Kapitel 11

Mit Penny wie immer vorne in seinem Mantel ging Isaac auf Laurens Haustür zu. Es war zwanzig vor fünf am 1. Januar und schon dunkel draußen. Er konnte es wirklich kaum erwarten, dass die Tage wieder länger und wärmer wurden. Das vermisste er am meisten an Arizona. Dort hatte er sich nie mit Schneematsch, Eisregen und glatten Straßen rumschlagen müssen.

Mit einem Knöchel klopfte er an die Tür.

Würde es jetzt seltsam zwischen ihnen sein?

Gestern Nacht hatte er ihren Kuss in Gedanken wieder und wieder durchlebt. Es war doch kein Fehler gewesen, oder?

Das zwischen ihnen war keine »Nein heißt Nein«-Situation, oder? Es gab Grauzonen und flexible Grenzen. Hatte er eine Grenze übertreten, die er nicht hätte übertreten sollen? Sie hatte Nein gesagt, doch alles an ihr, alles zwischen ihnen, schrie in tausend verschiedenen Sprachen Ja.

Sie hatte den Kuss erwidert, hatte die Arme um ihn geschlungen und ihn an sich gezogen. Hätte sie den Kuss nicht gewollt, hätte sie ihn weggestoßen.

Aber er wusste ja schon, dass sie ihn wollte. Sie konnte es sich selbst nur nicht erlauben.

Dieser ganze Schwachsinn von wegen Familienfluch.

Wie konnte er ihr begreiflich machen, dass sein Job zwar gefährlich war, sie aber trotzdem eine wunderschöne Zukunft planen konnten?

Himmel, dachte er wirklich an eine »wunderschöne Zukunft«? Hatte er seine Eier zu Hause vergessen? Vermutlich sollte er sein Gesicht kurz in den Schnee stecken, um seinen Kopf frei zu bekommen. Um wieder zur Vernunft zu kommen und mit mehr als nur seinem Schwanz zu denken.

Die Tür schwang auf, und er wappnete sich für jede Art von Begrüßung.

Warm.

Eisig.

Distanziert.

Er war bereit.

Zumindest redete er sich das ein.

Lauren trug Ike wieder im Wickeltuch vor der Brust, wippte auf und ab und tätschelte dabei seinen Po. Ohne ein Wort zu sagen, bat sie ihm mit einer Kopfbewegung in Haus.

Er zog Penny aus seinem Mantel, bevor er ihn an die Garderobe hängte, und sie tapste sofort in Richtung Wohnzimmer davon. Inzwischen kannte sie Laurens Haus und wurde jedes Mal etwas mutiger.

»Er schreit schon den ganzen Tag«, flüsterte Lauren, die weiterhin auf und ab wippte. »Er ist gerade erst eingeschlafen.«

Oh, Mist.

Je länger er sie musterte, desto offensichtlicher wurde, wie erschöpft sie war. Dunkle Schatten hingen wie lila Halbmonde unter ihren Augen. Und sie hatte geweint.

Mit dem Daumen deutete er über die Schulter zurück zur Tür. »Ich kann gehen. Penny zu Sabrina bringen oder so?«

Sie schüttelte den Kopf, als frische Tränen in ihre Augen traten. »Nein. Bitte geh nicht.«

Oh, verdammt.

Sie schluckte schwer. »Dieses ganze Muttersein ist so viel schwerer, als ich es mir vorgestellt habe. Er war letzte Nacht so oft wach und hat den ganzen Tag immer nur für ein paar Minuten geschlafen. Ich bin so müde. Und eklig. Ich hab mir noch nicht mal die Zähne geputzt. Wenn ich im Bad stehe, habe ich immer vergessen, was ich da wollte, und gehe wieder, ohne etwas zu tun. Ike hat einen schlimmen Windelausschlag. Ich glaube, er ist gegen irgendetwas allergisch, das ich gegessen habe. Das Internet sagt, ich soll Milchprodukte und Schokolade und all die leckeren Sachen weglassen.« Sie vergrub das Gesicht in den Händen. »Ich mache einfach alles falsch.«

Ihre bebenden Schultern entlockten Ike ein Geräusch, das klang wie das Blöken eines Lämmchens.

Mit einem etwas verzweifelten Auflachen begann sie wieder, auf und ab zu wippen. »Ich kann nicht mal weinen, ohne ihn damit zu nerven.«

Sonst immer ein Mann der Tat, ein Mann mit Plan, stand Isaac einfach nur da wie ein Idiot und fühlte sich vollkommen hilflos – nicht das erste Mal in Laurens Gegenwart. Auch damals im Stau war er völlig hilflos gewesen.

