13

ANTARKTIS, 10. APRIL 2013

War das alles?« Eileen sah Henry fragend an. »Mehr gibt es nicht?«

Henry schüttelte den Kopf, den Blick auf den Monitor des Netbooks fixiert, von dem er während der letzten Minuten mit lauter Stimme vorgelesen hatte. »In der Datei, die ich vom Think-Pad herüberretten konnte, waren dies die letzten Einträge. Ich nehme an, dass Dad der Rechner heruntergefallen ist, unmittelbar nachdem er diese Zeilen getippt hatte. Als er ihn nicht mehr zum Laufen bekam, hat er sein Tagebuch vermutlich auf einem anderen PC fortgesetzt.«

»Shit!« Lincoln, der mit geschlossenen Augen zugehört hatte, schüttelte sich. »Das war mit Abstand die gruseligste Story, die ich seit Langem gehört habe. Jahrmillionen alte Inschriften im Gestein, unbekannte Lebensformen, eingefroren im ewigen Eis … Daraus könnte man eine spitzenmäßige Akte X-Folge machen!«

»Was hat das zu bedeuten?«, erkundigte sich Morten Gray, der ruhig, jedoch mit unverkennbarem Interesse gelauscht hatte. »Dr. Wilkins ist also auf eine gigantische Steinsäule gestoßen, die im Eis verborgen war?«

»Das erklärt, wieso die Norweger in einer Tiefe, wo es eigentlich kein Grundgestein geben dürfte, auf Fels gestoßen sind«, meldete sich Boris Golitzin zu Wort. Er hockte in der Nähe eines Benzinkochers, auf dessen Flamme ein Kessel Tee vor sich hindampfte. Er war seit geraumer Zeit damit beschäftigt, die Kassette mit Papieren zu durchforsten, die sich mit dem Laptop in der zweiten Magazinkiste befunden hatte.

»Wenn die Spitze der Felsnadel wirklich nur zwei Meter breit ist, standen die Chancen, sie inmitten dieser endlosen Eiswüste mit einem Bohrer zu treffen, eins zu einer Milliarde«, stellte Lincoln fest. »Oder schlechter.«

»Deshalb spricht Dad ja auch von einem ›aberwitzigen Zufall‹«, erinnerte ihn Henry.

»Und auf der Spitze dieser Säule befand sich eine Inschrift …«, fuhr Morten Gray fort.

»… so alt, dass keines Menschen Hand sie dort eingemeißelt haben kann«, beendete Eileen den Satz für ihn. »Das war es, was Donalds Kollegin so verstörte.« Sie wandte sich an Professor Albrecht. »Kennen Sie diese Leute, die Donald in den Aufzeichnungen erwähnt? Da ist eine Li, dann gibt es einen gewissen Burton Clegg, offenbar Biologe …«

Der Professor nickte und setzte seine Brille auf, die er während der vergangenen Minuten gedankenverloren poliert hatte. »Li ist Dr. Li Huong, eine japanischstämmige Paläo-Geologin von beachtlichem Ruf. Bei Dr. Burton Clegg handelt es sich um einen Biologen aus London. Donald kennt ihn, glaube ich, noch aus dem Studium.«

»Und Dr. Eisley?«, wollte Henry wissen, nachdem er ein Stück im Text zurückgescrollt war.

»Dr. Joshua Eisley ist Polarforscher, Spezialgebiet Atmosphärenforschung«, erklärte Boris Golitzin, ohne von den Papieren auf seinem Schoß aufzusehen. »Ich habe in den vergangenen Jahren zwei seiner Expeditionen begleitet. Für einen Akademiker eine eher untypische Gestalt: breitschultrig, durchtrainiert, sehr versiert in technischen Belangen. Es überrascht mich nicht, dass ausgerechnet er sich einen Mechanismus zum Erweitern des Eisbohrkanals einfallen ließ.«

»Angenommen, die Muster auf der Spitze der Felsnadel wären authentisch«, nahm Eileen den Faden wieder auf. »Angenommen, sie sind Millionen Jahre alt. Wer in Gottes Namen könnte sie dort angebracht haben? Menschen oder auch nur entfernte Vorfahren des Menschen gab es um diese Zeit noch nicht.«

Darüber hatte sich Henry beim Lesen des Tagebuchs ebenfalls den Kopf zerbrochen. Bevor er jedoch Vermutungen zu dieser Frage anstellen konnte, meldete sich Lincoln neben ihm zu Wort:

»Das liegt doch auf der Hand«, rief er. »Die Symbole stammen von denselben hoch entwickelten Besuchern, die schon den alten Ägyptern beim Bau ihrer Pyramiden geholfen haben.« Mit vielsagendem Blick wies er senkrecht in die Höhe.

