Über dem Flugplatz München-Riem muß Brunos Maschine längere Zeit kreisen. Der Ministerpräsident eines neuen afrikanischen Staates, welcher die Bundesrepublik besucht hat, reist eben ab. Die Rollbahnen sind blockiert. Hat die Stewardeß bekanntgegeben. Und um etwas Geduld gebeten.
Wenn Bruno in die Tiefe blickt, sieht er viele Zivilisten, schwarzer und weißer Hautfarbe, und ein Riesenaufgebot von Polizei. Funkstreifenwagen. Polizisten in Lederjacken, Polizisten in Gala-Uniform.
Er hat sich immer noch nicht in seiner neuen Lage zurechtgefunden, der Bruno, ihm ist immer noch schwindlig und so, als sei er besoffen. Obwohl er heute keinen einzigen Tropfen getrunken hat.
Es ist das Glück, das große, große Glück!
Sogar die böse Ilse Stanior hat ihm zu seinem endgültigen Sieg gratuliert, als er den Koffer abholte. Wanda war leider nicht zu finden. Bruno bat die Stanior, ihr seine herzlichsten Grüße und seinen besten Dank auszurichten.
Danach ging alles wie in einem wunderbaren Traum zu. Die Übergabe der Papiere durch Prangel. Die Fahrt nach Tempelhof. Der Flug über von Herbstsonne beschienene Erde.
Ach ja, nur eine Sünde gibt es im Leben: Den Mut verlieren!
Bruno hat durchgehalten, er hat sich nicht unterkriegen lassen, er hat den Mut nicht verloren. Lieber Gott im Himmel, ich dank Dir auch schön …
Diese Kreiserei im Warteraum über dem Flughafen Riem macht den Mann, der neben Bruno sitzt, immer nervöser. Bruno nicht. Der hat das Gefühl, Walzer zu tanzen, sich zu wiegen in einer Hängematte unter alten Bäumen.
Der Mann schimpft vor sich hin.
»Schweinerei, so etwas! Zu meiner Konferenz komme ich nun natürlich zu spät. Wer entschädigt mich für den Geschäftsabschluß, wenn er mir durch die Lappen geht? Verdammte Kaffern! Jede Woche kommt jetzt so einer. Und wir geben und geben und geben … und haben zu wenig Schulen und zu wenig Krankenhäuser. Schichtunterricht! Sterbende auf Spitalsgängen! Aber Entwicklungshilfe für jeden, der sie haben will! Millionen! Milliarden!«
»Jeben wa wirklich jedem?« fragt Bruno, der sich bereits als Bürger der Bundesrepublik fühlt.
»Jedem! Bloß damit sein Land Pankow nicht anerkennt, bloß damit da in Afrika keiner kommunistisch wird. Der ganze Kontinent ist kommunistisch! Und ein Land nach dem anderen nimmt Kontakt zu Pankow auf. Aber wir zahlen und zahlen und zahlen! Feine Politiker haben wir.«
»Die Maschine fliecht jleich ab«, sagt Bruno, der aus dem Fenster blickt, beruhigend. »Steijen schon ein, die Nejer. Mensch, so viel Polizei! Warum bloß?«
»Damit keinem der Kaffern was zustößt bei uns! Stellen Sie sich das Unglück vor! Folgen unausdenkbar. Jeden Kannibalen bewachen wir so. Jeder kriegt seinen Großen Bahnhof, sein Festbankett, seine Milliarden. Dann haut er wieder ab, und alle sind erleichtert: Gott sei Dank, nichts passiert! Gott sei Dank, er hat unser Geld genommen!«
Bruno riskiert ein Späßchen: »Könnte man eijentlich jleich mit de Post übaweisen, nich? Müßte man keene Angst ham, det den hohen Jästen ein Leid jeschieht bei uns« (Bei uns!) »und die hohen Jäste müßten nich herfliejen.«
»Soweit kommt’s bestimmt auch noch«, knurrt der Mann.
Zehn Minuten später erhält Brunos Maschine endlich Landeerlaubnis. Vor dem Flughafengebäude rollt sie aus. Als Bruno aus der Kabinentür auf die herangerollte Gangway tritt, muß er sich festhalten, so stark wird auf einmal dieses süße Schwindelgefühl.
München! Bundesrepublik! Freiheit! Am Ziel!
Selig grinsend stolpert er die Treppe hinab.
Zwei Herren kommen auf ihn zu.
Das sind die Brüder von der Dicken, denkt Bruno. Die haben mich erwartet! Die holen mich ab. Oh, schöne Welt! Oh, gute Menschen …
Die beiden Männer sind herangekommen.
»Herr Bruno Knolle?« fragt der erste.
»Ja, det bin ick …«
»Kriminalpolizei«, sagt der zweite Mann und weist seine Marke vor. »Sie sind festgenommen. Bitte, folgen Sie uns unauffällig.«