»Wir werden ihre Handydaten, ihre Kontenbewegungen und so weiter überprüfen. Ehrlich gesagt ist das Beste, was Sie jetzt tun können, Mr und Mrs Sweeney, nach Hause zu fahren und sich ein wenig auszuruhen. Wenn alles gut geht, wird Nell nach einer viertägigen Kneipentour oder so wieder zurückkehren. Aber selbst wenn nicht, kann ich Ihnen versichern, dass wir am Ball bleiben. Wir sehen uns das sehr genau an.« DS King spricht. Ich nicke, höre die Worte, kann aber nicht ganz glauben, dass sie real sind. An mich gerichtet. Dass sie meine Tochter betreffen.
Meine Angst muss mir anzusehen sein, denn DS King ergreift meine Hand. »Mrs Sweeney, ich weiß, dass es beängstigend ist und schwer, nicht an das Schlimmste zu denken, doch vergessen Sie nicht, dass Nell erwachsen ist. Es besteht immer noch die Chance, dass sie freiwillig weg ist. Manchmal brauchen Leute ein wenig Raum für sich.«
Ich schüttle den Kopf. »Nicht Nell. Das würde sie nicht tun. Sie würde wissen, dass wir uns Sorgen machen.«
Sie sieht mich mitfühlend an, und ich frage mich, wie viele andere Eltern ihr schon erzählt haben, sie wüssten es, wenn ihr Kind unglücklich wäre, jedoch in Wahrheit keine Ahnung haben, was für ein Mensch ihr Kind ist.
»Wir werden Ihnen in Kürze eine Vertrauensbeamtin zuteilen, die Sie unterstützt und als Verbindung zwischen Ihnen und uns Ermittlern fungiert. Aber ehrlich, an Ihrer Stelle würde ich versuchen, ein bisschen zu schlafen.«
Stephen stößt ein kurzes Lachen aus, das schnell zu einem Schluchzen wird. »Wie in aller Welt sollen wir denn schlafen? Unsere Tochter wird vermisst. Unsere Tochter, die niemals etwas so Unbedachtes tun würde. Ich habe nicht vor, mich hinzulegen. Ich fahre herum und suche nach ihr.«
»Stephen«, sage ich flehend. Er sieht müde, blass und kaputt aus. Er ist nicht in der Verfassung, irgendwo hinzufahren, geschweige denn kreuz und quer durch die Stadt, während er sich in Rage grübelt. »Es nützt doch nichts. Sie wird nicht irgendwo draußen herumwandern. Schließlich ist sie keine sechzehn mehr. Du wirst sie nicht mit ihren Freundinnen und einer Flasche Cider oben auf der Stadtmauer finden. Es wäre wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Versuchen wir es noch mal bei ihren Freunden. Und ruhen uns aus. Morgen können wir mehr für sie tun.«
Er steht auf. Die Autoschlüssel klimpern in seiner Tasche, und er sieht mich wütend an. »Du magst dich auf deinen Lorbeeren ja ausruhen können, aber ich kann nicht herumsitzen und nichts tun. DS King, wenn es okay für Sie ist, fahre ich jetzt meine Tochter suchen.«
»Wir raten davon ab«, sagt DS King sanft, aber entschieden.
»Alles klar. Ich fahre trotzdem«, erwidert er schroff. Abfällig. Ich möchte mich für seine Unhöflichkeit entschuldigen, wage es jedoch nicht. Wenn Stephen sich zu etwas entschlossen hat, ist es sinnlos, mit ihm zu diskutieren. Resigniert und peinlich berührt von seinem Benehmen, sehe ich zu, wie er sich an dem großen Polizisten – DC Black, der das Bild genommen hatte – vorbei und aus der Tür drängt. Wieder blicke ich zu ihrem wunderschönen Gesicht. Dem strahlenden Lächeln. Dem blauen Himmel hinter ihr. Sie hatte den Urlaub geliebt und gesagt, er wäre »der beste aller Zeiten« gewesen. Ich hatte ihr ein bisschen Geld zugesteckt, bevor sie abgereist ist, und sie hat wunderbar gearbeitete Keramikohrringe als Dank mitgebracht. Unwillkürlich hebe ich die Hand an meine Ohren, rechne halbwegs damit, dass sie dort sind.
Aber sie sind weg, genau wie Nell. Das fühlt sich wie ein schreckliches Omen an, und Panik droht mich zu ersticken. Ich kann nicht atmen. Ich kann tatsächlich nicht atmen. Und ich will nicht. Ich will mich zusammenrollen und selbst verschwinden oder aufwachen und feststellen, dass dies alles ein Albtraum war. Wie viele Menschen, die durch die Hölle gehen, haben diese Hoffnung – dass es bloß ein böser Traum ist? Aber wäre es nur ein schlimmer Traum, könnte ich Luft holen. Ich würde den Schmerz in meiner Brust, tief in mir, nicht spüren. Ich hätte keine solche Angst. Es gäbe irgendein Detail, das ein bisschen verkehrt, ein bisschen bizarr wäre und mir verriete, dass dies hier nicht real ist. Aber hier ist nichts bizarr. Entsetzlich? Ja. Vieles ist entsetzlich, doch ich weiß genau, dass es allzu real ist.
Ich höre eine Stimme, Clodaghs, durch den Nebel – blende meinen Herzschlag aus, das erste Geräusch, das Nell gehört hatte. »Mrs Sweeney, es ist okay. Das ist eine Panikattacke. Ihnen passiert nichts. Sie können atmen. Hören Sie mir zu. Konzentrieren Sie sich auf mich.«
Ihr Gesicht ist verschwommen. Sie ist jung und schön, genau wie meine Tochter, und sie leitet mich an, meine Atmung zu verlangsamen. »So ist es gut, durch die Nase ein, auf eins, zwei, drei und vier, dann langsam durch den Mund aus auf fünf, sechs, sieben und acht.«
Ich tue, was sie sagt, während sie mir versichert, dass mir nichts passiert. Und die ganze Zeit schmerzt mein Herz, weil ich nicht weiß, ob das auch für meine Tochter gilt.