Lieber, sehr verehrter Herr Doktor!
Wenn Sie diese Zeilen lesen, werde ich, so Gott will, tot sein. Ich bitte sehr um Vergebung dafür, daß ich Ihnen die große Mühe, die Sie sich mit mir gaben, so schlecht lohne.
Sie, Herr Doktor, hätten verhindern können, was geschehen ist – wenn ich Sie nicht belogen, wenn ich Ihnen nichts verheimlicht hätte. Davon bin ich fest überzeugt. Allein, nun ist es zu spät – für mich, durch meine eigene Schuld.
Ich bin aber ebenso davon überzeugt, daß Sie – nur Sie, der klügste und aufrechteste Mensch, der mir je begegnet ist –, wennschon nicht mehr mir, so doch Millionen anderen helfen können. Deshalb eine große Bitte: Übergeben Sie nach Lektüre die beiliegende Anzeige, sofern Sie das für richtig halten, einer staatlichen Stelle, die Ihnen vertrauenswürdig erscheint. Mir selbst erscheint keine einzige mehr des Vertrauens würdig. Ich will nicht noch einen zweiten furchtbaren Fehler begehen. Sie sollen deshalb diese Anzeige erhalten und so weiterverwenden, wie Sie es für gut halten.
Erfüllen Sie meine letzte Bitte, lieber Doktor, und verzeihen Sie Ihrem
Otto Fanzelau.
Philipp Landon hebt den Kopf.
Er sieht den Zwerg auf dem Bett an. Er hört die Beatmungsmaschine arbeiten. Er hört Schritte draußen auf dem Gang. Er senkt den Kopf wieder und betrachtet die erste Seite des Schreibmaschinenmanuskripts. Darauf steht:
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Berlin, 28. September 1964
Ich, Otto Fanzelau, geboren am 11. November 1897 zu Berlin, letzter polizeilich gemeldeter Wohnort: Berlin-Grunewald, Koenigsallee 314, zeige hiermit den folgenden Tatbestand an:
Am 15. April 1960 suchte ich auf Anraten von Herrn Professor Dr. Hans Merath den Psychiater und Neurologen Herrn Dr. Philipp Landon auf, um mich in seine Behandlung zu begeben, denn ich war seelisch erkrankt.
Ich entbinde Herrn Dr. Philipp Landon hiermit ausdrücklich von seiner ärztlichen Schweigepflicht.
Es ist mein Wunsch, daß Herr Dr. Landon über die Art meiner Erkrankung, ihre Behandlung durch ihn und seine Erfahrungen mit mir berichtet – jenen Personen, denen er diese Blätter vorlegen wird. Die Behandlung durch Herrn Dr. Landon blieb lange Zeit erfolglos. Erst im November 1961 hatte ich meine seelische Krise überwunden. Ich führe das auf die Begegnung mit einem gewissen Olaf Martini, wohnhaft Frankfurt am Main, Nibelungenplatz 18, zurück – und auf Ereignisse, die dieser Begegnung folgten, welche am 19. August 1961 im ›Hotel Atlantic‹ in Hamburg stattfand.
Am Abend jenes 19. August 1961 hatten wir eine lange Unterredung, danach viele weitere, und zuletzt übernahm ich auf Bitten Martinis eine Aufgabe, die, so schien es mir, meinem Leben endlich Sinn gab …
Wieder blickt Landon den bewegungslosen Fanzelau an. Der Sauerstoffsack des Beatmungsgeräts öffnet und schließt sich wie eine Ziehharmonika, präzise, monoton. Die Menschen, denkt Landon, sind arme Hunde. Er liest weiter, was Otto Fanzelau in seiner ›Anzeige‹ nun über die folgenden Begegnungen mit Olaf Martini berichtet, über die ›Verschwörung aller Wissenschaftler der Welt, den Frieden zu erzwingen‹, über Martinis Bitte, Fanzelau möge als Vertrauensmann in Berlin den Bau von Tunneln unter der Mauer finanzieren und bestimmten Menschen aus Ostdeutschland zur Flucht verhelfen, die nach Martinis Worten dort auf das höchste gefährdet waren. Dr. Landon liest:
Ich mußte gleich bei der ersten Begegnung ehrenwörtlich versprechen, niemandem ein Wort über das Projekt zu sagen, nicht einmal meinem Arzt, ja insbesondere nicht ihm, denn, so argumentierte Martini, gerade Herr Dr. Landon würde versuchen, eine Tätigkeit, die nicht ohne Aufregungen für mich bleiben konnte, zu verhindern.
Um unsere häufigen Begegnungen harmlos erscheinen zu lassen, schlug Martini damals auch schon die Version vor, wir seien alte gute Freunde. In Wahrheit war Martini nichts als ein geschäftlicher Bekannter von mir. Allein, ich akzeptierte seinen Vorschlag sogleich, und in der Folgezeit, bis heute, log ich Herrn Dr. Landon, meiner ganzen Umgebung, zuletzt der Polizei vor, Martini sei mein bester und vertrautester Freund. So fasziniert war ich von der Aufgabe, die mir dieser Mensch damals übertrug, daß ich jede Lüge gebraucht hätte, wenn Martini von ihrer Notwendigkeit überzeugt gewesen wäre.
