dort auf einen Tisch. »Setz dich. Ist zwar ein bisschen kühl draußen, aber hier werden wir nicht gestört. Ich hole unsere Getränke und bin gleich wieder da.«

Mary Vaughn ließ sich an dem schmiedeeisernen Tisch nieder und wartete. Jeanette kam mit zwei Gläsern süßem Tee und zwei Blaubeer-Muffins zurück.

»Das kann ich nicht essen«, protestierte Mary Vaughn automatisch.

Jeanette stellte den Muffin trotzdem vor sie hin. »Trostessen«, erklärte sie kurz und bündig. »Jetzt sag mir, was los ist. Hat es was mit Rory Sue zu tun?«

Einerseits ja … andererseits auch nicht. Mary Vaughn überlegte, wie sie es am besten erklären sollte. Gedankenverloren brach sie ein Stück von dem Muffin ab. Während sie es kaute, seufzte sie praktisch über die saftig-weiche Konsistenz und die Geschmacksexplosion von Blaubeeren.

»Angefangen hat es mit Rory Sue«, begann sie schließlich. »Sie wollte in den Ferien verreisen.«

»Zum Skifahren«, erinnerte sich Jeanette.

»Genau«, bestätigte Mary Vaughn und steckte sich zerstreut mehr von dem Muffin in den Mund. »Und da ich es ihr nicht erlauben wollte, habe ich mich mit Sonny zusammengetan. Wir haben alle möglichen Pläne geschmiedet. Du weißt schon, damit es für Rory Sue trotzdem das beste Weihnachten aller Zeiten wird.«

Jeanette nickte. »Okay. So weit kann ich dir folgen. Ist das nicht so gelaufen, wie du es wolltest? Macht Sonny nicht mit? Du hast mir nämlich erzählt, anfangs hätte er das.«

»Sonny ist toll gewesen.« Mit Nachdruck fügte sie hinzu: »Richtig, richtig toll.«

Jeanettes Augen wurden groß. »Schläfst du mit ihm?«

»Nein«, antwortete sie und spürte, wie ihr Hitze in die Wangen stieg. Sie senkte ihre Stimme, obwohl sich niemand sonst auf der Terrasse befand. »Aber ich möchte es. Plötzlich will ich meinen Ex-Mann zurück. Wie schräg ist das denn?«

»Komm schon, Mary Vaughn, daran ist gar nichts schräg. Hast du mich schockiert erlebt, als du mir neulich gesagt hast, dass du ihn zurückhaben willst? Er ist attraktiv, erfolgreich, witzig«, sagte Jeanette. Sie klang nicht annähernd so entsetzt, wie Mary Vaughn erwartet hatte. »Dass du dich zu ihm hingezogen fühlst, sollte keine so riesige Überraschung für dich sein.«

»Aber als wir verheiratet waren, habe ich mich nicht so hingezogen zu ihm gefühlt«, gestand Mary Vaughn, bevor sie einen weiteren Bissen des Blaubeer-Muffins runterschluckte. »Ich habe ihn nicht zu schätzen gewusst. Er war einfach nur Sonny, der Kerl, der mich immer geliebt hatte, mein sicherer Hafen.«

»Und jetzt?«

»Er ist sexy. Er bringt mich zum Lachen. Und weißt du, er versteht mich. Er kennt meine gesamte Geschichte. Früher hab ich das für einen Nachteil gehalten. Aber jetzt gefällt es mir sehr, dass ich mich nicht erklären oder meine Gefühle verbergen muss. Ihm gegenüber kann ich völlig offen sein, weil ich weiß, dass er nie über mich urteilen wird.« Sie vergrub das Gesicht in den Händen. »Das hab ich dir alles schon mal erzählt, oder? Bestimmt bist du’s längst leid, mir zuzuhören. Es ist nur so, dass ich mit sonst niemandem darüber reden kann, um mir klar über alles zu werden, verstehst du? Manchmal muss man Dinge laut aussprechen, um zu merken, was man dabei empfindet. Zu Hause herumzulaufen und Selbstgespräche zu führen, bringt nichts. Das ist einfach nicht dasselbe.«

»Ich weiß«, erwiderte Jeanette beruhigend. »Für mich klingt das so, als wärst du erwachsen geworden und hättest dich verliebt.«

