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Also hör mal, Ilseken«, sagt die blonde Wanda zehn Minuten später im plüschigen Vorraum der ›Pension Florida‹ zu deren Besitzerin, der hexengesichtigen, alten Ilse Stanior, die Bruno verärgert anstarrt, »ick bezahle doch mein Zimma hier anständich, nich? Und jeden Abend schlepp ick Freia ruff. Und jeda Freia muß dir außadem erst mal fümf Mark jebn for Zimmabenutzung. Du vadienst dir dumm und dämlich an mir.«

Die Stanior mustert mißtrauisch Bruno Knolle, an den sie sich noch gut erinnert, weil er seinerzeit soviel Unruhe mit sich brachte.

»Worauf soll det raus?«

»Wenn ick fertig bin mit meine Arbeet«, fährt Wanda werbend fort, »steht det Zimma, det ick bezahle, imma leer bis ’n nächstn Abnd. Et jehört aba doch mir. Und da …«

Die Stanior kneift ihre Hexenaugen zusammen: »Und da könnte der Herr sich denn auspennen, wa?«

»Ja, Ilse.«

Bruno fühlt, wie er wieder einmal rot wird. Oh, diese Demütigungen! Die beiden reden von ihm, als wäre er ein Tisch, ein Stuhl, ein totes Ding, gar nicht vorhanden.

»Ick will aba nich fremde Leute hier ham!«

»Meine Freia sind doch ooch fremde Leute!«

»Die bringste aba imma wieda weg.«

»Zujejem, bloß …«

»Knarje hat in ’n Westen jemacht. Is det vielleicht dein Neua?«

»Ilse!« ruft Wanda wütend. »Herr Knolle is nich mein Neua, sondan ’n sehr lieba alta Freund. Und mein Knarje is nich in’n Westen, der is hier in Berlin, in Untasuchungshaft.«

»Pardong. Det wußte ick nich.«

»Nu weeßtet.«

Die Stanior mustert Bruno brütend und schweigt.

Ich glaube, ich gehe, denkt Bruno. Er will gerade seinen Koffer aufheben, als Wanda sagt: »Weeßte, Ilse, den Herrn Knolle, den jeht et im Augenblick sehr mies.«

»Na ja, det is schlimm …« Endlich wird dieser Drachen menschlicher. »Aba wem jehts nich mies von uns?«

»Nu sei doch nich so«, bettelt Wanda, die Gute, Brave.

Mit Erfolg!

»Na, dann werd ick man nich so sein«, krächzt Ilse Stanior. Zum erstenmal sieht sie Bruno etwas freundlicher an.

»Ick danke ooch schön«, sagt der.

Sofort ärgert sich die Stanior über ihre Gutmütigkeit.

»Da hintn steht’n Schrank. Da stellnse den Koffer ruff!« Sie öffnet eine Tür. »Da is det Zimma. Wenn et Ihn’ nich ekelt …«

»Wovor?«

»Na, vor det Bett, in det Se sich denn lejen …«

Einen Moment ekelt sich Bruno wirklich, und er denkt an das stets frisch überzogene Bett bei Nelly.

Nicht weich werden, Bruno!

Hart bleiben. Durchhalten. Nerven bewahren.

»Nee, det is schon in Ordnung.«

Die Stanior versucht weiter, ihre erstmalige Großmut und deren Folgen rückgängig zu machen: »Det Zimma is ja man bloß’n Loch.«

»Ick finde et sehr schön«, sagt Bruno.

Ilse Stanior gibt achselzuckend auf.

Wanda senkt verlegen die Stimme: »Een Nachteil hat die Sache, Bruno. Du kannst imma erst rin, wenn ick Dienstschluß habe.«

»Na«, sagt Bruno lachend, »aba daran bin ick doch jewöhnt, nich?«