Ich finanzierte also Tunnel. Mehr und mehr entstanden. Immer neue Listen von schwer gefährdeten Menschen in Ostdeutschland gab mir Martini. Mehr und mehr dieser Menschen kamen herüber. Nicht nur sie kamen, sondern auch solche, die meine Tunnelbauer und Fluchthelfer herüberholen wollten, weil sie sich ebenfalls in Gefahr befanden. Gerade diese Mischung war es, die Martini, wie er sagte, wünschte.
Es lief alles ideal – bis zu dem Tag nach meiner vereitelten Entführung, an dem Herr Dr. Landon und Olaf Martini einander im West-Sanatorium begegneten. Selbstverständlich sah mein Arzt sofort, wie sehr ich mich vor ihm schämte, wie sehr ich unter meinem seinerzeitigen Betragen litt – und, mehr noch, unter dem Zwang, mich weiterhin so betragen zu müssen. Denn immer noch hielt ich Martini ja für einen Ehrenmann, dem ich ein Ehrenwort gegeben hatte.
Nach meiner Entlassung aus dem Sanatorium allerdings erschien mir seine Behauptung, die Wissenschaftler der Welt könnten durch Einsatz von Männern wie mir an den Krisenherden der Welt einen Atomkrieg verhindern, plötzlich kindisch, will sagen, nur der Glaubensbereitschaft eines Kindes zumutbar. Ich muß wahrhaftig ein Kind gewesen sein, damals im ›Hotel Atlantic‹, geistig unausgereift – um nicht zu sagen, behindert!
Keinem Menschen, der seine fünf Sinne beisammen hat, würde Martini diese Geschichte zu erzählen gewagt haben. Ich hatte meine fünf Sinne damals nicht ganz beisammen.
Nun, 1964, nach der mißglückten Entführung, geistig genesen, empfand ich einen brennenden Wunsch: die Wahrheit über Martini zu erfahren.
Er vermutete solches natürlich sofort, kam deshalb eiligst nach Berlin, suchte, um die Lage zu sondieren, Herrn Dr. Landon auf und errichtete sodann eine unüberwindliche Mauer des Schweigens um sich, die mir – und jedermann – Nachforschungen unmöglich machte. Er setzte mich praktisch außer Betrieb. Ich erhielt keine neuen Aufträge zu Tunnelbauten, keine neuen Listen mehr. Ich war allem Anschein nach für Martini ein unbrauchbarer Handlanger geworden.
Handlanger wobei?
Nachdem alle meine Versuche, etwas Konkretes über Martini zu erfahren, gescheitert waren, erschien heute, am 28. September, um 10 Uhr vormittags bei mir Herr Kurt Mittenzwey, ein Mann, der für mich Tunnel gebaut und – wie gewiß noch erinnerlich – durch die Wahnsinnstat einer eifersüchtigen Frau seine geliebte Gattin verloren hatte.
Nur mit Mühe gelang es mir, mein Erschrecken über die Veränderung des Herrn Mittenzwey zu verbergen. Stets war er der zuverlässigste, ambitionierteste und kultivierteste meiner Mitarbeiter gewesen. Nun erblickte ich einen ungepflegten, krank aussehenden Mann, der bereits um 10 Uhr morgens, seinem Betragen und Geruch nach, eine große Alkoholmenge zu sich genommen und offensichtlich jede Hoffnung und jede Selbstachtung verloren hatte.
In meinem Arbeitszimmer befindet sich ein verstecktes Mikrophon, das zu einem Tonbandgerät gehört. Dieses steht in einem Nebenraum. Die Apparatur besitze ich, seit ich die verschiedensten Sicherheitsanlagen installieren ließ – seit Beginn meiner Tätigkeit als Tunnel-Financier.
Ich gestehe, daß ich, ohne Herrn Mittenzwey davon in Kenntnis zu setzen bzw. seine Erlaubnis dazu einzuholen, das Magnetophon einschaltete und unser Gespräch aufnahm.
Das besprochene Band befindet sich im Hauptsafe der Berliner Zentrale meines Bankhauses. Der Erste Direktor, Herr Hubert Warhake, wurde von mir angewiesen, das Beweisstück jederzeit und unter allen Umständen Herrn Dr. Landon auszuhändigen – ihm allein.
Da ich – nach allem, was ich heute erfuhr – nichts mehr für unmöglich halte, also nicht einmal, daß das Band verschwindet, folgt hier eine wortgetreue Abschrift des auf dem Band festgehaltenen Gespräches zwischen Herrn Mittenzwey und mir.