Mary Vaughn seufzte schwer. »Ja, das fürchte ich auch.«

»Du fürchtest es? Warum?«

»Weil Sonny mit der Vergangenheit abgeschlossen hat. Ich habe dir doch erzählt, dass ich ihn mit einer Frau gesehen habe, nicht wahr? Aber ich weiß immer noch nicht genau, was zwischen den beiden läuft. Ich hab versucht, es herauszufinden. Aber niemand, bei dem ich nachgefragt habe, scheint etwas darüber zu wissen. Mit Sicherheit weiß ich nur, dass er mich nicht mehr will. Was immer er einst für mich empfunden hat, ich habe es abgetötet.«

»Wie kannst du dir so sicher sein, wenn du ihm nicht gesagt hast, was du fühlst?«, fragte Jeanette vernünftig.

»Ich weiß es einfach, okay?«, sagte Mary Vaughn. »Er reagiert auf kein einziges meiner Signale.«

»Und was für welche sind das? Rauchsignale?«, scherzte Jeanette. »Komm schon. Er ist ein Mann. Da musst du direkt sein.«

Mary Vaughn schüttelte den Kopf. »Weißt du, ich habe ihn gefragt, ob er die Scheidung je für einen Fehler gehalten hat. Das hat er verneint. Erzwingen kann ich also nichts. Und ich lasse nicht zu, dass er mir ins Gesicht lacht.«

»Da ihr inzwischen so viel Zeit miteinander verbracht habt, wird er vielleicht nicht mehr lachen«, konterte Jeanette. »Beziehungen entwickeln sich weiter. Menschen ändern sich. Mit der Zeit sehen sie die Dinge anders. Was früher mal gestimmt hat, gilt vielleicht nicht mehr. Mit Sicherheit erfährst du es nur, wenn du ein ernsthaftes Gespräch mit ihm darüber führst.«

Mary Vaughn wünschte, sie könnte das glauben. Sie griff nach mehr von dem Muffin und stellte fest, dass nur noch Krümel auf dem Teller lagen. »Ich sage dir, er ist fertig mit mir«, meinte sie trostlos. »Immerhin hat er die Scheidung gewollt. Ich weiß, dass alle in der Stadt dachten, ich hätte ihn abserviert, aber so war es nicht. Er hat mich verlassen.«

»Hat er denn je wieder geheiratet?«

»Natürlich nicht«, erwiderte Mary Vaughn. »Ich würde mich nie an einen verheirateten Mann ranmachen.« Sie runzelte die Stirn über Jeanettes zweifelnden Blick. »Ronnie Sullivan war nicht mit Dana Sue verheiratet, als ich es bei ihm versucht habe. Warum wird das immer wieder vergessen? Sie waren zu dem Zeitpunkt geschieden.«

»Okay, aber darum geht’s ja auch nicht«, sagte Jeanette. »Bleiben wir bei dir und Sonny. Du glaubst also, dass er fest mit jemandem zusammen ist …«

»Bei der Frau von der Arbeit bin ich mir nicht hundertprozentig sicher. Vielleicht.«

»Und doch verbringt er über die Feiertage so viel Zeit mit dir«, merkte Jeanette an. »Falls sie wirklich ein paar Dates hatten – was soll’s? Ich dachte, du wärst fest entschlossen, um ihn zu kämpfen. Und so ernst kann es ihm mit ihr nicht sein, wenn er die Feiertage mit dir verbringt. Sonst würde die Frau das nicht dulden. Das sagt mir, dass er sich nicht auf etwas Neues eingelassen hat, jedenfalls nicht unwiderruflich. Wenn du ihn wirklich zurückhaben willst, wenn du eure Scheidung wirklich für einen Fehler hältst, wirst du das Risiko eingehen und deine Gefühle aufs Spiel setzen müssen. Es ist noch nicht lange her, da warst du dazu bereit.«

Obwohl Mary Vaughn im Geschäftsleben sehr direkt sein konnte, hatte sie im Privatleben mit solchen Risiken wenig Erfahrung. Na ja, abgesehen von Ronnie. Und das war ja nicht so gut gelaufen. Die gesamte Stadt hatte hinter ihrem Rücken über sie gelacht.

