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Werde innerlich frei für dein neues Leben
U
nsere gemeinsame Reise auf deinem Weg zu dir selbst hat dich bestens vorbereitet für dein neues Leben. Bevor ich dich nun vertrauensvoll deinen Weg allein weitergehen lasse, möchte ich dir noch etwas Wichtiges mit auf den Weg geben. Für die Veränderungen, die du in deinem Leben wünschst und ab sofort in Angriff nimmst, brauchst du innere Freiheit.
Du brauchst einen wunderbaren Bauplatz für dein neues Lebensgebäude: hell, sonnig, fruchtbar, mit herrlicher Aussicht auf deine Zukunft. Der Schutt von gestern, das alte windschiefe Haus, was hier vielleicht noch steht, muss beiseite geräumt werden, und zwar gründlich.
Aber wie schaffst du das am besten?
*
Wir alle haben uns eine Lebensgeschichte gebaut, an die wir glauben. Während wir unser Lebensgebäude in vielen Jahren errichtet haben, haben wir nur das für unseren Bau verwendet, was uns wirklich wichtig erschien. Alles andere haben wir ausgeblendet. Das ist ein ganz normales Filtern, das unser Gehirn für uns erledigt. Denn stell dir vor, du würdest alles im Gedächtnis behalten, was du durchlebst.
Es gibt Menschen, die ein fotografisches Gedächtnis haben und darunter entsetzlich leiden, dass sie nichts vergessen können. Das ist eine Störung der Gehirnfunktionen. Wir können nicht mit allem leben, was ständig auf unsere Sinne einstürzt. Wir müssten uns ständig schützen vor einem Schwall von Sinneswahrnehmungen, der uns schier wahnsinnig machen würde.
Wir haben eine selektive Wahrnehmung, das heißt, wir nehmen bewusst nur das auf, was für uns wichtig ist. Und meist sind dies Eindrücke oder Erlebnisse, die mit Emotionen verknüpft sind. Das haben Hirnforscher und Psychologen in vielen Experimenten herausgefunden.
Lass es mich an einem Beispiel deutlich machen:
Ulla ist depressiv und hat Probleme, im Leben zurechtzukommen. Sie erzählt zur Erklärung ihre Lebensgeschichte, aus der ich hier nur drei
Punkte herausnehme:
»Ich bin in Hamburg zur Grundschule gegangen. Da hatte ich eine Lehrerin, die mich nicht mochte und mich das jeden Tag hat spüren lassen. Deshalb habe ich nie gelernt, Selbstvertrauen aufzubauen.
Als ich in der sechsten Klasse im Gymnasium war, hat sich meine Mutter von meinem Vater getrennt. Ich blieb bei meiner Mutter und habe immer die Liebe meines Vaters vermisst.
Nach der Schule wollte ich eine Ausbildung machen. Ich habe mich bei zwei Dutzend Unternehmen beworben, doch ich wurde überall abgelehnt. Keiner wollte mich.«
Erzählen diese Aussagen zum Teil die Lebensgeschichte von Ulla?
Nein!
Dies ist die Geschichte, die Ulla sich über sich selbst erzählt. Sie gibt jedem Ereignis eine negative Bedeutung, und dieser negative Einfluss zieht sich bis heute durch ihr gesamtes Leben. Es ist Ullas »Propagandageschichte« von sich selbst, die sie »ihr Leben« nennt. Sie identifiziert sich damit und fügt sich mit dieser Legende immer wieder Schmerzen zu, um sich dann selbst bemitleiden zu können.
*
Stell dir nun Sybille vor: Sie hat genau das Gleiche wie Ulla erlebt, doch sie erzählt es so:
»Ich bin heute so erfolgreich, weil ich schon in jungen Jahren große Herausforderungen zu meistern hatte. Diese Erfahrungen haben mir geholfen, an mich zu glauben und meinen eigenen Weg zu gehen.