MITTENZWEY: … Kognak, ja, meinetwegen. Habe schon ein paar intus. Merkt man es? Nicken Sie nicht so beklommen, lieber Herr Fanzelau. Gießen Sie ruhig voll bis zum Rand. Und lassen Sie die Flasche stehen. Danke. Na denn, Ihr Wohl!
ICH: Was ist geschehen? Sie sehen ja grauenhaft aus. Wenn Sie so weitermachen mit dem Alkohol …
MITTENZWEY: He. Und ob ich so weitermache mit dem Alkohol! Ich darf doch noch ein Glas …
ICH: Bitte … natürlich … der Tod Ihrer Frau …
MITTENZWEY: … war nicht grade ein erfreuliches Ereignis. Reden wir nicht darüber. Ich muß Ihnen etwas erzählen. Auch nichts Erfreuliches. Aber ich muß es erzählen. Dieser Horster flehte mich an …
ICH: Was für ein Horster?
MITTENZWEY: Erwin heißt er. Erwin Horster. War mal Angestellter Ihres Bankhauses. Vor dem Krieg. Will nicht, daß Ihnen was zustößt.
ICH: Ich kann mich nicht erinnern, je einen Angestellten namens Erwin Horster … aber ich hatte natürlich sehr viele Angestellte …
MITTENZWEY: Und der Horster heißt auch gar nicht Horster.
ICH: Wie?
MITTENZWEY: Das ist nur der Name, den er die beiden letzten Jahre lang getragen hat. Jetzt trägt er ihn nicht mehr. Jetzt trägt er schon wieder einen neuen falschen Namen. Nicht, nicht … ich erkläre Ihnen sofort alles. Wenn ich mit Ihrer gütigen Erlaubnis vorher noch ein Schlückchen … wirklich gut, der Kognak … Sie nicht?
ICH: Um diese Tageszeit? Nie!
MITTENZWEY: Ah, nie! Warten wir’s ab. Der Reihe nach also. Ich erzähle Ihnen, was mir dieser Horster erzählt hat. War beim SD im Krieg. Von zweiundvierzig bis fünfundvierzig. Tobte sich in Rußland aus. Dann erwischten ihn die Sowjets.
ICH: Das hat dieser Mann Ihnen erzählt?
MITTENZWEY: Ja doch! Und ich habe nichts gegen ihn unternommen, um auch gleich Ihre nächste Frage zu beantworten. Weil er mir nämlich alles am Telefon erzählte. Heute früh. Von einem Durchwählautomaten in Düsseldorf aus. Schwer was zu machen in so einem Fall, nicht? Besonders, wenn der Herr erklärt, daß sein Flugzeug in einer Stunde startet und er nach Beendigung der Unterhaltung nicht mehr Horster heißen wird. Immerhin: Anhänglicher Mensch. Hat Sie gern, Herr Fanzelau. Müssen ihm mal sehr geholfen haben. Hätte Sie lieber selbst angerufen, sagte er. Aber Ihre Leitung ist doch sicher angezapft.
ICH: Von wem?
MITTENZWEY: Habe ich ihn auch gefragt. Er hat gesagt, vom Westen oder vom Osten … oder von beiden Seiten. Das wollte er nicht riskieren. Darum rief er mich an. Muß übrigens sehr abgelegen sein, die Zelle, aus der er telefonierte. War nämlich ein langes Gespräch.
ICH: Hrm. Also diesen Mann, der sich Horster nannte, erwischten 1945 die Russen …
MITTENZWEY: Ja. Damals hatte er noch seinen richtigen Namen. Wenn er mir den gesagt hätte, könnten Sie sich vielleicht an ihn erinnern. Spielt keine Rolle, daß er es nicht getan hat. Hören Sie … hören Sie weiter: Also, was die Russen sind … also die stellten ihn und alle Angehörigen seiner Einheit vor Gericht. Rund hundert Mann. Nur Todesurteile, ausnahmslos. Im Frühjahr sechsundvierzig war das. Ich kippe schon nicht vom Stuhl oder reihere Ihren wertvollen Teppich voll, Herr Fanzelau. Ich vertrage noch einiges, lassen Sie bloß … Ja, also, zum Tode verurteilt. Ich erzähle alles genauso, wie der Horster es erzählt hat. Zum Tode verurteilt … aber sonst? Nichts.
ICH: Was heißt, nichts?
MITTENZWEY: Den Kerlen geschah überhaupt nichts. Sie saßen da und warteten auf die Hinrichtung. Aber die Hinrichtung kam nicht. Statt dessen kam dann, im Juni sechsundvierzig, einer ins Zuchthaus und redete mit diesen Toten auf Urlaub. Ein Deutscher. Am 21. Juni 1946 kam er, das ist das genaue Datum.
ICH: Ich verstehe wirklich nicht …
MITTENZWEY: Nicht unterbrechen! Gleich werden Sie verstehen. Und wie Sie verstehen werden … hahaha! Also dieser Deutsche, sagte der Horster mir am Telefon, nannte sich Peter Wieland.
