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Otto Fanzelau.

Im Telefonbuch steht er nicht. Hat eine Geheimnummer, der große Bankier. Aber im Adreßbuch steht er. Mittenzwey fährt hinaus in den Grunewald, wo der kapitalkräftige Menschenfreund eine kleine, hübsche Villa in der Koenigsallee bewohnt.

Ein gepflegter Park. Die Häuser rechts und links von Bomben getroffen, nie mehr aufgebaut.

Ein Wolfshund. Ein vornehmer Diener. Herr Fanzelau.

Sonst wohnt niemand in der Villa, erklärt der Hausherr seinem jugendlichen Besucher, während er ihn durch Räume mit kostbaren Teppichen und Möbeln, Gobelins und Bildern von Renoir und Picasso, Modigliani, Klimt und Cézanne führt.

Herr Otto Fanzelau ist der kleinste Mann, den Mittenzwey jemals gesehen hat. Eine zierliche Riesenpuppe mit edlem Gesicht, wohlgeformtem Schädel, stahlblauen Augen und eisgrauem Haar.

Leise und hoch klingt die Stimme: »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Herr Mittenzwey! Ich habe schon soviel von Ihnen gehört. Zuletzt über Ihren Streit mit Herrn Rucker.«

»Wer hat …«

Eine Handbewegung. »Ich weiß es, das genügt doch, nicht wahr? Ja, bitte, John?«

»Der Tee, Sir.«

»Danke. Kommen Sie, Herr Mittenzwey …«

Den Tee trinken sie in einer großen Halle, Wände und Plafond sind kunstvoll getäfelt. Antiquitäten stehen und liegen und hängen da, Totems aus fernen Ländern, schwarze Fruchtbarkeitsgöttinnen, Dämonen, griechische Vasen. Ein mächtiger Tisch in einer Ecke ist beladen mit Glückselefanten in allen Größen und aus vielen Materialien: Elfenbein, Holz, Gold, Silber, Marmor. Mindestens hundert Elefanten stehen auf dem Tisch, alle den Rüssel nach oben. Sonst bringen sie kein Glück. Behaupten jene, die so etwas sammeln, weiß Mittenzwey …

»Herrn Rucker habe ich sofort entlassen. Ein anderer Mann übernahm bereits die Gruppe. Die Illustrierte hat ihr Geld zurückerhalten. Sie können also beruhigt sein.«

»Herr Fanzelau …«

»Sie wollen selbst eine Gruppe leiten, ich weiß.«

»Woher …«

»Ich weiß es, das genügt doch, nicht wahr?«

»Ja. Natürlich …«

Mittenzwey fühlt sich ein wenig schwindlig.

Herr Fanzelau zeigt sich völlig informiert: Über ihn, über Barbara, Barbaras Eltern, Mittenzweys Vergangenheit und bisherige Tätigkeit im Westen.

»Wenn Sie nicht zu mir gekommen wären, hätte ich Sie gerufen, mein Freund«, sagt der elegante Zwerg mit der Perle in der Krawatte, dem englischen Diener, dem riesigen Wolfshund zu seinen Füßen. »Sie sind ein rechtlich denkender, integrer Mensch. Ich habe Vertrauen zu Ihnen. Verzeihen Sie, wenn ich mich kurz fasse, es kommen noch einige andere Besucher. Ich möchte Sie gerne fest engagieren. Sagen wir achthundert Mark monatlich?«

»Das ist …«

»Also gut, tausend! Nicht zu versteuern. Einverstanden?«

Was heißt einverstanden? Am liebsten möchte Mittenzwey den kleinen Herrn umarmen. Aber da bräche er ihm sicher das Rückgrat, so unerhört zart ist der kleine Herr.

Nach einer halben Stunde steht Mittenzwey wieder auf der Koenigsallee. Alles geregelt, alles abgemacht. Ein Ehrenmann, dieser Otto Fanzelau, ein wirklicher Gentleman! denkt Mittenzwey, der zur Halenseebrücke hinuntergeht. Wer immer hinter ihm steht, in wessen Auftrag immer er handelt: Otto Fanzelau hat in seinem ganzen Leben keine einzige unanständige Handlung begangen, das sieht man auf den ersten Blick!