»Hast du das schon mal gemacht?«, fragte sie Jeanette.

Die jüngere Frau grinste verlegen. »Tatsächlich erst vor kurzem.«

»Wie ist es gelaufen?«

»Nicht so gut, um ehrlich zu sein.«

Mary Vaughn sah sie bestürzt an. »Das ist jetzt nicht die Ermutigung, die ich mir erhofft hatte.«

»Ja, für mich war’s auch nicht so toll. Aber immerhin hat es zu einer Verständigung geführt. Und es hat mich an etwas erinnert, das meine Mutter oft zu mir gesagt hat: Alles Lohnenswerte ist es auch wert, darum zu kämpfen.«

Die vertrauten Worte schlugen eine Saite in Mary Vaughn an. Wie oft hatte sie sich vor Jahren dasselbe gesagt, als sie sich abgerackert hatte, um sich nach der Hölle ihrer Kindheit ein eigenes Leben aufzubauen? Im Verlauf der Zeit hatte sie immer wieder um Dinge gekämpft, die sie wollte. Aber ausgerechnet beim wichtigsten Ziel hatte sie diese Botschaft irgendwie aus den Augen verloren. Sie hatte sich ausgeredet, darum zu kämpfen, weil sie Angst davor hatte zu verlieren.

Mary Vaughn trank ihren Tee aus, stand auf und umarmte Jeanette innig. »Vielen Dank.«

»Ich hab nur zugehört.«

»Nein, du warst mir eine Freundin, als ich wirklich eine gebraucht habe«, erwiderte Mary Vaughn. »Ich kann dir gar nicht sagen, was mir das bedeutet. Nach dem Einschalten der Baumbeleuchtung ist bei mir zu Hause Tag der offenen Tür. Ich hoffe, du kommst. Bring Tom mit.«

»Sehr gern«, antwortete Jeanette. »Ich rede mit ihm darüber und melde mich dann bei dir.«

»Nicht nötig. Kommt einfach, wenn ihr könnt.«

»Wird Sonny da sein?«

»Das ist der Plan«, sagte Mary Vaughn. Und sie wusste, dass sie sich darauf verlassen konnte, denn er war der zuverlässigste Mann, den sie je gekannt hatte.

Wenn sie ihm anvertraute, was sie in letzter Zeit empfand, bestand natürlich durchaus die Möglichkeit, dass er sich aus dem Staub machen und die Feiertage weit weg von Serenity – und vor allem ihr – verbringen würde.

* * *

Die dicke Einladung traf mit der Nachmittagspost ein. Tom starrte auf die förmliche Schrift und wusste ohne einen Blick auf den Absender, dass der Brief von seinen Eltern stammte. Sie läuteten Weihnachten immer am zweiten Samstag im Dezember mit einer großen Party ein, deren Besuch von ihm erwartet wurde. Da das Datum mit dem Eröffnungsabend der Weihnachtsfestlichkeiten von Serenity zusammenfiel, würde er dieses Jahr absagen müssen. Vermutlich mit unschönen Folgen. Am besten brachte er es sofort hinter sich.

Er griff zum Telefon und wählte die Privatnummer seiner Mutter. Während dieser gesellschaftlich regen Zeit beschäftigte sie eine Sekretärin, die das Telefon zu Hause beantwortete und ihren Terminplan überwachte.

»Hallo, Mutter«, grüßte er, als sie auf Anhieb ranging.

»Schatz, wie geht es dir?«, erkundigte sie sich. Sie klang zufrieden. »Ich habe damit gerechnet, heute von dir zu hören. Hast du die Einladung bekommen?«

»Ist gerade gekommen.«

»Und natürlich wirst du hier sein. Bringst du jemanden mit?«, fragte sie. »Oder soll ich eine Tischnachbarin für dich arrangieren?« Bei dem Vorschlag schwang in ihrer Stimme ein unverkennbar hoffnungsvoller Ton mit.