Doch entweder begriff niemand, was er sagen wollte, oder niemand wollte den Einwurf kommentieren. Lamont erhob sich und trat mit fragendem Blick an Henrys Seite.

»Dieses Tagebuch ist wirklich alles, was du an Daten vom PC deines Vaters retten konntest?«, vergewisserte er sich. »Mich würde der Bericht dieses Dr. Clegg interessieren, von dem die Rede war.«

Henry zuckte bedauernd mit den Schultern. Er drehte sein Netbook so, dass der Arzt den Bildschirm sehen konnte. Ein wirres, vielfach verästeltes Baumdiagramm war darauf zu erkennen. An den Enden nahezu aller Zweige leuchtete das Symbol eines Ordners, der von einem gezackten Riss in zwei Hälften geteilt wurde. »Die Ordnerstruktur der Festplatte ist zerstört. Ich denke, neben dem physischen Stoß liegt das an den extremen Temperaturen, denen das Gerät ausgesetzt war. Die wenigen Bruchstücke von Dads Expeditionstagebuch konnte ich nur durch einen aufwendigen Scan lokalisieren.«

Lamont runzelte die Stirn, doch dann nickte er.

»Was ich fand, waren die letzten Seiten der betreffenden Textdatei. Leider war auch diese teilweise beschädigt. Ursprünglich muss es eine Menge mehr Einträge gegeben haben, zum Beispiel aus den Tagen vor Dads Abreise von der Bohrstelle. Leider ließen sie sich nicht rekonstruieren.«

»Trotzdem, ausgezeichnete Arbeit! Niemand von uns hätte das hinbekommen.« Eileen neigte anerkennend den Kopf in Henrys Richtung. Professor Albrecht und Dr. Lamont schlossen sich an.

Henry winkte ab. Er hatte sich die Mühe gemacht, um seinen Vater zu finden. Der Umstand, dass einer der Einträge tatsächlich die Koordinaten eines Punktes enthielt, zu dem Donald Wilkins sich von hier aus auf den Weg gemacht hatte, war ihm Belohnung genug.

»Damit ist klar, in welche Richtung wir morgen früh starten«, freute sich Eileen. »Nach Südosten.«

»Und es besteht wirklich keine Chance, an das Obduktionsprotokoll dieses Dr. Clegg heranzukommen?«, wandte sich Lamont erneut an Henry.

»Ich habe sofort danach gescannt, als ich im Text von diesem Dokument las.« Henry schüttelte den Kopf. »Ohne Resultat. Entweder sind die entsprechenden Partien der Festplatte unrettbar hinüber, oder die Datei war auf einem anderen Rechner abgelegt. Dem PC von Dr. Clegg beispielsweise.«

Lamont seufzte. »Das ist schade. Ich hätte zu gern gewusst, was …«

»Dr. Lamont, würden Sie mal kommen?« Golitzin zog mehrere zusammengeheftete A4-Blätter aus der Metallkassette und hielt sie in die Höhe. »Ich denke, dies könnte möglicherweise ein Papierausdruck des Berichts sein.«

Eine Sekunde später war der Mediziner an seiner Seite und peilte mit zusammengekniffenen Augen auf die Papiere. »Phänomenal! Das scheint tatsächlich eine Art Korrekturausdruck zu sein … Da, sehen Sie: Dr. Clegg hat am Rand handschriftlich Ergänzungen vorgenommen.«

»Sie als Mediziner dürften mit der verwendeten Terminologie am ehesten vertraut sein.« Professor Albrecht füllte seinen Becher mit dampfendem Tee. »Wären Sie so freundlich, uns in knappen Worten zu berichten, was darin steht?«

Lamont nickte begeistert. »Gern. Dr. Golitzin, wenn Sie mir …«

Doch der Russe hielt die Blätter nach wie vor fest. Er hatte zur letzten Seite geblättert, sein Blick war auf einen bestimmten Textabsatz geheftet. Nachdem er ihn gelesen hatte, überließ er Lamont widerwillig das Dokument. Während sich der Mediziner auf einer Kiste niederließ und die Papiere durchzugehen begann, stand Golitzin auf, zog Parka und Handschuhe über und verließ mit raschen Schritten das Zelt.