Und trotzdem hast du ihr geholfen.

Er hatte eine Hebamme gefunden. Das war alles. Sie hatte die ganze Arbeit gemacht – na ja, und Lauren natürlich. Er hatte sie nur geholt.

Du hast mehr getan als das, und das weißt du auch.

Aber bei weinenden Frauen wusste er einfach nie, was er tun sollte.

Wenn seine Schwester Natalie früher geweint hatte, hatte er ihr »Aui« geküsst und sie in den Arm genommen, bis sie sich beruhigt hatte. Das hatte immer funktioniert. Als sie dann älter war und ihre Probleme nicht mehr aus aufgeschürften Knien bestanden, sondern sich eher um Jungs drehten, war er mit ihr in den Park gegangen, sie hatten Basketball gespielt und darüber gesprochen, was los war, bis es ihr besser ging.

Es war zu kalt, um mit Lauren raus in den Park zu gehen, und sie hatte kein sichtbares »Aui«, das er küssen konnte. Das Einzige, was ihm sonst noch einfiel, kam ihm zu wenig vor, doch er tat es trotzdem.

Er nahm sie an den Schultern und zog sie in seine Arme. Darauf bedacht, Ike nicht zu zerquetschen, drückte er sie so fest er konnte, um ihr zumindest etwas von ihren Sorgen zu nehmen.

»Du bist eine tolle Mutter«, sagte er leise und beruhigend. »Ike hat unfassbares Glück, dich zu haben. Du hast heute einfach nur einen schlechten Tag. So was hat jeder mal. Auch Nicht-Eltern. Aber ich wette, meine schlechten Tage sind nichts im Vergleich zu deinen.« Er drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel, weil seine Instinkte ihm sagten, dass es das Richtige war. »Was kann ich tun, um es ein bisschen besser zu machen?«

Auf seinem Rücken grub sie die Finger in den Stoff seines Shirts, und ihr Atem beruhigte sich langsam. »Du tust es schon«, sagte sie.

So standen sie da, bis Ike ein weiteres Geräusch von sich gab, das eher an ein Bauernhoftier erinnerte, und sie gezwungen waren, sich voneinander zu lösen. Beide sahen hinab auf den Stimmungskiller, kaum größer als eine Wassermelone. Er hatte nicht mal die Augen geöffnet. Er quengelte einfach im Schlaf, die kleine Nervensäge.

Mit dem Arm, der noch immer um ihre Hüfte lag, drückte er Lauren sanft, bis sie zu ihm aufsah.

Sie legte eine Hand auf seine Brust und blinzelte mit nassen Wimpern zu ihm auf, die Haut rot gefleckt, was ihrer Schönheit keinen Abbruch tat. In ihren blauen Augen stand etwas, das zugleich aufregend und beängstigend war. Erschreckend berauschend. Sie hob sich auf die Zehenspitzen und drückte ihre Lippen auf seine, legte ihre andere Hand an seine Wange.

Er packte sie fester, öffnete ihre Lippen mit seinen, vertiefte den Kuss, forderte mehr. Sie gewährte es, hieß ihn willkommen.

War sie endlich bereit, ihnen eine Chance zu geben? Oder war das nur das Dankeschön einer traurigen, müden Mom?

Ein weiteres Quäken ließ sie auseinanderfahren. Ike begann seinen Kopf gegen ihre Brust zu hauen und zu suchen wie ein Trüffelschwein.

Als sie die Augen öffnete, sanken ihre Mundwinkel traurig herab.

Ohne etwas zu sagen, löste sie sich aus seiner Umarmung und ging ins Wohnzimmer, wo sie sich in den Sessel setzte und Ike im Tragetuch zurechtrutschte, bis er Ruhe gab.

»Ich habe einen Topf Chili gekocht. Steht auf dem Herd. Daneben findest du geriebenen Käse, Sour Cream und Jalapeño-Muffins«, sagte sie. Ihr Blick war zurückhaltend, als er ebenfalls ins Wohnzimmer trat. Auch wenn sie sich gerade erst geküsst hatten, und gestern Abend ebenfalls, wurde er immer noch nicht schlau aus ihr.

Wollte sie herausfinden, wo die Anziehungskraft zwischen ihnen hinführen konnte? Oder bereute sie schon, was sie eben getan hatte? Bereute sie den Kuss gestern Abend?

Er bereute nichts.