»Es tut mir echt leid, Mutter, aber ich kann dieses Jahr nicht.«

Verblüfftes Schweigen folgte auf seine Ankündigung. Dann sagte sie: »Was um alles in der Welt meinst du damit, dass du nicht kannst? Wir veranstalten diese Party jedes Jahr am selben Samstag. Ist ja nicht so, als hätte ich das Datum aus dem Hut gezogen. Natürlich kommst du. Was auch immer du stattdessen vorhast, es kann unmöglich wichtiger sein. Sag es einfach ab.«

»Das kann ich nicht, Mutter. Dies ist eine dienstliche Verpflichtung. An dem Abend beginnen die Weihnachtsfestlichkeiten der Stadt. Ich muss hier sein.«

»Um was zu tun? Dafür zu sorgen, dass die Lichter am Baum angehen?«, fragte sie spöttisch.

»Tatsächlich ja. Und um mich darum zu kümmern, dass die Standbetreiber alles haben, was sie brauchen, und alles reibungslos läuft.«

»Das ist doch absurd. Dafür musst du nicht persönlich dort sein. Delegier es. Lass das deine kleine Freundin machen.«

»Falls du Jeanette meinst, die hat an dem Abend eigene Verpflichtungen. Sie kann meine nicht übernehmen.«

»Thomas McDonald, ich kann nicht glauben, dass du irgendeiner lächerlichen Zeremonie in diesem Nichts von einer Kleinstadt mehr Bedeutung beimisst als deiner eigenen Mutter.«

Er hatte mit dem Vorwurf gerechnet, trotzdem musste er tief durchatmen, bevor er antwortete. Ihm persönlich lag nichts an solchen gesellschaftlichen Verpflichtungen, seiner Mutter jedoch umso mehr. »Das ist kein Wettbewerb. Hier geht es um meinen Job«, betonte er. »Wenn ich kommen könnte, würde ich, weil ich weiß, wie wichtig es dir ist.«

»Warte, bis das dein Vater erfährt«, lamentierte sie. »Er wird dazu das eine oder andere zu sagen haben.«

»Da bin ich mir sicher«, murmelte Tom. Sein Vater fungierte schon als ihr inoffizieller Vollstrecker, so lange sich Tom zurückerinnern konnte. Er hat die Dynamik ihrer Ehe nie ganz verstanden. Ebenso wenig konnte er sich erklären, warum sich sein sonst so starker Vater allzeit bereitwillig den Wünschen seiner Frau fügte.

»Was hast du gesagt?«, fragte seine Mutter gereizt.

»Nichts, Mutter. Hör mal, der Terminkonflikt tut mir leid, aber mir sind die Hände gebunden. Wir sehen uns ein andermal.«

»Am Wochenende darauf«, stürzte sie sich sofort auf die Gelegenheit. »An dem Freitag veranstalte ich eine weitere Dinnerparty. Im kleineren Rahmen. Es kommen nur ein paar Geschäftspartner deines Vaters. Das wollte ich mit dir besprechen, wenn wir uns gesehen hätten. Aber da du die Tage ja offensichtlich so beschäftigt bist, trage ich es dir besser gleich in den Kalender ein.«

Tom wollte diese Einladung genauso wenig annehmen wie die erste, war jedoch schlau genug, nicht erneut eine Ausrede vorzubringen. Wenn er wollte, dass seine Mutter respektierte, was ihm wichtig war, musste er ihr dieselbe Höflichkeit entgegenbringen. Zumindest oft genug, um den Frieden zu wahren.

»Wir werden da sein«, ließ er sie wissen.

»Wir?«, hakte sie misstrauisch nach.

»Jeanette und ich.«

»Tom, das ist vollkommen unangebracht.«

»Unangebracht?«, wiederholte er in frostigem Ton. Damit verflog der letzte Rest seiner guten Laune. »Wenn Jeanette in deinem Haus nicht willkommen ist, sollte ich vielleicht überdenken, ob ich noch dorthin gehöre.«

»Ach, um Himmels willen, dann bring sie eben mit«, erwiderte sie unwirsch. »Aber mach mir keine Vorwürfe, wenn sie nicht in die Runde passt.«

»Ich werde dir Vorwürfe machen, wenn du nicht tust, was immer du kannst, damit sie sich willkommen fühlt«, warnte er. »Bitte Mutter, tu das für mich.«

»Viel kann ich nicht tun«, behauptete sie, klang jedoch mittlerweile deutlich weniger ablehnend.

