Ja, also intramuskulär«, sagt Fürsorge-Sachbearbeiter Bräsig zum Kollegen Kornmann. »In den Hintern, in die Oberschenkel, durch die Kleider, egal. Nur nicht zu hoch, sonst …«
»Ja, ich weiß.«
Bräsig nimmt Kornmann die Spritze aus der Hand. »So müssen Sie sie halten, sehen Sie. Flach. Und flach stechen – aber mit aller Kraft! Muß so tief reingehen wie möglich.« (Unter den Nazis ist es mir geglückt, bis zum Schluß bei der Kripo am Alex zu bleiben. Die haben mich nicht zur Gestapo gekriegt, die nicht! War jünger damals, kannte mehr Tricks und Ausreden, immer ließ mich ein Vorgesetzter unabkömmlich schreiben. Damit ist es jetzt vorbei. Jetzt befiehlt der SSD – und da gibt es keine Unabkömmlichkeit mehr. Meine Spezialausbildung habe ich schon nach der Blockade bekommen. Mußte die Kurse besuchen, da war nichts zu machen. Jetzt darf ich mein Wissen weitergeben.) »Aufpassen, daß er Ihnen nicht aufs Gesicht fällt, Kornmann. Tut sich sonst weh und kann nicht reden, selbst wenn er will. Probieren Sie mal.«
Kornmann nimmt die Spritze, wiegt sie auf der flachen Hand hin und her, stößt dann jäh vor.
»Gut! Den Knolle, den behandle ich. Da können Sie sehen, wie es funktioniert.«
»Jawohl, Kollege Bräsig.«
»Vorher – in Fällen wie Knolle – machen Sie auf Freundschaft, Freundschaft.«
Kornmann strahlt. »Psychologische Vorbereitung, verstehe! Ich bin sehr glücklich, daß ich Sie bei meinem ersten Bewährungseinsatz zur Seite habe, Kollege Bräsig! Sie sind einer der Besten, sagten meine Ausbilder.«
»Quatsch mit Soße. Nur so lange dabei bin ich, das ist alles. Schon 1920 habe ich angefangen – als gewöhnlicher Schupo. Geben Sie mir jetzt die Spritze wieder, ich denke, wir fangen an.« Bräsig sperrt den Schrank ab, trägt die Spritze vorsichtig zum Schreibtisch, öffnet die Mittellade, und da legt er die Spritze auf ein steriles Tuch, das er aus einem Seitenfach der Chromwanne mitgenommen hat. Er schlägt die Spritze sorgfältig ein, schließt die Lade wieder.
»Na, dann gehe ich zu mir rüber«, meint Kornmann.
»Gut.«
Der Spiegel über dem Waschbecken ist einer von denen, durch die man hindurchblicken kann. Von einer Seite. Von Kornmanns Büro aus. Neben dem Spiegel hat man einen kleinen Lautsprecher angebracht. Das Mikrophon dazu befindet sich in der Lampe auf Bräsigs Schreibtisch. Der Kommissar schaltet es ein, während Kornmann in sein Zimmer geht und die Tür schließt.
»Schicken Sie jetzt den Knolle rein, Kollege Neider«, sagt der Kommissar, der wieder zum Telefonhörer gegriffen hat.