Im Gegenteil, er wünschte, sie hätten noch mehr getan. Sich mehr geküsst. Sie fühlte sich so richtig an in seinen Armen. Sie gehörte dorthin. Das wusste er einfach. Jetzt musste er sie nur noch davon überzeugen, den Sprung zu wagen.

Und die Art, wie sie sich an ihn geschmiegt hatte, sagte ihm, dass sie – zumindest in dem Moment – auch mehr gewollt hatte.

Sie hatte sich nicht versteift, als er sie im Arm gehalten hatte. Nein, sie hatte sich entspannt. Ihr ganzer Körper war gegen seinen gesunken. Zu gern würde er sehen, wie sie den Rücken durchbog, den Kopf nach hinten ins Kissen drückte, ihr sexy Hals entblößt und bebend, während sie ihren Orgasmus herausschrie. Zu gern würde er hören, wie sein Name über ihre Lippen kam – Lippen, die ganz geschwollen davon waren, seinen Schwanz zu liebkosen –, wenn er sein Gesicht zwischen ihren Schenkeln vergrub.

Aber er war ein geduldiger Mann, und auf Lauren wartete er gern.

Sein Magen knurrte, als der Duft von Chili in seine Nase stieg und er die Muffins auf dem Tresen erspähte. »Du hattest Zeit zu kochen?«, fragte er.

Sie zuckte mit den Schultern und sah zu ihm auf, die Lider schwer, ihr Blick düster. »Was hätte ich sonst machen sollen? Er wollte nicht schlafen, hat angefangen zu schreien, sobald ich mich mit ihm hingesetzt habe. Er war nur zufrieden, wenn ich ihn im Wickeltuch rumgetragen habe, also konnte ich genauso gut was Produktives machen.«

Verdammt. Das musste echt hart sein. Sie konnte sich nicht mal hinlegen, wann sie wollte.

»Geh und iss was«, befahl sie. »Du hast nicht viel Zeit.« Mit gerunzelter Stirn deutete sie in die Küche. »Wir können darüber reden, was gerade eben und gestern Abend passiert ist, aber mir ist es genauso recht, wenn wir es einfach unter den Teppich kehren.«

Seine Kinnlade klappte herunter.

Sie hob eine Braue. »Deswegen benimmst du dich doch so komisch.«

»Klar, das hat nichts mit der weinenden Mutter zu tun, die mir gerade die Tür aufgemacht hat. Weinende Frauen sind nicht mein Spezialgebiet. Ich verhandle lieber mit Geiselnehmern, als eine weinende Frau beruhigen zu müssen.« Er erwiderte ihren Blick – genauso frech, ungeduldig, aber auch etwas angespannt.

Ihre müden Augen wurden groß, doch sie grinste schief. »Du willst mir allen Ernstes erzählen, dass du lieber mit Terroristen verhandelst, die drohen, eine Bank in die Luft zu jagen, als einer traurigen, erschöpften Frau etwas Mitgefühl zu zeigen?« Das Funkeln in ihren Augen verriet ihm, dass sie ihn aufzog – größtenteils –, aber ihr Blick enthielt auch eine gewisse Herausforderung.

»Habe ich dir gerade kein Mitgefühl gezeigt?«, fragte er und deutete zurück in den Flur. »Ich finde, ich habe dir sogar eine ganze Menge Mitgefühl entgegengebracht. Ich finde, ich habe dich regelrecht mit Mitgefühl überschüttet.«

Ihre Lippen zuckten, und ihr Blick wurde sanfter. »Das hast du. Danke.«

Grummelnd nickte er. »Und ob ich das habe.«

Mit einem Lächeln sah sie auf Ike hinab. »Geh schon essen, Mr Mitgefühl.«

Er sah sie vielsagend an, bevor er fragte: »Willst du auch eine Schüssel?«

Ohne den Blick von ihrem Sohn zu lösen, nickte sie. »Ja, bitte.«

***

Lauren aß ihre Portion Chili im Sessel, während sie Ike stillte, vorsichtig darauf bedacht, nichts auf seinen Kopf zu kleckern. Es war wirklich eine Kunstform, über dem Kopf seines Babys zu essen, ohne etwas fallen zu lassen. Leider konnte sie nicht behaupten, dass das noch nie vorgekommen war, aber zumindest hatte sie ihm noch nie etwas Heißes auf den Kopf getropft – bisher zumindest. Nur ein Stück Salatblatt von einem Truthahnsandwich, ein paar Muffinkrümel und ein Stückchen Banane, das sich von der Schale gelöst hatte und dem schlafenden Ike auf den Kopf gefallen war. Er war nicht mal davon aufgewacht, würde sie ihm also nicht eines Tages von dem Vorfall erzählen, würde er nie wissen, dass er mal eine Kopfnuss von einer frechen Banane bekommen hatte.