»Mutter, wir wissen beide, dass sich deine Gäste an dir orientieren. Sieh zu, dass du die richtigen Signale sendest. Sonst kannst du mich für den Rest der Feiertage vergessen.«

»Du bist ein unglaublich sturer, eigensinniger junger Mann«, warf sie ihm vor, allerdings steckte nicht mehr viel hinter den Worten.

»Ich habe von zwei Meistern gelernt«, konterte er. »Grüß Papa von mir, ja?«

»Gern. Aber ich erwähne lieber nicht, wie dickköpfig du gewesen bist.«

Tom lachte. »Natürlich wirst du das. Du wirst nicht widerstehen können. Hab dich lieb, Mutter.«

Sie seufzte dramatisch. »Ich dich auch«, erwiderte sie.

Trotz ihrer Worte ließ sich nicht überhören, dass er diese Liebe auf die Probe gestellt hatte. Er ahnte, dass es noch etliche weitere solche Prüfungen geben würde, solange Jeanette in seinem Leben wäre. Obwohl er sich nicht erklären konnte, warum seine Mutter eine derartige Abneigung gegen sie hegte. Sein Bauchgefühl verriet ihm, dass es über den lächerlichen Vorfall im Chez Bella hinausging. Hinzu kam der eigenartige Eindruck, dass es sich nicht mal um Jeanette persönlich drehte, sondern darum, was sie repräsentierte.

An der Stelle legte er auf. Was könnte seine Beziehung mit Jeanette mit seinen Eltern zu tun haben? Sahen sie in ihr eine Art Bedrohung für seine Verbindung zu ihnen? Das würde nur passieren, wenn sie sich weiterhin auf ihr feindseliges Verhalten ihr gegenüber versteiften.

Wenn sich die Dinge mit Jeanette so entwickelten, wie er es sich erhoffte, würde er sich mit seiner Mutter und seinem Vater zusammensetzen und ein klärendes Gespräch führen müssen. Er wollte, dass die beiden sie so schätzten wie er. Noch wollte er nicht daran denken, was es bedeuten würde, falls sie das nicht könnten. Die Brücke würde er dann überqueren, wenn es so weit wäre.

* * *

Jeanette beendete gerade einen riesigen Stapel Papierkram in ihrem Büro. Als sie aufschaute, erblickte sie an der Tür einen Mann, der ihr vage bekannt vorkam. Er erinnerte sie an eine ältere Version von Tom, was sie völlig verblüffte. Selbst wenn sie ihn nicht schon vor Wochen aus der Ferne gesehen hätte, sie hätte Toms Vater erkannt. Nur hatte sie keine Ahnung, was er hier wollte.

»Mr. McDonald, was kann ich für Sie tun?«

Er schien überrascht zu sein, dass sie erraten hatte, wer er war. »Sie wissen, wer ich bin?«

»Sie und Ihr Sohn sehen sich sehr ähnlich. Und bei Ihrem ersten Besuch in Serenity wären wir uns beinah begegnet. Möchten Sie hereinkommen und sich setzen? Wir könnten auch auf die Terrasse gehen, wenn Ihnen das lieber ist.«

»Hier ist es gut«, erwiderte er und betrat das kleine Büro, wodurch es sich noch beengter anfühlte.

Er ließ sich auf der Kante eines Stuhls ihr gegenüber nieder und musterte sie unverhohlen neugierig. »Ich kann nachvollziehen, was mein Sohn in Ihnen sieht«, sagte er schließlich. »Sie besitzen eine gewisse elfenhafte Ausstrahlung.«

Jeanette wusste nicht, wie sie die Äußerung auffassen sollte, und erwiderte nichts.

»Sie sind die völlig Falsche für ihn.«

»Noch vor ein paar Wochen hätte ich dasselbe gesagt«, gab sie zurück.

»Wirklich?« Er klang verdutzt über ihre Offenheit.

»Unsere Welten liegen ziemlich weit auseinander«, fuhr sie fort. »Aber Tom hat mich fast überzeugt, dass wir die Kluft überbrücken können.«

Er griff ihre Wortwahl auf. »Fast?«

»Er kann ziemlich überzeugend sein.«

Es ließ sich nicht übersehen, dass ihre Bemerkung ihm nicht passte. Er verengte die Augen zu Schlitzen. »Was wäre nötig, damit Sie es sich anders überlegen?«, fragte er.

