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Sieben Momentaufnahmen

Weder Jon noch Antonia werden sich an die nächsten Stunden ihres Lebens genau erinnern können, ihnen bleibt nur eine Sammlung von Momentaufnahmen, ohne Chance auf eine dauerhafte Verknüpfung.

  1. Jon drückt krampfhaft den Knopf der Freisprechanlage im Wagen. Antonia fährt über den Standstreifen zur Abfahrt von der M40. Der linke Rückspiegel reißt den Spiegel eines Wagens ab, dem sie zu nahe gekommen ist. Es hagelt Glassplitter, Plastikteilchen und Kabelenden.
  2. Jon stellt den Polizeifunk an – der unter dem Armaturenbrett angebracht ist –, und hört den Notruf der Einheiten in der Umgebung. Er legt seine Hände auf die Schläfen, sie bilden ein gleichschenkeliges Dreieck der Ungläubigkeit. Was Antonia normalerweise aufgefallen wäre, aber diesmal nicht.
  3. Zwei Kastenwagen der Policía Nacional und ein Feuerwehrauto stehen vor dem Eingang des getarnten Hauptquartiers. Sie warten auf Befehle, die nicht eintreffen. Das Blaulicht funkelt gespenstisch auf der Fassade der unscheinbaren Halle. Antonia rennt in das Gebäude, gefolgt von Jon und dem Geschrei der Polizisten.
  4. Ein Feuerwehrmann mit Sauerstoffmaske hämmert mit einer Axt auf das Schloss an der Tür zum Konferenzzimmer ein. Kettenglieder fliegen durch die Luft, und aus der offenen Tür wabert eine zarte, orangefarbene Wolke. Die Körper im Raum zucken nicht mehr im Todeskampf, aber mehrere offene Augen starren auf die Tür. Als hätten sie die Hoffnung noch nicht verloren.
  5. Antonia bückt sich, um Mentors Augen zu schließen. Ihre Finger berühren kaum seine Lider. Die Rettungssanitäter haben das Hemd aufgeknöpft, um den Tod festzustellen. Einer von ihnen spricht mit Jon. Dessen Gesicht ist entstellt. Die Lippen des Sanitäters sind nach vorne gestülpt – als wolle er ihm einen Kuss geben. Sie formen die zweite Silbe des Wortes »unmöglich«.
  6. Antonia weint. Die rechte Hand ist auf die Karosserie gestützt, die linke umklammert Jons Arm, der sie zu trösten versucht, allerdings ohne sie anzusehen. Sein Blick folgt der Bahre, auf der ihr Chef abtransportiert wird. Der Regen wird stärker, und die Räder der Bahre produzieren kleine Fontänen, als sie über den Gehweg rollen.
  7. Ein Handy klingelt. Antonia zieht die Nase hoch und ihr iPhone aus der Jackentasche. Jon starrt noch immer in die andere Richtung, weshalb er sich etwas verzögert umdreht. Als sie sieht, wer anruft, wischt sich Antonia ungläubig mit dem Handrücken über das tränennasse Gesicht.