In der Grundschule hatte ich zum Beispiel eine Lehrkraft, die mich nicht mochte. Deshalb habe ich mir innerlich immer gesagt: ›Wenn du mich nicht magst, habe ich eben Spaß mit meinen Freundinnen, den kannst du mir nicht nehmen.‹
Als ich in der sechsten Klasse im Gymnasium war, haben sich meine
Eltern getrennt. Ich fand das schade, habe aber gelernt, damit zu leben. Ich blieb bei meiner Mutter. Ich weiß, dass mein Vater mich immer geliebt hat und bis heute über alles liebt. Wir haben uns zwar nicht viel gesehen, doch im Herzen habe ich ihn immer gespürt. Ich weiß, dass er stolz auf mich, seine Tochter, ist.
Richtig spannend wurde es nach der Schule. Ich habe mich beworben und leider viele Absagen auf meine Bewerbung bekommen. Das hat mich am Anfang total frustriert. Doch dann habe ich gemerkt, dass jede Absage mich ein bisschen mehr motiviert hat, nicht aufzugeben. Ich wollte es allen zeigen.
Also habe ich beschlossen, mich früher oder später selbstständig zu machen und richtig erfolgreich zu werden. Und das ist mir gelungen.«
Zwei Frauen, die das Gleiche erlebt haben, es jedoch völlig unterschiedlich interpretieren. Du hast in diesem Buch erfahren, wie du mit Bewusstheit
vermeiden kannst, das, was dir geschieht, negativ zu sehen. Du hast gelernt, die Chancen auch in dem zu sehen, was dir im Leben an Unangenehmem begegnet.
Solche Erlebnisse prägen uns, weil wir besonders häufig an sie denken und sie damit in unserem Kopf permanent und immer wieder erleben – mit allen Gefühlen, die damit verbunden waren. Das machen wir so lange, bis diese Ereignisse unsere Wahrheit, unsere gefühlte Realität sind.
Und dann nennen wir das, was angeblich in der Vergangenheit passiert ist, unser Leben. Doch was wir unser Leben nennen, ist in Wirklichkeit eine Geschichte, die wir uns ganz oft erzählt haben.
Jeder Mensch macht das unweigerlich. Weil unser Gehirn nun einmal so funktioniert. Sobald du dir diesen Prozess bewusst machst, kannst du vermeiden, dir eine negative Geschichte über dein Leben zu erzählen und sie zu glauben.
Die Art der Geschichte, die du dir über dein Leben erzählst, hat einen großen Einfluss auf deine Gefühlswelt und damit darauf, ob du innerlich frei bist oder nicht.
Ich möchte dir noch ein Beispiel von mir selbst erzählen:
Ich bin mit sechzehn Jahren von zu Hause ausgezogen, weil ich Basketballprofi werden wollte und ein Bundesligaverein in München
mich unter Vertrag nahm. In München besuchte ich ein Internat, um parallel zum Training zur Schule zu gehen und eine schulische Betreuung zu haben.
Bis vor Kurzem hatte ich diese lebensverändernde Entscheidung, mit sechzehn Jahren alleine von zu Hause auszuziehen, so in Erinnerung: Meine Mutter war dagegen, dass ich in so jungen Jahren ausziehen wollte. Mein Vater war dafür und hat sich damals durchgesetzt. Ich durfte gehen. Meiner Mutter habe ich dann später vorgeworfen, dass sie meine Basketball-Profikarriere verhindern wollte.
Diese Version meiner Erinnerung habe ich ihr neulich erzählt, als wir uns wieder einmal zum Essen trafen. Sie hörte mir geduldig zu und sagte dann:
»Christian, das stimmt so gar nicht. Für mich war es in Ordnung, dass du ausziehst. Ich wollte nur nicht, dass du alleine in einem Apartment lebst, was der Verein ursprünglich vorgeschlagen hat. Ich habe den Verantwortlichen gesagt: ›Der Junge kann nicht alleine für sich sorgen, er ist zu jung mit sechzehn Jahren. Ich möchte, dass er in ein Internat oder in eine Gastfamilie kommt. Dann kann er gehen und seinem Traum folgen.‹«
Und so kam es dann auch. Der Verein kümmerte sich um ein Internat, und so zog ich nach München.