»Wie bitte?« Bestimmt hatte sie ihn falsch verstanden. Oder zumindest meinte er nicht, was die Frage erahnen ließ.

»Meine Frau hat mir erzählt, dass Sie in Paris gelebt haben. Also sind Sie nicht bloß eine Landpomeranze, die naiv glaubt, Liebe könnte alles erobern, richtig? Sie wissen, wie es auf der Welt läuft.«

»Das würde ich gern glauben«, erwiderte sie vorsichtig.

»Also, was wäre nötig, damit Sie mit meinem Sohn Schluss machen?«

»Was nötig wäre?«, echote sie. »Bieten Sie mir gerade tatsächlich Geld an, damit ich mich nicht mehr mit Tom treffe?«

»Geld, einen Job in einer anderen Stadt, was immer nötig ist«, bestätigte er. »Mein Sohn hat eine strahlende Zukunft vor sich, sobald er sich diese verrückte Idee aus dem Kopf geschlagen hat, für Kommunalverwaltungen zu arbeiten. Damit er sein volles Potenzial ausschöpfen kann, braucht er die richtige Frau an der Seite, jemanden mit gesellschaftlichem Ansehen.«

Jeanette war bis dahin so verblüfft von seinem unverhofften Besuch gewesen, dass sie noch keine Zeit gehabt hatte, sich ernsthaft beleidigt zu fühlen. Aber Thomas McDonald überschritt rasant eine Grenze. Sie stand auf.

»Ich denke, Sie gehen jetzt besser«, sagte sie zu ihm.

»Nicht, bevor wir eine Vereinbarung haben.«

»Dann werden Sie hier ziemlich lange allein sitzen«, gab Jeanette zurück. »Ich habe nämlich nicht die Absicht, mir das noch länger anzuhören. Es ist nicht nur beleidigend für mich, sondern auch für Ihren Sohn. Für mich ist offensichtlich, dass Sie nicht respektieren, was für ein freundlicher, anständiger, hart arbeitender Mann er ist. Er liebt, was er tut, und es ist wichtig.«

»Er plant Weihnachtsfeierlichkeiten«, kam verächtlich von dem Mann. »Jemand wie Tom sollte Gesetze verabschieden und die Welt verbessern, statt sich um die Dekoration eines lächerlichen Baums zu kümmern.«

»Weil Sie und Ihre Frau für solche niederen Tätigkeiten jemanden bezahlen?«, schoss Jeanette zurück. »Ich hab von dem Spektakel gehört, das Sie zu Hause um Weihnachten veranstalten, also muss es jemandem wichtig sein. Ihrer Frau vielleicht? Obwohl sie natürlich nicht ein einziges Schmuckstück selbst aufhängt. Dafür gibt es ja Tagelöhner.«

»Der springende Punkt ist …«

»Der springende Punkt ist, dass Sie ein Snob sind, Mr. McDonald. Und ich höre mir kein weiteres Wort an, das Sie über mich oder Ihren Sohn zu sagen haben. Was zwischen Tom und mir läuft, geht Sie nichts an.«

»Da irren Sie sich«, entgegnete er hitzig. »Ich lasse nicht zu, dass er sein Leben für jemanden wie Sie wegwirft.«

»Sie kennen mich ja nicht mal«, konterte Jeanette. »Und jetzt raus.«

»Ich werde meinem Sohn erzählen, wie unhöflich und respektlos Sie sich mir gegenüber verhalten haben«, kündigte er hochmütig an.

Darüber lächelte Jeanette. »Und ich werde ihm erzählen, wie beleidigend und rüpelhaft Sie sich mir gegenüber verhalten haben. Was meinen Sie wohl, worüber er wütender sein wird?«

Er schaute überrascht drein. »Mumm haben Sie, das muss ich Ihnen lassen«, gestand er ihr widerwillig zu.

»Vielleicht sollten Sie das im Hinterkopf behalten«, sagte sie.

»Ich habe Clarisse gesagt, dass es eine schlechte Idee ist«, brummelte er und wirkte niedergeschlagen.