ICH: Peter Wieland?
MITTENZWEY: Lalle ich schon? Peter Wieland, jawohl. Emigrant. Kam aus Moskau. Wurde dort während des Krieges ausgebildet. Als Agent. Vor dem Krieg soll er in Berlin Anwalt gewesen sein. 1946 jedenfalls war er ein großer Mann drüben. Heute ist er angeblich einer der größten. Im Staatssicherheitsdienst. Und der gefürchtetsten. Also der kam. War sehr originell, was er tat.
ICH: Was … können Sie nicht wenigstens für kurze Zeit mit der Trinkerei aufhören? … was tat dieser Wieland?
MITTENZWEY: Trinkerei aufhören … Als ob ich … dabei … entschuldigen Sie … Also dieser Wieland, der berichtete den Todeskandidaten zunächst wahrheitsgetreu, was einen Tag vorher in Nürnberg zur Sprache gekommen war.
ICH: In Nürnberg?
MITTENZWEY: Im Nürnberger Prozeß. Am 20. Juni. Klar? Horster hat mir erzählt, was dieser Wieland ihm und den anderen damals erzählte. Am 20. Juni 1946, da wurde in Nürnberg eine Denkschrift verlesen. Abgefaßt hatte die der Reichsminister Speer … an Hitler geschrieben … als Antwort auf den totalen Vernichtungsbefehl, den der gerade gegeben hatte … Also in dieser Denkschrift … also, da ist die Rede davon, daß wir den Krieg ohnehin verlieren werden … und daß das stärkere Westvolk … Quatsch! Das stärkere Ostvolk natürlich … daß die Zukunft dem stärkeren Ostvolk … und daß es daher besser ist … nein, schlechter ist … nein …
ICH: Herr Mittenzwey!
MTITENZWEY: Ganz klar und deutlich hat der Horster zitiert. Zu blöd. Jetzt kriege ich es nicht zusammen. Ich muß noch was trinken.
ICH: Sie kriegen es nicht mehr zusammen, weil Sie schon zuviel getrunken haben.
MITTENZWEY: Das werden Sie gleich sehen, daß das nicht stimmt! Noch ein Glas, und …
ICH: Und Sie wissen überhaupt nichts mehr, ja. Warten Sie mal. Ich habe eine große politische Bibliothek. Exakt geordnet … alles ist exakt geordnet bei mir … ich stehe ja im Ruf eines manischen Pedanten … Die Nürnberger Protokolle sind längst veröffentlicht … ich besitze die Texte … Ich sehe mal nach … 20. Juni 2946, sagen Sie?
MITTENZWEY: 20. Juni 1946, ja.
ICH: Ich hole den Band. Gleich wieder da.
MITTENZWEY: Meinetwegen. Prost, Herr Fanzelau.
ICH: So. Da habe ich den Band. Zwanzigster Juni … zwanzigster Juni … hier! Am 20. Juni 1946 wurde in Nürnberg die Denkschrift des Reichsministers Speer verlesen.
MITTENZWEY: Was habe ich gesagt?
ICH: Diese Schrift stammt vom 29. März 1945 … Speer beschwört Hitler, den sogenannten totalen Zerstörungsbefehl zurückzunehmen …
MITTENZWEY: Na ja doch, na ja doch! Aber ich bin besoffen, wie? Bloß weil mir momentan nicht der genaue Text einfällt! Diese Stelle mit dem stärkeren Ostvolk und so …
ICH: Da! Da ist die Stelle. Ich lese Sie Ihnen vor, und Sie sagen mir, ob es die richtige ist, ja?
MITTENZWEY: Bitte sehr.
ICH: Das steht also in dem sogenannten ›Beweisstück Speer 24‹ auf den Seiten drei und vier. Da schreibt Speer an Hitler: ›… Sie machten mir jedoch am Abend Ausführungen, aus denen – wenn ich Sie nicht mißverstanden habe – klar und eindeutig hervorging: Wenn der Krieg verlorengeht, wird auch das Volk verloren sein. Dieses Schicksal ist unabwendbar. Es sei nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil sei es besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Denn das Volk hätte sich als das schwächere erwiesen und dem stärkeren Ostvolk …‹
MITTENZWEY: Habe ich doch gesagt! Das ist die Stelle! Stärkeres Ostvolk!
ICH: ›… und dem stärkeren Ostvolk gehöre dann ausschließlich die Zukunft. Was nach dem Kampf übrig bliebe, seien ohnehin nur die Minderwertigen. Denn die Guten seien gefallen. Nach diesen Worten war ich zutiefst erschüttert. Und als ich einen Tag später den Zerstörungsbefehl. …‹
MITTENZWEY: Das genügt. Mehr hat dieser Wieland damals vor Horster und seinen tapferen Kameraden auch nicht zitiert. Nur bis hierher.
