Wie hieß es so schön? Positive Gedanken befördern Positives zutage? Man muss nur daran glauben? Die Hoffnung stirbt zuletzt? »Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben«, murmelte Gretchen, während sie auf ihrem Weg durchs Foyer nur eben Sir James über den Kopf strich, der sich – wie üblich – vor einem der lodernden Kamine niedergelassen hatte, und dann schnurstracks auf ihr Büro zuhielt. Heute würde sie den Tag vor dem Abend loben und davon ausgehen, dass Minnie Barnes, ihr Filmteam und jegliche Verrücktheiten, die sie alle mit sich brachten (eine Passkontrolle im Wald beispielsweise), bis zur Weihnachtswoche verschwunden waren. Sie würde Herb Wallister anrufen. Ihn fragen, wann er gedachte, sich ihrem Bauprojekt zu widmen. Anschließend überlegen, ob sie das Wild at Heart über die Feiertage nicht doch öffnen und einige Stammkunden einladen sollte – die Angoves, Polly Morgan und Robert Calloway vielleicht – einfach, um der Tradition willen, und damit das Haus nicht leer stand zum Fest. Denn leer, das würde es sein, wenn der Dreh beendet, die Wagen von dannen gezogen und die schreckliche Minnie aus ihrem Leben verschwunden war, richtig? Sie hätte wieder mehr Zeit, würde durchatmen können, Nicholas sehen und …
Das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte.
Gretchen ließ sich auf den Stuhl dahinter fallen und nahm ab.
»Wild-at-Heart-Hotel, guten Tag. Was kann ich für Sie tun?«
»Hallo? Spreche ich mit diesem Hotel in Cornwall? Das, in dem die Dreharbeiten zu dieser Serie stattfinden?«
»Tut mir leid, darüber kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Möchten Sie ein Zimmer buchen? Im Augenblick nehme ich Reservierungen für den Sommer entgegen, wenn Sie …«
»Hier ist Richy Manners von der Sun mit einer Nachfrage zu der Pressekonferenz heute Vormittag. Würden Sie bitte bestätigen, dass …«
»Es tut mir wirklich außerordentlich leid, aber ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen. Bei Informationen rund um die Dreharbeiten müssten Sie sich bitte direkt an die Produktionsfirma wenden.«
»Cool Corner, richtig? Sie haben nicht zufällig eine Durchwahl für mich?«
Gretchen unterdrückte ein Seufzen. Das war nicht der erste Anruf dieser Art, und sie war nicht das Sekretariat für diese Leute. »Leider nein. Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen konnte. Auf Wiederhören.«
Sie drückte den Finger auf die Gabel. Und bevor noch jemand anders wegen der Pressekonferenz anrufen konnte, sah sie in der Adresskartei nach der Nummer von Herb Wallister und tippte sie ein.
Wie sich herausstellte, war Herb nach wie vor zu Hause, da es seinem Bein immer noch nicht sonderlich gut ging. Der Heilungsprozess zog sich hin, weil er bei dem Versuch, seiner Enkelin ein Glas Marmelade vom obersten Regal der Speisekammer zu holen, von der Trittleiter und auf sein Knie gestürzt war.
»In diesem Jahr wird das auf keinen Fall mehr etwas«, sagte Herb. »Im Januar eventuell auch noch nicht. Bleibt es denn bei dem Vorhaben, eine neue Scheune hochzuziehen? Bruno hat dem alten Lewis letztens erzählt, dass Theo eventuell andere Pläne hat. Irgendwas mit unterirdischen Gängen und Piraten.«
»Äh … wie bitte?«
»Irgendwas mit Piraten«, wiederholte Herb. »Und Schatztruhen. Nun ja. Ihr werdet euch schon einigen. Erst mal besteht ohnehin keine Eile. Bis der Schnee weg ist, dauert es sicher ein paar Wochen, und dann ist der Boden womöglich noch eine Zeit lang gefroren.«
»Mr. Wallister …« Gretchen stockte. Hatte sich der alte Herb bei seinem Sturz womöglich nicht nur sein Knie angeschlagen?
»Der Sturm, Kindchen. Es wird ein riesiger Schneesturm aufziehen. Dauert nicht mehr lange.«
Gretchen runzelte die Stirn. »Schneesturm.« Sie musste daran denken, was Sara gesagt hatte – dass es nach Schnee roch und danach, als würde sich etwas zusammenbrauen. Aber es hatte seit Jahren nicht mehr vernünftig geschneit in Cornwall. Und jetzt sollte es auf einmal so viel davon geben, dass er bis Januar liegen blieb?
»Spätestens Mitte Dezember«, sagte Herb.
»Alles klar«, erwiderte Gretchen. Sie seufzte. »Ich werde mit Theo reden. Und wir sprechen am besten im Januar wieder über einen Termin, ja?«
»Aber klar, Kindchen. Januar.«
Als Gretchen auflegte, klingelte das Telefon erneut.
»Hallo, hier ist Bob Harper vom Daily Telegraph. Spreche ich mit dem Hotel, in dem die Pressekonferenz …«
Man sollte den Tag nicht vor dem Abend loben, dachte Gretchen. Und die Ruhe nicht vor dem Sturm. Und … und überhaupt.