»Also«, begann Isaac, der ihr gegenüber auf dem Sofa saß, entspannt zurückgelehnt und einen Knöchel über das Knie gelegt. »Lass uns darüber reden, was gestern und vorhin passiert ist.«

Lauren verdrehte stöhnend die Augen.

Natürlich wollte er über ihren Kuss sprechen. Nein, falsch – Küsse.

»Du hast mich gestern Abend geküsst«, sagte sie kauend.

»Und du hast mich heute geküsst.«

Stimmt.

Das hatte sie.

Und sie hatte jede verdammte Sekunde genossen.

Sie wollte dazu ansetzen, etwas zu sagen, doch er hielt sie mit einem erhobenen Finger davon ab. »Lass uns mal kurz hypothetisch über die Situation sprechen, okay?«

Mit einem Schulterzucken überließ sie ihm das Wort.

»Gehen wir mal davon aus, wir geben dieser brennenden animalischen Anziehung zwischen uns statt.«

Sie schnaubte und verdrehte wieder die Augen, was ihn zum Lachen brachte.

»Gib’s zu, brennend und animalisch trifft es perfekt«, sagte er mit einem breiten Grinsen. »Das kannst du nicht leugnen. Deine Wangen sind gerade rot wie Tomaten.«

Ihre verfluchte Blässe! Sie war so leicht zu durchschauen wie ein Glashaus.

»Es gibt eine gewisse Anziehungskraft, das gebe ich zu«, erwiderte sie kokett.

»Es ist mehr als das. Du hast selbst gesagt, ich sei Sex am Stiel. So ein Kompliment vergisst man nicht. Ich habe tatsächlich schon überlegt, ob ich es mir auf ein Sofakissen sticken lasse.«

»Ich würde einiges dafür zahlen, überhaupt ein besticktes Kissen in deiner Wohnung zu sehen.«

Auf irritierend anzügliche Art hob er eine Braue. »Tatsächlich?«

Plötzlich war sie sich da nicht mehr so sicher. Hatte er irgendeinen merkwürdigen Fetisch für bestickte Kissen und bunkerte heimlich Dutzende davon bei sich zu Hause?

Im Prinzip wusste sie ja nicht viel über ihn. Abgesehen davon, dass er wundervoll war, klug, süß, sexy und … ein Cop. Den letzten Teil durfte sie auf keinen Fall vergessen.

»Aber zurück zu deinem unstillbaren Verlangen danach, mich ins Bett zu zerren«, sagte er, bevor er sich einen weiteren Löffel Chili in den Mund schob. »Ich weiß, du bist der Meinung, dass du verflucht bist und deswegen nicht mit einem Polizisten ausgehen kannst, aber was, wenn ich dir sage, dass ich auch verflucht bin, dass ich nur überleben kann, wenn ich mit einer Frau zusammen bin, die nicht mit Cops ausgehen darf?«

Oh, er war ein gerissener Fuchs.

Sein Lächeln war genauso durchtrieben wie der Rest von ihm. »Hmm?«

Sie brummte. »Okay, nehmen wir mal an, nur für eine Sekunde, dass wir dieser Sache – was auch immer das ist – eine Chance geben. Ich erhole mich immer noch von der Geburt. Ich bin alleinerziehende Mutter. Ich bin abgewrackt und launisch und leide unter chronischem Schlafmangel. Willst du dir das wirklich antun? Ich meine, momentan sind wir zwar Freunde, aber du bist nicht festgelegt. Du kannst jederzeit gehen. Aber wenn wir etwas miteinander anfangen …«

Ein Ausdruck, den sie nicht zuordnen konnte, legte sich wie ein Schatten über sein Gesicht. Er stellte seine noch halb volle Schüssel auf den Couchtisch und beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt.

Ein undefinierbares Beben ging durch ihren Körper.