Meine Erinnerung war also falsch gewesen, und ich hatte, bis ich über 40 Jahre alt war, an »meine« Geschichte geglaubt. Natürlich habe ich mich dann bei meiner Mutter für meine falsche Wahrnehmung entschuldigt. Mit dieser falschen Geschichte hatte ich mir selbst Schmerz zugefügt und eine Zeit lang (unbewusst) Abstand zu meiner Mutter gehalten, weil ich immer geglaubt hatte, meine Mutter wolle meine Basketballkarriere verhindern.
Geschichten aus der Kindheit spiegeln die begrenzte Sicht eines Kindes beziehungsweise Jugendlichen wider. Die Welt der Erwachsenen nehmen Kinder und Jugendliche ganz anders wahr als die Erwachsenen selbst.
Sie können noch nicht alles verstehen, weil ihnen viele Informationen und auch Lebenserfahrung fehlen. Sie nehmen das wahr, was für sie in ihrem Entwicklungsstadium gerade wichtig ist. Alles andere blenden sie aus.
Daher ist es unerlässlich, dass du als Erwachsener mit Bewusstheit
und aus deiner neuen Perspektive heraus anschaust, welche Geschichten du dir
immer noch aus deiner Kindheit erzählst. Sprich mit anderen darüber, die diese Zeit auch erlebt haben. Geschwister mit geringem Altersunterschied erzählen oft völlig verschiedene Geschichten über ein und dieselben Ereignisse in ihrer Familie.
Wenn du im Leben durchstarten möchtest, wenn du innerlich endlich frei sein willst, trenne dich von deiner negativen Geschichte.
Es gibt nur wenige Menschen, die sich eine fast durchweg positive Geschichte über ihre Vergangenheit und damit ihr Leben erzählen. Das sind Menschen, die wir als Glückskinder bezeichnen, weil in deren Leben alles zu gelingen scheint. Doch wahrscheinlich sind sie zu einem großen Teil »Glückskinder«, weil sie Glückskinder sein wollen.
Als mir das bewusst geworden ist, habe ich mit Ende 20 entschieden, mir eine durchweg positive Geschichte über meine Kindheit, meine Vergangenheit und alles, was ich erlebt habe, zu erzählen.
Diese positive Geschichte nenne ich »mein Leben«. Jedes »negative« Ereignis, an das ich mich erinnerte, habe ich in dieser Geschichte so gedeutet, dass es mir Kraft, Mut, Energie, Selbstvertrauen, Liebe und alles, was ich emotional für die Zukunft brauchte, gegeben hat. Ich habe einfach die Entscheidung getroffen, ein Glückskind – beziehungsweise heute ein Glücksmensch – zu sein.
*
Du hast die Wahl, dir nun deine eigene Lebensgeschichte vorzunehmen und so zu interpretieren, dass daraus eine positive Geschichte wird, die dir helfen wird, unbelastet und voller Freude in deine Zukunft zu gehen.
Die Gedanken, Anregungen und Werkzeuge dafür hast du auf deiner Reise mit mir in diesem Buch erhalten. Nutze sie und werde innerlich frei!
Öffne dein Herz und empfinde Lebensfreude
Erinnerst du dich an deine erste große Liebe? Oder erlebst du sie gerade? Der Zustand, verliebt zu sein, ist einer der schönsten überhaupt im Leben. Dein Körper läuft zur Hochform auf, du fühlst dich fantastisch und hast
unbeschreiblich viel Energie. Du musst kaum etwas essen. Das ist für dich in dieser Phase eher unwichtig, denn deine primäre Energiequelle ist offenbar nicht die verspeiste Nahrung.
Deine Energie beziehst du jetzt aus deiner Begeisterung für den Menschen, in den du dich verliebt hast.
Eine ähnlich unerschöpfliche Kraft entwickelst du, wenn du eine neue berufliche Tätigkeit ausübst, die dir sehr, sehr viel bedeutet. Oder wenn ein neues Projekt, sei es beruflich oder privat, dich so begeistert, dass du morgens schon euphorisch aufstehst, den ganzen Tag mit Begeisterung bei der Sache bist und dich abends auch noch fit fühlst.