Zu erfahren, dass seine Frau hinter dem Besuch steckte, überraschte Jeanette weniger, als es vielleicht sollte. Es ließ sich ja nicht leugnen, dass sie beide sich nicht grün waren. Sie wusste nur nicht, was die Frau veranlasst hatte, ihren Mann für den Versuch herzuschicken, sie auszubezahlen.

»Zumindest darin sind wir uns einig«, sagte sie. »Es war eine miese Idee.«

In seinen Augen flackerte ein Anflug von Respekt auf. »Unter anderen Umständen …«, begann er, verstummte jedoch abrupt.

»Was?«, hakte sie nach.

»Das böse Blut zwischen Ihnen und meiner Frau sitzt tief«, meinte er.

»Sagen Sie mir lieber etwas, das ich nicht weiß. Zum Beispiel, warum, das ist mir nämlich immer noch nicht völlig klar. Oder was Sie dazu bewogen hat, herzukommen und zu versuchen, mich aus Toms Leben zu kaufen. Es geht doch nicht nur darum, was im Chez Bella passiert ist, oder?«

Mr. McDonald schüttelte den Kopf. Er schien abzuwägen, ob er ihr ausführlich antworten sollte, also wartete Jeanette einfach.

»Sie wissen, dass mein Sohn und ich uns seit langem uneins über seine Zukunft sind«, sagte er schließlich.

»Hat er erwähnt«, erwiderte sie.

»Es geht nicht darum, dass ich ihn kontrollieren will. Nicht mal darum, dass mich die gesellschaftliche Stellung oder dergleichen schert.«

»Aber Ihre Frau offensichtlich sehr wohl«, merkte Jeanette an.

Er bedachte sie mit einem reumütigen Blick. »Sie sagen das genauso abschätzig wie mein Sohn. Weder er noch Sie verstehen, wie wichtig der Status in bestimmten Kreisen ist. Clarisse stammt von Geldadel ab. Ihre Familie hatte einen ausgezeichneten Ruf, was ich von meiner nicht behaupten kann. Wir hatten zwar mal Geld und gesellschaftliches Ansehen, aber bis ich erwachsen wurde, hatte mein Vater sowohl das Vermögen als auch unseren Ruf so ziemlich in den Sand gesetzt. Er hat schlechte Geschäftsentscheidungen getroffen, hat gespielt. Und er hatte Affären. Das trifft zwar auf viele Männer zu, aber die meisten sind dabei wesentlich diskreter als mein Vater. Jeder in Charleston wusste Bescheid. Er hat meine Mutter gedemütigt. An meinem Bruder und mir blieb es hängen, darum zu kämpfen, dass die Familie nicht alles verliert.«

»Das muss schwer gewesen sein«, meinte Jeanette leise. Sie glaubte, allmählich zu verstehen.

»Man kann es sich nicht vorstellen, wenn man es nicht miterlebt hat. Ich war ein junger Mann mit guten Verbindungen, aber praktisch mittellos, als ich diese erstaunliche Frau kennengelernt habe, die jeden hätte heiraten können. Clarisses Eltern wussten um die wirtschaftlichen Verhältnisse meiner Familie. Ganz zu schweigen von den Geschichten über meinen Vater. Sie haben darauf bestanden, dass es keine Hochzeit geben würde.«

Sein Gesichtsausdruck wurde nostalgisch. »Clarisse war schon damals überaus imposant. Ein Nein hat sie als Antwort schlichtweg nicht akzeptiert. Sie hat mich geliebt und an mich geglaubt. Sie hat unsere mögliche Zukunft schon gesehen, als ich noch alles andere als überzeugt davon war. Als ihre Eltern nicht einlenken wollten, sind wir durchgebrannt. So viel Vertrauen hatte sie in mich.« Er begegnete Jeanettes Blick. »Vielleicht verstehen Sie jetzt, warum ich alles für sie tun würde.«

»Ich denke, das tue ich«, bestätigte sie. »Und ich kann auch nachvollziehen, warum sie jemanden wie mich als Bedrohung für alles ansieht, was sie sich für Ihre Familie wünscht. Sie will, dass Tom eine Frau heiratet, die ihm das Leben erleichtert. Nicht eine, die er vielleicht ständig verteidigen muss, weil sie nicht in seine Welt passt.«