ICH: Und dann?
MITTENZWEY: Und dann … dann hat er, wie mir Horster erzählte, sinngemäß zu ihnen gesagt: ›Deutschland hat den Krieg verloren. Das Ostvolk war stärker. Jetzt realistisch denken, Freunde, ganz realistisch! Übrig bleiben nach dem Kampf werden nur die Minderwertigen, die Guten werden gefallen sein – goldene Worte eures geliebten Führers. Ihr, ihr seid nicht gefallen. Aber ihr seid zum Tode verurteilt. Und werdet es bald sein. Tot nämlich. Es sei denn – immer schön realistisch denken! –, ihr wollt jetzt mit dem stärkeren Ostvolk kämpfen. Dann gehört ihr doch zu den Guten! Und könnt eure Verbrechen sühnen. In einem neuen Kampf.‹
ICH: Neuem Kampf?
MITTENZWEY: Ich erzähle Ihnen, was der Horster mir erzählt hat. Der Frieden, hat dieser Wieland damals erklärt, sei trotz dem großen Sieg noch nicht gesichert. Weil es nämlich immer noch faschistische Verbrecher in Ostdeutschland gebe. Er hat gesagt, er hätte den Auftrag, eine Organisation aufzubauen, die diese letzten Gegner vernichtet. Er hat gesagt, wer von den SD-Herren ihm dabei helfen will, ist willkommen und wird nicht hingerichtet. Das nenne ich originell. Ist doch originell, nicht?
ICH: Natürlich wollten die Herren alle helfen.
MITTENZWEY: Na was denn! Mit ihnen – und mit vielen anderen SD-Leuten – baute der Wieland also seine Organisation auf. Sie haben ihr Bestes gegeben, die Herren. Sie haben den Gerichten ausgeliefert, sie haben unschädlich gemacht, wen Sie nur erwischen konnten. War ja schließlich ihr Handwerk, nicht? Vernichten. Säubern. Töten. Der Wieland … der Wieland hätte keine besseren Mitarbeiter wählen können. Außerordentlich kluger Mann. Horster hat viele Jahre lang für ihn gearbeitet. Dann kam 1961. Die Mauer. Die ersten Tunnel. Da übertraf Wieland sich sozusagen selbst. Er setzte einen gewissen Olaf Martini in Aktion.
ICH: Olaf Martini?
MITTENZWEY: Den Namen hat mir Horster genannt. Olaf Martini! Und ich irre mich nicht, ich habe da nichts vergessen. Olaf Martini. Olaf Martini.
ICH: Wieland kannte Martini?
MITTENZWEY: Kannte? Die beiden waren gute alte Freunde. Den Martini, den hatten sie schon 1947 in den Westen gebracht … Als Agenten. Na also. Ich habe ja gewußt, daß Sie noch etwas trinken werden … langsam, langsam … Sie werden noch mehr nötig haben … Martini ist Chemiker … arbeitet in einem Riesenbetrieb … ist glänzend getarnt so … und außerdem kann er noch Reisen in die ganze Welt unternehmen … überallhin … für diesen Riesenbetrieb … Kontakte zu anderen Unternehmen … Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern und so … Was glauben Sie, wie viele von diesen Wissenschaftlern nur Wissenschaftler waren – und sonst nichts? Haha. Aber ich muß Ihnen ja berichten, was Horster erzählte: Also, in der Bundesrepublik gibt es zahlreiche Geheimdienste. Na, und einen von ihnen – er arbeitet für irgendeine hohe Stelle in Bonn – also diesen Geheimdienst baute der Martini auf. Angesehener Mann bei seinen Auftraggebern. Auftraggebern in Bonn meine ich. In Pankow sowieso. Der Martini war natürlich dauernd in Verbindung mit dem Wieland. 1961, nach der Mauer, ist er dann bei dieser Stelle in Bonn erschienen und hat erklärt, er weiß alles über das Treiben ehemaliger hoher SD-Leute in der DDR. Die Männer seien in der ganzen Zone eingesetzt, hat er gesagt. Wenn man sie nun umdrehte … das ist so ein Fachausdruck … und wenn man sie durch die Tunnel in den Westen bringt, dann könnte man mit ihrer Hilfe der verbotenen KP endgültig das Genick brechen. Und dem ganzen nonkonformistischen Pack von rosaroten bis dunkelroten Journalisten, Schriftstellern, Professoren und so weiter und so weiter endlich das Maul stopfen! Denn, hat der Martini in Bonn gesagt, die Kerle im Osten, die wüßten natürlich genau Bescheid über alles und jedes, was sich in der Bundesrepublik unter diesem Gesindel abspielt. Und über die Verbindungen all dieser Links-Intellektuellen zur DDR, zur sogenannten … Na, in Bonn war man ganz begeistert! Der Martini bekam den Auftrag, diese ›Spezialisten‹ schnellstens herbeizuschaffen Geld, sagte man ihm, spielt keine Rolle.
