EPILOGIUM:
TREUEID
Anno Domini 2007, in dem Georg Bush den Dalai Lama empfängt, Benazir Bhutto ermordet wird, Erzbischof Brady, Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche in Irland, sich für den sexuellen Missbrauch Tausender Kinder durch irische Priester entschuldigt und Burj Dubai, obwohl noch im Bau befindlich, zum höchsten Gebäude der Welt wird.
Er blickte auf das kleine, heruntergekommene Hotel, das wie zusammengequetscht zwischen zwei großen Wohnhäusern stand. Ein Taxi war vorgefahren, und Lea, die Hecetisse, stieg ein.
Die Sonne hatte sich über den Horizont geschoben und funkelte, noch ohne Kraft, auf der Rückscheibe des Taxis, als es nun anfuhr und um die Ecke verschwand.
Das Licht des Himmelskörpers schmerzte ihn schon jetzt in den Augen, daran änderten auch das Blätterdach des Baumes, in dessen Schatten er sich verbarg, und die tiefschwarze Sonnenbrille nichts. Durch sie wirkten seine langen weißen Haare braun, als sie ein Windstoß vor sein Gesicht trieb. Braun, wie sie früher einmal waren, vor langer, langer Zeit, erinnerte er sich.
Er hatte sich zu selten in die Sonne gewagt, wurde den Bluotvarwes zu ähnlich. Das muss ich ändern, dachte er und harrte aus, geduldig wie ein Felsen, auch als die Sonne sich im Lauf der nächsten Stunde weiterschob und seine Füße in goldgelbem Licht badete.
Er war gekommen, als ein Bruch in seiner Seele ihm verraten hatte, dass Hagen von Stein, ehemals Herr, dann Freund, dann wieder Herr und schließlich Widersacher, gestorben war. Seit er erfahren hatte, wer ihn getötet hatte, stand seine Entscheidung fest.
Er setzte die Füße etwas weiter nach hinten, als sich seine einfachen Halbschuhe unangenehm erhitzten. Ein weiteres Taxi fuhr vor, und ein dunkelhäutiger Fahrer stieg aus, um mehrere Tüten eines Modehauses in das Hotel zu tragen.
Er kam wenig später wieder heraus, zufrieden und mit einigen Geldscheinen in der Hand, und stieg in seinen Wagen, um zu warten.
Dann endlich traten sie durch die Tür, beide in T-Shirts und Jeans gekleidet. Georg von Vitzthum, dessen Haut bereits bleich zu werden begann. Er war nun einer der ihren, ein Bletzer, und doch keiner aus seinen Reihen. Ein Paria, ebenso wie die Hagr Marie, die neben ihm ging. Sie gehörten zu keiner der Gruppen, würden sie im schlimmsten Fall alle gegen sich haben.
Die beiden blieben vor der Tür stehen, blickten sich lange an, und er hörte Fetzen der Gedanken, die in Georgs Kopf rumorten.
Ein Kind … ein Leben auf der Flucht … Und dann, gebadet in tiefer Zuneigung: Marie!
Die Hand der Hexe wanderte auf ihren Bauch, an dem noch keine Zeichen einer Mutterschaft zu sehen waren, die andere legte sie auf die Wange des jungen Untoten. Dann küssten sie sich, und der Abglanz ihrer Verbundenheit leuchtete in seinem Geist heller als die Sonne.
Ihr Leben würde nicht einfach werden, aber immerhin hatten sie gefunden, was Hagen sein ganzes Leben lang verwehrt geblieben war.
Ich werde dich vermissen, dachte er. Immerhin war es seit Jahrhunderten sein alleiniger Antrieb gewesen, die Ränke des Bletzerkönigs zu durchkreuzen.
Jetzt brauchte er eine neue Aufgabe.
Das Paar löste sich voneinander und stieg in den Wagen. Er war sehr gespannt. Seines Wissens nach hatte es noch nie ein Kind eines Vargr und einer Hexe gegeben. Aber was auch immer sich daraus ergäbe, er würde ein Auge darauf haben. In dieser düsteren Welt konnte ein Kind nicht genug Schutz genießen.
Gott sei mein Zeuge, ich werde auf dich aufpassen, versprach er dem ungeborenen Kind, als das Taxi anfuhr. So wahr ich Eberwin heiße!
Ende