Er wirkte überrascht. »Ich finde es sehr großmütig, dass Sie versuchen, ihren Standpunkt zu verstehen. Vor allem, nachdem ich mich heute so danebenbenommen habe«, gestand er. »Das tut mir übrigens aufrichtig leid.«

Jeanette glaubte ihm. »Haben Sie je Tom etwas davon erzählt?«

»Nein. Als er und seine Schwestern klein waren, wollten wir sie damit nicht unnötig belasten. Wir wollten, dass sie die glückliche, normale Kindheit haben, die ihnen als McDonalds zugestanden hat.«

»Es könnte hilfreich sein, wenn er wüsste, was damals passiert ist.«

»Wahrscheinlich haben Sie recht. Clarisse und ich reden uns gern ein, wir hätten diese Zeit endgültig hinter uns gelassen. Aber offensichtlich ist sie nicht so tief vergraben, wie wir gehofft haben. Sie beeinflusst immer noch, wie wir auf bestimmte Dinge reagieren.«

»Erzählen Sie es ihm«, legte Jeanette ihm nahe.

»Ich tue es, wenn Sie etwas für mich tun«, feilschte er.

»Ich breche den Kontakt zu Ihrem Sohn nicht ab«, warnte sie ihn.

Er lächelte. »Natürlich nicht. Nur bitte geben Sie meiner Frau etwas Zeit, sich an die Vorstellung zu gewöhnen. Ich denke, wenn Clarisse Sie erst besser kennenlernt, wird sie begreifen, dass Sie genau die Richtige für unseren Sohn sind. Sie besitzen echte Integrität. Das schätzt sie sehr.«

»Danke, dass Sie das sagen.«

Hoffnungsvoll sah er sie an. »Können wir diesen Besuch einfach vergessen?«

»Ich denke nicht, dass ich alles davon vergessen will«, entgegnete Jeanette. »Sie haben mir eine Perspektive gegeben, die ich dringend gebraucht habe.«

»Also hat sich sogar noch etwas Gutes daraus ergeben?«

Sie lächelte. »Ein bisschen.«

»Das ist schön. Also, kommen Sie mit ihm zu der Dinnerparty? Es wäre wichtig, dass er dabei ist. Und meine Frau hat den Eindruck, dass er ohne Sie nicht kommen wird.«

Jeanette wollte nicht zugeben, dass Tom nichts von irgendeiner Dinnerparty erwähnt hatte, also nickte sie nur. »Wenn er mich mitnehmen möchte.«

Sein Vater schüttelte über ihre Antwort mit einem verhaltenen Lächeln auf den Lippen den Kopf. »Sie erinnern mich an jemanden.«

»Ach ja?«

»Eigentlich ist es ironisch, aber Sie sind meiner Frau sehr ähnlich.«

Jeanette runzelte die Stirn. »Wahrscheinlich verstehen wir uns deshalb so gut«, erwiderte sie sarkastisch.

Er lachte. »Nein, wirklich. Sie sind genauso stur wie sie, genauso eigensinnig. Und wenn Sie lieben, dann mit allem, was in Ihnen steckt, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen. Kein Wunder, dass mein Sohn so vernarrt in Sie ist. Er tut mir fast leid.«

»Wie bitte?«

»Glauben Sie einem Mann, der seit vierzig Jahren mit einer solchen Frau verheiratet ist. So bleibt das Leben interessant. Anspruchsvoll, aber interessant.«

Damit ging er an ihr vorbei hinaus und ließ sie mit offenem Mund zurück. Die Begegnung hatte Jeanette die Augen geöffnet. Hätte ihr jemand vor einer Stunde gesagt, sie würde einen Mann sympathisch finden, der gerade versucht hatte, sie zu kaufen, sie hätte darüber gelacht. Und doch hatte Mr. McDonald sie mit seiner Offenheit irgendwie für sich eingenommen. Jeanette glaubte, es könnte auch ihr gelungen sein, sich seinen Respekt zu verdienen. Es blieb nur abzuwarten, ob sich dadurch etwas am weiteren Verlauf der Dinge änderte.