ICH: Das ist ja …
MITTENZWEY: Trinken Sie lieber gleich noch einen. Jetzt wird’s nämlich ganz heiter! Der Martini hatte also im Westen alles vorbereitet. Im Osten hatte der Wieland seine Recken versammelt und ihnen gesagt: ›Die Säuberung der DDR ist abgeschlossen. Nun werdet ihr in der Bundesrepublik arbeiten – gegen das ohnedies zum Untergang verurteilte schwächere Westvolk. Nach außen hin als Bekämpfer kommunistischer Umtriebe, in Wahrheit als Pioniere der Weltrevolution, als mutige Wegbereiter für den Sieg des Kommunismus in der Bundesrepublik, als Vernichter des da herrschenden Systems, als …‹ und so weiter, und so weiter, blablabla! Jetzt gab es doch diese Tunnel, nicht? Na, da kam man ganz leicht als politischer Flüchtling rüber. Und drüben, hat der Wieland den Brüdern gesagt, gibt es Geld, viel, viel Geld. Er hat Horster und den anderen Kerlen eine Über-Dolce-Vita ausgemalt … ihnen erzählt vom Luxus und vom Wohlstand und vom Überfluß und vom Fräuleinwunder in der dekadenten Bundesrepublik … An all diesen Herrlichkeiten sollten die Brüder noch profitieren, während sie das Land reif für den Untergang machten … Prima Köpfchen, der Wieland, was?
ICH: Und die Männer kamen durch die Tunnel?
MITTENZWEY: Kamen? Sind längst da! Längst am Werk!
ICH: Und ich brachte sie herüber …
MITTENZWEY: Ha. Hahaha! Sie, ja, Sie! Der Martini hat eigens Sie ausgesucht dafür. Er wußte alles über Sie … als Sie sich so zufällig begegneten … über Ihre Ängste … Ihre Einsamkeit … Ihre Behandlung durch den Doktor Landon.
ICH: Woher kennen Sie diesen Namen?
MITTENZWEY: Na, Horster nannte ihn. Sie sehen, ich hatte recht: Noch etwas mehr Schnaps, und mein Gehirn funktioniert wieder.
ICH: Aber …
MITTENZWEY: Nein. Nein, Herr Fanzelau, da war der Horster ehrlich! Das war nun kein Trick mehr. Ich habe die Listen aufgehoben, die Sie mir gaben … die Listen bekamen Sie doch von Martini, nicht?
ICH: Ja …
MITTENZWEY: Klar. Und auf der Liste für den Tunnel, den ich Anfang 1963 gebuddelt habe, steht der Name drauf: Erwin Horster! Da kam er rüber. Mit SD-Kollegen. Er hat mir auch die Namen von den Kollegen genannt – die Namen, mit denen sie rüberkamen, neue Namen natürlich … denn jeder hatte von dem Wieland einen neuen Namen gekriegt, bevor er loszog … und neue Dokumente … und neue Vergangenheiten … herrliche Vergangenheiten … konstruiert natürlich, aber bis ins Detail! Eine verfolgte Unschuld nach der anderen kam da rüber … Dem Verfassungsschutz fiel bei den Vernehmungen im Lager Marienfelde nie etwas auf … nie … in keinem einzigen Fall! Toll, was? Das nenne ich Maßarbeit … Der Martini, der wurde immer größer, immer geachteter … Was für Genies lieferte er doch der Bundesrepublik in ihrem Kampf gegen den Kommunismus! Diese Genies ließen zunächst westdeutsche Genossen hochgehen …
ICH: Eigene Leute?
MITTENZWEY: Na klar doch! Erstaunt Sie das? Machte der große Stalin was anderes bei seinen Säuberungen? Als er älteste und bewährteste Mitkämpfer umbrachte? Ist das nicht längst eine liebgewordene Methode geworden? Bedenken Sie: Martinis Genies mußten sich doch zuerst Ansehen verschaffen – he? Und das haben sie getan … Waren lauter alte, idealistische Genossen, die sie hochgehen ließen … Wurden zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt, alle diese anständigen Genossen … Bonn war außer sich vor Entzücken! Und die Genies vom seligen SD können jetzt in aller Ruhe ihrer wahren Aufgabe nachgehen …
ICH: Ihrer wahren Aufgabe?