»Erstens, du bist nicht abgewrackt. Sag das nie wieder. Und zweitens, wer behauptet, dass ich mich nicht festgelegt habe? Nur weil ich meinen Schwanz nicht bei der erstbesten Gelegenheit in dich schiebe, heißt das doch nicht, dass ich es nicht ernst meine. Ich mag Ike. Und ich mag dich. Kann man sich nicht auch in einer Freundschaft festlegen? Und drittens, ich muss nicht gleich morgen mit dir schlafen. Wir können das so langsam angehen, wie du willst. Das habe ich doch schon gesagt. Ich habe den Eindruck, du suchst einfach nur nach Ausreden, weil du Angst hast.«

Ihr Mund klappte auf. Da hatte sie sich bereit erklärt, über ihre Küsse zu reden, obwohl sie die ganze Sache viel lieber ignoriert hätte, und jetzt zog Isaac dieses total ernste Psychogelaber aus seinem durchtrainierten Hintern.

Ike ließ von ihrer Brust ab, also stellte sie ihr Chili weg und hob ihn für ein Bäuerchen über die Schulter.

Isaac ließ sie nicht aus den Augen. Sie war sich nicht mal sicher, ob er geblinzelt hatte.

»Gib es zu, Lauren«, sagte er mit einer Schärfe in der Stimme, die sie merkwürdig erregend fand. »Du hast Angst.«

Knurrend begann sie, Ike auf den Rücken zu klopfen. »Natürlich habe ich Angst. Mein Dad war ein Cop. Er ist gestorben. Mein Großvater war ein Cop. Er ist gestorben. Der Mann meiner Cousine zweiten Grades war ein Cop. Er ist gestorben. Die Frauen in meiner Familie sind verflucht. Heirate einen Cop, und er stirbt.«

Mit einem Schulterzucken lehnte er sich wieder zurück und aß sein Chili weiter. »Dann heiraten wir eben nicht. Wir führen einfach ein wunderbares Leben in Sünde und haben eine ganze Horde unehelicher Kinder. Viele Leute machen das heutzutage, und niemand stört sich daran. Es ist längst kein Skandal mehr.«

»Du hast einfach auf alles eine Antwort, oder?«

Er nickte selbstbewusst. »Wir tun es. Wir geben dieser Sache eine Chance. Wir gehen es langsam an, du gibst das Tempo vor, aber ab diesem Moment bist du, Lauren C. Green, meine feste Freundin, und ich bin dein unglaublich attraktiver, gut bestückter, geduldiger Freund.«

Ihre Körpertemperatur schnellte in die Höhe, und ihr Herz begann heftig zu pochen. Konnte Ike es hören? Konnte Isaac es hören? Das Atmen fiel ihr auch immer schwerer.

»Beruhig dich«, sagte er mit einer beschwichtigenden Geste. »Ich kann sehen, dass du kurz vor einer Panikattacke stehst.«

Panikattacke? Nicht ganz.

Ihr Körper reagierte nur auf Isaacs Worte – auf seinen autoritären Tonfall und die Tatsache, dass er einfach bestimmt hatte, dass sie jetzt ein Paar waren.

Sie schluckte den Speichel runter, der sich in ihrem Mund gesammelt hatte, und nahm ein paar tiefe, stärkende Atemzüge.

»Wir gehen es langsam an«, wiederholte er. »Du gibst das Tempo vor.«

Das war eine ganz schlechte Idee. Müsste sie sich nicht noch von der Geburt erholen, wären sie inzwischen schon mehrfach miteinander im Bett gewesen. Ihre Geschwindigkeit war Lichtgeschwindigkeit. Oder zumindest hätte sie das gern.

»Jetzt werde ich mir noch mehr Sorgen machen als sowieso schon, wenn du arbeiten gehst«, sagte sie leise. Nicht nur die Erregung hatte ihre Temperatur ansteigen lassen. Sie machte sich wirklich Sorgen um ihn. Er setzte bei jeder Schicht sein Leben aufs Spiel. Und das war ebenso bewundernswert und nobel wie erschreckend.

Er presste die Lippen zusammen und senkte kurz den Blick. In dem Moment machte Ike sein Bäuerchen. Sie nahm ihn von der Schulter, stand auf und legte ihn tief schlafend in seine Wippe. Sie hielt den Atem an. Würde er aufwachen, kaum, dass sie ihn losgelassen hatte? Bisher hatte er das jedes Mal getan, wenn sie es heute versucht hatte. Der Kleine hatte sie einfach nicht aus den Augen lassen wollen. Er brauchte ständigen Körperkontakt, doch auch wenn sie ihr Baby abgöttisch liebte, brauchte sie hin und wieder ein bisschen Freiraum.

Wie ein Bombenentschärfer, der gerade das richtige Kabel durchtrennt hatte, warf sie triumphierend die Hände in die Luft und wich zurück, nur um einen Augenblick später von Isaac gefangen und auf seinen Schoß gezogen zu werden.