Es gibt ein Energiereservoir mit einem Energiehahn, den wir auf- und zudrehen können – unabhängig von unserer Kalorienzufuhr, die allerdings nicht eingeschränkt sein sollte, weil das ungesund ist.
Dieses Energiereservoir ist unsere Herzenergie. Unsere Herzenergie ist eine unfassbar starke Energiequelle, wenn sie frei fließen darf.
Warum spüren viele Menschen nicht, dass sie über diese unerschöpfliche Energiequelle verfügen?
Der Grund dafür ist: Sie blockieren diese Quelle unbewusst. Sie haben ihr Herz verschlossen. Sie haben nach Erlebnissen, die ihnen Schmerz zugefügt haben, bildlich gesprochen Steine genommen und eine Mauer um ihr Herz gebaut, um es vor weiteren Schmerzen zu schützen. Beim einen ist die Mauer noch niedrig, bei anderen schon so hoch, dass sie praktisch unüberwindbar geworden ist. Nichts kann sie mehr verletzen, aber umgekehrt beziehen sie auch keine Herzenergie mehr aus ihrem Reservoir. Und oft vergessen sie einfach, dass es existiert.
Geh einmal mit Bewusstheit
durch eine deutsche Fußgängerzone. Schaue den Menschen, die dir entgegenkommen, ins Gesicht. Welche Grundstimmung nimmst du bei vielen wahr?
…
Ja, genau so ist es!
Woher kommt das?
Weil die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens immer mehr ihr Herz verschließen und die Energie nicht mehr fließen kann.
Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Unser Kopf wird schon vor der Grundschule trainiert, logisch zu denken und Wissen aufzunehmen. Doch unser Herz, unsere emotionale Intelligenz, trainieren wir vergleichsweise wenig. Je verkopfter wir werden, desto mehr verschließt sich unser Herz.
Umso weniger kann unsere Energie frei fließen.
Unsere Herzensbildung ist nicht nur wichtig, um unsere Energie frei fließen zu lassen, um Freude empfinden zu können. Ein offenes Herz zu haben hält auch gesund – nicht nur psychisch, sondern auch physisch, denn Körper und Seele stehen in einer Wechselwirkung zueinander, wie du sicher weißt.
Ein Seminarteilnehmer hat mich einmal gefragt:
»Christian, wie ernährst du dich eigentlich?«
Worauf meine Antwort war:
»Lass uns erst einmal festlegen, was Ernährung ist. Es sind erst mal vier Stoffe: feste Nahrung, Flüssigkeit (Wasser!), Sauerstoff und unsere Gedanken
. Auf der Basis dieser Definition ernähre ich mich sehr, sehr gut. Weil ich die zwei wichtigsten Komponenten Sauerstoff
und Gedanken
über die Atmung und mein Mindset, oder nenn es Glaubenssätze, sehr gut im Griff habe. Da macht es dann auch mal nichts, wenn du mal eine ›schlechte‹ Mahlzeit zu dir nimmst.
Doch das Allerwichtigste ist der fünfte Stoff, mit dem ich mich ernähre: die Herzenergie!«
Diese Herzenergie steht dir jeden Moment seit deiner Geburt zur Verfügung. Sie ist grenzenlos. Jede Sekunde ist sie für dich da. Du kannst sie jederzeit nutzen. Es ist egal, wo du herkommst, wie alt du bist, wie dein Leben bisher verlaufen ist. Öffne dein Herz – und erlaube deiner Energie, frei zu fließen.
Einer meiner Mentoren ist Jens Corssen. Ich nenne ihn den »Grandseigneur der Persönlichkeitsentwicklung«. Jens Corssen ist siebenundsiebzig Jahre alt. Wir saßen vor Kurzem bei einem Italiener und haben Projekte besprochen. Jens war voller Lebenskraft und Energie, zum Teil euphorisch wie ein Kind. An sieben Tagen in der Woche ist er immer noch aktiv – mit siebenundsiebzig Jahren. Weil seine Lebensenergie fließt und sein Herz offen ist.