»Was ist denn mit dem los?« Ratlos sah Eileen dem Russen nach.

»Vielleicht geht er eine rauchen«, vermutete Lincoln. »Gerade jetzt, wo‘s spannend wird.« Er machte eine auffordernde Geste in Lamonts Richtung. »Legen Sie los, Doc! Wie sah das Ding aus?« Er schloss die Augen und hob in einer unfreiwillig komischen Geste eine Hand an die Schläfe. »Lassen Sie mich raten: Es hatte einen Wasserkopf und schwarze, mandelförmige Augen? Und an seinem zierlichen Körper klebten noch Fetzen einer silbrigen Weltraummontur. Richtig?«

Dr. Lamont überflog mit konzentriertem Blick die ersten beiden Seiten. »Ich fürchte, ich muss dich enttäuschen, Link«, sagte er dann. »Davon ist hier nicht die Rede.« Er sah kurz auf und räusperte sich, bevor er vorzutragen begann: »Gemessene Größe des Organismus: zweihunderteinunddreißig Zentimeter. Geschätztes Gewicht: vier bis fünf Zentner. Körperbau rhombenförmig …«

»Rhombenförmig?« Lincoln runzelte die Stirn.

»Ein Rhombus ist ein lang gestreckter geometrischer Körper, der an den Enden schmaler ist als in der Mitte«, erklärte Professor Albrecht ruhig.

»Shit! Das trifft quasi auf jeden der Säufer aus Onkel Eds Kneipe in Vermont zu.« Lincoln klang enttäuscht.

»Epidermis grau, von ledrig-zäher Beschaffenheit, erinnernd an Pachydermen«, fuhr Lamont fort.

»Sie sollten doch dolmetschen«, erinnerte ihn Eileen lächelnd.

»Pachydermen sind Dickhäuter«, mischte sich Henry ein. »Elefanten und Nashörner zum Beispiel.«

»Wie? Oh ja, genau.« Dr. Lamont überflog die nächsten Zeilen. »Senkrechte, armdicke Wülste, verlaufend von einem Ende des Rumpfes zum anderen, ähnlich den Dauben eines Fasses. Insgesamt elf Gliedmaßen …« Lamont stockte. »Sonderbar. Hier steht tatsächlich ›elf‹. Ich habe noch nie von einem Lebewesen mit einer ungeraden Anzahl von Extremitäten gehört. Sie?«

Professor Albrecht schüttelte den Kopf. Mit einer ungeduldigen Geste forderte Eileen den Doktor auf fortzufahren.

»Vier gefaltete Schwingen (Flossen?) aus ledrigem Hautgewebe, angeordnet rings um den Körper, untergebracht in Taschen zwischen den Wülsten; fünf Arme, zwei davon muskulös und extrem kräftig, drei in Form vielfach verästelter, weicher Tentakel, ebenfalls rings um den Körper verteilt. Am unteren Ende zwei dicht nebeneinandersitzende Extremitäten, ähnlich den Schwanzflossen einer Robbe. Zwischen fünf sternförmig auseinanderstehenden Zehen feste, schwimmflossenartige Haut. Standfläche erinnert im gespreizten Zustand an einen Seestern.«

»Was ist mit dem Kopf?«, erkundigte sich Lincoln nervös. »Hatte das Ding keinen verdammten Kopf?«

»Am oberen Ende des Rumpfes eine einzelne fünfstrahlige Verwachsung, wiederum ähnlich einem Seestern, Durchmesser etwa fünfzig Zentimeter. Senkrecht nach oben ausgerichtet wie bei einer Blume. Im Zentrum: knorpelige Verdickung, in der zwei rudimentär entwickelte Augen zu erkennen sind. Flacher, zum Teil in Hautfalten eingebetteter Schnabel, erinnernd an einen Kalmar oder Kraken.« Lamont überflog die folgenden Absätze schweigend. Als er den Blick erneut von den Papieren hob, drückte seine Miene Fassungslosigkeit aus. »Dr. Clegg wagt keine Prognose, ob es sich um ein Land- oder ein Wassertier handelte. Die gefalteten Hautlappen schienen sowohl Charakteristika von Flügeln wie auch von Flossen aufzuweisen, ebenso die unteren Extremitäten.«

»Und wegen des sternförmigen, nach oben gerichteten Kopfes dachte er zunächst an eine Pflanze«, fügte Eileen hinzu.