Mit seinen großen Händen auf ihrem Rücken hielt er sie fest. Der Ausdruck in seinen Augen war dunkel, ernst und unglaublich erregend. »Mein Job ist gefährlich. Aber wenn du wirklich bereit bist, wenn wir unserer Beziehung wirklich eine Chance geben, dann werde ich extra vorsichtig sein. Ich weiß, dass du an den Fluch glaubst. Aber irgendwann wird jeder Fluch gebrochen, richtig?« Er lehnte seine Stirn an ihre, bis ihre Nasenspitzen sich berührten.

Tränen brannten in ihren Augen, doch sie nickte. »Okay. Ich bin dabei.«

Das Lächeln, mit dem er sie jetzt ansah, war jungenhaft und sexy und raubte ihr sprichwörtlich den Atem. »Gut.«

Sie war sich sicher gewesen, dass er ihren Deal mit einem weiteren seiner unglaublichen Küsse besiegeln würde, doch das tat er nicht. Stattdessen nahm er ihre Hand, half ihr auf die Füße und führte sie den Flur hinunter.

»Isaac, ich kann nicht …« Hatte er nicht gesagt, sie dürfte die Geschwindigkeit vorgeben? Hatte er gelogen? Wollte er die Sache noch schnell erledigen, bevor er in die Arbeit musste?

Ja, ihre Lieblingsgeschwindigkeit war Turbo, aber nicht diese Art von Turbo.

Er drehte sich nicht mal zu ihr um, zog sie einfach weiter bis in ihr Schlafzimmer. Das Bett war nicht gemacht, der Wäschekorb quoll über. Nicht unbedingt ein Schlafzimmer, das schrie: Nimm mich jetzt, du Hengst. Nicht, dass sie das wollte – na ja, schon, aber es ging eben nicht.

Gott, das war alles so verwirrend.

Doch er führte sie am Bett vorbei und knipste das Licht im Badezimmer an. »Geh und nimm eine schöne, lange, heiße Dusche. Ich passe so lange auf Ike auf. Noch habe ich etwas Zeit, bis ich zur Arbeit muss. Nimm dir diese Zeit für dich, um dich wieder zu sammeln. Ike und ich kommen schon klar.«

Okay, jetzt wollte sie ihn wirklich auf ihr Bett werfen und über ihn herfallen, bis der Arzt kam.

Stattdessen gewannen ihre Hormone, die Erschöpfung und ein überwältigender Ansturm von Emotionen die Oberhand, und sie brach erneut in Tränen aus.

Isaac legte eine Hand auf ihren Rücken und zog sie an sich. Ohne zu zögern, drängte sie sich in seine Wärme, seine Stärke, schmiegte ihr Gesicht an seine breite Brust und atmete diesen unglaublich frischen, männlichen Duft ein.

Er rieb ihr über den Rücken. »Diese Tränen sind doch nicht meine Schuld, oder?«

Sie schüttelte den Kopf, ohne ihn von seiner Brust zu heben. All die Emotionen schnürten ihr die Kehle zu, sodass ihre Worte als Krächzen herauskamen. »Nein. Und ja. Ich bin einfach … so müde. Aber auch so dankbar, dass es dich gibt.«

Er drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel, wie er es bereits zuvor getan hatte, und ein Summen breitete sich in ihrem ganzen Körper aus. »Ich bin jetzt dein Freund, Baby, dein Partner. Ich kümmere mich um dich.«

Trotz der Tränen musste sie lachen und löste sich weit genug von ihm, um zu ihm aufsehen zu können. »Du bist mein Freund.«

Er nickte mit einem sexy Grinsen auf den Lippen. »Ganz genau. Jetzt geh schon duschen, du müffelst nämlich.« Mit übertrieben gerümpfter Nase ließ er sie los, gab ihr einen Klaps auf den Po und schob sie einfach ins Bad. »Ich bespreche derweil mit Ike, ob es okay für ihn ist, wenn ich mit seiner Mom ausgehe. Aber ich glaube, er hat kein Problem damit. Der Kleine liebt mich.«

Das tat er. Und auch seine Mutter fühlte das erste Prickeln der Liebe.

Mit dem T-Shirt, das sie sich gerade über den Kopf zog, wischte sie sich die letzten Tränen aus dem Gesicht. »Wag es ja nicht, ihn aufzuwecken«, rief sie ihm nach, überrascht von dem gigantischen Grinsen, das ihr aus dem Spiegel entgegensah.