MITTENZWEY: Sie erpressen oder korrumpieren Politiker … Publizisten … Wirtschaftler … was Sie wollen, lieber Herr Fanzelau … und zwar entweder mit Belastungsmaterial, das gegen diese Leute im Osten liegt, oder mit Geld …
ICH: … das sie ja in so reichem Maß vom Westen erhalten …
MITTENZWEY: Mit dem Geld der Freien Welt, hihihi … Jeder weiß, daß es in der Bundesrepublik viele, viele Männer in Schlüsselpositionen gibt, die Dreck am Stecken haben … Ist eben nie reiner Tisch gemacht worden nach fünfundvierzig … ein Fressen für die SD-Brüder! Die kennen ihre Kunden, die wissen Bescheid über die, wo die auch sitzen … es sind ihresgleichen … Jetzt werden sie gezwungen, genau wie die Erpresser zu handeln: Gegen die Bundesrepublik! Da gibt es so viele Möglichkeiten … Man kann realistische Pläne oder vernünftige Absichten von Vorgesetzten kaputtmachen … Man kann dafür sorgen, daß sich Politiker untereinander befehden, daß die Regierung immer schwächer und schwächer wird … daß sie falsche Entscheidungen trifft … oder gar keine … daß das Ansehen der Bundesrepublik tiefer und tiefer sinkt in der Welt … Wie denkt Amerika heute über uns? Und England? Und Frankreich? Wie sieht unsere Innenpolitik aus? Unsere Außenpolitik? Unsere Justiz? Unser Schulwesen? … Vor diesem ganzen Schlamassel resignieren die anständigen Leute im Land … und das gehört natürlich auch zum Plan des Herrn Wieland … Unbeliebt, verhaßt und lächerlich muß die Bundesrepublik in der Welt werden, mehr und mehr … und sie wird es! Denn was tut denn dieser Staat gegen das Gebrüll der Rechtsradikalen, der Revanchisten, der Berufsflüchtlinge?
ICH: Nichts …
MITTENZWEY: Nichts! Nichts! Nichts! Und da wundert man sich, wenn der Osten behauptet, die Bundesrepublik sei ein einziges braunes Drecknest, ein kriegslüsternes Ungeheuer, das alle Völker fürchten müssen, weil diese Bundesrepublik unbedingt, unbedingt einen dritten Weltkrieg, den Atomkrieg haben will?
ICH: Die indirekte Methode …
MITTENZWEY: … war immer die wirkungsvollste! Sehen Sie doch! Diese SD-Schweine … sie werden geehrt in der Bundesrepublik, werden bezahlt, durch die Tunnel herübergeholt …
ICH: Unter meiner Leitung …
MITTENZWEY: Unter Ihrer Leitung, ja! Ist das nicht wahnsinnig komisch? Ist das nicht …
ICH: Hören Sie auf. Mir … mir …
MITTENZWEY: Los, trinken Sie … mehr … noch mehr! … Geht’s wieder?
ICH: Was habe ich getan? Was habe ich getan?
MITTENZWEY: Was haben wir beide getan, Herr Fanzelau? Ich sage Ihnen: Politik, das ist die gemeinste und dreckigste Sache von der Welt. Wer sich da einmischt …
ICH: Sie selber taten es. Ihre Frau tat es.
MITTENZWEY: Ja, und was ist mit ihr geschehen?
ICH: Ein gräßlicher, sinnloser Zufall.
MITTENZWEY: Ah nein, nein, nein … das war kein sinnloser Zufall … das war die Strafe Gottes!
ICH: Sie sind betrunken.
MITTENZWEY: Ja. Und ich werd’s bleiben. Ich habe Barbara verloren … damit bin ich selber verloren … Hören Sie auf diesen Horster, Herr Fanzelau: Ziehen Sie sich zurück, völlig zurück aus der Geschichte …
ICH: Zurückziehen? Ich muß zur Polizei … die Behörden … das ist so ungeheuerlich …
MITTENZWEY: … daß Sie nichts dagegen tun können. Überhaupt nichts. Sehen Sie es doch ein! Nur so haben Sie noch eine Chance, weiterzuleben.
ICH: Weiterzuleben …
MITTENZWEY: Immer noch besser, als zu sterben.
ICH: Ja? Ist es besser?
MITTENZWEY: Blech! Das elendeste Leben ist schöner als der schönste Tod … Man gewöhnt sich … gewöhnt sich an alles … Schauen Sie mich an … mein Leben ist verpfuscht, aber ich habe meine Lektion gelernt … wenn ich dieses Haus verlasse, weiß ich nichts mehr von der ganzen Geschichte! Die Listen habe ich schon verbrannt … Zeugen bei unserem Gespräch gab es nicht … Ich weiß nichts … ich werde nie etwas wissen … ich werde mich totsaufen, sicher … aber nicht gleich! Für eine Weile Leben reicht’s noch!
ICH: Wieso … wieso …
MITTENZWEY: Wieso was?
ICH: Wieso erzählte Horster das alles erst jetzt?
MITTENZWEY: Weil Sie eben erst jetzt angefangen haben, Martini zu verdächtigen, ihm nachzuspionieren … Das hat Horster gerade erfahren … Die Welt ist ein Schweinestall … Sie müssen sich abfinden damit.
ICH: Das kann ich nicht.
MITTENZWEY: Aber ja doch. Wird schon gehen! Ist ja auch schon alles vorüber.
ICH: Was?