Wenn deine Lebensenergie frei durch dich hindurchfließen kann, wenn du mit deinem Herzen deine Alltagsdinge erledigst, wenn du das Leben liebst und in Liebe zu dir jeden Morgen aufstehst, in Liebe zu dir für das, was du tust, und in Liebe zum Leben, dann könntest du sieben Tage die Woche beschäftigt sein, wenn du wolltest.
Du bist viel länger leistungsfähig. Du brauchst weniger zu essen. Das ist die gesündeste Ernährung der Welt.
*
Es gibt eine wunderbare Geschichte, die ein Meister seinen Schülern erzählte:
»Jeder Mensch braucht Liebe. Liebe ist genauso Teil der menschlichen Natur wie Essen, Trinken und Schlafen. Manchmal sind wir vollkommen allein, betrachten einen wunderbaren Sonnenuntergang und denken: ›Diese Schönheit macht keinen Sinn, weil ich sie mit niemandem teilen kann.‹
In diesen Momenten solltet ihr euch fragen: Wie häufig seid ihr um Liebe gebeten worden und habt euer Herz einfach verschlossen? Wie oft habt ihr Angst gehabt, euch jemandem zu nähern und ihm oder ihr ins Gesicht zu sagen, dass ihr verliebt seid?
Hütet euch davor, euer Herz zu verschließen. Wenn der Sonnenuntergang und die Schönheit der Natur für euch keinen Sinn zu haben scheinen, findet die Liebe in euch wieder. Weil ihr wissen müsst, dass es mit Liebe wie mit allen spirituellen Segnungen ist: Je mehr ihr davon zu geben bereit seid, umso mehr werdet ihr im Gegenzug davon empfangen.«
Warum haben die meisten Menschen keinen Zugang mehr zu ihrer Herzenergie?
Warum ist ihr Herz verschlossen?
Und wie bekommen wir wieder Zugang zu dieser Herzenergie?
Wir hören überall die Ratschläge: Folge deinem Herzen. Hör auf dein Herz.
Auf sein Herz zu hören hört sich sehr harmonisch und herzlich an, doch dieser Weg ist alles andere als leicht. Um den Weg des Herzens zu gehen, brauchst du einen festen Entschluss, konsequentes Handeln, Hingabe. Und das ist mit Mühen und Schmerzen verbunden.
Es ist überhaupt nicht einfach, das zu leben, wonach sich unser Herz sehnt. Die Stimme des Herzens hat nichts mit Vernunft zu tun. Nichts mit analytischen Betrachtungen, zwischenmenschlichen Erwartungen und gesellschaftlichen Werten. Die Stimme des Herzens ist ein sehr leiser Impuls, eine zaghafte Stimme, die aus unserem tiefsten Inneren kommt.
Nochmals: Warum folgen die meisten Menschen nicht der Stimme ihres
Herzens?
Als wir noch ganz klein waren, haben wir alle diese innere Stimme gehört. Wir haben gespürt, wie die Kraft des Lebens frei durch uns geflossen ist. Wir konnten unseren Ursprung fühlen. Wir wollten als eigenständiges kleines Wesen Erfahrungen sammeln. Wir waren in einer natürlichen Leichtigkeit. Wir hatten Urvertrauen.
Dann kam Schritt für Schritt die Realität des Lebens, und wir haben den Zugang zu unserer Herzensstimme verloren. Bei den meisten Menschen geschieht es, wenn sie sich mit den Eltern identifizieren, vor allem mit der Mutter. Unser Fokus wandert ganz langsam ab – weg von unserem Selbst-Bewusstsein, hin zu dem, was andere Menschen denken, fühlen, sagen und tun.
Unsere Aufmerksamkeit wird nach außen gelenkt, und wir kommen in Kontakt mit etwas Fremdem. Wir kommen in Kontakt mit unserem Umfeld und seinen moralischen, religiösen, gesellschaftlichen und sozialen Werten und Ideen. Aus unserem Selbst-Bewusstsein wird so schrittweise ein Fremdbewusstsein. Dieses Fremdbewusstsein prägt uns fortan.