Stille senkte sich über das Zelt. Die einzigen Geräusche waren der Wind, der um die äußere Schicht der Plane strich, sowie das gedämpfte Brummen der beiden Heizgeräte.

Schließlich hielt Henry die Ungewissheit nicht mehr aus. »Aber was war es denn nun? Was hatte Dad da ausgegraben?«

»Möglicherweise eine Mutation«, sagte der Professor nach kurzem Zögern. »Eine Weddelrobbe oder ein Seeelefant, der durch einen genetischen Fehler auf groteske Weise missgestaltet zur Welt kam.«

Eileen schüttelte den Kopf. »Eine Mutation wäre nicht alt genug geworden, um eine solche Größe zu erreichen. Genetisch fehlgebildete Tiere sind in der Regel schwach und kränklich, sie sterben meist wenige Wochen nach der Geburt.«

»Ganz abgesehen davon«, mischte sich Henry ein, »wie sollte eine Robbe viele Hundert Kilometer ins Landesinnere kommen, noch dazu eine verkrüppelte?«

»Ein berechtigter Einwand«, gab Professor Albrecht zu.

»Könnte es sich um eine bislang unentdeckte Lebensform gehandelt haben?«, wollte Morten Gray wissen. Der Funker hatte, wie es seine Art war, stumm dagesessen und zugehört. Jetzt wurde er aktiv, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. »Soweit ich weiß, kam es im vergangenen Jahrhundert immer wieder vor, dass an entlegenen Winkeln der Welt neue, bislang unbekannte Tierarten entdeckt wurden.«

»Tiefseefische!« Lincoln nickte eifrig. »Bei jedem Tauchgang in die Abgründe des Meeres werden Dutzende neuer Fisch- und Krebsarten mit nach oben gebracht.«

»Oh, auch größeren Landlebewesen gelang es zum Teil überraschend lange, unentdeckt zu bleiben.« Gray schloss die Augen. »Tiere wie der Komodowaran oder das Okapi wurden beispielsweise erst Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts entdeckt.«

»Selbstverständlich wäre eine neue Gattung denkbar.« Professor Albrecht wiegte nachdenklich den Kopf. »Solche Theorien haben allerdings immer einen Haken … denselben Haken, auf den man seit Jahren die Wirrköpfe aufmerksam macht, die darauf beharren, im schottischen Loch Ness habe bis heute ein Nachfahre des Plesiosaurus überlebt.«

»Aber Nessie existiert!«, rief Lincoln sofort. »Das Internet ist voll von Videos, die ganz eindeutig …«

»Was für einen Haken meinen Sie?«, wollte Gray wissen.

»Wenn wir annehmen, eine unbekannte Gattung habe von der Urzeit bis heute überdauert, würde das voraussetzen, dass es nicht nur eines dieser Tiere gibt. Auch drei oder vier Exemplare würden nicht ausreichen, um das Überleben der Gattung sicherzustellen. Es müsste eine lebensfähige Population geben, vorsichtig geschätzt mindestens hundert Tiere.«

»Und solche Mengen eines so auffälligen Tiers hätte man selbst in einer abgelegenen Region wie der Antarktis früher oder später entdeckt«, führte Eileen den Gedankengang fort.

Der Professor nickte zustimmend. »Nichtsdestotrotz ist das für den Augenblick wohl die einzige Erklärung, die uns bleibt.«

Lincoln verschränkte demonstrativ die Arme und schüttelte den Kopf. »Ihr vergesst eine weitere«, verkündete er. »Was, wenn das Geschöpf, das Henrys Dad gefunden hat, deswegen keiner kennt, weil es nicht von diesem Planeten stammt?«

Der Professor verzog genervt das Gesicht und setzte zu einer Erwiderung an, doch Eileen kam ihm zuvor. »Dann hätte es aber doch, ganz wie du gesagt hast, einen Raumanzug tragen müssen, nicht wahr, Link?« Sie lächelte breit. »Außerdem: Wo war sein Sternenschiff, mit dem es aus dem Weltall gekommen ist?«

»Und wieso sollte es ausgerechnet hier landen, am kältesten Punkt des Planeten? Hier laufen nicht einmal Menschen herum, die man entführen und einer Rektaluntersuchung unterziehen kann«, erklärte Morten Gray mit unbewegtem Gesicht. Es dauerte mehrere Sekunden, bis Henry begriff, dass der letzte Satz als Witz gemeint gewesen war.