MITTENZWEY: Die ganze Aktion. Alle Männer, die Wieland im Westen haben wollte, sind schon im Westen … Wieland und Martini … das ist vielleicht ein Team! Hut ab! Sehen Sie: Der Martini, der wußte natürlich, daß Sie unruhig und mißtrauisch werden, wenn er Ihnen keine neuen Listen mehr gibt … Er wußte, Sie werden Nachforschungen anstellen … Das ging natürlich nicht … und so gab Wieland Auftrag, durch den Tunnel unter der Hasenauerstraße diesen Bruno Knolle herüberzuschicken … damals, am 13. August … Der Knolle, der sollte Sie entführen … bevor Sie hier zuviel Tamtam machen konnten … Man hätte sie auch in Westberlin ermorden können … aber das wäre zu riskant gewesen … Hätte Untersuchungen zur Folge gehabt … nein, nein. Entführung war sicherer. Das erklärte der Martini dem Horster … Sie bekamen Krach miteinander … denn der Horster, der hat Sie doch gern, nicht? Aber er wußte, was ihm nun, nach dem Krach mit Martini, über kurz oder lang blühen würde. Und deshalb nahm er Verbindung zur ›Spinne‹ auf …
ICH: Zu wem?
MITTENZWEY: Zur ›Spinne‹ … das ist ein Verein im Westen, der bringt seit Jahren Nazis aus Europa raus – meistens nach Südamerika … hat überall Filialen, Agenten, Sender, Privatflugzeuge … in Mailand sogar eine Klinik für kosmetische Gesichtsoperationen … beschäftigt erste Fälscher, erste Chirurgen … Die Zentrale liegt in Malmö …
ICH: Und wo kommt das Geld her?
MITTENZWEY: Von Gönnern, hat mir Horster gesagt. Spanischen Gönnern, südamerikanischen Gönnern … Ja, der Herr Horster … jetzt ist er schon nicht mehr in Deutschland … wahrscheinlich schon nicht mehr in Europa … die Warnung war eine letzte gute Tat vor dem Verschwinden.
ICH: Eine gute Tat …
MITTENZWEY: Was wollen Sie? Mörder mit Herz. Kennen wir doch! Denken Sie an die SD-Leute in Rußland … Rilke und Stefan George haben die gelesen … und zwischen zwei Sonetten ein paar Säuglingen die Schädel an Baumstämmen zerschmettert … Und zu Weihnachten standen sie mit feuchten Augen um den Lichterbaum und sangen ›Stille Nacht‹ … und gingen schnell zwischendurch mal raus in die Heilige Nacht, um Gefangene zu erschießen oder Juden oder Geiseln …
ICH: Hören Sie auf! Bitte, hören Sie auf!
MITTENZWEY: Ich bin gleich fertig … ich habe dem Horster versprochen, Ihnen alles zu erzählen, damit Sie zur Besinnung kommen.
ICH: Was gibt es noch!
MITTENZWEY: Ihre Entführung mißglückte … das war eine böse Panne … Wieland mußte versuchen, das Beste daraus zu machen. So schickte er diesen Kommissar Bräsig rüber … wußte natürlich, daß auch der nichts mehr retten konnte … Der Bräsig war, wie auch der Kornmann und alle anderen in der Warschauer Straße, nicht eingeweiht in diesen … diesen SD-Männer-Transfer … Der hatte nur den Auftrag, Ihre Entführung zu bewerkstelligen … Irgendwann muß dem Bräsig dabei der Verdacht gekommen sein, daß der Wieland ein dreckiges Spiel spielte …
ICH: Woher wissen Sie das? Woher weiß Horster das?
MITTENZWEY: Er weiß es nicht, er vermutet es … spricht sehr viel dafür … Denn fest steht doch, daß der Wieland den Bräsig ins Feuer geschickt und ihn genauso verheizt hat wie den Kornmann und den Rettich! Jetzt kann er drüben sagen: Mein Spiel ist aufgegangen …! Das kann er natürlich nur, wenn Sie schweigen. Wenn Sie nicht schweigen wollen, wird er dafür sorgen, daß Sie es tun … Der Martini wird dafür sorgen in Wielands Auftrag … und es wird ihm gelingen! Da gibt es keinen Zweifel! Das hat mir der Horster gesagt, und der muß es schließlich wissen. Ich, ich glaube dem Horster. Ich schweige von jetzt an. Glauben Sie dem Horster auch – bitte, Herr Fanzelau! Und schweigen auch Sie. Bitte, bitte, schweigen Sie!
Das ist das Ende der Tonbandaufzeichnung meines Gespräches mit Herrn Mittenzwey.
Mein Gast verließ mich bald.
Allein geblieben, tippte ich diese Seiten voll.
Am Nachmittag brachte ich das Tonband zur Bank.
Ich kann nicht schweigen.
Ich kann nicht weiter leben.
Ich kann nur noch eines: Anzeige erstatten.
Hier liegt sie vor.
Otto Fanzelau