*
Der Preis dafür, dass Menschen die Verbindung zu ihrem tiefsten Innern, zu ihrem Herzen nicht mehr bewusst spüren, ist tiefe Verunsicherung. Sie weckt den Drang in uns, nach materiellen Sicherheiten zu suchen. Wir werden süchtig nach Konsum. Wir gehen Dingen im Leben nach, die mit unserem eigenen Wesenskern nicht mehr viel gemein haben. Das machen wir nur, um Geld zu verdienen und das Konsumspiel mitspielen zu können. Je mehr wir uns von unseren wahren Gefühlen entfernen und uns der Vernunft ausliefern, desto mehr gehen wir selbst im Fluss des Lebens verloren. Wir verlieren unseren Lebenssinn aus den Augen und die Freude am Leben an sich.
*
Schauen wir uns Kleinkinder an. Dann wird uns schnell klar, was wir verloren haben und wiedergewinnen müssen mit unserer Herzenergie.
Kleinkinder denken nicht an Gefahr. Sie sind extrem neugierig, und diese Gier nach Neuem führt dazu, dass sie ständig aktiv sind: Sie beobachten gründlich und scharf. Sie hören alles, stecken alles in den Mund, um es zu spüren, wahrzunehmen. Sie wollen die Welt be-greifen
.
Kinder haben eine hemmungslose Art, Gefühle zu zeigen. Egal welche. Sie
schreien, wenn ihnen etwas fehlt. Ihre Augen und ihr Mund werden groß, wenn sie sich freuen. Sie lachen und können sich kaum beruhigen. Und wenn sie sich ärgern, werfen sie sich schreiend auf den Boden, stampfen, brüllen, verweigern sich völlig.
Wenn ein Kind irgendwo hinwill, interessiert es sich nicht für den Weg, sondern nur für das Ziel. Der Blick wird fest auf das Ziel geheftet, und dann wird losgekrabbelt. Wenn sie dabei auf die Nase fallen, wird kurz geweint, und weiter geht es. Kinder sind zielorientiert.
Und Kinder freuen sich über alles und jeden. Eine Schnecke kann schon Anlass sein für große Freude, und wenn sie sich nicht freuen, staunen Kinder zumindest.
Kinder lernen extrem viel in extrem kurzer Zeit – ganz anders als Erwachsene. Hinzu kommt, dass die meisten Erwachsenen kein Interesse an einer Weiterentwicklung haben. Das Kind aber hat noch eine starke Verbindung zum Ursprung und seiner Urenergie. Das Kind hört noch auf seine Herzensstimme. Und wir? Je älter wir werden, umso mehr verlernen wir es, der Stimme unseres Herzens zuzuhören.
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Wie kommst du dazu, deiner Stimme des Herzens wieder zu folgen?
Indem du mit Bewusstheit
die Fragen beantwortest, die ich dir in einem Fragenkatalog am Ende dieses Kapitels zusammengestellt habe. Und indem du dann mit deinen Antworten dir dieses Buch noch einmal vornimmst und Schritt für Schritt deinen individuellen Weg suchst und findest. Am Ziel könntest du Folgendes sagen:
»Ich bin, wie ich bin, egal, was um mich herum ist. Egal, was ein anderer tut oder macht. Ich lasse los und gebe mich dem Fluss des Lebens hin. Ich teile, was ich habe, und gleichzeitig verstelle ich mich nicht mehr – und das ist liebevoll gemeint. Mit meinen Mitmenschen werde ich liebevoll umgehen. Aber Anforderungen der Art an mich, wie ich zu sein habe
, was ich sagen soll
und was nicht, wie ich mich zu verhalten habe
, all diese Anforderungen werde ich nicht mehr
berücksichtigen. Weil ich mich nicht mehr verstellen und von anderen bestimmen lassen will. Denn von nun an werde ich der Mensch sein, der ich sein will, und so sein, wie ich sein will – echt und authentisch, frei und voller Lebensfreude!«
Ich, Christian Bischoff, wünsche dir von ganzem Herzen, dass du der wirst, der du sein willst, und so wirst, wie du sein willst!