Lincoln schien indessen über Eileens letzten Einwand nachzugrübeln. Zumindest hielt er für den Augenblick den Mund.

»Sonst noch etwas Aufschlussreiches im Bericht des Biologen, Duncan?«, wandte sich Eileen an den Mediziner. »Was schreibt er noch?«

Dr. Lamont war mit seiner Lektüre auf der letzten Seite angelangt. »Nicht mehr viel. Dr. Clegg hat den Körper am folgenden Tag einigen Tests unterzogen. Offenbar war der Kadaver nach einer Nacht im beheizten Zelt teilweise aufgetaut. Hier steht etwas von ›extremer Dehnbarkeit und Flexibilität der Haut‹ … Phänomenal! Sie war offenbar so zäh, dass er selbst mit einem Skalpell nur kleine Proben der oberen Schicht abraspeln konnte. Aber er scheint diverse Fotos gemacht zu haben, die vermutlich zusammen mit diesem Bericht auf seinem Rechner gespeichert waren. Leider hat Clegg den allem Anschein nach mitgenommen.«

»Schade, dass er die Gewebeproben nicht hiergelassen hat«, fand Professor Albrecht.

»Wozu brauchen wir Hautschuppen?« Aufgeregt wandte sich Henry an Dr. Lamont. »Wenn der Kadaver mehr als zweihundert Kilo wog, wird Dad ihn kaum mitgenommen haben. Steht in dem Bericht, was Dr. Clegg im Anschluss an die Untersuchung damit gemacht hat?«

»Äh, ja. Hier.« Lamont deutete auf einen Absatz auf der letzten Seite, an dem zuvor bereits Dr. Golitzin hängen geblieben war. »Clegg schreibt, dass der Körper bis zur Rückkehr des Teams im Materiallager verbleiben sollte. Die Kälte werde einen perfekten Erhaltungszustand sicherstellen, bis Dr. Wilkins und seine Leute auf dem Rückweg wieder vorbeikämen. Dann wollten sie entscheiden, was damit geschehen sollte.«

»Das Biest ist noch hier?« Lincoln machte große Augen. »Shit! Bin ich vielleicht gespannt, wie dieses Vieh …«

»Sie haben es hiergelassen?«, unterbrach ihn Eileen. »Aber im Materialzelt war nichts außer …«

»… einem umgestürzten Rolltisch«, beendete Henry den Satz für sie.

Lincoln sah verstört von einem zum anderen. »Was wollt ihr damit sagen?«

Wie aufs Stichwort wurden die Reißverschlüsse der Eingangsschleuse geöffnet, und die dick vermummte Gestalt Dr. Golitzins erschien im Zelt. Er war von oben bis unten weiß gepudert, offenbar hatte leichter Schneefall eingesetzt. Obwohl er nicht lange draußen gewesen war, glitzerten Eiskristalle in seinem Bart.

Als der Russe seinen Parka abgelegt hatte, reichte ihm Eileen einen Tee. »Wo waren Sie, Dr. Golitzin?«

»Ich habe eine Angabe aus Dr. Cleggs Bericht überprüft«, erklärte Golitzin rau und blies in seinen Becher.

»Sie waren im Materialzelt?«, vermutete Henry.

Golitzin nickte. »Ich habe den Schnee hinausgeschaufelt, der sich dort angesammelt hatte, und mir das Zelt anschließend gründlich vorgenommen. Dann habe ich die umliegende Gegend abgesucht. Etwa zwanzig Meter weiter, bei den schroffen Felsen, habe ich die Grube entdeckt, aus der Dr. Wilkins’ Männer das Wesen geborgen haben. Sonst nichts. In einem Umkreis von über hundert Metern nichts als Eis.«

»Und, äh … was bedeutet das?«, erkundigte sich Lincoln stockend.

»Das bedeutet: Was auch immer Dr. Wilkins aus dem Eis ausgegraben hat, ist verschwunden!«