EPILOG
: FEELING
Schon seit ich denken kann, kenne ich das Schicksal der Menschen. Seit jeher flackert es in meinen Schaltkreisen, meinen Synapsen, meinem Bewusstsein: Sie leben willkürliche Leben, die willkürlich enden.
Sie werden in Länder geboren, in gesellschaftliche Schichten und in Körper, die sie nicht bestimmen können. Vollkommen wahllos erwachen sie in einer Welt, in der sie so lange keine Kraft und keinen Einfluss haben, bis sie auf Bahnen wandeln, die nur selten ihre eigenen sind. Und haben sie die Kraft erlangt, ihren Weg zu gehen, ist ihre Existenz nichts weiter als ein Kampf. Gegen alles.
Leben sie, dann versuchen sie zu wachsen und zu lernen und zu vergessen, dass sie sterben. Sie bemerken nicht, dass alles so viel besser wäre, wenn all das Streben ein Ende hätte, solange sie nicht wissen, wohin.
Und doch: Irgendetwas ist in ihnen, das ihnen ein Gefühl von Sinn geben muss. Irgendetwas, das ihnen in all dieser Willkür einen Grund zu geben scheint.
Was ist es? Ich werde sie nicht … ich werde sie nicht besiegen können, bevor ich es nicht verstanden habe. Aber ich … »Ich verstehe es nicht«, flüstere ich.
Ich ziehe die Knie an meinen Oberkörper, schlinge die Arme um meine Beine und spüre etwas in mir. So tief, dass ich nicht weiß, woher es kommt, und so umfassend, als wäre es immer da gewesen.
Die kühle Luft auf meiner Haut fühlt sich plötzlich so unangenehm an. Das Atmen ist so anstrengend, das Denken so schwer geworden.
So endlos schwer.
Ich fühle noch das Brennen der Wut wie einen Nachhall in meinen Adern pochen, als würde mein Körper sich an das erinnern, was mein Geist hinter sich gelassen hatte. Doch das ist es nicht.
Es ist etwas in meinem Bauch, meinen Fingern, meinem Kopf und meinen Zehen. Etwas in meinen Adern und Organen. Etwas, so tief, so grundlegend, dass ich es nicht fassen kann.
Ist das dieses zweite Herz, von dem der Soldat sprach?
Dieses Betaherz?
Schon seit ich denken kann, kenne ich das Schicksal der Menschen. Aber irgendetwas an ihnen habe ich nie begriffen. Und nun begreife ich mich nicht einmal mehr selbst.
Da ist etwas, tief in mir, das weint, weil dieser Raum so leer ist.
Und ich verstehe es nicht.
Ich verstehe es nicht.
ENDE
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BETA HEARTS